• Keine Ergebnisse gefunden

KOOPERATION IST WICHTIG

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "KOOPERATION IST WICHTIG"

Copied!
22
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

zukunft forschung 02/20

22 Fotos: Martin Mischkulnig

STANDORT

KOOPERATION IST WICHTIG

„Wenn man in Europa produzieren will, muss man in irgendeiner Art technologisch führend sein“, ist Georg Comploj, ehemaliger Geschäftsführer der Holding Getzner, Mutter & Cie, überzeugt. Mit ein Grund,

warum Getzner auf enge Zusammenarbeit mit Universitäten setzt – auch mit der Universität Innsbruck.

ZUKUNFT: Die Getzner-Gruppe verfügt mit Textil und Werkstoffe über zwei un- terschiedliche Standbeine – wie kam es dazu?

GEORG COMPLOJ: Das waren unsere Vor- fahren, die in den 1970ern festgestellt haben, dass man mit Textil langfristig unter Umständen nicht weiterkommt. Sie schauten sich dann um, was denn anderes möglich wäre. Ein Familienmitglied stu- dierte damals in München, promovierte dort auch und hat mit Siemens eine doch, glaube ich, bahnbrechende Entwicklung vorangetrieben, die sich mit Isolierung von Körperschall beschäftigte. Das haben wir dann – anfänglich mit vielen Mühen – aufgebaut, heute ist es ein erfolgreiches Produkt, mit dem wir doch weitgehend Alleinstellungsmerkmale haben.

ZUKUNFT: Wurde dies in Eigenregie oder in Kooperation mit Forschungseinrich- tungen aufgebaut?

COMPLOJ: Die neue Idee wurde in sehr en- ger Zusammenarbeit mit der Technischen Universität in München umgesetzt.

ZUKUNFT: Wie angesprochen hat die Kri- se der Textilindustrie in den 1970er bis 2000er Jahren Vorarlberg stark betroffen.

Mit welchen Strategien konnte sich Getz- ner behaupten?

COMPLOJ: In meiner Berufsphase gab es – ohne Corona – mehrere Krisen. Als ich 1979 zur Firma gekommen bin, war schon Krise angesagt – Redimensionieren, Neu- organisieren, Produktportfolio ändern, alle diese Themen. Ich bin damit aufge- wachsen und bin von der Ausbildung her vorbelastet – ich habe in Zürich an der ETH Maschinenbau studiert. Ich konnte dort in einigen Fächern den Stand der Technik erfahren, das hat mich fasziniert.

Daher war mir sehr früh klar, dass wir nur bestehen können, wenn wir techno- logisch vorne mit dabei sind. Das hat sich offensichtlich bewährt.

ZUKUNFT: Sie sprachen von mehreren Kri- sen…

COMPLOJ: Wir haben rückblickend die SARS-Pandemie 2002/03 gespürt, die weltweit dazu geführt hat, dass von ei- nem Tag auf den anderen keine Aufträge mehr gekommen sind. Dann natürlich die Weltwirtschaftskrise 2008/09 – das hat sich wiederholt. Ich habe versucht, stra- tegisch dagegenzuhalten und möglichst

Technologie zu forcieren. Das ist nicht im- mer auf Verständnis gestoßen. Wir haben aber auch in schlechten Zeiten in unsere Produktionsanlagen investiert, um eben diesen Produktivitätsvorteil zu nutzen und vorne mitzuspielen. In unserer Bran- che – das waren damals Berufskleidung und Hemdenstoffe – ist es uns gelungen, GEORG COMPLOJ: „Das Institut für Textilchemie und Textilphysik und das COMET- Projekt sind Vorzeigeprojekte, die zeigen, dass man – auch wenn man nicht direkt Universitätsstadt ist – sehr eng mit Universitäten kooperieren kann.“

(2)

zukunft forschung 02/20 23

STANDORT

internationale Standards zu schaffen. Ich bin nach wie vor der Meinung: Wenn man in Europa produzieren will, muss man in irgendeiner Art technologisch führend sein. Das geht nur in enger Zusammen- arbeit mit universitären Einrichtungen.

ZUKUNFT: Getzner ist führend in der Her- stellung von afrikanischem Bekleidungs- damast, was man nicht unbedingt mit einem Produktionsstandort in Vorarlberg verbindet – war das Zufall?

COMPLOJ: Auch durch eine dieser Krisen, genau da, als ich zur Firma kam. Wir wa- ren früher schwerpunktmäßig Hersteller von hochwertiger Damastbettwäsche.

Durch irgendeinen Zufall haben wir ent- deckt, dass die Moslems in Westafrika Bekleidung tragen, die dieser Damast- bettwäsche sehr ähnlich sieht. Es ist eine sehr alte Tradition mit eher bunten, stark gemusterten hochwertigen Bekleidun- gen. Für einen Boubou, der von Männern getragen wird, braucht man etwa zehn Meter. Wir hatten ein volles Lager und haben versucht, es dort abzusetzen – und das ging reibungslos. Es war von Anfang an ein interessantes Geschäft und wir lernten, die Wünsche dieser Kunden zu erfüllen und haben dafür Technologien entwickelt, die in der Literatur nicht be- kannt sind. Das ist ein Geheimnis, sehr hilfreich war dafür die Universität Inns- bruck mit ihrem Institut für Textilchemie und Textilphysik in Dornbirn. Wir haben sehr viel gemeinsame Entwicklungsarbeit gemacht und das Produkt zu industrieller Größe geführt. Und offensichtlich haben wir das Richtige gemacht.

ZUKUNFT: Mit den Textil-Sparten Mobility und Technische Textilien haben sie weite- re forschungsintensive Bereiche…

COMPLOJ: Auch hier kooperieren wir sehr eng mit dem Institut für Textilchemie und Textilphysik.

ZUKUNFT: Wie wichtig ist für die Vorarl- berger Textilindustrie generell die Anbin- dung an Forschungseinrichtungen wie das Institut für Textilchemie und Textil- physik der Universität Innsbruck oder das COMET-Center „Textile Competence Centre Vorarlberg“?

COMPLOJ: Wir halten es für sehr wichtig, wir haben beim Aufbau der beiden Ein- richtungen intensiv mitgewirkt. Meine Vorgänger haben den sogenannten Tex- tilverein gegründet, er ist deckungsgleich mit den Mitgliedern der Fachgruppe

„Textil Bekleidung“ in der Vorarlberger

Wirtschaftskammer. Dieser Verein sam- melt Forschungsgelder, mit dem wir uns an Projekten beteiligen, die unseren Inte- ressen entgegenkommen. Wir dokumen- tieren damit, dass es im Sinne der Vorarl- berger Textilindustrie ist, somit ist es ein- facher, entsprechende weitere Geldmittel zu lukrieren. Es spielen alle Vorarlberger Textiler mit, natürlich mit unterschied- lichem Nutzen und Einsatz – die einen weniger intensiv, die anderen mehr, wir sehr intensiv, da wir sehen, dass ohne die- se universitäre Unterstützung eine Tech- nologieentwicklung extrem schwierig ist.

ZUKUNFT: Gibt es auch bei Getzner Werk- stoffe F&E-Anknüpfungspunkte an die Universität Innsbruck?

COMPLOJ: Die Herstellung dieser Produk- te ist reine Chemie, ihre Anwendung ist reine Physik. Insofern haben wir einen er- höhten Bedarf an Zusammenarbeit sowie an Physikern und Chemikern. Wir rekru- tieren viele Studierende von der Univer-

sität Innsbruck, sind aber auch stark mit der TU Graz und der Montanuniversität Leoben verbunden. Das sind unsere drei Anker in Österreich, von denen wir unser Know-how und Personal beziehen. Es bestehen aber auch darüber hinaus Ver- bindungen zu Universitäten – wenn man weltweit tätig ist, muss man auch welt- weit Kontakte knüpfen.

ZUKUNFT: Welchen Stellenwert nimmt ge- nerell F&E bei Getzner ein?

COMPLOJ: Das ist schwer quantifizierbar.

Tatsache ist, dass beide Tochterfirmen einen sehr hohen Aufwand betreiben.

Wenn ich zum Beispiel unser chemisches Labor anschaue – da ist alles vorhanden, was auch an einem Universitätsinstitut vorhanden ist. Wir sind in diesem Bereich sehr gut ausgerüstet, weil wir in beiden Sparten von einem überzeugt sind: Wenn wir hier produzieren und überleben wol- len, ist es nur mit Technologie möglich.

ZUKUNFT: Was erwartet sich die Vor- arlberger Industrie von der Universität Innsbruck?

COMPLOJ: Es gibt hier in Vorarlberg im- mer wieder die Diskussion, im Land eine Universität einzurichten. Das ist Nonsens, Vorarlberg braucht keine eigene Univer- sität. Wir versuchen aber natürlich, den Kontakt zu Universitäten zu intensivie- ren. Das Institut für Textilchemie und Tex- tilphysik und das COMET-Projekt sind da Vorzeigeprojekte, dass man – auch wenn man nicht direkt Universitätsstadt ist – sehr eng mit Universitäten kooperieren kann. Es entstehen auch weitere Koopera- tionen, natürlich mit Innsbruck, aber auch mit anderen – etwa mit der ETH Zürich oder der Hochschule St. Gallen. Das eine oder andere Thema versuchen wir in die Fachhochschule Dornbirn einzubringen.

Themen, die für uns lebensnotwendig sind. Nicht nur, weil wir uns schwer tun, Personal zu rekrutieren, sondern auch, weil wir zwingend eine wissenschaftliche Komponente im Land brauchen.

ZUKUNFT: Sie sind Mitglied des Förder- kreises der Universität Innsbruck. Was bedeutet das für Sie?

COMPLOJ: Die Anfrage hat uns sehr über- rascht, es war für uns auch ein Zeichen der Anerkennung. Nach kurzem Nach- denken haben wir zugesagt, das zu unter- stützen, weil wir hier im Land so gute Erfahrungen mit der Universität Inns- bruck haben und das auch nach außen dokumentieren wollen. ah GEORG COMPLOJ (*1951) studier-

te an der ETH Zürich Maschinenbau.

Anschließend arbeitete er fünf Jahre in Schweizer Industriebetrieben, danach war er Produktionsleiter, Vorstand und Vorstandsvorsitzender mit Verantwortung für Technik, Produktion, Entwicklung bei der Getzner Textil AG. Von 2013 bis 2019 war Georg Comploj Geschäftsführer der Holding Getzner, Mutter & Cie, die 1818 gegründet worden ist. Die 1980 aus der Holding ausgegliederte Getzner Textil AG ist ein international tätiger Textilhersteller mit Hauptsitz in Bludenz. Das Unter- nehmen mit knapp 1.700 Mitarbeitern zählt zu den größten Buntwebern der Welt. Die Getzner Werkstoffe GmbH, gegründet 1969 in Bürs, ist Spezialist für Schwingungsisolierung in den Bereichen Bahn, Bau und Industrie und beschäftigt weltweit 500 Mitarbeiter. Beide Unter- nehmen sind Teil der Holding Getzner, Mutter & Cie.

(3)

zukunft forschung 02/20

24 Fotos: Uni Innsbruck (2), Uni Innsbruck/Harald Ritsch (1)

P

flanzen geben große Mengen des Kohlenwasserstoffs Isopren an die Atmosphäre ab, die Hälfte davon stammt von tropischen Wäldern. Das entspricht etwa der jährlichen Emission von Methan auf der Erde. „Es wird ver- mutet, dass Bäume Isopren emittieren, um sich vor oxidativem Stress zu schüt- zen“, erläutert Armin Hansel vom Insti- tut für Ionenphysik und Angewandte Physik. Mit Wissenschaftlern aus Deutschland, Finnland und den USA hat er diese Wechselbeziehung von Atmo- sphäre und Pflanzenwelt näher unter- sucht. Anhand der gesammelten Daten konnte gezeigt werden, dass Bäume die für sie schädlichen Verbindungen in ihre Blätter aufnehmen und in die ungefähr- liche Verbindung Methylethylketon um- wandeln. Durch Analysen der Blätter im Helmholtz Zentrum München konnte ein Enzym identifiziert werden, das sehr wahrscheinlich für den Entgiftungspro- zess verantwortlich zeichnet. „Da dieses Enzym in Pflanzen weltweit vorkommt, gehen wir davon aus, dass dieser Pro- zess global von großer Bedeutung ist“, sagt Eva Canaval, Erstautorin der nun im Magazin Communications Earth & En- vironment erschienenen Arbeit.

PFLAN ZENSELBSTSCHUTZ

AUSFALLSICHERE QUANTENCOMPUTER

U

nehrliches Verhalten in der Finanz- industrie, wie Bilanzbetrug oder Insiderhandel, beschäftigen immer wieder die Öffentlichkeit. Hohe Kosten für Private und Unternehmen, aber auch für die Volkswirtschaft als Ganzes sind die Folge. Christoph Huber und Jürgen Huber vom Institut für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck haben nun in einem kontrollierten Experiment mit 415 Bankern und Finanzprofis sowie 270 Studierenden als Kontrollgruppe die Einstellungen zum Thema Ehrlichkeit in der Finanzindustrie untersucht. Dabei zeigte sich, dass für Fi- nanzexperten und leitende Bankmitarbei- ter die Situation, in der Entscheidungen getroffen werden, eine wichtige Rolle

spielt. „Sie verhalten sich ehrlicher in ei- nem Finanzkontext oder einer neutralen Situation und unehrlicher in einem ab- strakten Umfeld“, sagt Christoph Huber.

„Bei den Studierenden fanden die For- scher dagegen keine solchen Unterschiede – sie verhalten sich meist unehrlicher als die Banker.“ Die Wirtschaftsforscher zei- gen in ihrer Studie, dass unterschiedliche Situationen unterschiedliche soziale Nor- men hervorrufen. Dies kann das Entschei- dungsverhalten zumindest teilweise erklä- ren. „Weiters fürchten die Banker offenbar einen möglichen Reputationsverlust. Sie wollen vermeiden, als ‚unehrliche Bran- che‘ angesehen zu werden“, schildert Jür- gen Huber seine Schlussfolgerungen.

ETHISCHER ALS ERWARTET

Eine experimentelle Studie zeigt: Finanzexperten agieren im Rahmen ihrer Branche ehrlicher als in abstrakten Entscheidungssituationen.

Q

ubits, die Träger von Quanteninformation, sind anfällig für Fehler, die durch unerwünschte Wechsel- wirkungen mit der Umwelt verursacht werden. Diese Fehler häufen sich während einer Quanten- rechnung an, ihre Korrektur ist für den zuverlässigen Einsatz von Quantencomputern entscheidend. Ähnlich wie der klassische Computer benötigt auch der Quantencomputer eine funktionierende Fehlerkorrektur.

Inzwischen können Quantencomputer mit gewissen Rechenfehlern umgehen. Zusätzlich zu diesen Fehlern können jedoch auch Qubits ganz aus dem Quantenregister verloren gehen. Je nach Art des Quanten- computers kann dies auf den tatsächlichen Verlust von Teilchen zurückzuführen sein, oder darauf, dass Quantenteilchen in unerwünschte Energiezustände übergehen. Ein Team rund um Rainer Blatt vom Institut für Experimentalphysik hat in Zusammenarbeit mit Physikern in Deutschland und Italien fortgeschrittene Methoden entwickelt und implementiert, die es ihrem Ionenfallen-Quantencomputer erlauben, sich in Echtzeit an den Verlust von Qubits anzupassen und den Schutz der fragilen Quanteninformation aufrecht- zuerhalten. Das Konzept wurde von der Theorie-Gruppe um Markus Müller an der RWTH Aachen und dem Forschungszentrum Jülich in Zusammenarbeit mit Davide Vodola von der Universität Bologna entwickelt.

KURZMELDUNGEN

WIRTSCHAFTSFORSCHER Christoph und Jürgen Huber (v. li.)

(4)

zukunft forschung 02/20 25

Für eine Universität als Ort der Freiheit aller, wo relevanten Zukunftsfragen

nachgegangen wird

Stiften Sie Relevanz*

www.stiftung-universitaet-innsbruck.at

Inserat 210x80 Forschungsmagazin Stiftung 2020.indd 1

Inserat 210x80 Forschungsmagazin Stiftung 2020.indd 1 21.10.20 09:4221.10.20 09:42

(5)

zukunft forschung 02/20 26

PHYSIK

ROLAND WESTER untersucht elementare chemische Reaktionen, wie sie z.B. in interstellaren Molekülwolken ablaufen.

Foto: Andreas Friedle; Grafik: Tim Michaelsen

(6)

zukunft forschung 02/20 27

W

asserstoff (H) ist das häufigste Element im Universum, mit der Bildung eines Wasserstoffmole- küls (H2) – Hauptbestandteil von inter- stellaren Gaswolken – beginnt die Che- mie des Weltalls. Kosmische Strahlung kann Wasserstoffmoleküle ionisieren, es bilden sich Wasserstoff-Molekül ionen (H2+). Diese Ionen können nun wieder mit Wasserstoffmolekülen reagieren.

„Diese Reaktion von H2+ und H2 ist ei- ne der häufigsten Reaktionen in kalten interstellaren Gaswolken“, erläutert der Physiker Roland Wester, „seit rund 100 Jahren kennt man auch das Ergebnis. Es bildet sich H3+ und ein Wasserstoffatom.“

Was aber im Detail dabei passiert, welche Molekülschwingungen angeregt werden, wie viel Energie in Bewegung übergeht etc. ist bis dato unbekannt – es fehlt ein- fach die experimentelle Vorrichtung, um mit der dafür notwendigen Auflösung zu messen. Roland Wester will dies nun än- dern. In seinem Labor am Institut für Io- nenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck soll eine Messap- paratur aufgebaut werden, mit der diese und andere Ionen-Molekül-Reaktionen exakt beobachtet werden können. So ex- akt, dass Westers Team dabei auch Effek- te der Quantenmechanik messen will.

Bei chemischen Reaktionen entstehen aus den Ausgangsstoffen neue Stoffe mit neuen Eigenschaften, nur durch das Ver- ständnis ihrer Abläufe kann man etwa die Herstellung von Kunststoffen und Medikamenten verbessern. „Wie solche chemische Reaktionen ablaufen, unter- sucht man daher seit mehr als 50 Jah- ren“, berichtet Wester. Mit immer wieder neuen Techniken wurden Moleküle be- obachtet, wie sie im Vakuum miteinander wechselwirken. Eine davon hat Roland Wester entwickelt.

Der Forscher griff dabei auf spezielle Detektoren zurück, die Ende der 1990er- Jahre für Anwendungen in der Photo- physik und Photochemie gebaut wurden.

„Moleküle wurden mit Laserlicht beschos- sen, damit sie platzen. Mit den Detektoren

wurde gemessen, mit welcher Geschwin- digkeit und in welche Richtung Teilchen danach wegfliegen“, sagt Wester, der als Postdoc an der University of California Überlegungen anstellte, ob diese Methode auch bei Ionen-Molekül-Reaktionen an- wendbar wäre – die Umsetzung erfolgte in seiner Zeit an der Universität Freiburg.

„Wir waren die erste Gruppe, die damit angefangen hat“ erinnert er sich. Ebenso erinnert er sich an die Aussagen mancher Kollegen, dass das nie gelingen könne.

„Für einen Wissenschaftler auf der Suche nach einem Habilitationsthema und dem Wunsch nach einer Fixanstellung nicht ge- rade förderlich“, lacht er heute.

Erstmalige Beobachtung

Der Zweifel weckte aber auch den Ehr- geiz, zudem war er Warnung, „daher haben wir alles doppelt und dreifach ab- gesichert.“ Dem jungen Team gelang es schließlich, das Experiment erfolgreich aufzubauen (siehe Infobox) und die Aus- tauschreaktion von negativ geladenen Chlor-Atomen (Cl) mit Iodmethan-Mo- lekülen (CH3I) – es entsteht das Molekül CH3Cl und ein negativ geladenes Jod- Atom (I) – zu beobachten. Westers Team war es damit erstmals gelungen, die ato- mare Dynamik einer sogenannten nuk- leophilen Substitutionsreaktion genau zu beobachten.

2010 wechselte Wester an die Universi- tät Innsbruck und setzte hier seine Arbeit fort. „Im Laufe der letzten zehn Jahre sind die Experimente komplexer gewor- den. Wir haben mit größeren Molekülen gearbeitet, das Chlor durch andere Subs- tanzen ersetzt, das Ion zu einem Cluster vergrößert, die Kontrolle verbessert oder die Moleküle vor dem Experiment mit ei- nem Laser in Schwingung versetzt“, zählt Wester auf. Teilweise stieß man auch an

PHYSIK

GESCHWINDIGKEIT DER REAKTION

Im Frühjahr 2020 wurde der Physiker Roland Wester mit einem ERC Advanced Grant ausgezeichnet. In seinem Labor am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik lässt er Ionen auf Moleküle prallen und

will nun in diesen Ionen-Molekül-Reaktionen nach Effekten der Quantenmechanik suchen.

IN DER VON Roland Wester konstruier- ten Apparatur prallen zwei Gasströme bei einer Geschwindigkeit von typisch rund 1.000 Meter pro Sekunde aufeinander.

Neutrales Gas expandiert aus einem Druckbehälter durch ein kleines Loch ins Vakuum und bildet einen millimetergroßen Strahl. Richtung und Geschwindigkeit des ähnlich dünnen Ionenstrahls werden durch elektrische Felder eingestellt. Im rund einen Kubikmillimeter großen Kreuzungs- punkt treffen rund 100.000 Ionen auf Milliarden Teilchen. „Eines davon reagiert“, beschreibt Roland Wester den Vorgang.

Gemessen werden dann Geschwindigkeit und Flugrichtung der Reaktionsprodukte, aus den Messdaten von eingehenden und ausgehenden Teilchen lässt sich ableiten, was im Augenblick der Reaktion geschieht – ob sich beispielsweise Zwischenpro- dukte bilden oder die Reaktionspartner in Schwingung versetzt werden.

(7)

zukunft forschung 02/20

28 Foto: Andreas Friedle

PHYSIK

die Grenzen der Methode, etwa bei der Bildung von HCO+ in Reaktion mit H3+,

„ein Prozess, der im Universum wichtig ist, wenn es um die Molekülbildung in kalten Wolken geht.“ Und trotz der vielen neuen Erkenntnisse, die, so Wester, „viel- leicht auch in der chemischen Praxis ein- mal eine Rolle spielen werden“, stellte er sich die Frage, was denn der nächste gro- ße Schritt sein könnte. Das Ergebnis war der Antrag für den ERC Advanced Grant, der im Frühjahr 2020 genehmigt wurde.

„Wenn sich Atome bewegen, gehorchen sie den Regeln der Quantenmechanik. In den vielen chemischen Prozessen, die wir uns angeschaut haben, konnten wir das aber nicht auflösen – gerade in kleineren Systemen, wo die Bewegung nicht mehr klassisch ist, sondern die Quantenme- chanik nur noch gewisse Energiezustän- de – diskrete Energieniveaus – erlaubt.

Lasse ich etwa Moleküle schwingen, sind nur ganz diskrete Schwingungszustände energetisch erlaubt. Das heißt, lasse ich in der chemischen Reaktion Energie frei wer- den, muss ich eigentlich fragen: ‚Wie viele Quanten Energie habe ich in dem Mo- lekül, das ich erzeuge?‘ Um das messen zu können, muss ich diese Quanten auf- lösen. Das ist – wenn ich ein Molekül mit fünf, sechs Atomen habe und daher viele Quantenzustände möglich sind – extrem schwierig“, beschreibt er das Problem, das er nun mit einer neuen Apparatur lösen will. Mit ihr soll – für elementare Reaktio- nen aus drei bis vier Atomen – die Auf- lösung so gut sein, dass die quantenme- chanischen Energiezustände sichtbar wer- den, dass die Geschwindigkeit, mit der

Teilchen nach der chemischen Reaktion

„wegfliegen“, so genau gemessen wird, dass sie keine breite Kurve mehr ist, son- dern diskret – mit scharfen Linien – wird.

Roland Wester: „Das wäre ein Novum.“

Das Team verfolgt dabei zwei Ansätze.

Nummer 1 verlangt eine größere Appara- tur. Um besser messen zu können, soll die Wiederholfrequenz von 20 auf 200 mal pro Sekunde gesteigert werden. Dies verlangt

eine größere Gasmenge, folglich auch größere Vakuumpumpen. Von Ansatz 1 erwartet sich Wester eine Verbesserung um „Faktor fünf, vielleicht zehn“. Der – ambitionierte – Ansatz 2 sieht vor, nicht nur die Geschwindigkeit des wegfliegen- den Ions zu messen, sondern auch die des neutralen Produkts und die Differenz zu berechnen. „Dazu muss – ohne das ge- samte Ensemble zu zerstören – das neut- rale Teilchen in ein Ion umgewandelt und dann gemessen werden. Gelingt uns das, bekommen wir eine so gute Auflösung, dass wir – verschiedene – Schwingungs- quanten trennen können“, hofft Wester.

Manche der benötigten Komponenten für dieses Experiment sind in der ein- schlägigen Community etabliert, so an- gewendet wurden sie allerdings noch nie.

Erster Schritt für sein aus drei Postdocs und zwei bis vier Dissertanten bestehen- des Team wird die Arbeit an einem „Digi- tal Twin“, um die benötigten Systeme für Laser, Vakuum und Optik zu entwerfen, Baubeginn wird nicht vor Sommer 2021 sein. Anfang 2022 sollte die neue Appara- tur aufgebaut sein, danach werden noch etliche Monate fürs Feintuning benötigt.

„Das erste erfolgreiche Experiment soll

vor Projekthalbzeit stattfinden“, plant der Physiker und hält fest: „Ich rechne damit, dass wir für eine Reihe von chemischen Prozessen neue Erkenntnisse bekommen.“

Chemie des Weltalls

Eine der ersten Reaktionen, die Wester mit seinen Mitarbeitern untersuchen will, ist die häufigste Reaktion in kalten inter- stellaren Gaswolken, jene von H2+ und H2

, um die Quantenzustände, die H3+ ein- nimmt, zu messen. Als sehr spannend be- zeichnet er auch die Reaktion von H2+ mit Kohlenstoffmonoxid (CO), dem zweit- häufigsten Molekül im Weltall. Das Er- gebnis der Reaktion ist HCO+ und H2, das Proton kann sowohl auf die Kohlenstoff- als auch auf die Sauerstoff-Seite des HCO+-Moleküls übertragen werden. „Bis- lang konnte aber noch nicht nachgewie- sen werden, wie häufig es welche Seite wird“, beschreibt Wester sein Erkenntnis- ziel. Der kleine, aber feine Unterschied bedeutet nämlich, dass die Produkte in der interstellaren Chemie verschiedene Pfade einschlagen. Pfade, die in den kal- ten interstellaren Molekülwolken ent- scheidend sein können, wie Sterne und welche Art von ihnen entstehen. ah ROLAND WESTER (* 1971) studierte Physik zuerst an der Universität Konstanz, dann an der Universität Heidelberg, wo er 1999 dissertierte. Von 2000 bis 2002 war er Postdoc an der University of California, Berkeley und danach wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Physikalischen Institut der Universität Freiburg, wo er 2007 habilitierte.

Von 2008 bis 2010 übernahm er dort eine Professurvertretung. 2010 wurde er an die Universität Innsbruck an das Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik berufen.

Wester wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2011 mit einem ERC Starting Grant. 2020 wurde ihm ein ERC Advanced Grant zuerkannt, Projektstart ist im Jänner 2021. Für fünf Jahre stehen ihm und seinem Team für das Projekt „Dynamics of Molecular Interactions with Ions“ bis zu 2,5 Millionen Euro zur Verfügung.

„ Wir verfolgen einen

ambitionierten Ansatz. Gelingt

es uns, bekommen wir eine so

gute Auflösung, dass wir – ver-

schiedene – Schwingungsquanten

trennen können.“

Roland Wester

(8)

zukunft forschung 02/20 29

CHEMIE

Foto: Andreas Friedle; Grafik: Angie Fox / worldofviruses.unl.edu

M

illionen von Menschen weltweit sind mit dem Immunschwä- che-Virus (HIV) infiziert. Wird dessen Vermehrung nicht mit Hilfe von antiviralen Mitteln eingedämmt, führt eine Infektion nach einiger Zeit zu einer AIDS-Erkrankung. Viele Wissenschaft- ler forschen immer noch intensiv nach neuen Angriffspunkten des Virus, um ef- fizientere Therapien zu entwickeln. Die Arbeitsgruppe um Kathrin Breuker vom Institut für Organische Chemie hat nun ein weiteres solches Ziel identifiziert.

Um sich zu vermehren und auszubrei- ten, dringt das HI-Virus in menschliche Zellen ein und baut seine Erbinformati- on im Zellkern in die DNA ein. Dadurch wird aus der eingebauten Virus-DNA neue Virus-mRNA produziert, die aus dem Zellkern in das Cytosol transpor- tiert und dort in virale Proteine, die der Virus-Replikation dienen, umgeschrieben wird. Um die Virus-mRNA schnell aus dem Zellkern zu lotsen, bringt das Vi- rus ein bestimmtes Protein mit, das rev heißt. Es ist bekannt, dass etwa acht bis zehn solcher rev-Moleküle an die Virus- RNA binden müssen, damit die mRNA

schnell den Zellkern verlassen kann.

Schon lange beschäftigt die Wissenschaft die Frage, wo genau an der RNA und in welcher Reihenfolge diese rev-Proteine anlagern. Denn hier liegt ein möglicher Angriffspunkt für eine gezielte Therapie, um den zerstörerischen Zyklus der Vi- rusvermehrung zu unterbrechen. Bisher wurde versucht, mit Hilfe von Kernspin- resonanz-Spektroskopie, Kristallografie und biochemischen Experimenten das Rätsel zu lösen. Für die strukturgeben- den Methoden wurden aber modifizierte Moleküle verwendet, weil die natürli- chen Moleküle zu dynamisch sind und in den betroffenen Bereichen nicht kris- tallisieren. „Mit diesen Methoden wurde vor einigen Jahren auch eine wichtige Bindungsstelle entdeckt“, erzählt Kathrin Breuker. Mit ihrem Team hat sie nun eine neue Methode genutzt, um den Repli- kationsmechanismus des Virus genauer unter die Lupe zu nehmen.

Neue Bindungsstelle

Das Innsbrucker Team baute die natür- lichen Moleküle im Labor synthetisch nach: ein Peptid, das der Bindungsdo-

mäne des rev-Proteins entspricht, sowie unterschiedlich lange Segmente der Vi- rus-mRNA. Deren Interaktionen beob- achteten sie mit Hilfe der Elektrospray- Massenspektrometrie und Kollisions-ak- tivierter Dissoziation. „Wir fanden ne- ben RNA mit einem Peptid auch Kom- plexe mit zwei Peptiden. Bei längeren RNA-Stücken beobachteten wir auch solche mit fünf Peptiden“, sagt Breuker, die mit ihrem Team diese Konstrukte ge- nauer unter die Lupe nahm und eine neue Bindungsstelle entdeckte, die bis- her nicht detektiert werden konnte. „Es handelt sich hier um eine transiente Bin- dungsstelle, die die rev-Proteine ein- fängt und dann an die bereits bekannten Bindungsstellen weiterreicht und so die Bildung von stabilen RNA-Protein-Kom- plexen ermöglicht“, erläutert Breuker das überraschende Ergebnis, das in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde. Dieser Fund ist nicht nur in Hinblick auf eine neue The- rapie interessant, sondern klärt auch viele Forschungsergebnisse, die bisher nicht oder nur teilweise verstanden wur-

den. cf

NEUER MECHANISMUS ENTDECKTT

Ein Team um die Chemikerin Kathrin Breuker hat einen Mechanismus entschlüsselt, der für die Vermehrung des HI-Virus zentral ist und ein neues Angriffsziel für eine Therapie bietet.

KATHRIN BREUKER nahm mit ihrem Team den Replikationsmechanismus des HI-Virus genauer unter die Lupe.(Grafik: Angie Fox / worldofviruses.unl.edu)

(9)

zukunft forschung 02/20 30

E

ditionen der Werke bekannter Kul- turschaffender sind Teil der Arbeit von Forscherinnen und Forschern in den Literatur- und Kulturwissenschaften – häufig dienen hier als Grundlage Nach- lässe, werden Briefe, Manuskripte und weitere zuvor nicht öffentlich zugängliche Materialien aufgenommen und kontex- tualisiert. Joseph Wang-Kathrein ist einer dieser Kulturwissenschaftler, er arbeitet selbst an einer Edition des Nachlasses von Ludwig Wittgenstein mit. Ein Teil dieses Nachlasses befindet sich am Forschungs- institut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck. Joseph Wang-Kathrein trägt dabei sozusagen einen Doppelhut: Er ar- beitet zugleich am Brenner-Archiv und im Forschungsschwerpunkt Digital Science Center (DiSC), sein Gebiet ist nämlich das Digitale Edieren, also die erwähnte Edition von Texten für digitale Ausgabe- formate. „Die Arbeiten an einer analogen Edition, also für ein Buch, und an einer digitalen ähneln einander natürlich stark.

Es gibt aber einen zentralen Unterschied:

Wir schreiben in der digitalen Edition nicht nur für Personen, also die künftigen Leserinnen und Leser, sondern auch für Algorithmen“, erklärt der Forscher.

VOM PAPIER INS INTERNET

Editionen wandern zunehmend in den digitalen Raum. Das eröffnet auch neue Möglichkeiten – etwa die Verknüpfung von historischen Briefen aus Nachlässen.

Fotos: Andreas Friedle (1), Brenner-Archiv, Sig. 41/53-51 (1), Wang-Kathrein (1)

DIGITALISIERUNG

JOSEPH WANG-KATHREIN (*1974 in Taipeh) wuchs in Taiwan und Vorarlberg auf. Er studierte Medizin (Abschluss 2004) und Philosophie an der Katholisch-Theolo- gischen Fakultät (Abschluss 2007) in Inns- bruck und promovierte 2017 in Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät.

Seit 2006 war er als Projektmitarbeiter an unterschiedlichen Projekten beteiligt, darunter auch mehrere zum Philosophen Ludwig Wittgenstein. Ab 2015 war er Senior Scientist am Forschungsinstitut Brenner-Archiv, seit 2020 ist Wang-Kath- rein Universitätsassistent am Forschungsin- stitut und am Digital Science Center (DiSC).

Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die digitalen Geisteswissenschaf- ten und Ludwig Wittgenstein.

(10)

zukunft forschung 02/20 31

Der „ideale“ Text

„Die Idee beim Edieren ist, dass es sozu- sagen den ‚idealen‘ Text gibt, ohne Fehler und gut verständlich. Wir machen natür- lich alle Fehler beim Schreiben, und bei älteren Texten ist die Sprache als solche schon schwer verständlich – alles das wird bei Editionen behutsam behoben.

Die Edition bringt diesen ‚idealen‘ Text zum Vorschein und bringt den Aus- gangstext in eine für heutige Leserinnen und Leser verständliche Form, ohne das Original zu verlieren“, sagt Joseph Wang- Kathrein. Um diese Texte digital lesbar zu machen, werden sie zuerst transkribiert, teilweise auch halb-automatisiert mittels Scans und automatischer Texterkennung.

„Der Text liegt dann digital vor und wir reichern diesen Text an: Anspielungen, Personennamen, Ortsnamen und der- gleichen markieren wir und versehen sie mit Erläuterungen und Verweisen, je nach der gedachten Leserschaft bereiten wir den Text entsprechend auf. Wie viel hier nötig ist, hängt natürlich auch von der Textbasis ab: Einen mittelalterlichen Text müssen wir mit deutlich mehr Kontext versehen, ihn weitergehend annotieren, kommentieren und teilweise sogar über- setzen, als einen Briefwechsel aus dem 20.

Jahrhundert.“

Wang-Kathrein nennt ein Beispiel, das verdeutlicht, wie aufwändig diese Kon- textualisierung sein kann: „Wenn ich einen Zettel im Nachlass habe, auf dem sinngemäß steht: ‚Ja, ich komme gern zum Abendessen‘ – dann kostet das gar nicht wenig Zeit, herauszufinden, welches Abendessen das war, wann und wo und mit wem. Wir überlegen uns als Philolo- gen aber auch, welche Informationen tat- sächlich relevant sind und lassen mitunter

für die Edition oder Person unwichtig Er- scheinendes auch weg – bei Wittgenstein nicht, der ist als Person zu wichtig, aber diese Fälle kommen vor.“

Die Art dieser Bearbeitung hängt auch von der Edition und der wissenschaftli- chen Disziplin ab, in der die Edition ge- macht wird: Eine historische Edition hat einen anderen Fokus als solche in den Literatur- und Sprachwissenschaften, die Leserinnen und Leser erwarten sich an- dere Verweise. „Für Historikerinnen und Historiker sind alle historischen Zeugnis- se wichtig. Einen Brief weniger intensiv zu bearbeiten oder sogar ganz wegzu- lassen, weil er für den konkreten Zweck der Edition nicht gebraucht wird, kommt

dort gar nicht in Frage“, sagt der Philo- loge. „Um diese unterschiedlichen Arten, Editionen zu erstellen, dennoch einiger- maßen vergleichbar zu halten, hat sich ein Standard herausgebildet, der Mar- kierungen für bestimmte Textmerkmale definiert und der erlaubt, Metadaten zu notieren, und das alles in maschinenles- barer Form“, erklärt Joseph Wang-Ka- threin. Diese von der Text Encoding In- itiative (TEI) entwickelten Definitionen basieren auf XML und erlauben umfas- sende Annotation und Kommentierung von Texten.

Verknüpfungen

„Ein schönes Beispiel, das zeigt, was digi- tale Editionen mit Querverweisen leisten können, ist ‚correspSearch‘, ein unter an- derem von der Deutschen Forschungsge- meinschaft gefördertes Projekt“, erläutert Wang-Kathrein. In ‚correspSearch‘ können Archive und Institutionen digital edierte Briefe aus ihrem Bestand erfassen und verknüpfen: „In Nachlässen befinden sich

meistens auch Briefe, allerdings bis auf wenige Ausnahmen nur die, die die jewei- lige Person erhalten hat, nicht jene, die er oder sie verschickt. Am Brenner-Archiv haben wir zum Beispiel eine ganze Reihe an Briefen an Ludwig Wittgenstein, eben aus Wittgensteins Nachlass, an deren digi- taler Edition ich gerade arbeite“, erläutert der Wissenschaftler. Wittgensteins Briefe sollen in Zukunft auch auf ‚correspSearch‘

zur Verfügung stehen – und damit, sofern die Datenbank dort entsprechend wächst, komplette Korrespondenzketten nachvoll- ziehbar machen.

Ein Hindernis für den Zugang zu digi- talen Editionen ist häufig das Urheber- recht: Selbst wenn Schutzfristen abgelau-

fen sind, verlangen Archive häufig Geld für Scans älterer Materialien, online ver- öffentlicht werden können dann nur Transkripte. „Ich befürworte Open- Access-Publikationen sehr und publiziere nach Möglichkeit auch selbst so. Gerade, was den digitalen Zugang zu Scans be- trifft, wäre eine rechtliche Regelung hier hilfreich – wenn das Ausgangsmaterial gemeinfrei ist, sollte auch die digitale Re- produktion gemeinfrei und damit Open Access sein.“ Joseph Wang-Kathrein ver- wendet das TEI-Framework nicht nur selbst inzwischen bereits seit mehreren Jahren, sondern unterstützt im Rahmen seiner Arbeit am Forschungsschwerpunkt DiSC auch Forscherinnen und Forscher der Uni Innsbruck und anderer Institute – digitale Methoden gewinnen in den Geisteswissenschaften immer mehr an Bedeutung und Editionen spielen in vie- len Disziplinen eine Rolle: „Gerade an der interdisziplinären Zusammenarbeit am DiSC zeigen sich neue Chancen für die Editionsphilologie.“ sh

DIGITALISIERUNG

BRIEF von Ludwig Wittgenstein an Ludwig von Ficker vom 14.7.1914: links im Original, rechts im „Oxygen XML-Editor“ für die digitale Edition.

(11)

zukunft forschung 02/20 32

E

s knallt und pfeift, es raucht und sprüht, bunte Farben wechseln sich ab – ein Feuerwerk ist ein faszinierendes Ereignis. Ähnlich faszi- nierend ist der Herbst, wenn die Blätter der Laubbäume ihr Grün verlieren, sich gelb, orange und rot verfärben, ehe sie zu Boden fallen. Zwei unterschiedliche Phä- nomene, denen chemische Prozesse zu- grunde liegen und die – wie viele andere auch – bestens geeignet wären, „den Che- mieunterricht interessant zu gestalten“, meint Thomas Hoffmann. „Und zwar für alle Kinder, auch für jene mit Lernbeein- trächtigungen“, ergänzt der gebürtige Hamburger, der 2018 als erster Professor für Inklusive Pädagogik an das Institut

für LehrerInnenbildung und Schulfor- schung der Universität Innsbruck beru- fen wurde.

Chemie erkunden

1990, vor seinem Studium, absolvierte Hoffmann seinen Zivildienst an einer Schule für geistig Behinderte in Hamburg, seither beschäftigt ihn die Frage, wie denn Kinder mit kognitiven Beeinträchtigungen in den Unterricht, speziell in jenen in na- turwissenschaftlichen Fächern, einbezo- gen werden können, welche Lernmöglich- keiten für sie die passenden sind. „Lange Zeit wurde diesen Kindern überhaupt abgesprochen, dass sie sich mit Natur- wissenschaft beschäftigen können“, weiß

Hoffmann. Wenn, wurde das Thema im Sinne von Naturkunde behandelt, etwa

„Der Igel im Herbst“. Hoffmann stellt aber auch fest, „dass sich das allmählich ändert.“ Noch in Deutschland konnte der Forscher in einigen Unterrichtsprojekten zeigen, dass sich Kinder mit Beeinträch- tigung sehr wohl für Naturwissenschaft interessieren. „In einem Projekt sollten 16-, 17-jährige Schülerinnen und Schüler zehn- bis zwölfjährigen Kindern mit kog- nitiven Beeinträchtigungen ‚Chemieunter- richt‘ geben“, berichtet Hoffmann: „Spaß gemacht hat es allen, einige der älteren Kindern steigerten sogar ihre eigenen schulischen Leistungen.“ So meinte etwa eine Schülerin, dass sie das erste Mal mit

PÄDAGOGIK

Fotos: Andreas Friedle (2), Andi Weiland/Gesellschaftsbilder.de (1)

GEMEINSAM LERNEN

Thomas Hoffmann beschäftigt sich mit der Frage, wie Kinder mit Behinderung besser

in den Unterricht einbezogen werden können. Ein spezielles Augenmerk legt er auf

den Chemieunterricht und plädiert für mehr Experimente und methodische Vielfalt.

(12)

zukunft forschung 02/20 33

PÄDAGOGIK

Interesse in ihr Chemiebuch geschaut ha- be, musste sie chemische Beispiele doch verstehen, um sie erklären zu können.

Die Schülerin veranschaulichte damit aber auch eine Hauptcrux des Chemie- unterrichts – er gilt, ähnlich wie Physik, als Schreckensfach. „Eigentlich wären Chemie und Physik spannend“, ist Hoff- mann überzeugt, „diese Fächer sind aber unbeliebt, weil sie abstrakt gestaltet wer- den.“ Formeln, Periodensysteme und

Gleichungen anstatt experimentieren und erkunden, anstatt phänomen- und handlungsorientiertes Lernen. Hoffmann räumt zwar ein, dass in diesen Fächern aufgrund des Lehrplans meist die Zeit fehle, er erkennt aber auch einen Wandel in der naturwissenschaftlichen Fachdi- daktik: „Lange Zeit orientierten sie sich an den vermeintlich ‚normalen‘ Kindern.

Doch auch das stimmte ja nicht, wenn man sich die Schwierigkeiten, die schon Kinder ohne Beeinträchtigung mit die- sen Fächern haben, anschaut.“ In dem Umdenken der naturwissenschaftlichen Fachdidaktik ab den 1990er-Jahren sieht er eine Chance, „differenzierte Angebote zu erstellen und auf unterschiedliche Wei- se bestimmte Gegenstände zu erarbeiten.“

Doch auch in der Behindertenpädagogik hat ein Wandel eingesetzt. „Sie hat das Thema der Fachdidaktik lange ignoriert.

Die fachliche Vermittlung stand im Hin- tergrund, es ging vielmehr um alltags- und lebenspraktische Dinge“, so der Erziehungswissenschaftler. Diese zwei Ansätze würden sich, sagt Hoffmann, in seiner Arbeit sehr gut ergänzen – so kam es etwa zur Kooperation mit dem Chemie- didaktiker Jürgen Menthe von der Univer- sität Hildesheim in Richtung einer inklu- siven Fachdidaktik im Chemieunterricht.

Spricht man von inklusivem Unter- richt, ist es, so Hoffmann, wichtig, Schule als gemeinsamen Lernort zu begreifen.

„Es geht nicht um eine Pädagogik für eine bestimmte Zielgruppe, vielmehr um die Frage, wo sich im Unterricht bestimmte Barrieren zeigen, an denen Kinder schei- tern“, sagt der Forscher. Nicht die Schü- lerinnen und Schüler seien das Problem, man müsse vielmehr darauf achten, wie jedes Kind mit seinen Möglichkeiten die

bestmögliche Leistung erbringen und sein Entwicklungspotenzial ausschöpfen kön- ne. Zur Umsetzung dieser Forderung be- nötigt es spezielles Lehrmaterial, im neu- en Lehr-Lern-Labor (LLL) am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung beginnt Hoffmann mit dessen Aufbau.

Lernen mit Kisten

Das Konzept des LLL verfolgt das Prinzip einer Lernwerkstatt als Ort des forschen- den Lernens. Als Kernelement bezeichnet Hoffmann die sogenannten „Lernkisten“,

die in sich abgeschlossene Lerneinheiten (z. B. zu den Themen „Europa“, „Blukreis- lauf“ oder „Insekten“) beinhalten – de- taillierte Lehranweisungen für die Lehr- kräfte, Lernkarten, differenzierte Aufga- benstellungen, didaktische Materialien…

„Ausgangspunkt ist die Entwicklung und Implementierung von pädagogisch wirk- samen Konzepten und Handlungsstrate- gien im Sinne einer inklusiven Schul- und Unterrichtskultur, in deren Mittelpunkt

das kooperative Lernen am gemeinsamen Gegenstand steht“, erläutern Hoffmann und seine Mitarbeiterin Miriam Sonntag.

Rund 15 solcher Kisten wurden mit Stu- dierenden des Lehramtsstudiums Inklusi- ve Pädagogik bislang erstellt. „Das Studi- um wurde 2016 im Rahmen der LehrerIn- nenbildung neu eingerichtet“, erklärt Hoffmann. Rund 90 Studierende zählt diese Spezialisierung, die wie ein „norma- les“ Fach studiert wird. Unter den Studie- renden hatte Hoffmann auch eine Lehre- rin, die an einer Berufsschule unterrichtet, darunter auch Schülerinnen und Schüler mit Lernbeeinträchtigungen. „Sie soll an- gehenden Malern Chemie und Physik nä- her bringen, unter anderem den Kapillar- effekt, was sie bis dahin auf theoretischer Ebene versucht hat.“ Für Malerinnen und Maler ist der Effekt nicht unwichtig, sorgt er doch dafür, dass sich einerseits Pinsel – durch die Hohlräume zwischen den Pinselhaaren – mit Farbe vollsaugen, an- dererseits Oberflächen mit Hohlräumen – wie z. B. Holz – Farbe aufsaugen. „Im Seminar haben wir eine Art Lernkiste er- arbeitet, um den Kapillareffekt auf einer Handlungsebene zu unterrichten. Einige Studierende waren anfangs skeptisch – doch es hat funktioniert. Die Schülerinnen und Schüler haben es verstanden.“ ah THOMAS HOFFMANN erstellt mit Studierenden „Lernkisten“ für inklusiven Unterricht, wie hier jene zum Thema Hirnforschung.

THOMAS HOFFMANN (* 1971) studier- te Soziologie, Psychologie und Politologie an der Universität Hamburg und der Freien Universität Berlin. Ab 2001 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Pä dagogischen Hochschule Ludwigsburg und der Universität zu Köln, war aber auch als Erzieher in der Behindertenhilfe und der Erwachsenenbildung tätig. Hoffmann promovierte 2011 im Fach „Allgemeine Sonderpädagogik“. 2015/16 hatte er eine Vertretungsprofessur an der Pädago- gischen Hochschule Heidelberg inne, 2016/17 eine Gastprofessur an der Hum- boldt-Universität zu Berlin. 2018 folgte er einem Ruf an die Universität Innsbruck.

(13)

zukunft forschung 02/20 34

B

örsennotierte Unternehmen müssen im Rahmen ihrer Informationspflicht an die Öffentlichkeit Bilanzen legen, die Einblick in die Geschäftstätigkeit der Firmen geben. Dafür wurden in den vergan- genen Jahren auch internationale Rechnungs- legungsstandards entwickelt, die die Art und Weise regeln, wie kapitalmarktorientierte Unternehmen ihre Bilanzen erstellen und ihre Gewinne ermitteln. Diese bilden eine wesent- liche Entscheidungsgrundlage für mögliche Investoren. Um hier größtmögliche Transpa- renz zu gewährleisten, werden die Bilanzen nicht nur von den von den Firmen beauftrag-

ten Wirtschaftsprüfern abgesegnet, sondern auch durch externe Prüfstellen kontrolliert. In Österreich und Deutschland sind dies priva- te Vereine, die die veröffentlichten Bilanzen aller börsennotierten Unternehmen stich- probenweise regelmäßig einer zusätzlichen Kontrolle unterziehen. In Deutschland wurde diese Form der Bilanzkontrolle bereits 2005 eingeführt, in Österreich gibt es sie seit 2013.

„Damit sollte einerseits die Kontrolle verbes- sert und andererseits den Abschlussprüfern der Rücken gestärkt werden“, sagt Christoph Pelger vom Institut für Rechnungswesen, Steuerlehre und Wirtschaftsprüfung an der

Fotos: Andreas Friedle (1), flickr.com/websummit (1)

GRENZEN DER BILANZKONTROLLE

Der Bilanzskandal beim ehemaligen Börsenliebling Wirecard hat die zuständigen Prüfstellen in die Kritik gebracht. Warum sie dennoch wichtig

sind, wissen Pia Meusburger und Christoph Pelger.

WIRTSCHAFT

CHRISTOPH PELGER ist seit 2015 Professor für Financial Accounting an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Uni- versität Innsbruck.

PIA MEUSBURGER ist Sti- pendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Doktorandin am Institut für Rechnungswesen, Steuer- lehre und Wirtschaftsprüfung der Universität Innsbruck.

(14)

zukunft forschung 02/20 35

WIRTSCHAFT

Uni Innsbruck. Neben den privaten Prüfstel- len für Rechnungslegung gibt es nachgelagert auch noch eine staatliche Bilanzkontrolle – in Österreich die Finanzmarktaufsicht, in Deutschland die Finanzdienstleistungsauf- sicht BaFin –, die bei auftretenden Problemen im Prüfverfahren tätig wird.

Einfluss der Bilanzpolizei

Christoph Pelger hat gemeinsam mit der Doktorandin Pia Meusburger untersucht, welchen Einfluss diese Kontrollinstanzen auf die Praktiken im Alltagsgeschäft der Unter- nehmen haben. Sie haben dazu zahlreiche Interviews unter anderem mit jenen Personen geführt, die in börsennotierten Unternehmen für die Bilanzerstellung verantwortlich sind.

„Unsere Auswertungen zeigen, dass die Bi- lanzkontrolle die Praktiken im Alltag sehr stark prägt“, sagt Pia Meusburger. Vieles in der Bilanzlegung ist in den Standards nicht exakt vorgegeben. „Es ist hier viel Ausle- gungsarbeit zu leisten und das schafft auch entsprechende Spielräume“, so Meusburger.

„Die Unternehmen berücksichtigen bereits bei der Bilanzerstellung, wie sie bestimmte Entscheidungen bei einer möglichen Prü- fung durch die Prüfstelle rechtfertigen kön- nen.“ Die Abschlussprüfer verstärken diesen

Zugang noch einmal, indem sie von den Unternehmen solche Begründungen verlan- gen. „Insgesamt kann man sagen, dass die Kontrollverfahren hier schon sehr frühzeitig präventiv wirken“, betont Christoph Pelger.

Wettstreit der Argumente

Die Untersuchungen der Innsbrucker Wissen- schaftler zeigen auch, dass sich die Akteure aus Unternehmen und Kontrollinstanzen regelmäßig austauschen. „Sie bilden ge- meinsam ein Netzwerk, das Vorstellungen von akzeptabler Auslegung der Standards entwickelt“, erklärt Pelger. „Denn die Stan- dards für die Rechnungslegung sind relativ abstrakt formuliert und müssen von den Unternehmen entsprechend interpretiert werden. Dafür benötigt es interne Expertise und Prozesse, damit die Berichte vor den Ab- schlussprüfern und der Prüfstelle für Rech- nungslegung standhalten.“ Die Bildung von Netzwerken wird auch durch die Prüfstellen

aktiv unterstützt, indem sie regelmäßig Vor- träge halten und Kontakt mit den Akteuren in Unternehmen und Wirtschaftsprüfungs- kanzleien suchen.

Den Ablauf der Prüfung selbst beschreibt Christoph Pelger als Diskussionsprozess, in dem die Unternehmen ihre Argumente für die Auslegungen der Regeln vorbringen und versuchen, die Prüfer zu überzeugen. „Es kommt zu einem Wettstreit der Argumente darüber, was richtige Bilanzierung ist“, so Pelger über den Alltag in der Bilanzkontrolle.

Interessant ist, dass die private Kontrolle, wie es sie in Österreich und Deutschland gibt, international ein Exot ist. Üblicherweise sind es staatliche Behörden, wie die US-amerika- nische Securities and Exchange Commission (SEC), die für die Bilanzkontrolle verant- wortlich sind. Für die privaten Prüfstellen spreche, dass sie relativ einfach Expertinnen und Experten rekrutieren können, weil die Prüfstellen durchaus als wichtiger Zwischen- stopp einer erfolgreichen Laufbahn gesehen werden.

Skandale trotz Bilanzkontrolle?

In der Wirecard-Affäre geriet die private und öffentliche Bilanzkontrolle stark in die Kritik.

Es wurde gefragt, warum ein an der Börse erfolgreiches Unternehmen mit einer Bilanzsumme von acht Milliarden Euro über Jahre be- trügerisch tätig sein konnte, oh- ne dass die Kontrollmaßnahmen griffen. „Hier gerät das existie- rende Kontrollsystem an seine Grenzen, weil es nicht dafür geschaffen ist, solchen Betrug aufzudecken“, betont Chris- toph Pelger. „Das System ist nicht dafür ge- macht, die grundlegenden Tatsachen zu prü- fen, also ob zum Beispiel das Geld tatsächlich auf einem bestimmten Konto liegt. Dafür fehlt den privaten Prüfstellen schlichtweg das Mandat. Die Prüfer sind hier auf die Koope- ration der Unternehmen angewiesen. Aber auch für staatliche Behörden stellt sich dies mitunter schwierig dar.“ Pelger sieht deshalb das Versagen eher bei den externen Wirt- schaftsprüfern. „Hier kann man schon fragen, ob nicht erwartet werden kann, dass ein sol- cher Betrug bei der Prüfung aufgedeckt wird.“ Das Versagen sieht Pelger aber vor allem beim Unternehmen selbst. „Dass keine der beteiligten Personen, interne Revision oder Aufsichtsrat den Schwindel aufgedeckt haben, hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Täuschung bei Wirecard so lange Bestand

hatte“, sagt Pelger. cf

NACHDEM ÜBER JAHRE immer wieder Gerüchte über möglichen Betrug bei Wirecard kursierten, gestand das Unternehmen am 18. Juni 2020 ein, dass die Wirtschafts- prüfungsgesellschaft EY keine ausreichenden Nachweise über die Existenz von Bankgut- haben auf Treuhandkonten in der Höhe von 1,9 Milliarden Euro ermitteln konnte. Dieser Betrag entsprach etwa einem Viertel der Bilanzsumme der Wirecard AG. Drei Tage später teilte das Unternehmen mit, dass die Guthaben auf den Treuhandkonten „mit überwiegender Wahrschein- lichkeit nicht existieren“. Am 25. Juni 2020 stellte Wirecard einen Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähig- keit und Überschuldung. Es folgten Anzeigen gegen die ehemaligen Vorstände und umfangreiche Ermittlungen der Behörden. Am 24. August schied der frühere Börsen- liebling aus dem deutschen Aktienindex DAX aus.

„ Die Unternehmen berücksichtigen bereits

bei der Bilanzerstellung, wie sie bestimmte

Entscheidungen bei einer möglichen Prüfung

durch die Prüfstelle rechtfertigen können.“

Pia Meusburger

(15)

zukunft forschung 02/20

36 Fotos: Andreas Friedle

PSYCHOLOGIE

SINN ALS STRESSPUFFER

Die Corona-Krise hat auch massive psychische Folgen. Was hilft Menschen, gut durch

diese Zeit zu kommen? Die Sinnforscherin Tatjana Schnell vom Institut für Psychologie

untersucht seit Beginn der Corona-Krise die Auswirkungen auf das psychische Wohlergehen.

(16)

zukunft forschung 02/20 37

B

ereits zahlreiche Studien haben darauf hingewiesen, dass die Aus- wirkungen der Coronavirus-Pan- demie auf die psychische Gesundheit der Menschen enorm groß sein können und weite Teile der Bevölkerung betreffen. Für Tatjana Schnell vom Existential Psycholo- gy Lab am Institut für Psychologie der Universität Innsbruck wurde im Frühling 2020 rasch klar, dass Erkenntnisse der em- pirischen Sinnforschung und existenziel- len Psychologie von Bedeutung für den Umgang mit der Pandemie sein können.

Auf diesen Gebieten gilt Tatjana Schnell als international renommierte Expertin und beschäftigt sich bereits seit 20 Jah- ren mit Fragen des Lebenssinns auf ver- schiedensten Ebenen. Im Frühjahr hat die Wissenschaftlerin gemeinsam mit ihrem Kollegen Henning Krampe von der Kli- nik für Anästhesiologie der Charité Berlin eine umfassende quantitative Studie ins Leben gerufen. Erste Ergebnisse dieser Untersuchung wurden bereits im Journal Frontiers in Psychiatry veröffentlicht, wei- tere Publikationen dazu werden in den kommenden Monaten folgen.

Lebenssinn & Selbstkontrolle

Im Zeitraum von 10. April bis 28. Mai wurden insgesamt 1.538 deutschsprachi- ge Personen vor allem aus Österreich und Deutschland in Form von Online-Fra- gebögen zu ihren Lebensbedingungen, ihrer Wahrnehmung der Pandemie-Situ- ation und zu verschiedenen Merkmalen der seelischen Gesundheit befragt. Das Hauptaugenmerk legte Schnell dabei auf die Aspekte Sinnerfüllung und Selbst- kontrolle. „Wir haben uns in dieser Studie angesehen, welchen Einfluss der Faktor Lebenssinn für die Menschen in der Zeit des restriktiven Lockdowns und danach hatte. Konnten Menschen, die einen Sinn in ihrem Leben gefunden haben, besser mit der Situation umgehen?“, sagt Tatjana Schnell. „Unser zweiter Fokus lag auf der Selbstkontrolle, das heißt auf der Frage, wie gut die Menschen in der Lage waren, ihre Bedürfnisse einzuschränken und an die Ausnahmesituation anzupassen“, so Schnell zu den Zielen der Studie. Generell konnten Schnell und Krampe feststellen, dass ältere Menschen besondere Resilienz zeigen. Die Daten wiesen darauf hin, dass sie mit deutlich weniger negativen psychi- schen Konsequenzen zu kämpfen hatten als jüngere Personen: „Das Sinnerleben

steigt mit dem Alter an; ältere Menschen sind oft besser in der Lage, Metaperspek- tiven einzunehmen und profitieren somit auch in ihrer psychischen Stabilität stär- ker von ihrer Lebenserfahrung“, so die Forscher*innen.

Klarheit wichtig

Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass die allgemeine psychische Belastung während der ersten Monate der Pandemie deutlich erhöht war. „Menschen, die in ihrem Leben einen starken Sinn sahen, be- richteten aber insgesamt von einer weni- ger starken psychischen Belastung. Auch die Fähigkeit der Selbstkontrolle – die im Hinblick auf die Einhaltung der Restrik- tionen sicherlich eine Ressource darstellt – war dem psychischen Befinden zuträglich.

Beide, Sinnerfüllung und Selbstkontrolle, wirkten als eine Art Puffer: Sie schwäch- ten den Zusammenhang zwischen CO- VID-19-Stress und psychischer Belastung ab“, erläutert Schnell.

Interessant war für die Wissenschaft- ler*innen dabei auch der Verlauf über mehrere Monate gesehen: „Die Probleme waren während des strikten Lockdowns offenbar weniger schlimm als danach. Die Einführung der Lockerungen hat dann nicht zu einer Verbesserung der psychi- schen Situation geführt – sondern im Ge- genteil.“ Warum das so ist, können auch Schnell und Krampe nur vermuten: „Eine Sorgenquelle sind natürlich wirtschaftliche Einbußen. Darüber hinaus weisen unsere Daten auf einen möglichen Zusammen- hang mit der Eindeutigkeit der Situation hin: Während der strengen Ausgangsbe-

schränkungen war die Lage für alle klar.

Es gab eindeutige Vorgaben und alle wa- ren sozusagen im gleichen Boot. Diese ‚Wir packen das’-Stimmung hat sich für viele Menschen wohl eher positiv ausgewirkt.“

In den Wochen nach den Lockerungen der strikten Ausgangsbeschränkungen registrierten Schnell und Krampe sowohl zunehmende Sinnkrisen und schwerere psychische Belastungen als auch gesunke- nes Sinnerleben und Defizite in der Selbstkontrolle. „Wir gehen davon aus, dass die Selbstkontrolle bereits kurz nach dem Lockdown – aber inzwischen auch gesamtgesellschaftlich gut beobachtbar – deshalb abgenommen hat, weil die Sinn- haftigkeit der Restriktionen weniger deut- lich nachvollziehbar ist: In Österreich und Deutschland haben die Maßnahmen zu Beginn so gut funktioniert, dass die Situ-

ation nicht eskaliert ist, was dazu ver- führt, die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen in Frage zu stellen – das sogenannte Prä- ventionsparadox. Hinzu kommt, dass in den letzten Monaten die Kommunikation durch die Behörden weniger deutlich und nachvollziehbar war. Wenn die Sinnhaf- tigkeit aber nicht erkennbar ist, ist es für viele Menschen schwer, Selbsteinschrän- kungen auf Dauer aufrecht zu erhalten“, verdeutlicht Tatjana Schnell – verbunden mit einem Appell an die Verantwortlichen in der Politik: „Wer eine gesamtgesell- schaftliche Akzeptanz anstrebt, sollte auch partizipativ agieren. Das würde be- deuten, dass Politikgestaltung verschie- dene Perspektiven einbezieht, also neben Medizin und Wirtschaft auch Sozial- und Geisteswissenschaften. Darüber hinaus bedeutet demokratische Beteiligung auch die aktive Einbindung von Minderheiten und wesentlicher Interessensgruppen.

Wenn dies gelingt, dann hat Selbstkon- trolle weniger mit Gehorsam oder Wider- stand zu tun, sondern ist ein mögliches Ergebnis einer informierten persönlichen

Entscheidung.“ mb

PSYCHOLOGIE

DIE SINNFORSCHERIN Tatjana Schnell ist assoziierte Professorin für Persönlich- keits- und Differentielle Psychologie am Institut für Psychologie der Universität Innsbruck, dort leitet sie das Existential Psychology Lab. Seit Herbst 2020 ist Schnell auch Professor of Psychology of Religion and Existential Psychology an der MF Specialized University in Oslo.

„ Die Probleme waren während

des strikten Lockdowns offenbar

weniger schlimm als danach. Die

Einführung der Lockerungen hat

dann nicht zu einer Verbesserung

der psychischen Situation geführt

– sondern im Gegenteil.“

Tatjana Schnell

(17)

zukunft forschung 02/20 38

ÖKOLOGIE

Fotos: AdobeStock/ Farknot Architect (1), Andreas Friedle (1), privat (1)

„ELIMINATE, INNOVATE, CIRCULATE“

Anke Bockreis und Martin Stuchtey forschen für eine nachhaltige Zukunft. Bei der Beseitigung von Plastikmüll und Maßnahmen zum Klimaschutz setzen beide auf das Konzept der Kreislaufwirtschaft.

ZUKUNFT: Herr Stuchtey, in einer kürz- lich veröffentlichten Studie zeichnen Sie ein düsteres Bild. Demnach würden trotz massiver Anstrengungen 2040 jähr- lich noch mehr als fünf Millionen Tonnen Kunststoff in die Ozeane gelangen. Ist es bereits zu spät, um zu handeln?

MARTIN STUCHTEY: Es ist nie zu spät, um ins Handeln zu kommen. Es ist aber wich- tig, sich mit der Ausgangslage vertraut zu machen. Die ist in der Tat sehr herausfor- dernd, wenn nicht gar dramatisch und vielen unbekannt. Die Kunststoffindus- trie ist ein weltweiter Wachstumsmotor.

Wir müssen damit rechnen, dass sich die Produktion bis 2040 verdoppelt. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird sich die Menge an Kunststoff, die in Ökosysteme ent- weicht, bis 2040 auf rund 29 Millionen Tonnen jährlich verdreifachen.

ZUKUNFT: Was sollte man Ihrer Meinung nach tun?

STUCHTEY: Das Problem ist komplex: Die Kunststoffindustrie ist sehr groß, sie ist

ein internationales Wertschöpfungssystem und sie ist zutiefst in unser Konsumver- halten verwoben. Die gute Nachricht ist, dass es bereits mit heutiger Technologie und ohne massive ökonomische Ein- schränkungen möglich wäre, den derzei- tigen Eintrag in die Umwelt drastisch zu reduzieren. Wir müssen aber noch einen Schritt weitergehen und durch Innovation bessere Materialien, bessere Entsorgungs- systeme und eine bessere digitale Nach- verfolgung von Materialströmen schaffen.

ZUKUNFT: Frau Bockreis, ihr Forschungs- schwerpunkt umfasst neben der Abfall- behandlung auch die nachhaltige Verwer- tung und die Vermeidung von Abfällen.

Woran arbeiten Sie derzeit, um das Prob- lem „Plastik“ in den Griff zu bekommen?

ANKE BOCKREIS: Wir arbeiten an Projek- ten, die ein Bewusstsein dafür schaffen, was für ein massives Problem mit unse- rem unbekümmerten Plastikverbrauch einhergeht. Das fängt bei den Einweg- bechern an, die wir alleine in Innsbruck

jeden Tag in der Höhe des Patscherkofels ansammeln. Für das Land Tirol führen wir gerade eine Studie durch, um ein Mehr- wegbechersystem einzuführen. Denn obwohl wir in Österreich ein funktionie- rendes Entsorgungssystem haben, landet trotzdem vieles noch in der Umwelt.

ZUKUNFT: Wie kann man diesem Problem großflächiger entgegentreten?

BOCKREIS: Momentan ist in Österreich die Debatte um das Einwegpfand ent- brannt, wie es das etwa schon seit Jahren in Deutschland gibt. Ich spreche mich klar dafür aus, um künftig die Recyclingziele der EU zu erreichen. Man merkt in dieser Diskussion aber stark das Lobbying der betroffenen Industrien, die darunter lei- den würden. Das PET, um das es haupt- sächlich geht, ist ein sehr hochwertiges Plastik. Recyclingunternehmen haben Angst, dass sie ohne PET nur noch den schlechter zu verwertenden Kunststoff und dadurch enorme Umsatzeinbußen hätten. Große Konzerne wie etwa Coca

(18)

zukunft forschung 02/20 39

ÖKOLOGIE

Cola versuchen außerdem, durch gezielte Maßnahmen ihr Image aufzubessern, um sich davon freizukaufen, dass sie eigent- lich einer der Hauptverursacher dieses Abfallstroms sind. Da muss man viel mehr Bewusstsein schaffen, wie sorglos wir in unserem Leben, auch aus Bequem- lichkeit, mit Plastik umgehen.

ZUKUNFT: Ist also nicht Kunststoff selbst, sondern nur unser Umgang damit das Problem?

BOCKREIS: Man darf trotz allem nicht außer Acht lassen, dass Plastik auch im- mense Vorteile hat. Gerade, wenn man an Hygienevorschriften oder den Gesund- heitssektor denkt. Da wird es auch in Zukunft nicht ohne Plastik gehen. Wenn alles eingesammelt und entsprechend auf- bereitet und recycelt werden könnte, dann würde man auch die Auswirkungen auf die Umwelt reduzieren.

STUCHTEY: Wir müssen unser Verhältnis zu diesem Werkstoff total überdenken.

Nach dem Motto: Eliminate, Innovate, Circulate. Das Gute ist, dass es Reduk- tionsmöglichkeiten „Eliminate“, die sowohl wirtschaftlich als auch für den Kunden attraktiv sind, bereits gibt: Aus Plastikprodukten macht man statt eines Verbrauchsguts ein Gebrauchsgut – Wie- derverwendbarkeit statt Einmalnutzung.

Wir müssen ferner erreichen, dass vieles, was heute als Single-Use-Plastik ange- boten wird, in Zukunft aus alternativen Materialien besteht. Was dann noch üb- rigbleibt, sollte aus Sekundärrohstoffen gefertigt werden. Das wäre eine nachhal- tige „Circular Plastic Economy“.

ZUKUNFT: Wo muss man ansetzen, um einen Systemwandel hin zu einer solchen Kreislaufwirtschaft herbeizuführen?

BOCKREIS: Es wäre wichtig, dass die Se- kundärkunststoffe sich von den Primär- kunststoffen preislich abheben, etwa über eine deutliche Besteuerung von Primär- kunststoffen. Die EU plant bereits Maß- nahmen: Ab 1. Januar 2021 soll eine Kunst- stoffsteuer für alle nicht-recycelten Verpa- ckungen eingeführt werden. Diese muss auf Länderebene dann aber auch auf die Kunststoffproduzenten umgelegt werden, um eine Steuerungswirkung zu erreichen.

Man darf gespannt sein, wie das ausgeht.

STUCHTEY: Es gibt eine Reihe von Instru- menten, um das evidente Marktversagen, das wir aktuell am Kunststoffmarkt haben, zu korrigieren. Wenig diskutiert wird in diesem Zusammenhang die CO2-Steuer

selbst, mit der auch die Kunststoffproduk- tion besteuert wird. Hersteller sollten für die Stoffe, die sie in den Verkehr bringen, im Rahmen von Hersteller-Verantwor- tungs-Systemen wie dem Grünen Punkt für rezyklierte oder rezyclierbare Mate- rialien geringer bepreist werden. Bei allen Plastikartikeln und Verpackungseinheiten, wo eine Rücknahme logistisch möglich ist, sollte die Einführung von Pfandsystemen erwogen werden. Langfristig könnte man auch ein Maximum an Primärrohstoffen definieren, das in Kunststoffen verarbeitet werden darf. Am besten wäre eine sinn- volle Kombination aus allem.

ZUKUNFT: Welche Rolle spielt die Be- wusstseinsbildung bei jungen Menschen, zu der ja auch die Universität Innsbruck mit ihren Angeboten beiträgt?

BOCKREIS: Um dem Klimawandel ent- schieden entgegenzutreten, müssen wir

im Bereich Bildung und Bewusstseins- bildung sehr viel tun. Denn wir wissen, dass wir als Konsumenten viel bewirken und Druck auf die Politik ausüben kön- nen. Wenn die Industrie nicht bereit ist, wird das zwar das System nicht ändern, trotzdem muss ein tiefes Verständnis da- für, welche Auswirkungen Plastik auf die Umwelt und den Klimaschutz hat, ver- ankert werden.

STUCHTEY: Die Bewegung im Bereich Kunststoff hat ihren Ausgangspunkt bei den Konsumenten. Die akzeptieren nicht mehr, dass so viel Kunststoff weggewor- fen und nicht weiterverwendet wird und oft in Ökosystemen landet. Lösen kön- nen die Konsumenten das Problem aber nicht. Solange es keine Marktregeln gibt, kommt man als einzelner Konsument in einer Welt, in der alle Anreize falsch ge- setzt sind, nicht dagegen an.

ZUKUNFT: Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen globalen und lokalen Maßnah- men zur Plastikvermeidung?

STUCHTEY: Wenn wir Plastik weiterhin genauso verwenden wie heute, dann wird alleine die Kunststoffindustrie im 21. Jahrhundert ein CO2-Emmissionsvo- lumen von 350 Gigatonnen erreichen. So hoch ist das CO2-Budget insgesamt noch, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Wir können es uns also nicht länger erlauben, so viel Plastik herzustellen, es nur einmal zu verwenden oder es in eine thermische Verwertung zu geben. Weltweit kommt die starke Vermüllung hinzu. Und hier gibt es einen Systemzusammenhang:

Plastik, das in Europa – auch in Öster- reich – produziert wird, geht auf die Weltmärkte. Wenn wir die falschen Kunststoffe liefern, schaffen wir die Ent- sorgungsprobleme anderswo. Zudem nehmen die Länder des globalen Südens unseren Müll nicht mehr auf. Das erhöht den Entsorgungs- und Recyclingdruck bei uns in Europa. Aber es gibt auch ei- nen positiven Zusammenhang: Sind wir in der Lage, dieses Problem in Europa zu lösen und kreislauf- und nutzenorientier- te Systeme aufzubauen, dann ist das ein Exportschlager für die Zukunft. Solche Recycling-, Entsorgungs-, Sortier- und Tracingsysteme werden auch in den Volkswirtschaften des Südens gebraucht.

So positionieren wir uns mit modernen, sauberen Lösungen und das entspricht schließlich der Logik des European

Green Deals. lm

ANKE BOCKREIS ist seit 2009 Professorin für Abfallbehandlung und Ressourcenma- nagement an der Universität Innsbruck. Die Bauingenieurin leitet den gleichnamigen Forschungsbereich am Institut für Infra- struktur.

MARTIN STUCHTEY ist seit 2017 Professor für Ressourcenstrategie und -management an der Universität Innsbruck und Teil des „Innovation Lab for Sustaina- bility“. Außerdem ist er geschäftsführender Gesellschafter von SYSTEMIQ, einer Inno- vations- und Investmentfirma, welche die Erreichung des Pariser Klimaabkommens als Unternehmenszweck hat.

(19)

International vernetzt – regional verankert

Internationale Spitzenforschung, engagierte Mitarbeiter*innen und hoch motivierte Studierende machen die Universität Innsbruck zu einem Motor für Wirtschaft und zum Impulsgeber für die Gesellschaft in der Region und weit darüber hinaus.

unter 1600 Universitäten weltweit

8 Top-Ergebnisse

in den Bereichen Internationale Ausrichtung und Forschung

Quelle: U-Multirank Top Performing Universities 2020

Top Forschung

Jedes Jahr über

4000 neue Fachleute

die auf dem aktuellen Stand der Forschung ausgebildet wurden

Quelle: Universität Innsbruck in Zahlen 2020

International vernetzt:

in der

European-

Universities-Allianz

„Aurora“

mit neun europäischen Universitäten von Reykjavik bis Neapel

Beste Spin-off-Strategie:

Österreichweit führend mit

19 Unternehmens- beteilungen

durch die 2008 gegründete Beteiligungsholding

Quelle:

www.uibk.ac.at/

transferstelle/beteiligungen/

E E

41 Millionen Euro

öffentlicher Forschungsmittel

national und international eingeworben

20% Steigerung

in 4 Jahren

Quelle: Universität Innsbruck in Zahlen 2020

Wir bauen Brücken in die Zukunft. www.uibk.ac.at

beim renommierten Shanghai-Ranking in

19 Fachbereichen

Spitzenforschung in den Forschungsschwerpunkten Physik und Alpiner Raum

Quelle: Fachdisziplinen Ranking der Jiaotong-Universität Shanghai 2020

Top Performer

in Österreich im Bildungsbereich zum

4 . Mal

in Folge

dank spannender Arbeitsinhalte, familienfreundlicher Arbeits- bedingungen und einem internationalen Arbeitsumfeld

Quelle: Ranking „Österreichs beste Arbeitgeber 2020“

der Zeitschrift trend

Top Arbeitgeber

© BfÖ 2020, Foto: © Innsbruck Tourismus / Christof Lackner

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

mungsangebote, die eine Kunst und überhaupt alles Wahrnehmbare im Digitalen machen können, unterliegen den Gesetzen der Rasterung und der Quantisierung.. Das wäre noch

Bisher sind sich trotz weitgefächerter Informationsmaßnahmen des Sächsi- schen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirt- schaft nur wenige Menschen des Ge

Es gibt aber auch das starke Bedürfnis nach einer intensiven Auseinandersetzung zur Anwendung in der Praxis!. Hier- für wäre die Einrichtung einer Arbeitsgruppe in der Kammer

Wenn du das geschafft hast, versuche selbst eine Stufe einer Silbentreppe zu erfinden.. Auch hier kann dir dein

Die inhaltliche Würdigung von Konfliktlösung in paulinischer Traditi- on hat I Kor 5f im Blick (Kap. 6, Konfliktsitua- tionen nicht vor Gericht, sondern coram ecclesiae zu

Kaffeebohnen bereithalten Empfehlen Sie Ihren Kunden, bei der Entscheidung für einen neuen Duft, diesen auf die ei- gene Haut aufzusprühen und etwa fünf Minuten zu warten, bis

• Einfache Anwendung für Ihre Kunden: kein Anrühren, keine Aktivierungszeit, keine Kühlung nötig. • Nur 1

Dass Produkte vielseitig einsetzbar sind, finde ich auch deshalb so wich- tig, weil Frauen in den Wechseljah- ren ja heutzutage „in den besten Jah- ren“ sind, beruflich oft auf