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Krank durch Vorsorge

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Academic year: 2022

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ARS MEDICI 9 2009

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Keine Frage, die Idee der sogenannten Krebsvor- sorge ist auf den ersten Blick von bestechender Plausibilität: Wird ein Tumor im Frühstadium entdeckt, kann rechtzeitig eine Therapie eingelei- tet werden, günstigstenfalls mit dem Ergebnis einer echten Heilung. Das gewiss wäre ein Triumph, liesse sich doch so dem vorzeitigen Tod ein Schnippchen schlagen. Nur leider ist es oft nicht so einfach. Das PSA-Screening zur Früh erken - nung des Prostatakarzinoms zeigt das besonders eindrücklich. Es erweist sich ja auch als effektiv:

Dort, wo das Screening breit genutzt wird, wird viel häufiger ein Prostatakarzinom entdeckt. In den USA beispielsweise hat sich das Lebens - zeitrisiko, an Prostatakrebs zu erkranken, von

8 Prozent Mitte der Achtzigerjahre auf nunmehr 17 Prozent verdoppelt. Doch was sagt das schon?

Ein Nutzen wäre erst dann gegeben, wenn dank Früherkennung tatsächlich weniger Männer an diesem Krebs sterben müssten. Genau diesen Nach - weis hat eine grosse europäische Studie (ERSPC) nun erbracht, eine gleichzeitig publizierte ame - rikanische Studie (PLCO) verlief jedoch negativ (siehe S. 364). Eine alte Erkenntnis bestätigen beide Untersuchungen: Der mutmasslich geringe Nutzen wird durch eine beträchtliche Zahl an Überdiagnosen (und Übertherapien) erkauft – durch das Screening entdeckte Krebse, die ohne Früh - erkennung klinisch nie auffällig geworden wären.

Wer will, mag dafür auch eine paradoxe Formu- lierung wählen: Vorsorge kann unter Umständen überhaupt erst Krankheit schaffen. Gerade beim Prostatakrebs gilt, dass viele Männer mit einem Prostatakrebs sterben, aber nicht an ihm. Auch ohne Screening beträgt die Wahrscheinlichkeit für einen 50-jährigen Mann, irgendwann an einem Prostatakarzinom zu sterben, etwa 3 Prozent.

Nicht beantwortet ist die Frage, ob sich durch das PSA-Screening überhaupt Menschenleben retten lassen. Auch die beiden aktuellen Grossstudien brachten bei Weitem nicht die nötige statistische Power auf, um Aussagen zur Gesamtsterblichkeit

machen zu können. Jüngst in «Lancet Oncology»

(2009; 10: 294–298) publizierte Berechnungen kom- men zu dem Schluss, dass dafür eine Studie mit etwa 3,5 Millionen Teilnehmern nötig wäre. Man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass eine solche Studie nie stattfinden wird. Was also tun? Die Entscheidung für oder wider ein PSA-Screening bleibt letztlich dem Patienten selbst überlassen – und zwar nach ausführlicher ärztlicher Aufklärung über Nutzen und Risiken!

Der Patient hat ein Recht auf Wissen, aber auch eines auf Nichtwissen. Nach Lage der Dinge be- steht keine Notwendigkeit, den Patienten aus- drücklich vom PSA-Test abzuraten, aber es gibt auch weiterhin keinen Grund, Männer «massen- haft mit PSA-Tests zu terrorisieren», wie der Ber- ner Urologe Professor Urs Studer im vergangenen Jahr mahnte.

Uwe Beise

E d i t o r i a l

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