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Nachruf auf ein Wundermedikament

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Academic year: 2022

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M E D I E N

M O D E N

M E D I Z I N

Die Stimulation von Cannabinoid-1-Rezep- toren im Hirn kann zu gesteigertem Appe- tit, Entspannung und einem deutlichen Ge- fühl des Wohlbefindens, selten aber auch zu Angst und paranoider Stimmung füh- ren. Mit der Markzulassung von Rimona- bant, einem selektiven Cannabinoid-1-Blo- cker, verbanden sich grosse therapeutische Erwartungen. In klinischen Studien erleich- terte die Substanz eine gewünschte Ge- wichtsabnahme und es bestanden Hin- weise für weitere günstige Auswirkungen auf Stoffwechselparameter, die mit dem zur selben Zeit besonders intensiv diskutierten metabolischen Syndrom und seinen kardio- vaskulären Auswirkungen in Zusammen - hang standen. Dazu gehörten Abnahmen des Nüchternblutzuckers, des Hämoglo- bins HbA1cund der Triglyzeride sowie eine HDL-Cholesterinzunahme. Damit schien eine Panazee gegen die heranrollende Welle von Fettsüchtigen mit ihrem gestör- ten Stoffwechsel und den deletären kar - diovaskulären Komplikationen gefunden.

Doch es kam anders. Schon im Jahr nach der Markteinführung musste die euro - päische Zu lassungsbehörde neue Kontra - indikationen veröffentlichen, in den USA wurde das Medikament erst gar nicht zu- gelassen. Bedenken hatten die neuropsy- chiatrischen Nebenwirkungen geweckt, vor allem Depressionen und Suizidversu- che. 2008 widerrief die Europäische Zulas- sungsbehörde die Marktzulassung wegen einer Häufung von Suiziden unter Thera- pie. Damit kam auch das vorzeitige Ende einer damals laufenden grossen Studie mit dem wohlklingenden Namen CRESCENDO.

Nun sind die rudimentären Ergebnisse der unglücklich amputierten Studie in «Lancet»

erschienen (Vol. 376, 14. August 2010, 517–523). We nig überraschend ergab sich bis zum vorzeitigen Studienende zwischen Rimonabant- und Plazebogruppe kein si - gni fikanter Unterschied beim primären Studien endpunkt (kardiovaskulärer Tod/

Herzinfarkt/Stroke). Gastrointestinale (33 vs. 22%), neuropsych iatrische (32 vs. 21%)

und schwere psych iatrische (2,5 vs. 1,3%) Nebenwirkungen waren unter Rimonabant jedoch eindeutig häufiger. In der Rimona- bantgruppe gab es 4 Suizide, in der Plaze- bogruppe nur einen. Interessant ist die Diskussion der Autoren: «In dieser Studie betrug die Suizidrate 0,04 Prozent für Rimonabant und 0,01 Prozent für die Kon- trollgruppe.» Zwar sei dies ein schwer - wiegender Nebeneffekt bei sorgfältig auf Depression und Geisteskrankheit gescreen- ten Patienten, was in der Alltagspraxis nicht immer gewährleistet sei. «Die nied- rige Inzidenz schwerwiegender neuro - psychiatrischer Effekte hätte aber durch eine zunehmende Verbesserung beim Schutz vor kardiovaskulärem Tod, Herz - infarkt und Stroke ausgeglichen werden können.» Und, so die Autoren forsch: «Für die thrombolytische Therapie beim akuten Myokardinfarkt wird ein Überlebensvorteil beobachtet, aber das Risiko eine intrakra- nielle Blutung mit möglicherweise schwe- rem neurologischem Defizit zu induzieren beträgt 1 auf 200 Patienten. Diese Studie dokumentiert ein Todesrisiko durch Rimo- nabant, das um Grössenordnungen tiefer

ist als diese Rate, wenn auch bei einer nicht unmittelbar lebensbedrohlichen Erkran- kung mit anderen Therapiealternativen.

Nichtsdestotrotz hat das tiefe absolute Risiko für neuropsychiatrische Effekte zur Beendigung der Studie durch Aufsichts - behörden in mehreren teilnehmenden Ländern geführt, was darauf schliessen lässt, dass die Toleranz für das Risiko neuer Moleküle beträchtlich tiefer ist als noch vor ein oder zwei Jahrzehnten.» Da haben sich klinische Forscher offenbar den Frust von der Seele geschrieben, die sich von unverständigen Behörden um Ruhm und

Ehre gebracht sehen. ■

H.B.

Post-mortem-Publikation der CRESCENDO-Studie:

Nachruf auf ein Wundermedikament

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ARS MEDICI 19 2010

Patienten mit lebenslimitierenden Erkrankungen und Dyspnoe erhalten oft palliativ Sauerstoff über eine Nasensonde. Eine randomisierte kontrollierte Studie hat nun bei 239 Patienten mit refraktärer Dyspnoe und PaO

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über 7,3 kPa (55 mmHg; d.h. nicht hypoxisch) untersucht, ob mit 0

2

-Zufuhr im Vergleich zu ebenfalls über eine Nasensonde applizierter Raumluft eine bessere Linderung der Atemnot und eine Verbesserung der Lebensqualität zu erzielen ist. Jeweils morgens und abends sowie während 7 Behand- lungstagen wurden die Dyspnoewerte des Patienten bestimmt. Die Forscher aus Austra- lien, den USA und Grossbritannien fanden zwischen Sauerstoff- und Raumluftgruppe keine signifikanten Unterschiede. Sie plädieren daher für weniger umständliche Behandlungs- optionen als die Sauerstoffzufuhr bei solchen Patienten, raten aber dazu, inviduell zuerst herauszufinden, ob die nasale Sauerstoff beim gegebenen Patienten wirklich nichts

nützt.

H.B. ■

Quelle: Lancet 2010; 376: 784—793.

Atemnot: Sauerstoff ist Raumluft nicht überlegen

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