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Soziale Einflüsse auf die sozialemotionale Entwicklung in den ersten Lebensjahren

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Academic year: 2022

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Soziale Einflüsse auf die sozial-

emotionale Entwicklung in den ersten Lebensjahren

29. Mai 2021 Joscha Kärtner

Mit Emotionen umgehen – Eine Aufgabe für Klein und Gross Internationales Bodensee-Symposium Frühe Kindheit

(2)

(Früh-)Kindliche Entwicklung

• Die Lebenswelt des Kindes

Gesamtheit der sozialen und nicht-sozialen Kontexte, so wie sie durch Bezugspersonen angeboten und strukturiert werden

Wird beeinflusst durch Werte, Normen und Sozialisationsziele ØBeeinflusst Verhalten, Erleben und Lerngelegenheiten

• Entwicklung als aktive Aneignung durch Teilhabe an der sozialen und kulturellen Umwelt (Rogoff, 2003)

(3)

Die Entwicklung prosozialen Verhaltens

• Im 2. Lebensjahr beginnen Kinder

anderen zu helfen (instrumentelles Hilfeverhalten) andere zu trösten (emotionales Hilfeverhalten)

mit anderen zu kooperieren mit anderen zu teilen

• Alle Verhaltensweisen werden im Laufe des 2.

Lebensjahres zunehmend häufiger und differenzierter

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie

Aber ist das “wirklich” prosozial?

Aktuelle Debatte am Beispiel Helfen

(4)

Aber ist das “wirklich” prosozial?

• Absichtsvolles Verhalten, dass sich an dem Bedürfnis einer anderen Person orientiert (Eisenberg et al., 2015)

ØIn diesem Sinne: „ja“!

Ab ca. 12 Monaten zeigen Kinder Hilfeverhalten

• Aber:

Wollen die wirklich „helfen" (Motivation)?

Verstehen die Kinder das als „helfen“ (Kognition)?

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie Köster & Kärtner (2019)

(5)

Motivation: Wollen 1-jährige Kinder anderen helfen?

„Echtes" prosoziales Motiv (Warneken & Tomasello, 2007)

Das Kind will dem anderen helfen, damit es ihm besser geht Annahme: Kinder verstehen Bedürftigkeit der anderen Person

Soziales Motiv (Affiliationsmotiv) (Carpendale et al., 2015; Dahl, 2015)

Kind will dazugehören, mitmachen und mit anderen interagieren

ØÜber das Verhalten alleine kann das nicht geklärt werden!

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie

(6)

Kognition: Verstehen 9- bis 18-monatige Kinder die Bedürftigkeit Anderer?

© Tobii pro

Eyetracker zeichnet Blick des Kindes auf

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie mit Köster (2016)

(7)

Kognition: Verstehen 9- bis 18-monatige Kinder die Bedürftigkeit Anderer?

• Phase 1 – Gewöhnung (Wer will hier eigentlich was?)

• Phase 2 (Akteur beugt sich vor und „friert ein“)

Wohin schauen die Kinder zuerst (antizipatorischer Blick)?

Zum Hilfsbedürftigem!

• Phase 3 (Akteur zeigt (un-)erwartete Handlung)

Die Erwartungsverletzung: Längerer Blick, wenn das Unerwartete passiert

ØBeides hat sich bestätigt!

13 Monate

Phase 2

Phase 3 9 Monate

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie mit Köster (2016, 2019)

(8)

Was zeigen diese Befunde?

• Das Verständnis der Bedürftigkeit anderer zeigt

„Echtes" prosoziales Motiv ist möglich (muss aber nicht sein!)

• Andere Studien zeigen, dass das Zugehörigkeitsmotiv das Hilfeverhalten beeinflusst

ØAktueller Stand: Es beginnt mit einem undifferenzierten Motivmix

ØIm weiteren Entwicklungsverlauf differenzieren sich daraus verschiedene Motivqualitäten

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie (Over & Carpenter, 2009)

(9)

Soziokulturelle Einflüsse auf die Entwicklung

frühen Hilfeverhaltens

(10)

Soziokulturelle Bedingtheit frühen Hilfeverhaltens

• Hilfeverhalten wird von Beginn an begleitet, z.B. durch Aufforderung, Vormachen und Lob

Wie hängen diese Verhaltensweisen mit dem frühen Helfen zusammen?

• Muss man oder kann man Helfen?

Soziokulturelle Unterschiede im Ausmaß, in dem Hilfeverhalten selbstverständlich und verbindlich ist

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie Kärtner (2018)

(11)

• 38 Elter-Kind Dyaden kommen im 3-Monats-Abstand 5 Mal an die Uni und nehmen an einem „Helfen-Parcours“ teil

Soziale Einflüsse (in beide Richtungen)

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie

0,10 0,20,3 0,40,5 0,60,7

12 15 18 21 24

Alter in Monaten

Anteil der Zeit auffordern

vormachen loben

Kind hilft

Auffordern und Loben hängt

zeitgleich positiv mit dem Helfen zusammen

Wer mit 12M weniger hilft, kriegt mehr vorgemacht

Entwicklungsförderlich

Vormachen mit 12 Monaten Loben mit 15 Monaten

Kärtner u.a. (2020)

(12)

Helfen im Kulturvergleich

Muss man oder kann man helfen?

• Anderen zu Helfen ist in vielen Kulturen ein wichtiges (Erziehungs-)Ziel

• Aber: Muss man oder kann man helfen?

Helfen als Selbstverständlichkeit oder als (wünschenswerte!) persönliche Entscheidung?

ØIn autonomen Kulturen ist es eher letzteres

• Wie fordern Bezugspersonen ihre Kinder zu etwas auf?

Muss man oder kann man helfen?

(13)

Helfen im Kulturvergleich

Muss man oder kann man helfen?

Je stärker der kulturtypische Stil gezeigt wurde, desto eher halfen die Kinder in einer anderen Situation (ohne Aufforderung)!

ØErste Hinweise, dass schon früh kulturspezifische Motive wirksam werden

Mit Bestimmtheit auffordern Einsichtsorientiertes Auffordern Münster

Ländliches Brasilien

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie mit Köster (2016)

(14)

Fazit: Soziokulturelle Einflüsse auf das prosoziale Verhalten

• Kinder zeigen im 2. Lebensjahr prosoziales Verhalten

• Zunächst Verhalten auf Grundlage eines wenig differenzierten Motivmix (Anschluss, Zugehörigkeit, Fürsorge)

• Im weiteren Entwicklungsverlauf differenzieren sich daraus verschiedene Motivqualitäten

• Es gibt soziale und kulturelle Einflüsse auf diese Entwicklung

ØBezugspersonen gehen unterschiedlich mit dem Verhalten ihrer Kinder um

ØDas hat Einfluss darauf, warum und wie oft Kinder helfen!

(15)

Die Entwicklung sozial-emotionaler Kompetenz

(16)

Sozial-emotionale Kompetenz

• „Persönliche Ziele in sozialen Interaktionen erreichen, während gleichzeitig positive Beziehungen zu anderen aufrechterhalten, sowie soziale Normen und Regeln eingehalten werden“ (Rose-

Krasnor, 1997)

• Zentrale Rolle der reflexiven Emotionsregulation

Hemmung oder Modifikation einer emotional ausgelösten Handlungsbereitschaft (Campos u.a., 2004; Holodynski u.a., 2013)

Prof. Dr. Joscha Kärtner |

(17)

Zentrale Rolle der Bezugspersonen

• Die meisten Aktivitäten und Erfahrungen von Kindern werden durch Bezugspersonen begleitet

• Die Bezugspersonen strukturieren das Verhalten und Erleben der Kinder

Vieles wird zunächst im Miteinander erlebt und dann zunehmend verinnerlicht

ØDie Ko-Regulation durch Bezugspersonen ist zentral für die Entwicklung des kindlichen Verhaltens und Erlebens

ØIn der Familie UND in der KiTa

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie

(18)

Material für Fortbildungen von pädagogischen Fachkräften im Rahmen eines unserer DFG-Projekte

Der Emotionsprozess

(19)

WUT

Nachtisch geben?!

Kein Nachtisch!

Anlass Er verweigert Bewertung

mir den Nachtisch!

Körper- reaktion EmpfindungKÖRPER-

REAKTION:

Muskeltonus-

erhöhung Ausdruck

als Appell Handlungs-

impuls

Eigene Handlung

Handlung anderer

Sich den Nachtisch selbst holen,

Schlagen

Gefühl

Der Emotionsprozess

Material für Fortbildungen von pädagogischen Fachkräften im Rahmen eines unserer DFG-Projekte

(20)

Regulationsbedarfe

Emotion

Anlass Bewertung

Ausdruck als Appell Körper-

reaktion Empfindung

Eigene Handlung Handlungs-

impuls

Handlung Anderer

Gefühl

Material für Fortbildungen von pädagogischen Fachkräften im Rahmen eines unserer DFG-Projekte

(21)

Reflexive Emotionsregulation: willentliche Beeinflussung eigener Emotionen

• Ziel der reflexiven Emotionsregulation

Emotion abschwächen bzw. ganz neutralisieren Emotion andauern lassen bzw. verstärken

Emotion in angemessenere Emotion transformieren Angemessene Emotion erzeugen

ØSo dass die Befriedigung der eigenen Motive insgesamt gesichert werden kann

• Erforderliche Kompetenzen: was entwickelt sich?

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie

(22)

Erforderliche Kompetenzen:

Was entwickelt sich?

Material für Fortbildungen von pädagogischen Fachkräften im Rahmen eines unserer DFG-Projekte

Emotion

Anlass Bewertung

Ausdruck als Appell Körper-

reaktion Empfindung

Bewältigungs- handlung Handlungs-

impuls

Gefühl

Ablenkung Neu-

bewertung Beruhigung Verhaltens-

änderung Regulations-

strategien Emotionale Bewusstheit

(23)

Was entwickelt sich?

Emotionsregulationswissen

Michaela ist ärgerlich, weil ihr Bild zerstört wurde: Hilft es…

(In-)Effektive aktionale Strategien

Wenn sie mit einer Freundin spielen geht?

Wenn Sie das bekritzelte Bild nimmt und immer wieder anschaut?

(In-)Effektive mentale Strategien

wenn sie sich vorstellt: gleich fahre ich mit meinem neuen Fahrrad?

Wenn sie denkt: jetzt habe ich so lange daran gemalt und jetzt ist es kaputt?

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

aktional mental

Mittlere Punktzahl pro Vignette

Alter ≤ 5 J.bis 5 > 5 J.über 5

mit Luisa Lüken und Judith Silkenbeumer

(24)

Was entwickelt sich?

Emotionsregulation (Inhibition)

Kind wird aus dem Spiel gerissen und soll aufräumen, nicht spielen

200 4060 10080

≤ 5 J. > 5 J.

Dauer (in %)

Alter

Kind räumt auf

Sowohl Emotionsregulationswissen als auch die Fähigkeit zum Inhibition

verbessert sich mit dem Alter

Beides hängt nicht direkt miteinander zusammen (noch Kontrolle des Alters)

bis 5 über 5

mit Luisa Lüken und Judith Silkenbeumer

(25)

Soziale Einflüsse auf die Entwicklung der reflexiven Emotionsregulation

Emotionale Bewusstheit und der Erwerb effektiver Regulationsstrategien

(26)

Die Rolle des sozialen Umfelds:

Emotion Coaching

Emotionale Bewusstheit

Sich seiner Emotionen bewusst werden Vogelperspektive: ich bin wütend!

ØErst dann kann man die Emotion in den Griff bekommen

Emotion Coaching: Emotionale Diskurse und wertschätzender und akzeptierender Umgang mit Emotionen: alle Emotionen sind

erlaubt! (Gottman u.a., 1997)

Emotionen spiegeln Emotionen benennen Emotionen explorieren

Prof. Dr. Joscha Kärtner |

Maria von Salisch:

Emotion Talk

(27)

Die Rolle des sozialen Umfelds:

Von der Ko- zur Selbst-Regulation

• Aufbau eines Repertoires an Emotionsregulationsstrategien

Es werden zunehmend mehr Anteile der Selbstregulation vom Kind eingefordert (Grolnick u.a., 1998)

Übergang von stellvertretenden Formen der Koregulation zu

instruktiven und reflexiven Formen der Ko-Regulation (Spinrad, 2004)

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie 27

(28)

Ein Phasenmodell der Emotionsregulation

mit Judith Silkenbeumer, Eva-Maria Schiller & Manfred Holodynski (2019)

Ablenkung Neu-

bewertung Beruhigung Verhaltens-

änderung LEVEL 3: Erinnerung

“Ich erinnere das Kind”

LEVEL 2: Konkreter Vorschlag

“Ich weise das Kind an”

LEVEL 1: Stellvertretende Emotionsregulation

“Ich übernehme für das Kind”

Auslösendes

Ereignis Bewertung

Ausdruck &

Appell Körperreaktion

Empfindung

Bewältigungs- handlung Handlungs-

impuls

Koregulation Selbstregulation

(29)

WUT

Nachtisch geben?!

Kein

Nachtisch! Sich den

Nachtisch selbst holen,

Schlagen Er verweigert

mir den

Nachtisch! KÖRPER-

REAKTION:

Muskeltonus- erhöhurng

Was tut der Vater tatsächlich?

(30)

Material für Fortbildungen von pädagogischen Fachkräften im Rahmen eines unserer DFG-Projekte

Emotion und Emotions-Ko-regulation

(31)

Flugzeug spielen

macht Spaß!

ABLENKUNG

WUT

Kein Nachtisch!

Er verweigert mir den

Nachtisch! KÖRPER-

REAKTION

KÖRPER- REAKTION

Koregulation:

Was tut der Vater tatsächlich?

(32)

Umgang mit Emotionen in der KiTa

Fokus auf Episoden, die für die Kinder (4-6 Jahre) emotional belastend sind (z.B. Wut, Trauer)

Emotion Talk (Emotionen spiegeln & benennen)

Mehr bei jüngeren Kindern

Insgesamt recht selten (13% aller Episoden)

Ko-Regulation (46% aller Episoden)

Häufiger bei jüngeren Kindern und intensiveren Emotionen FK setzen bei kompetenteren Kindern mehr voraus

Ko-Regulation hilft: führt in der Episode zu mehr selbst-reguliertem Verhalten

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie mit Judith Silkenbeumer (2018)

(33)

Fazit: Soziokulturelle Einflüsse auf die sozial-emotionale Entwicklung

Bezugspersonen (Eltern und Fachkräfte) spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung sozial-emotionaler Kompetenz

Entwicklung prosozialen Verhaltens

Entwicklung willentlicher Emotionsregulation

Bezugspersonen passen ihr Verhalten dem Entwicklungsstand des Kindes an

Entwicklungsförderlicher Umgang mit Emotionen

Training und Beratung für pädagogische Fachkräfte App für Eltern (“Kleine Kinder, große Gefühle (kKgG)“

ØSymposium „Förderung emotionaler Kompetenz“ im Anschluss!

Prof. Dr. Joscha Kärtner | AE Entwicklungspsychologie

(34)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

www.beo.wwu.de www.celeb.wwu.de

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