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„Ein Schauspiel für Kemosch".
Von Hubert Griiume.
Zeile 12 der Meschainschrift weist eine Redewendung auf, die
schon zu mancherlei kritischen Bemerkungen Anlaß gegeben hat:
□Nwbi "jirab n''l, den Abschluß des Satzes: ,Da tötete ich das
ganze Volk (weg aus?) der Stadt". Die ältere, noch jetzt von den
meisten Epigraphikeni vertretene Meinung läßt n''"i eine — aller- 5
dings durch den Schwund von N auffällige — Kurzform von jenem
niNI sein , das Koheleth 5, ig im Sinne von „Schauspiel , Augen¬
weide" vorkommt; ein solches n^l wäre, wie Halevy letzthin (Revue
Semit. 1906, S. 180 f) betont hat, passend mit assyrischem tämartu
(von V „sehen") zu vergleichen. Dagegen möchte Fr. Praetorius lo
(ZDMG. 60, 402), dem ein pin = „Schauspiel" vermutlich besonders wegen des fehlenden N „sehr fraglich" ist, das Wort für eine Ver¬
schreibung von rr'npa „in Qerijjöt" nebmen und glaubt durch diese
Emendation auch die Härte der Verbindung von J"irt mit dem
Objektsadjektiv und mildern zu können. Am radikalsten ver- ir>
fährt 6. Jahn (z. B. ZDMG. 59, 739) mit dem Ausdrucke , indem
er ihn denjenigen Stellen der Meschainschrift einreiht, die nach
seiner Meinung den ungeschickten Fälscher deutlich verraten.
Ich möchte mich auf die Seite derjenigen stellen , die den
Ausdruck 'BWsb ni"n für echt und gutüberliefert halten und ihm 2u
die Bedeutung zuteilen „ein Schauspiel für Kemosch". Die Auf¬
fälligkeit des Schwundes von N hindert mich nicht, darin eine
gebräuchliche Wendung des vordersemitischen Inschriftenstils zu
sehen. Ich finde nämlich , daß in den minäischen Inschriften von
el-Öla, die zeitlich der Meschainschrift vermutlich recht nahe stehen, 25
an drei Stellen (23,8; 1,4; 11,2) eine Phrase vorkommt, die sich
mit der obigen bis auf die Ungleichheit im Götternamen vollständig
deckt. Da viel auf den Zusammenhang ankommt, in dem sich hier
die Formel findet , so gebe ich sie zunächst in Verbindung mit
ihrem näheren Kontext: :iu
Eut. 23,1-8 nm ^^ prnnbi . .
. . . b ■':p^T bDT •'i^y . .
nn-'-i ^nrN-^b
Zeitschrift der n.M. G. Iid. LXI. C
Eut. 1, 1-6 oVm i"a;aT lyb
"Spn IIS bisa ttj [ nnyj ] . . . n t'ts tst criwjn
[i-ia]ii: önb om nn-'-) 'i
lay ■'bnsa .
Eut. 11, 1-3 n -nab-' IS ■jttirriT'D ia .
[apn "1:111» irüijjnN ni N3!n nnn ani-i ms n:
n p ISID nbsbs mD;T mi y
Die drei unterstrichenen Stellen, nämlich zweimaliges Dnin niD
und einmaliges on^n nnnrs (wie von den bisherigen Herausgebem
zweifellos richtig ergänzt worden ist) bedeuten m. E. nichts anderes
als die satzabschließende Phrase , dem Wadd (bezw. dem Attar)
zum Schauspiele'. Zwar wollen die Sabäisten , die sich mit
diesem Ausdrucke beschäftigt haben , Dnin als lokales Epitheton
zu Wadd und Attar deuten , wobei D. H. Müller an einen Ort
„Rait""", J. H. Mordtmann an einen solchen der Form Raitam denkt ;
aber die Übersetzungen ,Wadd (Attar) von Rait" (Raitam)' sind
abzulehnen, weil sie den Regeln, die für die südarabischen Götter¬
beinamen gelten, zuwider sind.
Wo immer im Südarabischen einer Gottheit ein lokales Epitheton
beigefügt wird, da geschieht es vermittelst vorgesetztem bya (fem.
nbya) oder n (fem. nn). Ersteres tritt vermutlich dann ein, wenn
die Gottheit durch Beifügung eines Terapelnamens charakterisiert
werden soll, letzteres bei lokalen Zusätzen allgemeinerer Art. Daß
jedes nicht mit bya oder n eingeleitete Götterepitheton in eine
andere als die lokale Sphäre gehört, dürfte W. Fell (ZDMG. 54,
2.31—59) genügend gezeigt haben. Wäre nun Dnin ein Ortsname,
so verlangte seine Verbindung mit m oder nnny unbedingt die
Vorsetzung eines bya oder n. Zu einem nichtlokalen Epitheton
I kann man aber Dnin desbalb nicht stempeln, weil bisher noch kein
Fall bekannt ist, daß ein und dasselbe Beschreibewort zwei ver¬
schiedenen Gottheiten (wie hier Wadd und Attar sind) beigefügt
worden sei, weiter weil alle nichtlokalen Epitheta entweder endungs¬
los oder mit der Nunation aufzutreten pflegen, nie jedoch mit der
I Mimation, die m. E. an onin von D. H. Müller richtig konstatiert
ist. Alle Schwierigkeiten , die sich der Übersetzung von Dn'-n
bisher entgegenstellten , werden nun beseitigt , wenn man es für
ein Nomen verbi von südarab. 'Nn (auch Nn) „sehen' nimmt, also für
dasselbe , was nach der üblichen Meinung nin der Meschainschrift
darstellt. Daß uns das Wort als Dnin (rit'"'^)) und nicht als Dn-'Nn I) Um nach AusfaU des N ein Erkennen der Wortform zu ermöglichen, ist ihr i ausnahmsweise durch 1 wiedergegeben. — Oder sollte vielleicht riiilt.m zu lesen sein?
Grimme, „Ein Schauspiel für Kemosch". 83
{ra'lt^^) entgegentritt, entspricht durchaus der Behandlung, die N im
Südarabischen erfährt, wo es hinter Schwa quiescens oder Schwa
mobile zu Schwund neigt, vgl. die Eigennamen nbWTi (<C tainüdlät),
nbciN « ^aus'dlät), nbnJis « said'aläi), das Partizip lim (Hal.
148,9, auch 154,18 fj^^w), d. i. inm „Abgabe, Hebe" (vgl. die .-.
ständige Phrase des Minäischen: binTi p nNWiai „und von dem,
b - J
was er von seiner Hand spendete"), endlich J>jkA»>.yi, die nord¬
arabische Transskription von sabäischem bNaniiä (<C S9rakb9'il).
Paßt nun die Phrase „als Schauspiel für Wadd (bezw. Attar)"
in den Zusammenhang der drei erwähnten Inschriften ? Ihre fragmen- lo
tarische Erhaltung erschwert zwar die Erkenntnis verschiedener ihrer
Einzeleinheiten ; aber dasjenige, worauf sie besonders abzielen, laßt
sich unter Vergleichung aller ähnlichen Texte aus dem Kreise der¬
jenigen von el-Ola einigermaßen sicher herausbringen. Danach dürften
sie beurkunden, daß gewisse Personen sich einer Art kultischer 1.5
Weihe, dem maia '), unterzogen und dabei dem Tempelsgotte eine
Abgabe, bestehend aus Hörigen oder Sklaven männlichen oder weib¬
lichen Geschlechts samt deren Besitztum, dargebracht hätten. Der
stehende Ausdruck für diese dem Gotte von dem Geweihten über¬
gebenen Personen scheint nun iNib, im Fem. irNib zu sein, das 20
verrautlich formgleich ist mit hebräischem 'ib (wie Hommel zuerst
gesehen hat) und „verpfändet" (von der Wurzel Nib bezw. mb,
vgl. Neh. 5,4) bedeutet 2). Die Überweisung dieser „Leviten", der Pfänder für die „Geweihten", könnte nun die „Augenweide" oder
das „Schauspiel" für den Tempelgott gebildet haben , wenn anders 25
sie nicht in der uns leider noch dunkeln Verwendung der Leviten
im Heiligtume bestanden hat. Man könnte auf den Gedanken
kommen, daß, gleichwie der .-fl des Kemosch in dem Abschlachten
der Bewohner einer eroberten Stadt bestanden habe, ebenso auch die
Leviten und Levitinnen von el-Öla bestimmt gewesen wären, dem :io
Wadd oder Attar zu Ehren geopfert zu werden. Aber diese Idee
möchte ich von vornherein abweisen , besonders aus dem Grunde,
weil in den Leviteninschriften zweimal (vgl. 1,5: iy; 24,5: my)
von der Bückkehr der Leviten in ihr früheres Dienstverhältnis, und
1) Daß der "inaC den Göttern zukommt oder von den Göttern ausgeht, dürfte auch aus dem haramischen Eigennamen bNliaH (Hal. 148, 2) „El weiht' hervorgehen.
2) Was sicli aus dieser Erklärung des arabischen Levitentums für dio Beurteilung des israelitischen ergiht, werde ich an anderer Stelle auseinander¬
setzen. Um meine Etymologie zu stützen, sei auf Num. 3, 11 hingewiesen: „Ich (Jahwä) hahe die Leviten aus der Mitte der Israeliten genommen anstelle jeglicher Erstgeburt der Israeliten, dessen, was zuerst den Mutterschoß durch¬
brochen hat, und es sollen die Leviten mir zugehören'. Also erscheinen auch hier die Leviten als Pfänder, die in den Besitz Gottes übergegangen sind.
6*
1 i *
zwar gemäß 24, 5 nach Qarna^, der Hauptstadt des Minäerreiches
die Kede ist: „falls [ihr Herr] nicht mehr im Zustande der Weihe
ist (TiaiB nnb nn)'.
Nach diesen Vorbemerkungen kann der Versuch gemacht werden,
'•>die Stellen, welche vom „Schauspiele für Wadd, bezw. Attar' reden,
in ihrem Satzzusammenhange zu übersetzen. Es besagt nun 23, i-s:
,[X nahm die Weihe] und machte den Vertrag mit Wadd und ....
[übergab]
zwei Sklaven und alles, was sie besitzen (viell. „erwerben'), dem . . .
10 als zwei Leviten (= Verpfändete), dem Wadd zum Schauspiele.'
Möglicherweise ist das Wort ina? (Z. 2), das mir der Dual von
Tay „Sklave' zu sein scheint, und dessen verkürzte (= Stat. constr.-)
Form ich auf die Wirkung von folgendem koordinierenden t zurück¬
führe (vgl. bibl. ny-^^ nwan), ein Eigenname, wie D. H. Müller
16 und Mordtmann befürworten. In diesem Falle hätte in der Lücke
zwischen Z. 1 und 2 noch ein weiterer Levitenname gestanden.
Den zweiten in Frage kommenden Text, Eut. 1, i-s, übersetze
ich folgendermaßen :
„SaSd und sein Sohn Aslam [übergaben den X als Leviten und]
20 bestimmten , brachten dar , machten fest das , was er besitzt (viell.
erwirbt) und . . .
insgesamt und leisteten als Leistung das, was... dem Att¬
ar zum Schauspiele, ünd wenn sie nicht mehr im Zustande
[der Weihe sein werden, dann . .]
2.) [] kehrt er (sei. der Levit) zurück in den Laienstand als Sklave.'
Die Ergänzung des ia vom Ende der Zeile 4 zu -nai» beruht auf
Vergleichung der ganzen Stelle mit Eut. 24, 4: n]y£ n-iaia nnb Dm
„und wenn Sa3[d] nicht mehr im Zustande der Weihe ist'; ferner
lese ich zu Anfang der Z. 5 ny mit Rücksicht auf Eut. 24, 5 my
so „so kehrt sie zurück'. Zur Rechtfertigung meiner Wiedergabe von
■'bnN durch „Laienstand' bezw. „die Laien, Profanen' verweise ich
auf den Ausdruck bnN in-) „Zeit der Weihelosigkeit' (Eut. 15, «),
wozu nn-naiCT: in „Zeit der Weihe' (Eut. 15, i) den Gegensatz
bildet; da sich das südarabische bn anscheinend mit hebräischem
1) Hätte Eduard Meyer in seinem neuesten Buche „Die Israeliten und ihre Nachbarstämme' dieses in Betracht gezogen, Uberhaupt die Inschriften von el'Öla genauer angesehen, so würde er kaum auf die seltsame Vermutung verfallen sein , die Leviten der Inschriften von el-Öla seien aus Kadescb ein¬
gewanderte Jahwepriester, die sich in den Göttern vou el-Öla neue Herren gesucht hätten (S. 88 f., 428).
2) in = yn muß als „Zeit" (nordarab. ^^yf^) genommen werden, vgl.
Hal. 149, 11 f. DlähWl T'n „Zur Zeit des Monats Du-M-li-z-d"".
1 1 *
Grimme, „Ein Schauspiel für Kemosch". 85
bn „profan sein' deckt, so wird südarabisches nnab als ungefähr
synonym mit hebr. linp „heilig, geweiht sein' anzusetzen sein.
Die dritte Stelle, Eut. 11, 1-3, übersetze ich vermutungs¬
weise also :
„[und Beide übergaben] für ihrer Beiden Hand, so lange sie die 0
Weihe hätten, den Ha¬
ni', dem Wadd zum Schauspiele. Und sie stellten den Hani'
und seine Klientel in den Schutz von Attar Üu-Qab-
ad und von Wadd und vou Nikrah , den Göttern MaSän's , gegen
jeden, der .... lu
Der Ausdruck „für jemandes Hand [geben] bleibt vorderhand unklar -,
er könnte etwa bedeuten „[geben] fttr sich selbst' oder „für die
Hand als den Gegenstand der priesterlichen Weihe' — vgl. den hebr.-
assyrischen Terminus „die Hand ffillen" d. h. „zum Priester weihen'.
Den 9. und 10. Buchstaben von Z. 1 liest Mordtmann 'in, was xs
recht wohl i -j- "in „und als' bedeuten könnte; doch ziehe ich
Müller's Lesung vor. In Hani' (wohl = -nriyin in Rev. Semit.
1906, S. 370) finde ich nicht den Naraen des Donators, wie
Müller und Mordtmann annehmen, sondern den des an Wadd ent¬
richteten „Leviten". -'o
Sowohl Müller als auch Mordtmann vermuten noch ein weiteres
Cni-i in Eut. 10, 3 hinter dem Gottesnamen m — doch , wie ich
glaube, mit ünrecht; denn wo sonst nn"'n überliefert ist, hat es
immer einen Gottesnamen im Dativ vor sich , was für Eut. 10, s
nicht zutreffen würde. Ich halte vielmehr für wahrscheinlich, daß 25
in der Textlücke das Wort "jxib gestanden habe, so daß die ganze
Phrase das Gegenstück zu der von 24, 2 inNib m i:pi wäre.
Ich empfehle die minäischen Parallellen zu moabitischem nin
UiMSb den Pachgenossen zur Nachprüfung. Sie können uns lebren,
wie ein lange als seltsam verschrieener Ausdruck, an dem in ver- so
schiedener Weise hernmgedeutelt und -gezweifelt worden ist, sich
uns bei etwas näherer Kenntnis der Inschriftenphraseologie als völlig
normal entpuppt. Bedürfte die Authentizität der Meschainschrift
einer Verteidigung, so könnte die Wendung ir'nsb nin geradezu
als ein Bollwerk der Echtheit bezeichnet werden. 35
Über eine sabäische Inschrift.
Von Fr. Praetorius.
mo I xth I Hhx-i?*
HWoniXHIXTH^Vh XHni^nH°i>iH>iXii niTionhivxnixnix
IÄ« I Wo I >4'nji IH
IX?I
Diese Inschrift ist zuerst veröffenthcht worden von J. und
H. Derenbourg unter Nr. 8 der „Monuments sabeens et himyarites
du Louvre" (tirage k part de la Revue d'assyriologie et d'archeo- 10 logie Orientale, 1" annee, Nr. II, 1885). Weiter hat sich mit ihr
beschäftigt E. Glaser auf S. 19 f. seiner Schrift „Suwä' und al-'Uzzä und die altjemenischen Inschriften" und in Peiser's Orientalistischer Litteraturzeitung Bd. 8, Sp. 497. — Ich glaube die Inschrift anders verstehen zu müssen, als meine Vorgänger.
15 Bis zu 'H'l3(^ auf Zl. 3 ist alles klar. Über das dann folgende
Wort 2inH° später. Von XHfl an übersetze ich: „dafür daß ihre
Tochter Ab'ali von dem Aloe-Räucherwerk weggenommen und nicht
verbrannt hat". o
Wenn, wie allseitig angenommen, Xfl'lX = ci^L«, fl Afl^
20 ist , so wird es schwerlich bedeuten „herausziehen , a arrache" im
Sinne von retten. Diese Bedeutung hat die Wurzel , soviel ich
sehe, weder im Arabischen, noch im Äthiopischen, wohl aber die
Bedeutung wegnehmen, entreißen, siehlen, rauben; auch im Mehri
selöb rauben. — ^fllJl stelle ich zu j^. räuchern. Wir wissen
25 längst, daß die Laute h und h, ' und g unter einander leicht
wechseln, namentlich in der Nähe von r und l (ZDMG. Bd. 40,
S. 727; Bd. 57, S. 273; Winckler, Aorient. Forsch., 1. Reihe, S. 346);
und so wird die eben gegebene Deutung kaum Bedenken erregen,
falls sie durch den Zusammenhang empfohlen wird. Wie nun