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ei der Besetzung von Führungsposi- tionen sind Ärztinnen nach wie vor unterrepräsentiert. Die berufliche Karriere von Frauen wird beispielsweise durch die Familiengründung unterbro- chen. Hierdurch verschieben sich die Perspektiven, weil die Karriereplanung zunächst in den Hintergrund tritt. Ob- wohl inzwischen mehr Frauen als Män- ner ein Medizinstudium aufnehmen und der Frauenanteil an Fachärzten immer- hin über 40 Prozent liegt, sind nur knapp zehn Prozent aller Chefarztpositionen und lediglich vier Prozent der C-4-Lehr- stühle mit Frauen besetzt. Gerade in Zei- ten des Ärztemangels sollten die Res- sourcen qualifizierter Ärztinnen besser genutzt werden. Die persönliche Qualifi- kation allein reicht jedoch meist nicht, um die geplanten Ziele zu erreichen.Häufig sind informelle Faktoren und
„Spielregeln“ entscheidend. Hier er- leichtert Unterstützung durch Erfahrene das berufliche Fortkommen. Diesem Zweck diente das Pilotprojekt „Cross- Mentoring im Gesundheitssystem“ – ein Mentoring-Programm für Ärztinnen.
Mit dem Pilotprojekt, initiiert und ver- anstaltet von den Kliniken der Stadt Köln, dem Klinikum Ludwigshafen, der Marburger-Bund-Stiftung, Ilse Martin und Partnerinnen GmbH, sollten Füh- rungskompetenz und Karrieren von Ärz- tinnen gefördert werden. Das Cross- Mentoring, das heißt externes Mento- ring, fand zwischen November 2002 und Februar 2004 statt. Als Mentoren nah- men 14 Chefärzte und Chefärztinnen der Kliniken der Stadt Köln und Ludwigsha- fen an dem Projekt teil. Die 14 Mentees kamen aus der mittleren Führungsebene.
Fast alle Mentees waren zu Projekt- beginn Fachärztinnen (Anästhesie, Au- genheilkunde, Chirurgie, Gynäkologie, Innere Medizin, Kinderheilkunde, Neu- rologie, Pathologie, Psychiatrie); eine hatte sich habilitiert, fünf Mentees ar-
beiteten bereits als Oberärztin. Nicht allein in der beruflichen Qualifikation, sondern auch im persönlichen, privaten Hintergrund zeigt sich in der ausge- wählten Gruppe ein weites Spektrum – Frauen mit und ohne Kinder, während oder bereits nach der Familienphase.
Die Mentees strebten einen berufli- chen Aufstieg an oder suchten nach ei- ner mehr wissenschaftlichen oder mehr klinischen Orientierung. Im Vorder- grund stand für die meisten Mentees der Wunsch nach Kontakten zu gleich- gesinnten berufserfahrenen Ärztinnen und Ärzten. Das Mentoring-Programm sollte ein Forum für Chancenverbesse- rung bieten. Probleme von Frauen in Führungspositionen sollten dargestellt und Lösungen aufgezeigt werden.
Die Mentees wollten insbesondere
> Klarheit über Fähigkeiten und Ziele gewinnen;
> konkrete Hilfestellung auf dem Weg zum Ziel, neue Wege mit größerer Sicherheit zu gehen (ohne allzu viele zeitraubende Umwege);
> ein „Vorbild“ kennen lernen („Wie haben es andere geschafft?“);
> Einbindung in Netzwerke.
Jede Mentoring-Beziehung stellte sich als individuell unterschiedlich dar.
Sie war vertraulich, hierarchiefrei und offen. Neben regelmäßigen Treffen im Rahmen des offiziellen Mentoring- Programms und zusätzlichen privaten Treffen gab es E-Mail- oder telefoni- sche Kontakte. Die Mentoring-Bezie- hung bot Entscheidungshilfen, etwa bei der Karriereplanung. Es gab viele kon- krete Tipps und Hinweise für das beruf- liche Fortkommen, etwa zu den Fragen:
> Welche Kommunikationsform be- nutzen Männer?
> Wie kann man sich besser präsen- tieren?
> Was sind Fragen, die im Bewer- bungsgespräch geklärt werden müssen?
So gab es zum Beispiel Hilfestellun- gen bei einer erfolgreichen Bewerbung um eine Chefarztposition, bei Stellen- wechsel oder Neupositionierung inner- halb des eigenen Arbeitsbereiches. Dar- über hinaus erfolgten Lösungsvorschlä- ge bei Konflikten im Umgang mit Kran- kenschwestern und Ärzten, aber auch Vorgesetzten. Das Programm hat bei den meisten Mentees zu einer verbes- serten Selbstwahrnehmung geführt, weil sowohl Mentoren als auch Mit- Mentees die eigene Person und das Umfeld Klinik aus neutralen Blickwin- keln beleuchten konnten. Zudem hat das Mentoring-Programm Kontakte über das eigene Tandem hinaus vermit- telt. Insbesondere mit anderen Men- tees, aber auch Mentoren wurde ein ak- tiv genutztes Netzwerk entwickelt. Vor- bildfunktion hatte nicht nur die einzige Mentorin – ärztliche Leiterin einer Klinik mit zwei Kindern –, sondern hatten auch andere Mentoren und Mit-Mentees.
Geschützter Rahmen
Übereinstimmend erlebten die Men- tees das Mentoring als bereichernd. Das Projekt hat die Teilnehmer, insbesonde- re die Mentees, ermutigt, sich neue be- rufliche und persönliche Ziele zu set- zen, diese nach außen zu artikulieren und konsequent zu verfolgen. Ein Blick zu den Sternen ist nicht verboten. Auch die Mentoren profitierten von diesem Projekt. Sie konnten Motivation und starke Leistungsbereitschaft von Frau- en aus einem unabhängigen Blickwin- kel sehen, weil keine direkten Abhän- gigkeiten bestanden.
Insbesondere für Frauen ist ein Men- toring-Programm wichtig. Mentoring ist ein ausgezeichnetes Instrument, um Führungsnachwuchs zu unterstützen.
Es bietet – was in der Männerwelt selbstverständlich ist – einen geschütz- ten Rahmen für die Karriere- und Be- rufsplanung von Frauen. So fördert Mentoring den effektiven und mensch- lichen Umgang mit Humanressourcen.
Sicher werden Organisationen, in de- nen solche Programme stattfinden, da- von profitieren.
Stellvertretend für die Mentees:
Priv.-Doz. Dr. med. Claudia Rudroff Dr. med. Ulrike Herberg
T H E M E N D E R Z E I T
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A3012 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 455. November 2004