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KASUISTIKEN
Klin. Pädiat. 196 (1984) 44-46© F. Enke Verlag Stuttgart
Fibrinpleurodese eines beidseitigen Spannungspneumothorax bei Mukoviszidose
H. Segerer*, K. Richter*,J. Scheele*** Kinderklinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg (Direktor: Prof. Dr. K. Stehrl
** Chirurgische Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg (Direktor: Prof. Dr. F.P. Gall)
Fallbericht Zusammenfassung
Ein beidseitiger rezidivierter Spannungspenumothorax bei einer 18jährigen Patientin mit Mukoviszidose wurde durch Fibrin-Pleurodese behandelt. Innerhalb des 20monatigen Beobachtungszeitraumes ist kein Rezidiv aufgetreten.
Fibrin Glue Pleurodesis of a Bilateral Tension Pneumo- thorax in Cystic Fibrosis
A bilateral recurrent tension pneumothorax in an 18-year- old patient with cystic fibrosis was treated by fibrin glue pleurodesis. Within the observation period of 20 months no relapse has occurred.
Einführung
Mit zunehmender Lebenserwartung der Patienten mit Muko- viszidose in den letzten Jahren nimmt die Komplikation eines lebensbedrohenden Spannungspneumothorax an Häu- figkeit zu (1,5,8, 14).
Wir konnten eine Patientin mit zystischer Fibrose und re- zidivierendem Spannungspneumothorax durch Fibrinpleu- rodese eines beidseitigen Spannungspneumothorax erfolg- reich behandeln.
Bei Angelika H. (KB.- r. 318 204) wurde im Alter von 10 Jahren eine Mukoviszidose festgestellt. Mit 16 Jahren bestanden ausgedehn- te Bronchiektasen. Im Verlauf der nächsten 2 Jahre traten wenig- stens drei Episoden einseitiger Pneumothoraces auf, die konserva- tiv behandelt werden konnten.
Eine vierte Episode kurz nach ihrem 18. Geburtstag begann mit heftiger Atemnot und stechenden beidseitigen Thoraxschmerzen.
Venen =
katheter
Abb. 2a Schemadarstellung: Bei liegender Thoraxsaugung werden Cava-Katheter in den Pleuraspalt eingelegt.
Abb. 1 Beidseitiger Spannungspneumothorax bei Mukoviszidose.
Röntgenaufnahme bei Aufnahme ((---I Lungengrenzen).
Klin. Pädiat. 196 (1984)
Abb. 2b Thoraxsaugungen und ( - - ) Cava-Katheter in situ.
Fibrinpleurodese eines beidseitigen Spannungspneumothorax bei Mukoviszidose A.H., Spannungspneumothorax beid~eits bei Mukoviszidose ( KB-Nr. 318 204)
SAUGUNGEN:
SAUGUNGEN (Y) abgeklemmt
(Fördermenge in ml) (»gezogen
MONALDI li. ; 20 _ ; 10 - - - ,
>
MONALDI re. ,
>
BULAU re ,
>
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1.
2 3 4. 5 6 10 20 23 Tag
Abb. 3 Verla.ufskurve der Pat. A.H.: Kein Pleura- reizerguß, keine Temperaturerhöhung im Zusam- menhang mit den Fibrinklebungen am 2. und 9.
BehandIungstag.
Nach der Diagnose eines rechtsseitigen Pneumothorax in einem aus- wärtigen Krankenhaus wurden zwei Drainagen rechts angelegt. Den- noch persistierte die Atemnot; das Mädchen wurde zu uns verlegt.
Hier stellte sich ein beidseitiger Spannungspneumothorax heraus;
die Atemnot konnte erst nach Lagekorrektur der beiden Saugun- gen und Anlegen einer dritten gebessert werden (Abb. 1).
Bei noch unvollständig expandierten Lungen wurden auf beiden Seiten unter Durchleuchtungskontrolle mehrere Cava-Katheter in den Pleuraspalt eingelegt (Abb. 2).
Am 2. Behandlungstag wurde über diese Katheter 3 ml Fibrinkle- ber* in den Pleuraspait der linken Thoraxseite instilliert.
Wegen anfangs außerordentlich großer Lecks der rechten Lunge konnte die Fibrinpleurodese auf dieser Seite erst am 9. Behand- lungstag durch Einspritzen von 6 ml Fibrinkleber-Gemisch erfol- gen (Abb. 3).
Am 10. Tag nach der zweiten Verklebung wurden beide Monaldi- Saugungen abgeklemmt und 24 Stunden später gezogen. Einen Tag später konnte auch die Bülau-Drainage entfernt werden. Die Re- expansion beider Lungen blieb erhalten; seit nunmehr 20 Monaten ist das Mädchen rezidivfrei (Abb. 4). Es ist arbeitsfähig und mäßi- ger sportlicher Belastung (S kilauf) gewachsen.
* Fibrinkleber Human Immuno, lmmuno AG, Wien/Österreich, vermischt mit Thrombin, Faktor XIII und Ca2+-Ionen (vgl. 11).
Abb. 4 Thorax-Kontrollaufnahme 20 Monate nach beidseitiger Fibrinpleurodese.
Klin. Pädiat. 196 (1984)
Schmerzen wurden beim Einspritzen des Fibrinklebers nicht ange- geben; Entzündungszeichen traten nicht auf. Auch Pleurareizergüsse oder eine Temperaturerhöhung wurden nicht beobachtet.
Diskussion
Die Pleurodese durch Fibrinkleber wurde erstmals von Spängier(9) an der Pleura von Hunden erprobt. Scheele verwendete dieses Verfahren erfolgreich bei sieben Erwach- senen mit rezidivierendem oder persistierendem Pneumo- thorax (11).
Beide Autoren betonten die gute Verträglichkeit dieser Art der Pleurodese. Unsere Erfahrungen bestätigen diese Be- richte, so daß uns diese Behandlungsmethode des rezidi- vierenden Spontanpneumothorax insbesondere bei der Mu- koviszidose gegenüber Klebstoffen anderer Art oder Pleu- rairritantien überlegen erscheint.
Im Vergleich zu Silbernitrat(3), Talkpuder (2, 15), Quin- acrin (6, 7, 17),Tetrazyklinen (10, 13, 16)oder Cyano- acrylat-Kleber (12) muß die Verzichtbarkeit einer Morphin- Analgese und das langanhaltend gute Ergebnis betont wer·
den.
Die meist als definitive Therapie auch bei der Mukoviszi- dose empfohlene Thorakotomie mit partieller Pleurektomie bei rezidivierendem Auftreten eines Pneumothorax (4, 8, 14, 17) wäre wegen des schlechten Allgemeinzustandes unserer Patientin nicht möglich gewesen.
Das bislang sehr zufriedenstellende Ergebnis sollte anhand weiterer Beobachtungen überprüft werden.
Literatur
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12Takeno, Y.: New treatment of spontaneous pneumothorax by liquid glue nebulization. Bronchopneumologie 28 (1978) 19- 28
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In: Perspectives in Cystic Fibrosis. Proceedings of the 8th in- ternational cystic fibrosis congress held in Toronto, Canada, May 26-30, 1980. Edited by Jennifer M. Sturgers. Published by the Canadian Cystic Fibrosis Foundation
15 Nandi. P.: Recurrent Spontaneous Pneumothorax: An Effec- tive Method of Talc Poudrage. Chest77 (1980) 493-495 16 Cannon. W.B.. J.B.D. Mark. R. W. Jamplis: Pneumothorax: A
Therapeutic Update. Am. J. Surg. 142 (1981) 26-29 17McLaughlin. F.J.. W.J. Matthews jr., D.J. Strieder. K.T. Khaw.
S. Schuster. H Shwachman: Pneumothorax in cystic fibrosis:
Management and outcome. J. Pediatrics 100 (1982) 863-869
Dr. H. Segerer, Univ.-Kinderklinik, Loschgestraße 15, D-8520 Erlangen
BUCHBESPRECHUNGEN
Bickel, H., U. Wachtel (Hrsg.): Neugeborenen-Screening auf heredi- täre Stoffwechselstörungen. Gegenwärtiger Stand und künftige Ent- wicklung. 1983. (Georg Thieme Verlag, Stuttgart.)
Das kleine Büchlein referiert ein Symposium einschlägiger Spezia- listen im Jahre 1982. Es werden Methodik und Schwierigkeiten der verschiedenen Suchteste, einschließlich derjenigen auf Hypo- thyreose, abgehandelt. Darüber hinaus wird die Differentialdiagno- se der Hypothyreosen, wie sie sich Suchprogrammen anbietet, und die neuentdeckten Abarten der Hyperphenylalaninärnie dargestellt.
Das schwierige Problem der mütterlichen Phenylketonurie, sowie die wichtige Zusammenarbeit zwischen Screening-Zentren und praktizierenden Kinderärzten wird diskutiert. Es wäre wünschens- wert, wenn die Inhalte dieses am neuesten Stand befindlichen Büchleins auch das Interesse der Kollegen außerhalb der Zentren fände.
O. Thalhammer
Jacobi, G. (Hrsg.): Aktuelle Neuropädiatrie IV. Koma, Sehbahn und Okulomotorik, Kindesmißhandlungen. 7. Jahrestagung der GesellschaftfUr Neuropädiatrie, Frankfurt/Main 1981. 1982. 256 S., 135 Abb., 30 Tab. (Georg Thieme Verlag, Stuttgart.) DM 68,- Der Bericht über die 1981 abgehaltene Tagung der Gesellschaft fUr Neuropädiatrie bringt mit den Hauptthemen Informationen, die an anderer Stelle nur schwer in dieser einerseits gedrängten, anderer- seits auch umfassenden Weise zu finden sind: Probleme des Komas
Klin. Pädiat. 196 (1984)
heim Kind haben nicht zuletzt durch die aktuelle Diskussion um Prognose, Einteilung und Therapie unmittelbar praktische Bedeu- tung; es werden morphologische und neurophysiologische Befunde interpretiert, Kriterien zur prognostischen Beurteilung aufgezeigt, die Wirkungen von Medikamenten erörtert. Der Abschnitt "Seh- bahn und Okulomotorik" bringt Beiträge zur vergleichenden Ana- tomie und Physiologie, aber auch zur Klinik und Diagnose (evo- zierte Potentiale usw.). Neurologische Folgen von Kindesrnißhand- lungen in den heiden ersten Lebensjahren werden hinsichtlich neu- ropathologischer Befunde und rechtsmedizinischer Konsequenzen diskutiert; es sind jedoch auch viele praktische Hinweise gegeben.
Unter den freien Themen sind Beiträge zur Liquorbeschaffenheit, zur Anwendung der Sonographie im Säuglingsalter und zur klini- schen Theratologie (Alkohol, Valproinat) von aktuellem Interesse.
- Der Band ist nicht nur eine Sammlung aneinandergereihter Kon- greßreferate; er behandelt vielmehr umfassend spezielle Kapitel der Neuropädiatrie und zeigt die Notwendigkeit interdisziplinärer Kooperation. Wie die vorausgehenden Bände bringt die vorliegen- de Sammlung jedem neuropädiatrisch Interessierten die willkom- mene Möglichkeit, rasch detaillierte Informationen aus erster Hand zu erhalten, die sonst mühsam in der Literatur aufgesucht werden müssen. Es ist zu hoffen, daß auch der Inhalt folgender Tagungen in ähnlicher Weise einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann.
G. Neuhäuser, Gießen