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Archiv "Notfälle der Jugendpsychiatrie die Adoleszentenkrisen" (13.04.1978)

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Notfälle der Jugendpsychiatrie die Adoleszentenkrisen

Helmut Remschmidt

Aus der Abteilung

für Psychiatrie und Neurologie des Kindes- und Jugendalters der Freien Universität Berlin

(Leiter: Professor Dr. med. Dr. phil. H. Remschmidt)

Der Terminus Adoleszentenkrise ist eine ungenaue Bezeichnung für ei- ne ganze Reihe sehr unterschiedli- cher AuffäHigkeiten des Erlebens und Verhaltens in einer kritischen Phase der menschlichen Entwick- lung.

Adoleszenz meint die Lebensphase, die den Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter markiert. Sie ist gekennzeichnet durch eine Reihe tiefgreifender körperlicher Verände- rungen, bringt zugleich auch zahl- reiche psychische Veränderungen mit sich, führt oft zu heftigen Aus- einandersetzungen mit der Gesell- schaft und ihren Institutionen (El- ternhaus, Schule, Beruf) und weist schließlich bei einheitlichem biolo- gischem Tatbestand zahlreiche so- ziokulturelle Differenzen auf. Das Phänomen Adoleszenz kann nur durch einen mehrdimensionalen Zu- gang erlaßt werden. Somatische wie psychische und psychosoziale Be- dingungen sind eng miteinander verflochten.

So sind die körperlichen Verände- rungen Ausdruck endogen-biologi- scher Reifungsvorgänge und nicht soziokulturell erklärbar. Hingegen lassen sich viele psychische und psychosoziale Probleme, zum Bei- spiel die Wandlungen der Vorstel- lung vom eigenen Körper, die Suche nach Identität, die Entwicklung ei- nes Wertsystems, die Übernahme der Geschlechtsrolle, alles Faktoren, deren Bedeutsamkeit für das Sta- dium der Adoleszenz in unserem

Kulturkreis als absolut bewiesen an- gesehen werden kann, nicht auf bio- logische Faktoren reduzieren.

Ebenso bleibt das in manchen Kul- turen nicht geläufige, in anderen je- doch häufige Phänomen einer stür- mischen, mit heftigen Aggressionen einhergehenden krisenhaften Pu- bertätsphase nicht ausschließlich biologisch erklärbar. Abgesehen von diesen Tatbeständen unterliegt die Betrachtung des Phänomens Adoleszenz auch historischen Wandlungen und modischen Zeit- strömungen.

Eingedenk dieser Gesichtspunkte, die zugleich als relativierende Fak- toren zu betrachten sind, kann von folgenden Definitionen ausgegan- gen werden:

..,. Adoleszenz umfaßt überwiegend die psychologische Bewältigung der körperlichen und sexuellen Reifung. Pubertät bezieht sich mehr auf den körperlichen Reifungsaspekt Da die körperlichen Reifungsvorgänge den Anstoß für alle Wandlungen geben, läßt sich die Pubertät als Beginn der Adoleszenz auffassen.

Die Beantwortung vieler Fragen der Selbsttindung kann nicht gesche- hen ohne Orientierung an Vorbil- dern im familiären und außerfamiliä- ren Bereich. Aber gerade diese sind in dieser Altersphase fragwürdig ge- worden. Deshalb durchläuft die Su- che nach einer Antwort auf diese Fragen eine Reihe von Konflikten,

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Adoleszentenkrisen können sich als Störungen der Se- xualentwicklung, der Identi- tätstindung und als Autoritäts- krisen zeigen oder als Deper- sonalisationssyndrome, als narzißtische Krisen, als Sui- zidversuche sowie als körper- liche Selbstwertkonflikte im- ponieren. Meist handelt es sich um eine überspitzte Aus- einandersetzung mit dem ei- genen Körper, den Eltern, der Gesellschaft oder einer Welt- anschauung. Die Krisen kön- nen zum Notfall werden, der sofortige Intervention erfor- dert. Die Prognose hängt von der Grundstörung ab und ist bei neurotischen Entwicklun- gen besser als bei tiefgreifen- den Persönlichkeitsstörungen mit dissozialem Verhalten.

die krisenhaft zugespitzt und auf den bisher skizzierten Hintergrund projiziert das ausmachen, was wir als Adoleszentenkrisen bezeichnen.

Die hier erwähnten allgemeinen und phasenspezifischen Entwicklungs- läufe der Adoleszenz finden sich in stärkerem oder geringerem Ausmaß bei allen psychischen Störungen und Erkrankungen dieser Altersstu- fe wieder.

Als Adoleszentenkrisen im engeren Sinne werden zusammengefaßt die ..,. Störungen der Sexualentwick- lung,

..,. die Identitätskrisen, ..,. die Autoritätskrisen,

..,. Depersonalisationssyndrome und

..,. narzißtische Krisen.

Diese Abgrenzung ist aus verschie- denen Gründen fragwürdig. Adole$- zentenkrise ist, wenn man sie über- haupt als Diagnose auffaßt, eine

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Adoleszentenkrisen

Querschnittsdiagnose, die zunächst nichts über eine nosologische Ein- heitlichkeit und auch nichts über den Verlauf auszusagen vermag. In- sofern ist sie allenfalls eine pragma- tische Bezeichnung für sehr hetero- gene Störungsmuster, die als ge- meinsames Merkmal nur den Zeit- punkt ihres Auftretens haben. Ado- leszentenkrisen sind in dieser Auf- fassung auch primär keine Notfälle.

Sie können aber jederzeit zum Not- fall werden, wenn sie in Erlebnissen und Handlungen münden, die zu Veränderungen der Realitätsbezie- hung sowie zur Selbst- und Fremd- gefährdung führen.

Im folgenden soll deshalb nur von einigen Störungen die Rede sein, die aufgrund klinischer Erfahrungen relativ häufig zum Notfall werden und die zugleich sehr spezifisch für die zugrundeliegenden Entwick- lungsprozesse der Adoleszenz sind.

Störungen der Sexualentwicklung Von Bedeutung sind die exzessive Onanie, homosexuelle Neigungen bei Jungen, sexuelle Verwahrlosung bei Mädchen sowie Formen sexuel- ler Verhaltensabweichungen. Zu er- wähnen ist ferner die Pubertätsaske- se, die sich in einer Unterdrückung und Ablehnung sexueller Impulse äußert und sehr eng mit entspre- chenden restriktiven Normen hin- sichtlich des sexuellen Verhaltens zusammenhängt. Unsicherheit und Skrupel über sexuelles Verhalten führen in der Adoleszenz sehr häufig zu schweren Krisen, die nicht selten in Suizidversuche einmünden. Die meisten Störungen der Sexualent- wicklung der Adoleszenz sind vor- übergehender Natur, andererseits werden in dieser Phase auch die Grundlagen für persistierende Stö- rungen gelegt.

Identitätskrisen

Sie können unter sehr vielschichti- gen Symptomen auftreten. Charak- teristisch sind Insuffizienzgefühle, häufig auch depressive Verstim- mungen und Suizidtendenzen, nicht

selten sind sie mit Depersonalisa- tionserlebnissen und hypochondri- schen Befürchtungen (Pubertätshy- pochondrie) vergesellschaftet. Sie lassen sich erklären als Reaktion auf den Verlust des Kindheitsstatus, auf erhebliche Diskrepanzen zwischen biologischen und gesellschaftlichen Möglichkeiten, auf die Verunsiche- rung hinsichtlich des späteren Sta- tus und auf den massiven biologi- schen Umbruch. Die Jugendlichen haben häufig Angst, ihre körperliche und seelische Einheit zu verlieren und entwickeln entsprechende Möglichkeiten, sich ihrer selbst im- mer wieder zu versichern (zum Bei- spiel durch Betasten des Körpers oder Betrachten im Spiegel, durch schriftliche Formulierung ihrer Ge- danken, durch Zwangsmechanis- men).

Hier zeigt sich, wie die verschiede- nen Störungen der Adoleszenz zu- sammenhängen beziehungsweise sich in ihrer Symptomatik über- schneiden (Identitätskrisen, Deper- sonalisationssyndrom und Zwang- syndrome).

Autoritätskrisen

Die in dieser Altersstufe häufig zu beobachtende Protesthaltung zeigt sich nicht selten als universeller Protest, als familiärer Protest, als Vaterprotest oder als Weglaufen. Die zuerst genannten Möglichkeiten ha- ben eine Auseinandersetzung mit Autorität, Ordnung und Normenge- füge zum Inhalt, die zuletzt genann- te umschreibt den Rückzug aus die- ser Auseinandersetzung durch Flucht. Autoritätskrisen zeigen sich im offenen oder versteckten Wider- stand gegen die gültige Ordnung.

Sie gehen nicht selten mit Reifungs- anomalien (Asynchronien) einher.

Zum psychiatrischen Notfall werden sie dann, wenn es zu delinquenten Handlungen (Gruppendelikte) oder zur Suizidalität kommt.

Depersonalisationssyndrome Körperliche Entfremdungserlebnis- se kommen in der Adoleszenz nicht

selten vor. Sie werden oft sehr pla- stisch, zum Teil in Form von Tage- büchern, beschrieben. Sie treten häufig attackenweise auf und wer- den von den Jugendlichen weniger als Ausnahmezustände erlebt, son- dern „als Steigerungen oder krisen- hafte Höhepunkte der Selbstrefle- xion" (J. E. Meyer). Depersonalisa- tionserlebnisse sind eng verknüpft mit Identitätsproblemen und haben auch Beziehungen zur Pubertätshy- pochondrie.

Die Notwendigkeit einer Umorientie- rung der Vorstellung vom eigenen Körper in der Adoleszenz liefert die Grundlage für ihr Auftreten. Das Syndrom ist mehrdeutig und kann im Vorfeld von Schizophrenien und Zyklothymien, aber auch im Rahmen von Neurosen sowie erlebnisreaktiv auftreten. Depersonalisationserleb- nisse werden zum Notfall, wenn durch sie eine Erschütterung der Gesamtpersönlichkeit und ihrer Be- ziehungen entsteht, nicht selten in Form von Zuständen schwerster Verzweiflung, die mit panischer Angst vor der Auflösung der körper- lichen und personalen Integrität ein- hergehen. Derartig schwerwiegende Zustände müssen wie Psychosen behandelt werden, erweisen sich je- doch prognostisch keineswegs im- mer als Schizophrenien.

Narzißtische Krisen und Suizidversuche

Narzißtische Krisen und Suizidver- suche sind häufig Ausdruck von Selbstwertkonflikten, die in der Ado- leszenz ubiquitär sind. Sie hängen eng mit der Realitätsbewegung zu- sammen.

Vom gesunden Narzißmus spricht man, wenn das Selbstwertgefühl mit der Realität weitgehend überein- stimmt. Zu narzißtischen Krisen kann es kommen, wenn entweder übertriebene Minderwertigkeitsge- fühle oder eine überhöhte Selbst- einschätzung mit den Anforderun- gen der Realität zusammenprallen (Henseler). In der Adoleszenz ist er- steres häufig. Es kommt zu sensiti- ven Reaktionen auf Erlebnisse, die

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Adoleszentenkrisen

als Beeinträchtigung empfunden werden, wobei verschiedene Reak- tionsmöglichkeiten entstehen:

Rückzug und Flucht, autoaggressive Akte und Suizidversuche. Wenn auch das Häufigkeitsmaximum von Suizidversuchen nicht in der Ado- leszenz liegt, so zeigen sie doch in dieser Entwicklungsphase einen be- merkenswerten Anstieg. Suizide und Unfälle nehmen die führende Stelle in der Todesursachenstatistik bei Adoleszenten ein.

Körperliche Selbstwertkonflikte Durch die Wahrnehmung der ver- schiedenen Wandlungen im somati- schen Bereich wird die Vorstellung vom eigenen Körper erheblich ver- ändert. Im Zusammenhang damit wird auch von der sozialen Umwelt eine Einstellungsänderung vollzo- gen zu dem nunmehr in seinen kör- perlichen Wandlungen zur Ge- schlechtsreife befindlichen Indivi- duum.

Die vermehrte Beobachtung der ei- genen Körperlichkeit und der Ver- gleich mit anderen führt auch häufig dazu, daß vorhandene oder ver- meintliche körperliche Mängel über- bewertet werden und zu schweren krisenhaften Entwicklungen (Selbst- wertkrisen, Suizidversuche) oder gar zu kriminellen Delikten führen.

Derartige Entwicklungen hat Stutte unter der Bezeichnung Thersites- Komplex beschrieben. Die Realisa- tion derartiger körperlicher Verän- derungen disponiert aber auch zum Auftreten von Derealisations- und Depersonalisationserlebnissen, auf die bereits eingegangen wurde.

Behandlung

Die hier skizzierten Entwicklungen lassen sich trotz der erwähnten Ein- schränkungen unter der Bezeich- nung Adoleszentenkrisen subsumie- ren und erfordern verschiedene For- men der Behandlung. Ist die Stö- rung hinsichtlich ihrer Symptomatik psychosenahe oder liegt eine Selbst- oder Fremdgefährdung vor,

so ist die stationäre Aufnahme un- umgänglich.

Die Behandlung erfolgt nach der vermuteten zugrundeliegenden Stö- rung. In jedem Fall sind jedoch aus- führliche Beratungen des Adoles- zenten und seiner Eltern notwendig.

Diese sollte stets davon ausgehen, daß sehr viel Schwierigkeiten in der Adoleszenz Ausdruck von Individua- tionskrisen sind und nicht dauerhaf- te psychopathologische Phäno- mene.

Nur an einer differenzierten Kennt- nis der sehr rasch wechselnden Nor- men adoleszenten Verhaltens kann abgeschätzt werden, ob Probleme und Verhaltensweisen außerhalb der üblichen Spielbreite liegen.

Derartige Normen sind den Eltern in der Regel nicht bekannt, so daß es nicht selten zu einer Fehleinschät- zung des Verhaltens von Jugendli- chen kommt, was ihre Krise und häufig auch die familiäre Situation zuspitzt.

Grundvoraussetzung für jegliche Beratung ist die absolute Offenheit sowohl dem Jugendlichen als auch den Eltern gegenüber, das heißt jede Art von Parteibildung muß vermie- den werden. Gelingt es nicht, die Krise durch diese Vorgehensweise abzumildern und unter Kontrolle zu halten, so ist (stationär oder ambu- lant), sofern eine schizophrene oder affektive Psychose ausgeschlossen ist, eine individuelle Psychotherapie oder eine Gruppentherapie erforder- lich. Diese stehen unter speziellen Voraussetzungen, die sich von der Erwachsenentherapie deutlich un- terscheiden.

Erster Schritt ist oft die Erzeugung einer Motivation (da kein Leidens- druck vorhanden ist). Allgemein muß gesagt werden, daß die Rolle des Therapeuten bei Adoleszenten weitaus schwieriger zu definieren und auszufüllen ist als bei Erwach- senen oder auch bei Kindern. Eine weitere Schwierigkeit liegt in der speziellen Problemlage des Adoles- zenten, die auch ein anderes Vorge- hen als in der Erwachsenentherapie

erfordert. So sprechen Jugendliche nur sehr ungern über Vergangen- heit, die Therapie hat sich deshalb in erster Linie auf die akuten und aktu- ellen Probleme zu konzentrieren.

Verschiedene Gruppen von Adoles- zenten bedürfen jenseits der hier ge- nannten allgemeinen Prinzipien spezieller Behandlungsverfahren.

Dies gilt in besonderem Maß für ich- schwache oder delinquente Jugend- liche.

Prognose

Die Prognose der Adoleszentenkri- sen kann unter dem Gesichtspunkt der Stabilität der Diagnose und der Heilungstendenz betrachtet werden.

Bei 108 Patienten, bei denen die Erstbehandlung die Diagnose Pu- bertätskrise ergab, wurde in rund ei- nem Drittel der Fälle ein Übergang in eine Psychose und in einem weite- ren Drittel eine Charakterstörung festgestellt (Langen u. Jäger). Nur ein Drittel der Fälle erwies sich re- trospektiv als karikierte Pubertäts- entwicklu ng.

Andere Untersuchungen weisen nach, daß die ungünstige Prognose für jene krisenhaften Störungen der Adoleszenz gilt, die sich primär un- ter der Symptomatik schizophrener Psychosen oder tiefgreifender Per- sönlichkeitsstörungen mit dissozia- lem Verhalten zeigen und sich bis in die Kindheit zurückführen lassen.

Für neurotische Entwicklungen und affektive Störungen ist die Prognose besser. Es wurden hier aufgrund 5- bis 20jähriger Katamnesen Heilun- gen beziehungsweise wesentliche Besserungen bei 70 bis 90 Prozent der Fälle beschrieben.

Bei rund der Hälfte derjenigen Stö- rungen, die unter der Bezeichnung Adoleszentenkrisen zusammenge- faßt werden, fällt dem Jugendpsych- iater die Rolle zu, Kriseninterventio- nen zu betreiben, in akuten Situatio- nen also rasch einzugreifen und nach Abklingen der akuten Situation den Patienten nicht aus den Augen

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Lebertumoren bei Kindern

FÜR SIE GELESEN

Bei der Ureterosigmoidostomie, die heute weitgehend zugunsten eines Ileumconduit wieder verlassen wor- den ist, besteht ein um den Faktor 500 erhöhtes Kolonkarzinomrisiko im Vergleich zu einer alterskorrelier- ten Vergleichsgruppe. Seit der er- sten Beschreibung eines derartigen Karzinoms durch Hammer im Jahre 1929 sind über 40 weitere Fälle mit- geteilt worden, so daß man heute den Zustand nach Ureterosigmoido- stomie unter die Risikogruppen für ein Kolonkarzinom rechnet. Das durchschnittliche Intervall zwischen dem operativen Eingriff und Mani- festation beziehungsweise Diagnose des Kolonkarzinoms beträgt 21 Jah- re, ein Intervall, wie es auch von an- deren gastrointestinalen Risiko- gruppen her bekannt ist. Die Auto- rer berichten über einen 43jährigen Patienten, bei dem 37 Jahre nach

Unter den bei Kindern auftretenden bösartigen Tumoren sind die primä- ren malignen Lebertumoren sehr selten. Etwa 90 Prozent von ihnen sind Hepatoblastome, von denen zwei Drittel als embryonale und ca.

ein Drittel als hepatozelluläre Karzi- nome klassifiziert werden können.

Die Autoren berichten über eine Um- frage an acht kinderchirurgischen Kliniken Österreichs, um so an Hand von elf Fällen die derzeitigen Be- handlungsmöglichkeiten maligner Hepatoblastome aufzuzeigen. Es handelte sich um zehn embryonale Hepatoblastome und ein hepatozel- luläres Karzinom. Bei neun Kindern war eine operative Behandlung möglich, indem eine Leberteilresek- tion vorgenommen wurde. Bei zwei Kindern konnte wegen einer Tumor- infiltration beider Leberlappen nur eine Probeexzision vorgenommen werden. Operative Todesfälle waren nicht zu verzeichnen. Vier Kinder er- hielten zusätzlich eine Polychemo- therapie mit Vincristin, Endoxan, 5-

Anlegen einer Ureterosigmoidosto- mie ein entdifferenziertes Rektum- karzinom diagnostiziert wurde. Als pathogenetisches Moment wird die Ausscheidung von Karzinogenen über den Urin in den Dickdarm dis- kutiert, daneben spielt möglicher- weise auch eine mechanische Irrita- tion eine Rolle. Wegen des deutlich erhöhten Karzinomrisikos sollten al- le Patienten mit einer Ureterosigmo- idostomie regelmäßigen rekto-sig- moidoskopischen oder röntgenolo- gischen Untersuchungen unterzo- gen werden.

Sooriyaarachchi, G. S., Johnson, R. 0., Car- bone, P. P.: Neoplasms of the large bowel following ureterosigmoidostomy, Arch. Surg.

112 (1977) 1174-1177, Department of Internal Medicine, Rockford Clinic, 2300 N Rockton Ave, Rockfort, III. 61101

Rösch, W., Elster, K.: Gastrointestinale Präkan- zerosen, Witzstrock, Baden-Baden — Brüssel — Köln — New York, 1977

Fluorouracil sowie Adriamycin, bei drei Kindern wurde eine Radiothera- pie der Leber zusätzlich durchge- führt. Von diesen elf Patienten sind insgesamt drei verstorben nach ei- ner Überlebenszeit von acht Mona- ten bis fünf Jahren; vier Kinder sind 17 bis 96 Monate nach Operation und Chemotherapie rezidivfrei, ein Kind lebt mit einer Metastasierung neun Monate nach Diagnosestel- lung (Operation + Polychemothera- pie). Bei zwei Kindern ist eine Aussa- ge wegen der Kürze der Beobach- tungszeit noch nicht möglich. Diese Beobachtungen belegen eindrucks- voll, daß auch bei Hepatoblastomen Langzeitremissionen durch eine konsequente Therapie (Operation + Polychemotherapie, eventuell Be- strahlung) zu erzielen sind. Dck

Sauer, H., Kurz, R., Haas, H. und Mutz, I.: Ge- genwärtige Behandlung der primaren mali- gnen Hepatoblastome im Kindesalter, Zeit- schrift für Kinderchirurgie 22 (1977) 313, Prof.

Dr. med. H. Sauer, Ordinariat für Kinderchirur- gie der Universität Graz, Heinrichstraße 31, A- 8010 Graz.

Adoleszentenkrisen

zu verlieren. Der Jugendliche sollte vielmehr in dieser kritischen Phase über eine wichtige Strecke seines Lebens vom Arzt begleitet werden.

Nicht immer ist der Verlauf so positiv wie die Adoleszentenkrise eines 14- jährigen Jungen, der aus dem Inter- nat weglief und die Nacht bei großer Kälte auf freiem Feld verbrachte, zwei Monate später einen Suizidver- such unternahm, in ein psychiatri- sches Krankenhaus eingewiesen wurde und dort ein Vierteljahr ver- blieb; Diagnose: Melancholie („pri- märe Verrücktheit"). In der Kranken- geschichte findet sich kein psychoti- sches Symptom, wohl aber Hinweise auf eine dramatische Selbstwertkri- se. Dieser Jugendliche war Hermann Hesse.

Literatur

Langen, D., Jaeger, A.: Die Pubertätskrisen und ihre Weiterentwicklungen, Arch. Psychiat. Ner- venkr. (1964) 205, 19-36 — Meyer, J. E.: Die Entfremdungserlebnisse, Thieme, Stuttgart 1959; Reifungskrisen der Adoleszenz, ihre Ent- stehungsbedingungen und ihre Prognose, Arch. Psychiat. Nervenkr. 203 (1962) 235-247;

Meyer, J. E.: Psychopathologie und Klinik des Jugendalters, in: Psychiatrie der Gegenwart II/

1, Springer, Berlin, Heidelberg, New York, 1972

— Remschmidt, H.: Psychologie und Psychopa- thologie der Adoleszenz, Mschr. Kinderheilk.

123 (1975) 316-323 — Remschmidt, H.: Neuere Ergebnisse zur Psychologie und Psychiatrie der Adoleszenz, Z. Kinder-Jugendpsychiat. 3 (1975) 67-101 — Stutte, H.: Neurotische Disso- zialität auf dem Boden eines Thersiteskomple- xes, Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 23 (1974) 161-166

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Dr. phil.

H. Remschmidt Abteilung für

Psychiatrie und Neurologie des Kindes- und Jugendalters der Freien Universität Berlin Platanenallee 23

1000 Berlin 19

Kolonkarzinom-Risiko

nach Ureterosigmoidostomie

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Referenzen

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