Aus der Klinik für Kinderchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover
Aktivierte Caspase-‐3 im Serum als neuer
Biomarker für die Apoptose in der experimentellen und humanen Gallengangsatresie
Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover
vorgelegt von Gunnar Bohlen aus Oldenburg
Hannover 2012
Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 02.10.2012 Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover
Präsident: Prof. Dr. med. Dieter Bitter-‐Suermann
Betreuer: Prof. Dr. med. Claus Petersen
Referent: Prof. Dr. med. Ulrich Baumann
Korreferent: Prof. Dr. med. Heike Bantel
Tag der mündlichen Prüfung: 02.10.2012
Prüfungsausschussmitglieder: Prof. Dr. med. Michael Peter Manns
Prof. Dr. med. Arnold Ganser
Prof. Dr. med. Anibh Das
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis...5
1 Einleitung ...6
1.1 Gallengangsatresie...6
1.1.1 Definition ...6
1.1.2 Diagnose...6
1.1.3 Therapie ...7
1.1.4 Prognose ...9
1.1.5 Sozioökonomische Konsequenzen ... 10
1.2 Forschungsansätze ... 11
1.2.1 Tiermodell ... 11
1.2.2 Ätiologie ... 12
1.2.3 Pathomechanismus ... 12
1.3 Apoptose ... 13
1.3.1 Caspasen ... 13
1.3.2 Zytokeratin-18 (CK-18) ... 14
1.3.3 Die Rolle der Apoptose bei anderen Lebererkrankungen... 14
2 Fragestellung ...15
3 Material und Methoden ...16
3.1 Experimentelles Mausmodell der GA ... 16
3.2 Bestimmung des Gesamt-‐Bilirubin-‐Spiegels im Serum ... 17
3.3 Rhesus-‐Rotavirus ... 17
3.4 Viruslastbestimmung ... 17
3.4.1 RNA-Isolierung... 17
3.4.2 Reverse Transkription... 18
3.4.3 Real-time-PCR... 18
3.5 Immunhistochemische Färbung ... 19
3.6 Nachweis von Caspaseaktivität in der Leber von Mäusen ... 20
3.7 Nachweis von Caspaseaktivität im Serum von Mäusen... 21
3.8 Nachweis von Caspaseaktivität im Serum von Kindern mit GA... 21
3.9 Messung des Apoptose-‐assoziierten CK-‐18 Neoepitops M30 im Serum von Kindern... 21
3.10 Merkmale der Patienten ... 22
4 Ergebnisse ...23
4.1 Experimentelles Mausmodell der GA ... 23
4.2 Viruselimination ... 26
4.3 Immunhistochemie... 27
4.4 Nachweis von Caspaseaktivität in Leber und Serum des experimentellen GA-‐ Mausmodells ... 33
4.5 Nachweis von Caspaseaktivität in Leber und Serum von Kindern mit GA... 39
5 Diskussion ...42
5.1 Experimentelles Mausmodell der GA ... 42
5.2 Viruselimination und immunhistochemische Färbung ... 42
5.3 Nachweis von Apoptose in Leber und Serum von Kindern mit GA ... 45
5.4 Beantwortung der Fragestellung... 48
6 Zusammenfassung...49
7 Literaturverzeichnis ...51
8 Anhang...59
8.1 Danksagungen ... 59
8.2 Lebenslauf ... 60
8.3 Erklärung nach § 2 Abs. 2 Nummern 6 und 7 ... 61
Abkürzungsverzeichnis
CK-‐18 Zytokeratin-‐18
CTL Zytotoxische T-‐Zelle (cytotoxic T-‐lymphocyte)
DAB Diaminobenzidin
ELISA Enzyme-‐linked immunosorbent assay
ERCP Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie
Fas-‐Ligand
Ein Typ-II Transmembranprotein, das zu der Gruppe der Tumornekrosefaktoren gehört. Die Bindung an den Fas-
Rezeptor löst die Apoptose der Zelle aus.
GA Gallengangsatresie
GAPDH Glycerinaldehyd-‐3-‐Phosphat-‐Dehydrogenase
IFN Interferon
LTx Lebertransplantation
MCT-‐Nahrung Nahrung mit mittelkettigen Triglyzeriden (medium-‐chain triglycerides)
nf-‐κB nuclear factor-‐κB
PBS Phosphate buffered saline
RLU Relative Lichteinheiten (relative light units)
RRV Rhesus-‐Rotavirus
RT Raumtemperatur
SEM standard error of mean
TdT Terminal desoxynucleotidyl transferase
TNF Tumornekrosefakor
TRAIL
Ein Ligand der Tumornekrosefaktoren, der die Apoptose der Zelle auslöst (Tumor Necrosis Factor Related Apoptosis Inducing Ligand)
TUNEL TdT-‐mediated deoxyuridine triphosphated nick end labelling
γ-‐GT γ-‐Glutamyltransferase
1 Einleitung
1.1 Gallengangsatresie
1.1.1 Definition
Die Gallengangsatresie (GA) ist eine seltene Erkrankung im Neugeborenenalter, die im Wesentlichen durch den Verschluss der extrahepatischen Gallengänge definiert wird. Durch einen fortlaufenden entzündlichen Prozess der Gallenwege kommt es zu einer irreversiblen Schädigung. Klinisch sind die intrahepatischen Gallenwege von großer Bedeutung, da die hier stattfindende progrediente Entzündung den Verlauf des fibrotischen Leberumbaus bestimmt. [Bessho und Bezerra, 2011]
1.1.2 Diagnose
Die eindeutige Diagnose der GA ist durch ihren unspezifischen Verlauf und aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausprägung schwierig. Nur selten treten erste Symptome (Ikterus, acholische Stühle, dunkler Urin, mangelnde Gewichtszunahme, Aszites und Hepatomegalie) direkt nach der Geburt auf. Sehr viel häufiger erscheinen die genannten Symptome erst nach einem erkrankungsfreien Intervall postpartum.
Hierbei spricht man dann von der erworbenen bzw. nicht-‐syndromatischen GA.
[Bassett und Murray, 2008]
Da die initiale Unterscheidung zwischen einer GA zu einem normalen und passageren Neugeborenen-‐Ikterus nicht möglich ist und acholische Stühle meist nicht ausrei-‐
chend nachverfolgt werden, wird eine zielgerichtete Diagnostik der Cholestase meist erst verspätet durchgeführt. [Hsiao et al., 2008]. Dies liegt sicherlich auch daran, dass es eine nicht unbedeutende Zahl ähnlicher cholestatischer Lebererkrankungen gibt, die zunächst gleichartige Symptome hervorrufen können (z.B. Alagille-‐Syndrom, PFIC I-‐III, PSC, α1-‐Antitrypsin-‐Mangel).
Um möglichst früh zu einer Diagnose zu kommen, wird empfohlen, jeden Neugebore-‐
nen-‐Ikterus, der länger als 2 Wochen anhält, näher zu untersuchen. Ist der Anteil des konjugierten Bilirubins um mehr als 20% gegenüber dem des unkonjugierten erhöht, spricht dies bereits für eine posthepatische Ursache. Unter den Transaminasen ist lediglich die γGT bei einer GA relevant erhöht. [Bassett und Murray, 2008]
Einleitung
Ohne einen pathognomonischen Parameter ist jedoch weiterhin der Nachweis einer Atresie der extrahepatischen Gallenwege die einzige Bestätigung der Gallengangs-‐
atresie – doch der Beweis dieser Veränderung ist schwierig. Deshalb ist es gängige Praxis, zunächst sonografisch strukturelle Veränderungen der Leber sowie der Gallenblase auszuschließen, die für andere Erkrankungen sprächen. Eine hepato-‐
biliäre Sequenzszintigraphie eröffnet die Möglichkeit für weitere Differential-‐
diagnosen und könnte durch den Nachweis einer ungestörten Gallenflüssigkeits-‐
abgabe in den Darm die GA ausschließen. Eine Leberbiopsie liefert oft, wenn auch nicht beweisend, weitere Hinweise, sofern das Lebergewebe eine Proliferation der Gallenwege, eine kanalikuläre Cholestase oder entzündliche Portalfelder zeigt.
[Bassett und Murray, 2008]
Als weitere Maßnahme dient heute die ERCP (Endoskopisch retrograde Cholangio-‐
pankreatikographie), welche bei radiologisch darstellbaren intra-‐ und extrahepa-‐
tischen Gallengängen die GA ausschließen könnte. Führt jedoch auch diese zu keinem Ergebnis, muss die Diagnose durch die operative Cholangiografie gestellt werden. Ist dies erfolgt, kann eine operative Korrektur im gleichen Eingriff durchgeführt werden.
[Bassett und Murray, 2008; Pakarinen und Rintala, 2011]
1.1.3 Therapie
Noch in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts galt die Gallengangsatresie als in-‐
operabel. Eine Ausnahme stellten jedoch Patienten dar, die eine distale Stenose des Ductus choledochus in Kombination mit einer prästenotischen Dilatation mit Galle-‐
fluss zeigten. Hier erfolgte eine biliodigestive Anastomose der dilatierten Gallen-‐
gänge.
Erst die Einführung der Kasai-‐Operation 1959 (nach Morio Kasai) eröffnete mehr Patienten eine therapeutische Option. Hierbei wird im Bereich der Leberpforte die fibrotische Platte entfernt, sodass für eine optimale Drainage möglichst viele Gallen-‐
wege angeschnitten sind. Anschließend wird eine etwa 50 cm lange, nach Y-‐Roux ausgeschaltete Jejunumschlinge retrokolisch an die Leberpforte herangeführt, eröff-‐
net und trichterförmig an der Leberpforte mit den eröffneten Gallenwegen fixiert (Abb. 1-‐3).
Abb. 1: Schematische Darstellung während der Kasai-‐Operation sowie der anatomischen Verhältnisse danach.
Eine nach Y-‐Roux ausgeschaltete Jejunumschlinge wird retrokolisch, antegastral an die Leberpforte angeschlos-‐
sen. Das verbleibende eröffnete Jejunum wird mit einer End-‐zu-‐Seit-‐Anastomose weiter distal angeschlossen.
1. Präparation und Entfernung der Gallenblase und Resten der Gallenwege zwischen Leber und Duodenum 2. Ausschalten und Vorbereiten der ca. 50 cm langen Jejunumschlinge nach der Technik „Y-‐Roux“
3. Einnähen der Jejunumschlinge in die Leberpforte (Details siehe unten)
Modifiziert nach U. Stauffer in: Kinderchirurgie, Thieme, Stuttgart, 1982, Quelle: www.gallengangatresie.de, 30.11.11
Abb. 2: Detailansicht der Leberpforte, Vorbereitung zur Anastomose an das hochgezogene Jejunum 1. Reste der Gallenwege im Bereich der Leberpforte
2. Leberarterie 3. Pfortader
4. Leberpforte, Schnittführung – gestrichelte Linie
Modifiziert nach R. Ohl in Pediatric Surgery, 1998, Quelle: www.gallengangatresie.de, 30.11.11
Einleitung
Abb. 3: Detailansicht der Leberpforte und Anastomose an das hochgezogene Jujunum 1. Ausgeschnittene Leberpforte mit kleinen Gallenwegen
2. Leberarterie und Pfortader
3. Trichterförmige Verbindung zwischen Leberpforte und hochgezogenem Jejunum Modifiziert nach R. Ohl in Pediatric Surgery, 1998, Quelle: www.gallengangatresie.de, 30.11.11
1.1.4 Prognose
In den letzten Jahrzehnten hat sich das Gesamtergebnis in der Behandlung von Patienten mit Gallengangsatresie in den Industrieländern stabilisiert. Bislang gibt es aber keine Möglichkeit, den individuellen klinischen Verlauf der Gallengangsatresie abzuschätzen. Es ist jedoch bekannt, dass unbehandelte Erkrankungen zu einer raschen Leberzirrhose führen und die Patienten meist innerhalb der ersten beiden Lebensjahre an den Folgen der portalen Hypertension sterben. [Bates et al., 1998]
Neben der korrekt und sorgfältig durchgeführten Operation gibt es offensichtlich noch eine Reihe weiterer, bislang unbekannter Faktoren, die den weiteren Krank-‐
heitsverlauf und die individuelle Prognose der Patienten bestimmen. So ist es bislang nicht möglich, den selbstlimitierenden entzündlichen Prozess postoperativ therapeu-‐
tisch zu beeinflussen.
Die Wirksamkeit der postoperativ in vielen Kliniken angesetzten antiinfektiven und antiinflammatorischen Therapie mit begleitender Glukokortikoidgabe wird kontro-‐
vers diskutiert [Petersen et al., 2008; Davenport et al., 2007; Hsieh et al., 2004].
Andere Formen adjuvanter Behandlung, z.B. Ursodesoxycholsäure und Antibiotika, werden immer wieder berichtet [Pakarinen und Rintala, 2011; Meyers et al., 2003].
Die richtige postoperative Behandlung mit hochkalorischer Spezialnahrung (MTC-‐
Nahrung), Substitution von fettlöslichen Vitaminen, Antibiotika-‐Prophylaxe und engmaschiger Kontrollen ist auch nach technisch korrekt durchgeführter Kasai-‐OP zur Unterstützung der meist lebergeschädigten Kinder unerlässlich. Sie sollte nur in Zentren mit hohen Fallzahlen für die GA erfolgen in denen die interdisziplinäre Versorgung durch pädiatrische Hepatologen, Kinderchirurgen und Transplantations-‐
chirurgen gewährleistet ist. [Leonhardt et al., 2011]
Die Langzeitprognose für Patienten mit GA hat sich heutzutage deutlich verbessert und liegt inzwischen bei einer Überlebensrate von ungefähr 90 % [Bassett und Murray, 2008]. Die Gründe dafür sind verbesserte Operationstechniken bei der pädia-‐
trischen Lebertransplantation, angepasste Immunsuppressiva und deutliche Fort-‐
schritte in der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Fachrich-‐
tungen. Trotz der besseren Prognose für ein Langzeitüberleben bei Patienten mit GA ist die individuelle Prognose aber weiterhin schwer zu bestimmen. Lediglich der sechs Monate nach der Kasai-‐Operation gemessene Bilirubinwert dient bislang als grobe Einschätzung. [Castagnetti et al., 2007]
1.1.5 Sozioökonomische Konsequenzen
Obwohl sich die Langzeitprognose der GA-‐Patienten mit eigener Leber in den letzten Jahrzehnten verbessert hat, sind weniger als die Hälfte dieser Erkrankten Ikterus-‐frei.
Nach 20 Jahren haben nahezu alle von ihnen eine Leberzirrhose oder eine ausge-‐
prägte portale Hypertension ausgebildet [Kumagi et al., 2011]. Dies verdeutlicht noch einmal, dass trotz der Kasai-‐Operation eine lebenslange intensive Betreuung der GA-‐
Patienten notwendig ist.
Die oben genannten Therapieoptionen der GA sind derzeit ausschließlich symptoma-‐
tisch oder beziehen sich auf die Folgeerkrankungen. Ohne Kenntnis der Ätiologie und des genauen Pathomechanismus war es bisher nicht möglich, eine prophylaktische Therapie oder einen kurativen Ansatz zu finden. Derzeit bleibt oft nur die Leber-‐
transplantation (LTx) als letzte Möglichkeit. Die finanzielle Belastung der Gesell-‐
schaft, die bei diesem Eingriff entsteht, ist dabei weiterhin ein ungelöstes Problem.
Neben klinischen und therapeutischen Aspekten spielen so ebenfalls sozioökonomi-‐
sche Faktoren eine Rolle. Auch wenn die Gallengangsatresie mit einer Häufigkeit von 1:18000 zu den seltenen Erkrankungen bei Kindern zählt, ist sie die häufigste Indika-‐
Einleitung
tion für eine Lebertransplantation im Kindesalter. Oberste Priorität ist es daher, die Ätiologie der GA zu klären und auf diese Weise die derzeitige symptomatische Thera-‐
pie (Kasai-‐Operation und LTX in ca. 80 % der Fälle) zu einer ursprungsorientierten und kurativen bzw. prophylaktischen Therapie weiterzuentwickeln. Diese wären auch aus finanziellen Gründen für das Gesundheitssystem eine spürbare Entlastung.
[Mack und Sokol, 2005; Petersen, 2006] Auch die Verfügbarkeit von Lebertransplan-‐
taten ist trotz der Benutzung von Split-‐Lebern weiterhin unbefriedigend und könnte mit einem kurativen Ansatz deutlich verbessert werden. Ein Marker zur Einschätzung des Leberzustandes könnte eine Monitoring-‐Möglichkeit für den Verlauf der GA lie-‐
fern. Dies würde die Einschätzung erleichtern, zu welchem Zeitpunkt das erkrankte Kind von einer Lebertransplantation am meisten profitiert.
1.2 Forschungsansätze
1.2.1 Tiermodell
Die klinische Forschung konzentriert sich aktuell noch auf die wirksame Früherken-‐
nung [Lien et al., 2011; Shneider, 2008; Sokol, 2009], rechtzeitige und angemessene Diagnose, Operation der GA sowie auf die postoperative Pflege, um das längere Überleben mit der eigenen sowie mit der transplantierten Leber zu erreichen [Sokol und Mack, 2005]. Die Grundlagenforschung bezieht sich entweder auf verfügbare Proben von Patienten, nachdem die Diagnose bestätigt wurde, oder auf die experi-‐
mentelle GA, die allein im Mausmodell mit dem Rhesus-‐Rotavirus (RRV) simuliert wird. In diesem Modell werden Jungtiere des Mausstammes BALB/c innerhalb von 24 Stunden postpartal mit einer bestimmten Menge Rhesus-‐Rotavirus infiziert. In den meisten Fällen bilden sie im Anschluss eine Gallengangsatresie aus, die makrosko-‐
pisch der des Menschen gleicht. [Chan et al., 2005]
Beim Menschen besteht ausschließlich die Möglichkeit der retrospektiven Forschung.
Daher ist die Übersetzung der Erkenntnisse aus dem Tiermodell für die beim Men-‐
schen auftretende Erkrankung und die klinische Anwendung von höchstem Interesse.
[Bezerra, 2006]
1.2.2 Ätiologie
Die Ursache der GA ist weiterhin unbekannt. Trotz vieler Erklärungsansätze konnte der Auslöser bisher nicht identifiziert werden [Mack und Sokol, 2005]. Als einzige therapeutische Option steht bislang die oben beschriebene symptomatische Behand-‐
lung zur Verfügung und macht die Grundlagenforschung zur Aufklärung der Ätiologie essentiell.
Die entscheidende Schwierigkeit für die Lösung dieses Problems betrifft den Zeit-‐
punkt der Manifestation der Erkrankung. Da die GA erst in einem weit fortgeschritte-‐
nen Stadium klinisch manifest wird, basieren die meisten Erklärungsversuche nur auf retrospektiven Untersuchungen.
Ein Großteil der Publikationen geht davon aus, dass zwei Auslöser, die möglicher-‐
weise auch in einer bestimmten Kombination vorliegen müssen, zur Gallengangsatre-‐
sie führen. Zum einen soll es die individuelle genetische Disposition des Patienten sein, welche die Erkrankung überhaupt erst ermöglicht. Zum anderen vermutet man eine exogene Noxe, z.B. ein hepatotrophes Virus, welches in einem noch nicht bestimmten peripartalen Zeitfenster zum Auslöser einer pathologischen Immunant-‐
wort wird. [Mack, 2007; Allotey et al, 2008; Bamford et al., 2000; Barton et al., 2003;
Chuang et al., 2006; Czech-‐Schmidt et al., 2001]
Doch auch der Pathomechanismus der immunologischen Prozesse ist immer noch weitgehend unklar, obwohl erste Stücke des Puzzles bereits identifiziert wurden [Sharland und Gorrell, 2009]. Zu ihnen zählt die Apoptose, ein maßgeblicher Mecha-‐
nismus der Zellschädigung und Atrophie, bei der sich der physiologische Zelltod in einen defekten Prozess umwandelt.
1.2.3 Pathomechanismus
Für den Verlauf der GA ist die Entzündungsreaktion in der Leber und entlang der extrahepatischen Gallenwege entscheidend. Diese Entzündung ist nicht als sekundäre Folge der Cholestase zu sehen, sondern als ihre Ursache anzunehmen [Tucker et al., 2007]. Einige Teilprozesse der immunologischen Kaskade, welche zu einer progre-‐
dienten zytotoxischen T-‐Zell-‐vermittelten Immunantwort und im Verlauf zur Leber-‐
fibrose führen, wurden bereits aufgedeckt. Bereits im Jahr 1998 beobachten Funaki et al. die Apoptose in Leberbiopsien von GA-‐Patienten [Funaki et al., 1998] und Liu et al.
zeigten, dass die Aktivierung des vorgeschalteten Fas-‐Signalweges ein schlechter
Einleitung
prognostischer Faktor zu sein scheint [Liu et al., 2000; Ahmed et al., 2001]. Im RRV-‐
Mausmodell wurde bereits die Hochregulation der Apoptose-‐Gene gezeigt [Carvalho et al., 2005; Leonhardt et al., 2006]. Erickson et al. beobachteten, dass in der experimentellen GA die Apoptose entlang der gesamten Gallenwege zu finden ist und zusammen mit IFNγ und TNFα einen entscheidenden Faktor für die Entwicklung der GA darstellt. [Erickson et al. 2008]
Der Einfluss autoimmunologischer Faktoren konnte bisher noch nicht aufgeklärt werden, ist aber die aktuelle Arbeitshypothese. [Lu et al., 2010]
1.3 Apoptose
In biologischem Gewebe gibt es unterschiedliche Vorgänge unter denen Zellen zugrunde gehen. Seit langem bekannt ist die Nekrose, wobei die Zelle in der Regel durch äußere Einflüsse, z.B. chemische Noxen, zerstört wird. Eine wesentlich neuere Entdeckung ist die Apoptose, die einem programmierten, also kontrollierten Zelltod entspricht. Es gibt zwei gut erforschte Möglichkeiten, durch die dieser Vorgang aus-‐
gelöst werden kann. Zum einen gibt es den intrinsischen Weg, der die Apoptose im Allgemeinen bei fehlerhaften Erbinformationen initiiert, zum anderen gibt es den extrinsischen Weg, bei dem der Stimulus zum Selbstmord von außen kommt bzw. der Stimulus zum Erhalt der Zelle ausbleibt.
Eine gemeinsame Schnittstelle der beiden genannten Wege liegt in der Caspase-‐Kas-‐
kade. Als obligatorischer Punkt innerhalb des Apoptoseablaufs eignet sie sich somit zur Bestimmung der Apoptoseaktivität in einem Gewebe, wenn man die Aktivität die-‐
ser Enzyme misst. [Bantel et al., 2000; Rufini und Melino, 2011]
1.3.1 Caspasen
Nach Aktivierung des Apoptoseweges werden innerhalb der Caspase-‐Kaskade über Initiator-‐Caspasen (z.B. 8 oder 9) die Effektor-‐Caspasen 3 und 7 aktiviert. Diese beginnen bereits mit dem Abbau von zelleigenen Bestandteilen, wie es auch schon dem Namen zu entnehmen ist: Cysteinyl-‐Aspartat-‐Proteinasen. Darüber hinaus akti-‐
vieren sie auch weitere Mechanismen, die den Abbau der Zelle unterstützen.
[Rufini und Melino, 2011]
Die Caspasen bieten die Möglichkeit, neben der Wirksamkeit einer Krebstherapie bzw. der klinischen Antwort auf diese auch den aktuellen Fortgang von Erkrankun-‐
gen genauer zu verfolgen und eine Prognose zum weiteren Verlauf abzugeben [Bantel et al., 2004; Kramer et al., 2006; Olofsson et al., 2007] (siehe übernächster Abschnitt).
1.3.2 Zytokeratin-‐18 (CK-‐18)
Die Aktivität von Caspasen kann man indirekt auch durch die Messung des proteoly-‐
tisch gespaltenen Zytokeratin-‐18 (CK-‐18) messen. Dieses Typ I-‐Intermediärfilament, das in der Leber und anderen epithelialen Geweben exprimiert wird, hilft die Integri-‐
tät der Epithelzellen zu erhalten. Nach der Caspase-‐vermittelten Spaltung von CK-‐18 entsteht als Spaltprodukt das M30-‐Epitop (CK18Asp396-‐NE). Durch die Bestimmung der Menge dieses Produktes und somit der indirekten Messung der Caspaseaktivtät erhalten wir einen neuen Biomarker, um apoptotische Veränderungen in der Leber früh zu bestimmen. [Bantel et al., 2004; Seidel et al., 2005; Volkmann et al., 2006]
1.3.3 Die Rolle der Apoptose bei anderen Lebererkrankungen
Schon mehrere andere virusbedingte chronische Lebererkrankungen stehen im Ver-‐
dacht, durch Apoptose vermittelt zu werden. Gerade bei diesen Erkrankungen ist die histologische Untersuchung von Leberbiopsien bisher der einzige Weg, um die ab-‐
laufende Fibrose der Patienten zu überwachen.
Bantel et. al. konnten zeigen, dass bei der Hepatitis C die Aktivität der Caspasen im Vergleich zu gesunden Lebern erhöht ist [Bantel et al., 2001]. Es zeigte sich sogar eine signifikante Korrelation zwischen dem Grad der Leberschädigung und der Caspase-‐
aktivität im Gewebe [Bantel et al., 2001]. Die Caspaseaktivität könnte somit einen Teil des Pathomechanismus der fortschreitenden Leberfibrose bei der Hepatitis C darstel-‐
len und darüber hinaus die Messung der Aktivität auch ein vielversprechender früher Marker für das Ausmaß der Leberschädigung sein. [Bantel et al., 2004]
In einer weiteren Untersuchung der gleichen Arbeitsgruppe wurde auch eine signifi-‐
kante Korrelation zwischen einer viralen Elimination und der Höhe der Caspaseakti-‐
vität gefunden, als man versuchte, herauszufinden, warum die Hälfte der Patienten mit chronischer Hepatitis C nicht auf die antivirale Therapie anspricht. Dieser Zusammenhang deutet darauf hin, dass die Apoptose ein Vorgang zur Elimination des Virus selbst sein könnte. [Volkmann et al., 2006]
Fragestellung
2 Fragestellung
Die Ätiologie und Pathogenese der Gallengangsatresie ist weiterhin ungeklärt. Zwar gelang es bereits durch zahlreiche Studien, einige Teilstücke der Pathogenese aufzu-‐
decken, die Frage nach der Ätiologie bleibt aber bis auf Vermutungen und kleine Hinweise unbeantwortet.
Ausgehend von den Studien von H. Bantel, in denen die Messung der Apoptose als Verlaufsparameter angewendet wurde, lag es für uns nahe, dies auch auf die Gallen-‐
gangsatresie anzuwenden. Sie gehört ebenfalls zu den Lebererkrankungen und könnte einen ähnlichen Pathomechanismus besitzen, der möglicherweise primär auf die Gallenwege wirkt. Wir setzten diese Messung somit nicht bei einer gut erforsch-‐
ten Erkrankung ein, sondern arbeiten an einem Modell, bei dem die Ätiologie und der Pathomechanismus noch unklar sind. Sowohl in der experimentellen als auch der humanen Gallengangsatresie wurde die Apoptose in der Leber bereits beschrieben.
Folgende Fragestellungen sollten untersucht werden:
• Kann im experimentellen Mausmodell die Apoptose in der Leber durch die Messung der Caspaseaktivität im Serum dargestellt werden?
• Induziert das RRV lediglich eine pathologische immunologische Kaskade oder ist es direkt am Prozess des Leberumbaus beteiligt?
• Ist die Apoptose in Bezug auf die Gallengangsatresie Teil einer fehlerhaften Immunantwort oder ist sie Teil des Prozesses zur Viruselimination?
• Lässt sich die Messung der Caspaseaktivität auch auf die humane Gallengangs-‐
atresie anwenden?
• Ist der leberspezifische Apoptosemarker CK-‐18 bei Kindern mit Gallengangs-‐
atresie zur Diagnostik und Verlaufskontrolle einsetzbar?
3 Material und Methoden
3.1 Experimentelles Mausmodell der GA
Alle experimentellen Mäuse wurden von Charles River Laboratories (Sulzfeld, Deutschland) erworben. Die Mäuse wurden in speziellen keimfreien und laminar belüfteten Käfigen gehalten und einem 12-‐Stunden-‐Hell-‐Dunkel-‐Zyklus ausgesetzt.
Nahrungsmittel, Wasser und Streu wurden sterilisiert. Alle Arbeiten wurden vom örtlichen Tierschutzausschuss in Übereinstimmung mit den nationalen Vorschriften zum Schutz von Tieren genehmigt (Genehmigungsbescheid Nr. 07/1327) und unter der Aufsicht eines verantwortlichen Tierarztes durchgeführt.
Die intraperitoneale Applikation von 20 µl Kochsalzlösung mit 1x106 pfu/mg RRV oder steriler Kochsalzlösung bei den Kontrollen wurde einheitlich bei allen neugebo-‐
renen Mäusen innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt durchgeführt, wie bereits in anderen Publikationen beschrieben [Leonhardt et al., 2010]. Tiere, die innerhalb von 48 Stunden nach der Infektion starben, schlossen wir aufgrund der frühen Letalität (= technische Komplikation) von der weiteren Untersuchung aus. Alle Mäuse wurden täglich gewogen und auf ihren Allgemeinzustand kontrolliert. Wir registrierten Zei-‐
chen der Cholestase, d. h. einen Ikterus der nicht fellbedeckten Haut und acholische Stühle. Eine Bilirubinurie wiesen wir mit dem Bilugen-‐TestTM (Boehringer Mannheim, Deutschland) nach.
Die Tötung und Präparation der Mäuse wurde am Tag 5, 8, 11 oder 15 nach RRV-‐In-‐
fektion unter einem Präparationsmikroskop durchgeführt. Die für die GA typischen morphologischen Veränderungen konnten wir hierbei bereits erkennen. Wie schon zuvor beschrieben, sahen wir sowohl atretische Gallenblasen als auch Gallenblasen mit einem deutlichen Hydrops [Petersen et al., 1998]. Das Ligamentum hepatoduo-‐
denale enthielt sowohl über kurze als auch über lange Strecken atretisch veränderte extrahepatische Gallenwege.
Die explantierten Mäuselebern wurden für die histologische Untersuchung und die Quantifizierung der viralen mRNA geteilt. Ein kleinerer Teil der Leber inklusive dem Portalfeld wurde in Formalin 5 % fixiert, in Paraffin eingebettet und im Anschluss mit Hämatoxylin und Eosin (HE) gefärbt. Der verbleibende Teil der Leber wurde in flüssi-‐
Material und Methoden
gem Stickstoff eingefroren und bei -‐80 °C für die geplanten Virusquantifizierungen eingelagert.
3.2 Bestimmung des Gesamt-‐Bilirubin-‐Spiegels im Serum
Zur Bestimmung des Gesamt-‐Bilirubin-‐Spiegels im Serum der Mäuse verwendeten wir die klinischen Labore an der Medizinischen Hochschule Hannover. Hier wird im nasschemischen, enzymatischen Verfahren das indirekte Bilirubin zunächst durch ein Detergenz freigesetzt und im Anschluss das Gesamtbilirubin an 2,5-‐Dichlorphenyl-‐
diazoniumtetrafluoborat gekoppelt. Die photometrisch gemessene Farbintensität des gebildeten Azobilirubins ist dann direkt proportional zur Gesamtbilirubinkonzentra-‐
tion.
3.3 Rhesus-‐Rotavirus
Das Virus wurde freundlicherweise von M. Riepenhoff-‐Talty (Buffalo, NY, USA) zur Verfügung gestellt. Der Rhesus-‐Rotavirus-‐Stamm (RRV, MMU 18006) wurde in MA-‐104-‐Zellen titriert und abgemessen als Plaque-‐bildende Einheiten (pfu/mg) [Leonhardt et al., 2010; Petersen et al., 1998]. Für die Virustitration wurden die Organe durch Ultraschall (Branson, Danbury, USA) homogenisiert und zentrifugiert bei 4 °C und 3600 g in einer Heraeus Minifuge GL. Die anschließende Titration des Virus erfolgte in abgestuften, logarithmischen Verdünnungen in Gewebekultur-‐
Mikrotiterplatten (Nunc, Roskilde, Dänemark) mit konfluenten Zellen.
3.4 Viruslastbestimmung
3.4.1 RNA-‐Isolierung
Bis zu 30 mg Lebergewebe eines jeden Tieres wurde zunächst lysiert und anschlie-‐
ßend mit einem TissueRuptor in RLT-‐Puffer homogenisiert (Qiagen, Hilden, USA).
Nach dem Zentrifugieren für 5 Minuten bei voller Geschwindigkeit wurde der Über-‐
stand gesammelt und 500 µl Ethanol 70 % zugegeben und durch Pipettieren gemischt. Wir überführten die Probe auf eine RNeasy Spin Säule. Mit dieser isolierten wir die RNA nach dem Protokoll vom RNeasy Mini Handbook (Qiagen, Hilden, USA).
Mithilfe des U3000 Photospektrometers (Hitachi) quantifizierten und validierten wir die Integrität der Gesamt-‐RNA.
3.4.2 Reverse Transkription
Die Reverse Transkription und die Echtzeit-‐Polymerase-‐Kettenreaktion (realtime polymerase chain reaction -‐ RT-‐PCR) wurden unter Verwendung der Superscript III Reverse Transkriptase und zufälligen Primern (Invitrogen, Karlsruhe, Deutschland) gemäß den Anweisungen des Herstellers durchgeführt. 0,5 μg RNA von jeder Probe wurden in einzelsträngige cDNA umgeschrieben.
3.4.3 Real-‐time-‐PCR
Für die Real-‐time-‐PCR verwendeten wir 50 ng Template des Rotavirus-‐spezifischen VP6-‐Proteins und der Glycerinaldehyd-‐3-‐Phosphat-‐Dehydrogenase (GAPDH). Die GAPDH dient als interne Kontrolle. Für den quantitativen Nachweis der mRNA-‐Menge verwendeten wir einen MX-‐3000P Multiplex Quantitative PCR-‐Sequenz-‐Detektor (Stratagene, La Jolla, CA, USA) mit SYBR-‐Green-‐Farbstoff als Doppelstrang-‐DNA-‐spe-‐
zifische Bindung. Die PCR-‐Amplifikationen wurden mit spezifischen Primern (Abb. 4) in einem Gesamtvolumen von 25 µl mit 50 ng Template, 1 μl von jedem Primer (0,35 pM), 12,5 µl von 2X Brilliant SYBR-‐Green QPCR Master Mix (Stratagene), 0,5 µl des verdünnten Referenz-‐Farbstoffs (RedOrangeXanthocyanin) in einer Endkonzen-‐
tration von 300 nM und 10 µl vorverdünnter (1:5) cDNA durchgeführt.
Abb. 4: Verwendete Primer für das Virusprotein VP6 und die interne Kontrolle, das Housekeeping-‐Gen der Leber Glycerinaldehyd-‐3-‐Phosphat-‐Dehydrogenase (GAPDH)
Einer ersten Denaturierung bei 95 °C für 10 Minuten folgten 40 Zyklen mit erneuter Denaturierung, Primärhybridisierung und Elongation (95 °C für 30 Sekunden, 51 °C für 30 Sekunden und 72 °C für 45 Sekunden). Die VP6-‐mRNA-‐Menge in der Leber von RRV-‐behandelten Mäusen wurde gegen die interne Kontrolle mit GAPDH normali-‐
siert. Diese Werte verglichen wir im Anschluss mit den Werten der Kontrollgruppe.
Diese Gruppe kam lediglich mit Kochsalzlösung in Kontakt.
Rotavirus VP6
vorwärts: 5’-GCGGTAGCGGTGTTATTTCC‐3’
rückwärts: 5’-TTGTTTTGCTTGCGTCGG–3’
GAPDH
vorwärts: 5’-TGGTTTGACAATGAATACGGCTAC rückwärts: 5’-GGTGGGTGGTCCAAGGTTTC
Material und Methoden
3.5 Immunhistochemische Färbung
Terminal desoxynucleotidyl transferase-mediated deoxyuridine triphosphated nick end labelling (TUNEL) ist der Goldstandard für den immunhistochemischen Nachweis der Apoptose. In der gleichen Schnittebene führten wir ebenfalls eine Markierung der gespaltenen Caspase-‐3, dem entscheidenden Effektor-‐Enzym im Apoptoseweg, durch.
Für die TUNEL-‐Markierung wurde der ApoTag In-‐Situ Apoptosis Detection Kit (Chemicon International, Temecula CA, USA) für Formalin-‐fixierte, in Paraffin einge-‐
bettete (FFPE) Schnitte von 5 µm Dicke verwendet. Nach der Präparation wurden die Objektträger entwachst und durch verdünnte Proteinase K (RT; 15 Minuten;
20 μg/ml) permeabilisiert. Anschließend folgte die Blockierung der endogenen Peroxidase (RT; 5 Minuten; H2O2 3 % in PBS). Die Schnitte wurden in PBS und Äquilibrierungspuffer gewaschen, gefolgt von der Inkubation mit dem TdT-‐
Reaktionsgemisch (RT; 60 Minuten). Nach dem Waschen wurde Anti-‐Digoxigenin-‐
Peroxidase-‐Konjugat aufgetragen (RT; 60 Minuten) und visualisiert durch Diaminobenzidin-‐Substrat. Die Färbungsmuster auf den Objektträgern wurden unter einem konventionellen Lichtmikroskop ausgewertet. Caspase-‐3-‐ und TUNEL-‐
Reaktionen wurden in jeder Probe durch Zählen der immunreaktiven Hepatozyten, Cholangiozyten und Endothelzellen in 10 Portalfeldern mit einer 200-‐fachen Vergrößerung bewertet. Bei einer DNA-‐Fragmentierung und zytoplasmatischer Färbung wurden die Zellen „positiv“ für die TUNEL-‐ bzw. Caspase-‐3 gewertet.
Entzündliche Infiltrate wurden vermerkt, wenn vorhanden.
Für die Immunhistochemie von Caspase-‐3 verwendeten wir ein polyklonales Kanin-‐
chenserum (RBK009; Zytomed Systems, Berlin, Deutschland). 3 µm dünne Schnitte wurden deparaffiniert und bei hoher Temperatur der Antigen-‐Demaskierungstechnik in einem Dampfkochtopf zugeführt (5 Minuten; 121 °C; 0,01 M Natriumcitrat-‐Puffer).
Anschließend folgte wieder die Blockade der endogenen Peroxidase wie oben beschrieben. Die Schnitte wurden zunächst über Nacht mit dem primären Serum inkubiert. Danach folgte die Detektion durch den Multilink biotinylierten Antikörper (LSAB / HRP, DAKO Glostrup, Dänemark). Das Substrat war DAB. Die negativen Kontrollen wurden durch das Auslassen des primären Serums angefertigt und zeigten keine spezifische Färbung.
3.6 Nachweis von Caspaseaktivität in der Leber von Mäusen
Für die Messung der Caspaseaktivität in der Leber homogenisierten wir zunächst 20-‐30 mg Lebergewebe in flüssigem Stickstoff und lysierten es in 10 mM TRIS-‐HCl, Nonidet P-‐40 0,5 %, 10 mM MgCl2, 150 mM NaCl, 10 mM Dithiothreitol und Protease-‐
Inhibitor 1 % (Sigma-‐Aldrich, St. Louis, MO, USA). Im Extrakt der Lebergewebe wurde die Protein-‐Konzentration mit dem Lowry-‐Assay (BIO-‐RAD, München, Deutschland) analysiert und dann in einem Puffer, bestehend aus 50 mM Tris-‐HCl (pH 7,4), 10 mM KCl und Glycerin 5 %, zu einer endgültigen Konzentration von 1 μg/μl verdünnt.
Dann wurden jeweils 15 µl der Extrakte mit 15 µl des Caspasesubstrats DEVD-‐Luci-‐
ferin und Luciferase-‐Reagenz (Caspase-‐Glo, Promega, Mannheim, Deutschland) 90 Minuten bei Raumtemperatur inkubiert (Abb. 5). Nach Spaltung des Substrats am DEVD-‐Peptid durch Caspase-‐3 und Caspase-‐7 wird Aminoluciferin freigesetzt, das die Luciferase-‐Reaktion auslöst, die in RLU (relative light units) mit einem Luminometer gemessen wird (GloMax ® 96 Mikrotiterplatten Luminometer, Promega, Mannheim, Deutschland). Die Menge der Lichtemissionen wurde nach der Messung im Verhältnis zu der mit Kochsalzlösung behandelten Kontrollgruppe dargestellt.
[Volkmann et al., 2007]
Abb. 5: Die Caspase-‐3/7 spaltet die DEVD-‐Sequenz vom Substrat ab. Das entstandene Spaltprodukt dient wie-‐
derum als Substrat für die Luciferase. Bei der Luciferase-‐Reaktion wird Licht emittiert, welches gemessen werden kann.
Bildquelle: Technical Bulletin -‐ Caspase-‐Glo® 3/7 Assay, Promega Corporation, Madison, USA
Material und Methoden
3.7 Nachweis von Caspaseaktivität im Serum von Mäusen
4 μl des Mausserums wurden in 36 μl Puffer mit 50 mM Tris-‐HCl (pH 7,4), 10 mM KCl und Glycerin 5 % verdünnt. Dann wurden 10 µl der Verdünnung mit 10 µl des Caspa-‐
sesubstrats DEVD-‐Luciferin und Luciferase-‐Reagenz für 3 Stunden im Dunkeln bei Raumtemperatur inkubiert. Schließlich wurde die Lumineszenz der einzelnen Proben in dreifachem Ansatz in einem Luminometer (Lumat, Berthold Technologies, Bad Wildbad, Deutschland) gemessen und berechnet, wie hoch der relative Anstieg zu der mit Kochsalzlösung behandelten Kontrollgruppe ist. [Seidel et al., 2005]
3.8 Nachweis von Caspaseaktivität im Serum von Kindern mit GA
25 µl vom menschlichen Serum wurden in 25 µl Puffer mit 50 mM Tris-‐HCl (pH 7,4), 10 mM KCl und Glycerin 5 % gelöst. Dann wurden 15 µl der Verdünnung mit 15 µl des Caspasesubstrats DEVD-‐Luciferin und Luciferase-‐Reagenz für 90 Minuten bei Raum-‐
temperatur in dreifachem Ansatz inkubiert. Schließlich wurde die Lumineszenz der Proben in einem Luminometer (GloMax® 96 Mikrotiterplatten Luminometer, Promega, Mannheim, Deutschland) auf 96-‐Lochplatten gemessen und dargestellt in RLU. [Seidel et al., 2005]
3.9 Messung des Apoptose-‐assoziierten CK-‐18 Neoepitops M30 im Serum von Kindern
Für die Quantifizierung des von der Caspase im Menschen generierten CK-‐18-‐Frag-‐
ments verwendeten wir den M30 Apoptosense ELISA gemäß den Anweisungen des Herstellers (PEVIVA AB, Bromma, Schweden). [Bantel et al., 2004; Fitzpatrick et al., 2010]
Wir brachten alle Reagenzien auf Raumtemperatur und mischten sie mit Hilfe des Wirbelmischers. Die Waschlösung wurde mit frisch deionisiertem Wasser und die M30 HRP Conjugate mit M30 Conjugate Dilution Buffer verdünnt. 5 μl M30 Standards (A-‐G), M30 Control Low, M30 Control High oder Proben wurden pro Mulde in Zwei-‐
fachbestimmung pipettiert. Nach Zugabe von 75 μl verdünnter M30 HRP Conjugate-‐
Lösung zu jeder Mulde deckten wir die Mikrotiterplatten mit einem Sealing Tape ab.
4 Stunden inkubierten die Platten auf einem Schüttler bei 600 U/min gefolgt von 5 Waschzyklen mit jeweils 400 – 500 μl/Mulde. Wir gaben 200 μl TMB Substrate zu
jeder Mulde hinzu und ließen sie im Dunkeln bei RT 20 Minuten inkubieren. 50 μl der Stop Solution wurden zu jeder Mulde pipettiert und mit dem TMB Substrate gut ver-‐
mischt. Es erfolgte die Ablesung nach 5-‐30 Minuten bei einer Absorption von 450 nm in einem Absorptionslesegerät für Mikrotiterplatten.
3.10 Merkmale der Patienten
Unsere Studiengruppe umfasste 24 GA-‐Patienten, die im Durchschnitt 61 Tage alt waren, als wir das Kasai-‐Verfahren durchführten (zwischen 21 und 101 Tage alt).
Zum Zeitpunkt der chirurgischen Intervention wurden Leber-‐ und Serumproben ent-‐
nommen. Unsere Kontrollgruppe für die Serumproben umfasste 23 gesunde Patien-‐
ten, die im Durchschnitt ein Alter von 62 Tagen hatten (zwischen 2 und 200 Tage alt) und für chirurgische Routine-‐Eingriffe geplant waren, wie z.B. eine Herniotomie, Lagekorrekturen des Hodens, Circumcisionen, etc.. Aus ethischen Gründen standen uns keine Leberbiopsien von Kindern gleichen Lebensalters zur Verfügung. Die Genehmigung der lokalen Forschungs-‐Ethikkommission (Nr. 41/2006) wurde vor der Aufnahme von Patienten in diese Studie eingeholt. Die Eltern der Studien-‐ und Kon-‐
trollpatienten wurden über die Studien informiert und haben der Verwendung des Materials im Rahmen des Forschungsprogramms der Gallengangsatresie schriftlich zugestimmt.
3.11 Statistik
Die statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS 18 (IBM, Somers, NY, USA). Der Vergleich der Konzentrationen des M30-‐Antigens (U/L), der Caspaseaktivitäten (RLU) und der TUNEL-‐Signale in den verschiedenen Maus-‐ und Patientengruppen zu den festgesetzten Zeitpunkten erfolgte mit dem ungepaarten zweiseitigen t-‐Test auf Gleichheit der Mittel. Die Abhängigkeit zwischen den Messungen des M30-‐ELISA, der Caspaseaktivität, der Viruslast und der TUNEL-‐Signale erfolgte jeweils über Pear-‐
sons r oder in einer schiefen Verteilung durch Spearmans rho. Die Differenz zwischen dem unterschiedlichen Aufkommen der GA in beiden Mausstämmen analysierten wir mit Hilfe des Chi-‐Quadrat-‐Tests. Die Werte sind als Mittelwert ± SEM ausgedrückt.
Statistische Signifikanz wurde für p < 0,05 angenommen. Bei einem Vergleich der 4 Altersgruppen erfolgte die Korrektur des Alphafehlers nach Bonferroni und statis-‐
tische Signifikanz wurde für p < 0,0125 angenommen.
Ergebnisse
4 Ergebnisse
4.1 Experimentelles Mausmodell der GA
Die frühe intraperitoneale Infektion mit dem RRV induziert bei neugeborenen BALB/c-‐Mäusen eine hohe und in C57BL/6-‐Mäusen eine niedrige Inzidenz der expe-‐
rimentellen GA [Leonhardt et al., 2010]. In der ersten Phase haben wir an den ersten 192 Mäusen die Parameter unseres Studiendesigns [Petersen et al., 2010; 1998]
validiert, indem wir die Inzidenz der Cholestase und der GA zwischen beiden Stämmen verglichen haben (Tab. 1, Abb. 6).
Mausstamm gesund cholestatisch
BALB/c (N = 91) 28 (31 %) 63 (69 %) C57BL/6 (N = 101) 79 (78 %) 22 (22 %)
∑ (N = 192) 107 85
Tabelle 1 und Abb. 6: Die Inzidenz der Gallengangsatresie im Vergleich zwischen RRV-‐infizierten BALB/c-‐ und C57BL/6-‐Mäusen. Bei den BALB/c-‐Mäusen erkranken prozentual mehr Mäuse als bei den C57BL/6-‐Mäusen.
Wie zuvor in anderen Studien gezeigt, beobachteten auch wir die experimentelle GA in 69 % der BALB/c-‐ und in 22 % der C57BL/6-‐Mäuse (p < 0,001).
Mausstamm
C57BL/6 BALB/c
Tiere innerhalb des Stammes [%]
80
60
40
20
0
ikterische Mäuse nicht-ikterische Mäuse
Die Verteilung auf die einzelnen Tage der Beobachtung war dabei konstant. So erkrankten von den C57BL/6-‐Mäusen konsequent nur zwischen 20-‐30 %, während die GA bei den BALB/c-‐Mäusen immer in 65-‐80 % der Fälle auftraten (Abb. 7).
Abb. 7: Die Inzidenz der RRV-‐induzierten Cholestase liegt bei neugeborenen BALB/c-‐Mäusen konstant bei ca.
70 % während der Ikterus nur bei max. 30 % der C57/BL6-‐Mäuse auftritt (CHI2; p < 0.001).
Zur Überprüfung der korrekten Zuordnung zu den Gruppen bestimmten wir die Ge-‐
samt-‐Bilirubin-‐Spiegel im Serum. Alle Mäuse der erkrankten Gruppe (n = 42) zeigten eine signifikante Erhöhung an Tag 11 und 15, während die nicht-‐erkrankten Mäuse (n = 13) Bilirubin-‐Level zeigten, die im Bereich der Kontrollgruppe lagen, denen lediglich NaCl injiziert worden war (Abb. 8).
Tage nach RRV-Injektion 15 11
8 5
ikterisches Serum nach Infektion [%]
80
60
40
20
0
C57BL/6 BALB/c
Ergebnisse
Abb. 8: Bilirubin wurde im Serum von 42 ikterischen und 13 nicht-‐ikterischen Mäusen getestet. Ein signifikanter Unterschied zwischen den ikterischen und nicht-‐ikterischen Mäusen war an den Tagen 11 (p = 0,009) und 15 (p = 0,003) zu sehen. Der Unterschied an Tag 8 war fast signifikant (p = 0,031).
Die Mäuse hatten an Tag 5 noch keinen erhöhten Spiegel des Gesamt-‐Bilirubins. Auf-‐
grund der korrekten Zuordnung an den Tagen 11 und 15 nahmen wir für Tag 5 und 8 ebenfalls die korrekte Zuordnung zu der Cholestase an.
Tage nach RRV-Injektion 15 11
8 5
Bilirubin (µmol/L)
200
150
100
50
0
* *
ikterische Mäuse nicht-ikterische Mäuse
4.2 Viruselimination
Tiermodelle, in denen Krankheiten durch Viren ausgelöst werden, zeigen variable Muster der Virusreplikation und deren anschließender Elimination. Die Ursache liegt in den unterschiedlichen Zell-‐vermittelten Signalwegen, die das angeborene Immun-‐
system zur Virusabwehr verwendet. Häufig wird zur Elimination der infizierten Zellen die Apoptose ausgelöst. [Clarke und Tyler, 2009]
Im GA-‐Mausmodell ist immer noch ungeklärt, ob die Entwicklung der GA durch das Virus direkt ausgelöst wird oder ob das RRV nur eine immunologische Kaskade indu-‐
ziert.
Um den Verlauf der Viruselimination darzustellen, untersuchten wir diesen mit der quantitativen Real-‐time-‐PCR an einer Serie von 22 BALB/c-‐Mäusen, die einen Ikterus nach der RRV-‐Infektion entwickelten. Die Viruslast stieg bis zum 8. Tag nach RRV-‐
Infektion und wurde innerhalb der nächsten 3 Tage komplett abgebaut (Abb. 9).
Diese Beobachtung sollte bei der Betrachtung der folgenden Versuche berücksichtigt werden.
Abb. 9: Die Replikation des RRV in der Leber von 22 BALB/c-‐ und 15 C57BL/6-‐Mäusen zeigt einen Peak am Tag 8 nach der intraperitonealen Injektion. Eine quantitative Real-‐time-‐PCR des Virus-‐VP6 wurde an den Tagen 5, 8, 11 und 15 durchgeführt und zeigte, dass die murine Leber das Virus innerhalb von zwei Wochen nach der Infektion eliminiert hat. (# in Bezug auf das Housekeeping-‐Gen GAPDH; Mittelwert ± SEM)
Tage nach RRV-Injektion 15 11
8 5
Viruslast #
0,20
0,15
0,10
0,05
0,00
Ergebnisse
4.3 Immunhistochemie
Einer der Goldstandards für den Nachweis der Apoptose ist die TUNEL-‐Färbung.
Durch sie erkennen wir eine DNA-‐Fragmentierung, wie sie nach Durchlaufen der apoptotischen Signalkaskaden entsteht (Abb. 10).
Um ein serologisches Korrelat zu der immunhistochemischen Färbung zu haben, wie-‐
sen wir zusätzlich die Effektorcaspase-‐3 in der Leber nach. Da diese beim Auslösen der Apoptose wiederum andere Zellsubstrate spaltet, ist ihre Aktivität somit auch ein Maß für die gesamte Aktivität der Apoptose.
Abb. 10: (Maus, BA) Repräsentatives Portalfeld eines Leberanschnitts in HE-‐Färbung in geringer Vergrößerung.
Der Hauptgallengang ist deutlich sichtbar und perifokal mit mononukleären Zellen infiltriert.
Abb. 11: (Maus, BA) Kennzeichnung von aktiver Caspase-‐3 in hoher Vergrößerung.
Abb. 12: (Maus, BA) TUNEL-‐Färbung eines Portalfeldes bei niedriger Vergrößerung. Positiv markierte Zellen zeigen dunkelbraune Farbsignale in den Zellkernen. Beachten Sie, dass sich die Kennzeichnung auf das entzünd-‐
liche Infiltrat beschränkt, das entweder perifokal oder in der Wand der Gallenwege liegt. Das Gallengangsepithel selbst zeigt keine spezifischen Signale.
Ergebnisse
Abb. 13: (Mensch, BA) Fortgeschrittenes Stadium der Gallengangsatresie mit fibrotischem Portalfeld und Neubil-‐
dungen von Gallengängen mit schwerer Cholestase, HE-‐Färbung in hoher Vergrößerung.
Abb. 14: (Mensch, BA) Kennzeichnung der aktiven Caspase-‐3 in neugebildeten Gallengängen im erweiterten Portalfeld, HE-‐Färbung in hoher Vergrößerung.
Abb. 15: (Mensch, BA) Das Färbungsmuster dieses Gallengangs ist ähnlich wie bei den TUNEL-‐Ergebnissen in Abb. 13, HE-‐Färbung in hoher Vergrößerung.