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WIE KOMMEN PATIENTEN MIT KUNSTHERZ UND AICD ZURECHT?

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A K T U E L L E S A U S D E R P S Y C H O K A R D I O L O G I E :

WIE KOMMEN PATIENTEN MIT KUNSTHERZ UND AICD

ZURECHT?

Prof. Dr. med. Volker Köllner

Abteilung Psychosomatik & Verhaltenstherapie Rehazentrum Seehof der DRV Bund, Teltow und

Arbeitsgruppe Psychosomatische Rehabilitation, Universitätsmedizin Charité, Berlin

[email protected]

(2)

REHAZENTRUM SEEHOF

DER DEUTSCHEN RENTENVERSICHERUNG

100 Betten und 15 Tagesklinik- plätze Abt. Psychosomatik und Verhaltenstherapie

80 Betten und 15 Tagesklinik-plätze Kardiologie

Langjährige Kooperation mit dem Deutschen Herzzentrum Berlin, Rehabilitation von Patienten nach Herz- oder Lungentransplantation oder Linksherzunterstützungs- system („Kunstherz“)

24 Patienten werden inter-

disziplinär von beiden Abteilungen gemeinsam betreut: Modellprojekt

„Psychokardiologie“

Auftrag zur Konzeptentwicklung und Rehaforschung durch die DRV, spezielles Konzept als Ausbildungs- klinik für Psychosomatische

Medizin und Sozialmedizin.

(3)

Psychosomatisches Fachpersonal

Psychosomatische Diagnostik

Einzel- und

Gruppenpsychotherapie

Sozialmedizinische Beratung

Entspannungs- und Bewegungstraining

Ergotherapie

Psychosomatische Fachseminare

Psychosomatik 5 Wochen

Psychokardiologie 5 Wochen

Kardiologisches Fachpersonal

Kardiologische Diagnostik (EKG, LUFU, Ergo- Spiro, Echo, LZ RR, …)

Sozialmedizinische Beratung

Kardiologisches Sportprogramm Ergotherapie Kardiologische Fachseminare Psychokardiologische

Gruppentherapie Somatisch-ärztliche Fragestunde

Psychokardiologische Abteilungsleiter-Visite Integrierte sozialmedizin.

Beurteilung

Kardiologie 3 Wochen

(4)

AICD = AUTOMATISCHER IMPLANTIERBARER

CARDIOVERTER/DEFIBRILLATOR

• Früher ultima ratio bei anders nicht therapiebaren ventrikulären Herzrhythmusstörungen.

• Heute Standardbehandlung bei schweren ventrikulären Herzrhythmusstörungen, oft prophylaktische Implantation.

• 2015 in Deutschland etwa 30.000 Neuimplantationen, 10.000 Aggregatwechsel und 9.000 Revisionen.

• 3 Geräte in einem:

Konventioneller Schrittmacher

Möglichkeit zur Beendigung von Rhythmusstörungen durch schnelle Stimulation

Defibrillator

(5)

PROBLEME BEI DER VERARBEITUNG:

Bei prophylaktischer Indikation ist kein unmittelbarer Bennefit für den Patient spürbar.

Der AICD ist im Gegensatz zur Rhythmusstörung ständig spürbar und kann zum Symbol für die Krankheit werden (ähnlich auch bei konventionellen Schrittmachern)

Die Angst vor einem Versagen oder einer Fehlauslösung des Geräts kann die Angst vor Herzrhythmusstörungen überlagern.

Frühe Fehlfunktionen können zu einem gestörten „Urvertrauen“ in das Gerät führen.

Insbesondere Salven von AICD-Entladungen („elektrischer Sturm“) können eine PTBS oder eine phobische Störung auslösen.

(6)

VENTRICULAR ASSIST DEVICE

(VAD) = „KUNSTHERZ“

(7)

VENTRICULAR ASSIST DEVICE (VAD)

= „KUNSTHERZ“

• Behandlungsmöglichkeit bei schwerer Herzinsuffizienz

• Ursprünglich Notfallbehandlung, um die Zeit bis zu einer Transplantation zu überbrücken.

• Heute immer öfter definitive Behandlung weil

Spenderorgane fehlen

Die Patienten mit der Lebensqualität mit VAD zufrieden sind

2014 ca. 1.000 Implantationen, Tendenz steigend.

• Probleme:

Infektionsgefahr

Beschränkte Baterielaufzeit

Notwendigkeit der Antikoagulation.

(8)

VAD: PROBLEME DER

KRANKHEITSVERARBEITUNG

• Meist gute Verarbeitung durch die unmittelbar erlebte Symptomreduktion und Verbesserung der Lebensqualität

• Starke Abhängigkeit von der Funktion des Gerätes und der Batterien

• Hohe Belastung der Angehörigen

• Wichtiger Unterschied zur Tx: Man kann ein VAD bekommen, ohne vorher darauf vorbereitet zu sein ➔ “böses Erwachen“, gelegentlich bis hin zur Suizidalität.

(9)

REHABILITATION BEI VAD

Rehabilitationsstandards für die Anschluss-

heilbehandlung und allgemeine Rehabilitation von Patienten mit einem Herzunterstützungssystem

(VAD – ventricular assist device)

Detlev Willemsen1 · C. Cordes2 · B. Bjarnason-Wehrens3 · E. Knoglinger4 ·

E. Langheim5 · R. Marx6,7 · N. Reiss1 · T. Schmidt1 · A. Workowski1 · P. Bartsch1 · C. Baumbach8 · C.

Bongarth9 · H. Phillips10 · R. Radke11 · M. Riedel12 · S. Schmidt2 · E. Skobel13 · C. Toussaint14 · J. Glatz5

Clin Res Cardiol Suppl (2016) (Suppl) 11:2–49 DOI 10.1007/s11789-015-0077-x

(10)

AUFGABEN PSYCHOLOGIE/

PSYCHOTHERAPIE:

• Screening auf psychosoziale Belastungen: Wo stehen der Patient und seine Angehörigen?

• Kognitive Störungen beachten!

• Beteiligung an der Psychoedukation

„Patientenführerschein“

• Ggf. Behandlung psychischer Störungen / Weiterbehandlung organisieren.

• Rehabilitation in spezialisierten Zentren sinnvoll.

(11)

POSTTRAUMATISCHE

BELASTUNGSSTÖRUNG IN DER

KARDIOLOGIE

(12)

MEILENSTEINE

• 1999: Die Arbeitsgruppe um Amanda Dew in Kanada erffasst als erste die Häufigkeit der PTBS nach Herztransplantation und deren Einfluss auf die Mortalität.

• In der Folge zahlreiche Studien zur prävalenz der PTBS v. a.

in Kardiologie und Onkologie.

• 2009 Maercker formuliert das „Medizinische Trauma“ als eigene Kategorie neben Typ I und Typ II –Traumatisierung.

• 2014: Formulierung des Konzepts „enduring somatic threat“

durch Edmonson.

(13)

„ ENDURING SOMATIC THREAT “ –

WAS IST DAS BESONDERE AM MEDIZINISCHEN TRAUMA?

Das traumatische Ereignis liegt nicht außen, sondern innerhalb des eigenen Körpers.

Das traumatische Ereignis liegt meist nicht klar in der Vergangenheit, sondern ist in Form einer chronischen Krankheit oder eines

Implantats weiter im Körper virulent oder kann als geplante OP in der Zukunft leigen.

Die internalen Stimuli (z. B. Herzklopfen) werden durch Hyperarousal verstärkt und können nicht vollständig vermieden werden.

Vermieden werden häufig an die Krankheit erinnernde Behandlungsmaßnahmen.

Dies führt ebenso wie die physiologischen Auswirkungen von

Hyperarouesal im ungünstigsten Fall zu einem tatsächlichen Anstieg der Mortalität, also zu einer erneuten realen Bedrohung.

(14)

DIFFERENTIALDIAGNOSEN

• Akute Belastungsreaktion (F 43.0)

• Anpassungsstörung (F43.2)

• Depressive Episode

• Angststörung (z. B. Agoraphobie/Panik)

• Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrem-

belastung (F62.0) / bei chronischem Schmerz (F62.80)

Als Folge eines Traumas können nicht nur explizite Traumafolge- störungen (F43) auftreten, sondern auch Angststörungen,

Depressionen, Insomnie....

(15)

AKUTE BELASTUNGSREAKTION (F43.0)

• Unwillkürliche Erinnerungsbilder an das Trauma, emotionale Unausgeglichenheit, Schreckhaftigkeit in den ersten Stunden bis Tagen nach einem Trauma häufige Symptome.

• DSM-IV (akute Belastungsstörung) fordert zusätzlich dissoziative Symptome

• Symptome klingen bei der Mehrzahl der Betroffenen auch ohne spezifische Therapie binnen weniger Tage (max. 4 Wochen) wieder ab.

In Studien falsch hohe PTBS-Prävalenz, wenn kein Zeitfenster zur Abgrenzung von der Belastungsreaktion abgewartet wird!

(16)

ANPASSUNGSSTÖRUNGEN NACH ICD-10 (F43.2)

• entstehen als Reaktion auf belastende Ereignisse, die nicht das Traumakriterium erfüllen bzw. als

unterschwellige Symptomatik nach Traumatisierung

• Häufigste Symptome sind

- Depressivität (F43.20 und .21) - Ängste (F43.22)

- Störungen des Sozialverhaltens (F43.24)

• Neues diagnostisches Konzept als Belastungsstörung mit den Kernsymptomen Intrusion, Vermeidung und Fehlanpassung

(Maercker, Einsle & Köllner 2007)

scheint

gerade nach körperlichen Erkrankungen präziser.

(17)

UNTERSCHWELLIGE PTBS-SYMPTOME ALS HINWEIS AUF EINE

ANPASSUNGSSTÖRUNG?

(GEORGI ET AL ., 2007)

Untersuchung von N=498 Patienten (Alter 63.3 Jahre, 68.7% Männer) vor (t0), sowie 2 (t1) und 5 Jahre (t2) nach einer

Herzkatheteruntersuchung.

Unterschwellige Symptome einer PTBS haben unabhängig von Angst und Depressivität einen Einfluss auf die

Lebensqualität.

(18)

ANPASSUNGSSTÖRUNG:

NEUES KONZEPT NACH ICD-11

( M A E R C K E R E T A L . , 2 0 1 3 ; B AC H E M & C A S E Y, 2 0 1 7 )

Ereigniskriterium: Einschneidende Lebensereignisse (z.B. Trennung, Arbeitsplatzverlust, Einbruch) oder anhaltende schwere Belastungen (z.B.

Armut, Migration, schwere Erkrankung) 2 Symptomkomplexe:

Präokkupation (gedankliches Verhaftetsein) wie übermässiges

Grübeln, wiederkehrende und belastende Gedanken oder anhaltende Sorgen.

Anpassungsschwierigkeiten zeigen sich in einem Interesseverlust gegenüber der Arbeit, dem sozialen Leben, der Beziehung zu anderen und Freizeitaktivitäten. Der/die Betreffende kann Konzentrations- bzw.

Schlafprobleme zeigen.

akzessorische Symptome: mit Angst, Depression, Vermeidung oder Störung des Sozialverhaltens

Beachte: ist eine zeitlich befristete Störung, bildet sich i.d.R. innerhalb eines

Monats nach dem Auftreten der Belastung aus und innerhalb von 6 Monaten zurück

(19)

ANPASSUNGSSTÖRUNG NACH ICD-11

• Das Konzept wurde primär an Stichproben mit körperlich Kranken entwickelt.

• Es scheint sehr gut geeignet, Belastungen zusätzlich zu Angst und Depressivität im Verlauf körperlicher

Erkrankungen zu erfassen.

• Mit dem ADNM-20 (Einsle et al., 2010; Lorenz et al., 2016) liegt ein gut validiertes Screening-Instrument vor.

(20)

DATEN ZUR PRÄVALENZ:

ORGANTRANSPLANTATION

Krankheit /

medizinische Prozedur Prävalenz Studie

Patienten nach

Organtransplantation (Tx, Syst. Review über 23 Studien)

PTBS insgesamt:

Fragebogenerhebung:

0% - 46%, klin. Interview 1% - 16%

Auf die Tx bezogene PTBS im klin. Interview:

10% - 17%

Davydow et al., 2015

Patienten 3 Jahre nach Herztransplantation

20,8%

Anpassungsstörung

17,0 % PTBS (jeweils auf Tx bezogen)

Dew et al., 1999; 2003

Patienten vor und nach Lungentransplantation

Warteliste 25% PTBS

Nach Tx 6,25% PTBS Jacobs et al., 2015

(21)

WARUM SIND DIE PRÄVALENZZAHLEN SO UNTERSCHIEDLICH?

• Überschneidung mit Anpassungsstörungen

• Überschneidung mit akuter Belastungsreaktion

• Fragebögen, die nicht an med. Stichproben validiert sind, überschätzen die PTBS-Prävalenz ➔

Strukturierte Interviews notwendig!

(Einsle et al., 2012)

(22)

PTBS & HERZERKRANKUNG

• 14,7% (0-25%) der Patienten nach Herzinfarkt litten an einer hierauf bezogenen PTBS

(Gander und v. Känel 2006)

.

• Diese hatten ein höheres Risiko für Re-Infarkte und andere kardiovaskuläre Komplikationen.

• Bei der Untersuchung immunologischer Parameter fanden sich Hinweise auf einen pro-inflammatorischen Effekt der PTBS.

• Bei AICD-Patienten führte eine PTBS zu deutlich erhöhter Mortalität, Hazard-ratio unabhängig von anderen Risikofaktoren 3.45 (1,57-7,60, p = .002)

(Ladwig et al., 2008).

(23)

PATIENTEN NACH

HERZTRANSPLANTATION

( D E W E T A L . , 1 9 9 9 , 2 0 0 1 )

• Bei einer systematischen Untersuchung (SKID) von 191 Patienten nach HTx wiesen 17% eine PTBS auf

• Patienten mit PTBS hatten ein 14-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko

• Vermittelnde Variable war Noncompliance

• Das traumatische Ereignis lag meist in der Wartezeit

• Nur 12% der Patienten erhielten eine Behandlung

• Ähnlich hohe Belastungswerte bei den Partnerinnen

(24)

PTBS VOR UND NACH LTX

(JACOBS ET AL., 2015)

44 Patienten vor und 48 nach LTx

6 Wartelistenpatienten und 3 Transplantierte erfüllten im SKID- Interview die Kriterien einer PTBS

Auslösendes Trauma: 2x krankheitsunabhängig, 7x Wartezeit, 0x LTx

PTBS war nur in einem Fall aus dem klinischen Kontext bekannt!

(25)

PTBS NACH ANPASSUNGSSTÖRUNG:

BEFRAGUNG VON 173 PATIENTEN &

ANGEHÖRIGEN ÜBER DEN BDO E.V.

( B AU M A N N E T A L . , I N VO R B E R E I T U N G )

Störungsbild Prävalenz

Angehörige

Prävalenz Trans- plantierte

PTBS: 6,3 % 0,5%

Major Depression: 9,2 % 16%

Alle depressiven Syndrome 14,1 % 21,9%

Schwere Angstsymptomatik: 7,2 % 2,8%

Unterschwellige

Angstsymptome: 16,9 % 8,3%

Anpassungsstörung

nach ICD-11: 17,1 % 12%

(26)

THERAPIE

(27)

THERAPIE DER PTBS BEI MEDIZINISCHEM TRAUMA

Von Känel et al. (2018) konnten in einer randomisierten Studie an 190

Patienten, die während eines akuten Koronarsyndroms hohen Distress erlebten, zeigen, dass ein frühes psychosomatisches Counseling von einer Stunde in den ersten zwei Tagen zu einer Reduktion der PTBS-Rate im Langzeitverlauf zu führen scheint. Entgegen der Ausgangshypothese erwies sich hierbei aber ein traumafokussiertes Vorgehen einem eher psychoedukativ ausgerichten

allgemeinen „Stress-Counseling“ nicht als überlegen.

Shemesh et al. (2011) konnten in einer randomisierten Studie (Vergleich zwi- schen Konfrontation in sensu und Psychoedukation) nachweisen, dass Trauma- konfrontation weder zu relevanten Puls- oder Blutdruckanstiegen während der Sitzungen (im Durchschnitt nur 0,5 mmHg mehr als in der Kontrollbedingung,) noch zu vermehrten kardialen Ereignissen oder gar Todesfällen im Langzeit- verlauf führte. Es fand sich aber eine signifikante Verbesserung der PTBS- Symptome in der Subgruppe der hoch belasteten Patienten.

(28)

ZUSAMMENFASSUNG

• Patienten mit einem AICD erleben diesen wegen der Möglichkeit schmerzhafter Schocks evtl. als bedrohlich.

• V. a. Serien von Schocks können eine (subsyndromale) PTBS oder Phobie auslösen.

• VADs werden durch die damit unmittelbar verbundene Symptomlinderung eher besser verarbeitet.

• Problemgruppen: Angehörige und Patienten, die nicht auf den Eingriff vorbereitet waren.

• Eine PTBS verschlechtert nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Lebenserwartung.

• Traumakonfrontation / EMDR ist auch bei dieser

Patientengruppe effektiv und sicher.

(29)

VIELEN DANK FÜR IHRE

AUFMERKSAMKEIT!

Referenzen

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