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Archiv "Therapie von Leukämien bei Kindern: Optimierte Stammzelltransplantate" (20.04.2012)

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A 808 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 16

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20. April 2012

THERAPIE VON LEUKÄMIEN BEI KINDERN

Optimierte Stammzelltransplantate

Der antileukämische Effekt ist ein Vorteil von Stammzellen haploidenter Spender, aber das Abstoßungsrisiko ist vergleichsweise hoch. Ein neuer Ansatz zur Optimierung der Transplantate ist, bestimmte B- und T-Zellfraktionen auszusortieren.

D

ie Zahl der Stammzelltrans- plantationen steigt in Europa rasant an. Eine wirksamere Mobili- sierung von Stammzellen aus dem Knochenmark ins periphere Blut, optimierte Vorbehandlungen des Empfängers und Transplantats und eine bessere Prophylaxe von Graft- versus-Host-Erkrankungen (GvHD) – all diese Faktoren tragen zum An- stieg bei. So gab es 2009 dem Re- gister der European Group for Blood and Marrow Transplantation zufolge circa 26 000 Stammzell- transplantationen in Europa, 2010 waren es bereits 30 012. Dies be- richtete Prof. Dr. med. Alois Grat- wohl, Basel, beim IFB-Tx-Sympo- sium zum Thema Stammzelltrans- plantation an der Medizinischen Hochschule Hannover. Den größten Zuwachs seit Anfang der 90er Jahre hat es bei den autologen Transplan- tationen gegeben.

Eine allogene Stammzelltrans- plantation ist für viele Patienten mit einer akuten myeloischen oder lym- phatischen Leukämie (AML, ALL) die einzige zur Verfügung stehende kurative Therapie. Für 30 bis 40 Prozent der Patienten gibt es einen HLA-identischen Familienspender.

Immerhin für 70 Prozent derer, die keinen HLA-identischen Geschwis-

terspender haben, findet man einen HLA-gematchten Fremdspender – allerdings oft erst nach Monaten.

Ab der Diagnose eines Rezidivs einer akuten Leukämie aber beginnt für die Patienten ein Wettlauf mit der Zeit. „Es wird teilweise zu lan- ge nach einem passenden Spender gesucht“, sagte Prof. Dr. med. Ru- pert Handgretinger, Tübingen. „Die Sterblichkeit auf der Warteliste wird in Deutschland nicht flächen- deckend erfasst, aber sie dürfte er- heblich sein.“

Mehr haploidente Spender für Kinder mit akuter Leukämie

Für die Therapie von Kindern (bis 18 Jahre) etabliere sich an einigen Zentren in Deutschland, wie in Tü- bingen und Ulm, zunehmend die haploidente Stammzelltransplanta- tion von einem Elternteil oder ei- nem Geschwister. Auch sei dann eine spätere Infusion von Donor- Lymphozyten (DLI, vor allem T-Zellen und natürliche Killerzellen [NK]) im Allgemeinen unkompli- ziert: Die DLI soll den Gaft-versus- Leukämie-Effekt verstärken.

Bei der haploidenten Transplan- tation stimmen der HLA-Typ von Spender und Empfänger nur zur Hälfte überein. Bislang war die ha-

ploidente Stammzelltransplantation mit einer hohen Rate an Transplan- tatversagen und schwerer GvHD assoziiert, aber auch mit lebensbe- drohlichen Infektionen und toxi- schen Komplikationen durch die myeloablative Konditionierung des Empfängers und die Immunsup- pression nach Transplantation. Die therapiebedingte Mortalität betrug bis zu 30 Prozent.

Eine international verfolgte Stra- tegie, um die Gratwanderung zwi- schen einem erwünschten Transplan- tat-versus-Leukämie-Effekt und der unerwünschten Graft-versus-Host- Reaktion zu ermöglichen, ist die Se- lektion von CD34+-hämatopoeti- schen Stammzellen aus dem Trans- plantat. Sie werden in einer hohen Dosis (zum Beispiel 2 × 107 pro kg Körpergewicht) appliziert. Das Risi- ko für eine schwere GvHD hat sich damit erheblich senken lassen, selbst ohne prophylaktische Immunsup- pression (1). Allerdings führt die durch die CD34-Selektion bewirkte T-Zelldepletion zu einer verzögerten Immunrekonstitution mit einem er- höhten Risiko für schwerwiegende, vor allem virale Infektionen. Auch fehlen solchen Transplantaten Zel- len, die das Engraftment erleichtern (facilitating cells) und natürliche Ein elfjähriger

krebskranker Junge beim Kar- tenspiel mit seiner

Mutter. Er wartet auf eine Stammzell- transplantation.

Foto. Picture Alliance

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Deutsches Ärzteblatt

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20. April 2012 A 809 Killer- und dendritische Zellen, die

einen Transplantat-gegen-Tumor-Ef- fekt hervorrufen. Die Folge ist eine verzögerte Immunrekonstitution und eine potenziell höhere Rückfall- und Abstoßungsrate.

„Um möglichst viele immun- kompetente Zellen zu transplantie- ren, bietet sich eine negative Selek- tionsmethode an“, erklärte Hand- gretinger. Dabei werden nur be- stimmte Fraktionen von T- und der B-Zellen entfernt, die für die Haupt- komplikationen verantwortlich sind.

Ein Team der pädiatrischen Ab- teilung des St. Jude Children’s Hos- pital in Memphis, Tennessee, die Handgretinger von 2000 bis 2005 leitete, hat diese Strategie in einer Studie mit 190 pädiatrischen Pa- tienten untersucht (2). Alle Kinder litten an Hochrisiko-AML oder -ALL. Es wurden CD3+-T-Zellen – sie lösen die GvHD aus – und die EBV-assoziierte lymphoproliferati- ve Erkrankungen verursachenden B-Zellen (CD19+) entfernt. Das Transplantat enthält jedoch natür - liche Killerzellen und die für die Antigenpräsentation wichtigen den - dritischen Zellen. Auch CD34-- Stammzellen und die „facilitating cells“ – beide beschleunigen das Engraftment – bleiben erhalten.

Die Rate des Gesamt- und des leukämiefreien Überlebens betrug 65 und 66 Prozent nach sieben Jah- ren bei den ALL-Patienten und 74 und 73 Prozent bei Kindern mit AML.

In einer historischen Vergleichs - kohorte hatten nur 28 Prozent der Kinder mit Hochrisiko-ALL und 34 Prozent der Kinder mit Hochrisi- ko-AML diesen Zeitraum überlebt.

Die höchsten Überlebensraten hat- ten in der aktuellen Studie Patien- ten, die Stammzellen eines haploi- denten Spenders erhalten hatten (88 Prozent), gefolgt von jenen mit HLA-identischen Geschwisterspen- dern (70 Prozent) und jenen mit Fremdspendern (sechs HLA-Merk- male identisch) mit 61 Prozent. Die Raten für GvHD und Infektionen wa - ren mit unter zehn Prozent gering.

Die Erfolgsraten seien ermuti- gend, sagte Handgretinger. „Stan- dardvoraussetzung für die Anwen- dung dieser Strategie ist aber wie für alle Stammzelltransplantatio-

nen, dass die Kinder in Remission sind und zunächst die Möglichkeit einer Stammzellspende von einem Geschwister oder einem Fremd- spender eruiert wird.“

Dies könne sich möglicherweise künftig zugunsten der haploiden Stammzelltransplantation ändern.

Denn Handgretinger hat gemeinsam mit Kollegen aus Ulm und Rom die T-Zelldepletion weiter verfeinert.

Nun wurden nur noch CD19+- B-Zellen und ein Subtyp der T-Zel- len entfernt: die den α/β-Rezeptor exprimierenden T- Lymphozyten, die die GvHD hervorrufen. Die für Infekt- und Tumorabwehr wichti- gen γ/δ-T-Zellen bleiben im Trans- plantat. Das Konzept ist in einer Pilotstudie mit 23 Kindern, die an fortgeschrittener, therapierefraktä- rer Leukämie oder einem Lymphom litten, erprobt worden (3). Fünf Kinder erlitten nach Transplantation ein Rezidiv, eines starb an Lungen-

Weitere Studien laufen, sowohl mit pädiatrischen als auch mit erwach- senen Leukämiepatienten. Auch erste klinische Ergebnisse bei Kin- dern mit schweren nichtmalignen Erkrankungen wie Thalassämie oder Sichelzellanämie seien gut.

Vorteile von Spenderselektion nach KIR-Allelen vermutet

Möglicherweise ließen sich die Er- gebnisse durch Selektion von Spen- dern mit günstigen KIR-Allelen weiter verbessern: Natürliche Kil- lerzellen regulieren über die Killer- Immunoglobulin-like-Rezeptoren (KIR) ihre Aktivität. Unterschiedli- che KIR-Allel-Profile sind offenbar mit unterschiedlichen Antitumor- aktivitäten assoziiert.

In früher klinischer Entwicklung sind Zelltherapiestrategien, die die Effektivität von Stammzelltrans- plantationen erhöhen oder deren Risiken vermindern sollen. Prof. Dr.

med. Ulrike Köhl, Frankfurt am Main, erforscht die Wirksamkeit und Sicherheit einer Infusion von natürlichen Killerzellen nach ha- ploidenter Stammzelltransplantation vom selben Spender, um den Graft- versus-Leukämie-Effekt zu ver- stärken. In Phase-I/II-Studien mit pädiatrischen Leukämie- und Neu- roblastompatienten hat sich eine DLI von NK-Zellen, deren Zytotoxizität gegen maligne Zellen durch Inter- leukin-2-Stimulation erhöht wor den war, als sicher erwiesen (4). Weitere Ansätze bestehen in einer zellthera- peutischen Prophylaxe von CMV- Infektionen für Malignompatienten mit hohem CMV-Risiko und CMV- seronegativem Spender. Prof. Dr.

med. Hermann Einsele, Würzburg, und sein Team entwickeln ein Kon- zept, CMV-spezifische zytotoxische T-Zellen des Stammzellspenders mit Hilfe der antigenspezifischen Stimulation von dendritischen Zel- len zu vermehren. Das Prinzip einer DLI durch solche „scharf gemach- ten“ Zellen lässt sich auch auf ande- re virale Erkrankungen übertragen, deren Inzidenz nach Stammzell- transplantation erhöht ist.

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit1612 Pluripotente

Stammzellen in einer kolorierten elektronenmikro- skopischen Aufnah- me: Sie können sich zu Leuko- oder Erythrozyten ent -

wickeln.

Foto: Berger-SPL-Agentur Focus

aspergillose, die übrigen kamen für mindestens vier Monate in Remissi- on. Es entwickelte sich ein Mikro- chimärismus zwischen Spender und Empfänger, der das Risiko für eine GvHD vermindert. „Eine dauerhaf- te prophylaktische Immunsuppres- sion war nicht notwendig“, berich- tete Handgretinger. Und: Thrombo- zyten und Neutrophile erholten sich in durchschnittlich neun Tagen.

„Wir glauben, dass das Optimie- rungspotenzial des Protokolls mit der Depletion von α/β-T-Zellen und CD19+-B-Zellen weitgehend ausge- schöpft ist“, sagte Handgretinger.

M E D I Z I N R E P O R T

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LITERATURVERZEICHNIS HEFT 16/2012, ZU:

THERAPIE VON LEUKÄMIEN BEI KINDERN

Optimierte Stammzelltransplantate

Der antileukämische Effekt ist ein Vorteil von Stammzellen haploidenter Spender, aber das Abstoßungsrisiko ist vergleichsweise hoch. Ein neuer Ansatz zur Optimierung der Transplantate: Bestimmte B- und T-Zellfraktionen werden aussortiert.

LITERATUR

1. Klingebiel T, Cornish J, Labopin M, Locatelli F, et al.: Results and factors influencing outcome after fully haploidentical henato- poetic stem cell transplantation in children with very high-risk acute lymphoblastic leu- kemia. Blood 2010; 115: 3437–46.

2. Leung W, Campana D, Yank J, et al.: High success rate of hematopoietic cell trans- plantation regardless of donor source in children with very high-risk leukemia. Blood 2011; 118: 223–30.

3. Handgretinger R, Lang, P, Feuchtinger TF, Schumm, M, et al.: Transplantation of TcR αβ CD19 depletedstem cells from haploi- dentical donors: robusrt engrasftment and rapid immune reconstitution in children with high risk leukemia. 53rd ASH Annual Meeting 2011; Abstr. 1005.

4. Brehm C, Huenecke S, Quaiser A, et al.:

IL-2 stimulated but not unstimulated NK cells induce selective disappearance of pe- ripheral blood cells: concomitant results to a phase I/II study. PlOS One 2011; 11:

e27351.

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