Herausgeber:
Bezirksamt Mitte von Berlin
Abteilung Gesundheit, Personal und Finanzen
OE Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination Mathilde-Jacob-Platz 1
10551 Berlin
Telefon: 030 - 9018 32575 jeffrey.butler@ba-mitte.berlin.de http://www.berlin.de/ba-mitte/
Bearbeitet von:
Jeffrey Butler
Bezirksamt Mitte von Berlin
Abteilung Gesundheit, Personal und Finanzen
unter Mitarbeit von:
Marie Blech, Dr. Mattias Brockstedt, Carmen Guzman, Thea Neumann, Heike Schimkus und Sabine Treichel
Die Reihe “Beiträge zur Gesundheitsförderung und Gesundheitsberichterstattung” ist eine Ver- öffentlichungsreihe der OE Qualitätsentwicklung, Planung, Koordination Berlin-Mitte
Die Beiträge sind im Internet als Download verfügbar.
I
Vorwort
des Bezirksbürgermeisters
Liebe Bürgerinnen und Bürger, sehr geehrte Damen und Herren!
Ich freue mich, Ihnen den neuen Bericht des Bezirks Mitte vorstellen zu können, in welchem die Verbindung zwischen Maßnahmen zur Sprachförderung in den Kitas im Bezirk Berlin- Mitte und den Ergebnissen der Schuleingangsuntersuchung dargelegt wird.
Nach einer kurzen Betrachtung der Kindertagesstätte als Ort der Sprachförderung in Berlin wird sich der zweite Teil des Berichts mit den Ergebnissen einer schriftlichen Befragung der Kitas in unserem Bezirk hinsichtlich ihrer sprachfördernden Aktivitäten befassen. Anschließend wird anhand der Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung versucht, Erkenntnisse für die Kita- Sprachförderung zu gewinnen. Hierbei wird eines der bereits 2010 beschlossenen bezirklichen Gesundheitsziele wieder aufgriffen.
An dieser Stelle möchte ich allen danken, die an der Durchführung der Befragung sowie der Erstellung des Berichts beteiligt waren – insbesondere den Student/innen, die daran mitgearbei- tet haben, den Mitarbeiter-/innen der Kindertagesstätten und den Mitarbeiter-/innen der QPK im Bezirksamt Mitte.
Ihr
Dr. Christian Hanke
II
Vorwort des Bezirksbürgermeisters I
Inhaltsverzeichnis II
Einleitung 1
1 Kindergarten als Ort der Sprachentwicklung 2
1.1 Kitabesuch und Sprachentwicklung 2
1.2 Sprachförderungsaktivitäten in Berliner Kindertagesstätten 2
1.3 Maßnahmen und Angebote zur Sprachförderung 3
2 Bestandsaufnahme der Sprachförderung in Kindertagesstätten in Berlin-Mitte 6
2.1 Hintergrund 6
2.2 Planung und Durchführung der Befragung 6
2.2.1 Stichprobe 6
2.2.2 Fragebogenentwicklung 7
2.2.3 Ablauf der Befragung 7
2.3 Ergebnisse der Befragung 7
2.3.1 Rahmenbedingungen in den Kitas 8
2.3.2 Angaben zu den pädagogischen Fachkräften 10
2.3.3 Profile der Kitas 11
2.3.4 Problemwahrnehmung im Bereich der Sprache 12
2.3.5 Sprachförderung in den Kitas 13
2.4 Zusammenfassung 17
3 Sprachförderung in den Kitas im Lichte der Schuleingangsuntersuchung (ESU) 19
3.1 Methodische Vorgehensweise 19
3.2 Auswertung der Schuleingangsuntersuchung im Bezirk Mitte
3.2.1 Aktuelle Eckdaten der ESU für Mitte 21
3.2.2 Zusammensetzung der Stichprobe 26
3.3 Zusammenführung der Kitabefragung mit der ESU 28
3.3.1 Vorhandensein von besonders geschultem Personal 28
3.3.2 Einsatz von Programmen oder Instrumenten für Sprachförderung 29 3.3.4 Häufigkeit der durchgeführten Aktivitäten der Sprachförderung 30 3.3.5 Rahmenbedingungen für Sprachförderung in der Kindertagesstätte 31
3.4 Zusammenfassung 32
III
4 Fazit 35
Anhang 36
Glossar 36
Abkürzungen 37
Literatur 38
Einleitung
Die Fähigkeit zu sprechen und dadurch mit anderen zu kommunizieren, ist vielleicht die wich- tigste Eigenschaft des Menschen. Über die gemeinsame Sprache werden überdies fast alle es- sentiellen Aspekte des zwischenmenschlichen Lebens in einer Gesellschaft geregelt. Die Spra- che hat Auswirkungen auf den Bereich der Erwerbsarbeit und geht über das Rechts- sowie Bil- dungssystem bis hin zum politischen Willensbildungsprozess. Die Beherrschung der Sprache des Landes, in dem man lebt, ist eine wesentliche Voraussetzung sowohl für die Integration als auch für die Bildungschancen, insbesondere für Kinder und Jugendliche.
Mit der Sprache eignen sich Kinder die Welt an und lernen alles, was für ihre weitere Entwick- lung von Bedeutung ist. Durch die Sprache kommunizieren wir mit unserer Umgebung und regeln das Zusammenleben mit unseren Mitmenschen. Die Sprache bildet auch die Basis unse- rer Rechtsordnung: nicht ohne Grund sagt man Rechtsprechung. (vgl. Butzkamm und Butz- kamm 2008) Sprachliche und kommunikative Fähigkeiten zählen zu den Schlüsselkompetenzen und wichtigsten Eigenschaften eines Menschen. In der Regel entwickelt sich die Sprache eines Kindes durch die Interaktion mit den Eltern in der frühen Kindheit, leider klappt dies aus einer Reihe von Gründen nicht immer. Damit der Lernerfolg in der Schule nicht durch eventuelle Sprachprobleme behindert wird, ist es notwendig, dass diese möglichst vor dem Schulbeginn erkannt und beseitigt werden.
In einem Bezirk wie Berlin-Mitte, wo ca. 48% der gesamten Bevölkerung und fast 70% der Schulanfänger einen Migrationshintergrund hat (im Jahre 2013: 68,3%), spielen mangelnde Deutschkenntnisse bereits im Kitaalter eine große Rolle. Da die Beherrschung der hiesigen Sprache eine elementare Voraussetzung für den Schulerfolg darstellt, sind die Kinder, die bis zum Schulanfang noch größere Probleme mit der Verständigung auf Deutsch haben, von vorn- hinein gegenüber ihren Mitschülern im Nachteil. Angesichts der Tatsache, dass fast die Hälfte der im Schuljahr 2013 im Bezirk untersuchten Schulanfänger nichtdeutscher Herkunft über kei- ne guten deutschen Sprachkenntnisse verfügt, besteht ein erheblicher Verbesserungsbedarf.
Hier geht es bei der Sprachförderung in hohem Maße um die Entwicklung der deutschen Sprachkenntnisse bei Kindern nichtdeutscher Herkunft.
Aber auch bei deutschen Kindern aus einfacheren Verhältnissen gibt es Probleme bei der Spra- chentwicklung, die bereits im Kitaalter sichtbar werden. In den letzten Jahren ist insbesondere das Phänomen der sogenannten „Spracharmut“ thematisiert worden. Viele Kinder haben bei der Entwicklung ihrer Sprache nur sehr einfache Vorbilder, wie z.B. Comics oder das Fernsehen, zur Verfügung, sodass ihnen ein differenzierter Wortschatz fehlt. So eingeschränkt ausgestattet sind sie gar nicht auf die abstraktere Arbeit in der Schule vorbereitet. Für diese Kinder bedeutet Sprachförderung in der Kita, dass sie möglichst früh mit einer ganzen Reihe von bislang unbe- kannten Begriffen und Zusammenhängen in Kontakt kommen, auf die sie später in der Schule zurückgreifen können.
In diesem Bericht geht es um eine Untersuchung der Praxis der Sprachförderung in den Kinder- gärten des Bezirks Mitte anhand einer Befragung der Kitas sowie der Ergebnisse der bezirkli- chen Einschulungsuntersuchungen. Neben einer Bestandsaufnahme der Situation in den bezirk- lichen Kitas wird auch versucht, mögliche günstige Einflüsse auf die Sprachfähigkeit der Kin- der bei der Einschulungsuntersuchung zu ermitteln. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wer- den auch als Grundlage für die Arbeit des bezirklichen Sprachförderzentrums bereitgestellt.
1 Kindergarten als Ort der Sprachentwicklung
Die Kindertagesstätte ist eine wichtige Bildungseinrichtung, insbesondere für Kinder aus sozial benachteiligten Familien, die zu Hause oft nicht die erforderliche Unterstützung und Förderung bekommen, die sie für einen erfolgreichen Schulstart benötigen. Der frühe Besuch einer vorschuli- schen Einrichtung vor der Schule bringt eine Reihe von pädagogischen und gesundheitsförderli- chen Vorteilen mit sich (vgl. BA Mitte 2013). Gerade für Kinder aus Elternhäusern, in denen Deutsch nicht die erste Sprache ist, bietet die Kita eine gute Chance für den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse. Durch den Kontakt mit anderen Kindern können Kinder auch soziale Kompe- tenzen entwickeln, die für ihren Schulerfolg maßgeblich sind. In Bezug auf Bewegung und Ernäh- rung können Kinder in der Kindertagesstätte sowohl Spaß an Bewegung als auch ein geregeltes und gesundes Essensangebot erleben.
Neben allen anderen Funktionen, die durch die heutigen Kindergärten übernommen werden, ist die Förderung der Sprach- und Sprechfähigkeit eine der wichtigsten. In der Regel erfolgt die Entwick- lung der sprachlichen Fähigkeiten der Kinder in der Kita auf spielerische Art und Weise durch die Interaktion untereinander. Gezielte Anstrengungen zur Sprachförderung gehören heutzutage je- doch in den meisten Kitas zum Standardprogramm – insbesondere in Kitas mit einem sehr hohen Anteil an Kindern, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, sowie bei Kindern, denen ein diffe- renziertes Sprachmuster fehlt.
1.1 Kitabesuch und Sprachentwicklung
In unserer Auswertung der Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung im Bezirk Mitte für die Jahre 2005 bis 2012 (vgl. BA Mitte 2013) konnte gezeigt werden, dass ein längerer Kitabesuch vor der Schule – neben einer Reihe von weiteren gesundheitsförderlichen Auswirkungen – auch bzw.
insbesondere einen erheblichen Effekt auf die deutschen Sprachkenntnisse der Schulanfänger mit Migrationshintergrund aufwies. Offenbar ist der spielerische Umgang mit anderen Kindern in der Kindertagesstätte sehr förderlich für das Erlernen und die Beherrschung einer neuen Sprache. Ins- besondere für Kinder, die andere Sprachen als Deutsch als Muttersprache haben, bildet der Kon- takt mit deutschsprachigen Kindern in der Kita eine starke Motivation ihre eigenen Sprachkennt- nisse zu verbessern.
Unsere damalige Untersuchung zeigte, dass insbesondere der Anteil der Schulanfänger, der nicht oder kaum Deutsch sprach, deutlich kleiner in direktem Zusammenhang mit der Kitabesuchsdauer wurde. Während noch 37,5% der Kinder nichtdeutscher Herkunft, die keine Einrichtung vor der Einschulungsuntersuchung besucht hat, nicht oder kaum Deutsch sprachen, waren es lediglich 3,8% der Kinder, die 4 Jahre oder mehr die Kita besuchten – d.h. fast 10 mal so viele (ebd. S.
10f.). In der letztjährigen Auswertung standen uns jedoch keine Informationen zur Sprachförde- rungssituation in den besuchten Kitas zur Verfügung. In der vorliegenden Untersuchung wollen wir feststellen, ob es in einigen Kitas günstigen Voraussetzungen gibt, welche u.U. zu besseren Ergebnissen für die untersuchten Kinder bei der Schuleingangsuntersuchung führen können.
1.2 Sprachförderungsaktivitäten in Berliner Kindertagesstätten
Sprachförderung hat einen hohen Stellenwert im „Berliner Bildungsprogramm für die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen“ (BBP). Im BBP wurde 2004 die pädagogische Grundlage für die alltagsintegrierte sprachliche Bildung geschaffen: „Kommunikati- on durchzieht kindliches Handeln überall und jederzeit. Auseinandersetzungen mit Themen und Fragestellungen finden meist im Medium von gesprochener und geschriebener Sprache statt.
Sprachliche Bildungsprozesse herauszufordern, ist daher eine umfassende Aufgabe der pädagogi- schen Arbeit in Kindertageseinrichtungen. Dies zeigt sich in zahlreichen Überschneidungen mit Zielen und Aufgaben, die in anderen Bildungsbereichen beschrieben sind.“ (BBP 2004, S. 61; zi- tiert in: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft 2014, s. 5) Die Aktualisierung des BBP ist 2014 abgeschlossen worden – mit verstärkten Hinweisen zur sprachlichen Bildungsar- beit mit jungen Kindern.
Auch das Sprachlerntagebuch (SLT) ist ein wichtiges Instrument in den Berliner Kitas, um die sprachliche Entwicklung der Kinder zu dokumentieren und Fördermaßnahmen daraus zu entwi- ckeln. Es wird als Instrument zur Beobachtung und Dokumentation der sprachlichen Entwicklung eingesetzt. Das SLT wird seit 2006 in den Kitas und seit 2007 in der Tagespflege eingesetzt und wird laufend weiterentwickelt. Neben Angaben zum Kind und zu dessen Familie, beinhaltet es jeweils den aktuellen Stand zum Spiel- und Sozialverhalten, zur Motorik und Sprachentwicklung.
Zudem sollen in regelmäßigen Abständen verschiedene Fragen u. a. zur Bildung und Beobachtun- gen zur Sprachlernentwicklung festgehalten werden.
Das SLT bildet einen Teil der Bildungsbiografie des Kindes. Durch die Bearbeitung mit Kind und Eltern entsteht ein Bild seiner gesamten Persönlichkeit – mit dem Schwerpunkt auf dem Sprach- erwerbsprozess. Eventueller Förderbedarf wird aus der Auswertung abgeleitet. Im Fall von Sprachstörungen oder Sprachentwicklungsverzögerungen werden Eltern angeregt, Fachärztinnen/
Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin zu konsultieren. So werden Kinder darin unterstützt, zum Zeitpunkt der Einschulung dem Unterricht folgen und sich aktiv in der deutschen Sprache einbringen zu können.
Das Sprachlerntagebuch enthält auch die sogenannte „Lerndokumentation“, die Informationen er- fasst, welche für den Übergang der Kinder in die Grundschule von Bedeutung wären, damit – wenn nötig – eine gezielte Förderung beim Schulstart eingeleitet werden kann. Ab Schuljahr 2014/2015 wird die Lerndokumentation des SLT im Rahmen des Übergangsmanagements von der Kita in die Grundschule des jeweiligen Kindes weitergegeben (Sen BildJugWiss 2014).
Mit der kontinuierlichen Dokumentation im SLT ist allerdings ein erheblicher Mehraufwand für die Erzieherinnen und Erzieher verbunden, der in Anbetracht neuer Ansprüche des Kita-Alltags in Bezug auf Sprachförderung, Bildungsarbeit und Integrationsförderung (Rudow, 2004, Salman, Vock, 2009) berücksichtigt werden muss.
1.3 Maßnahmen und Angebote zur Sprachförderung
Um die sprachlichen Fähigkeiten schon im Kindesalter und in einer Institution wie der Kita zu fördern, werden verschiedenste Mittel angewendet. Am Umfassendsten sind Sprachförderpro- gramme, die als Ziel haben, nicht nur zeitweilige Aktionen anzuregen, sondern eher die gesamten Abläufe in den Kitas so zu verändern, dass die Sprache der Kinder nachhaltig verbessert werden kann. Eine zweite Ebene sind Instrumente zur Sprachförderung, die sowohl im Rahmen eines Pro- gramms als auch ohne ein strukturiertes Programm eingesetzt werden können. Die dritte Ebene ist die der sprachförderlichen Aktivitäten und Spiele, die in der alltäglichen Arbeit in der Kinderta- gesstätte praktiziert werden.
Programme zur Sprachförderung
Es gibt eine ganze Reihe von Sprachförderprogrammen, die für die Arbeit in der Kita entwickelt worden sind. Allen gemeinsam ist das Ziel, den Erwerb der deutschen Sprache sowie die allge- meine Entwicklung und die Sprachkompetenz zu fördern. Hierbei gibt es jedoch sehr große Unter- schiede im Anspruch und in der Schwerpunktsetzung der verschiedenen Programme. Die Band- breite reicht von anspruchsvollen strukturierten Programmen, welche eigene Materialien bereitstel-
len, Fortbildung für die Erzieher/innen vorsehen und oft strukturelle Veränderungen in der Arbeit in der Kita anstreben, bis hin zu Programmen, die den Schwerpunkt eher auf die Bereitstellung von Materialien oder die Fortbildung von Sprachförderkräften legen.
Beispiele von Programmen zur Sprachförderung, die in Kitas im Bezirk Berlin-Mitte durchgeführt werden, sind das Sprachförderungsprogramm Kon-Lab nach dem Schweizer Sprachwissenschaft- ler Zvi Penner (GK Quest Akademie, 2012) oder auch das Würzburger-Trainingsprogramm „Hö- ren-Lauschen-Lernen“. Bei beiden Programmen werden regelmäßig kleine Übungseinheiten von ca. 10 - 30 min durchgeführt, die in ihrer Reihenfolge festgelegt sind und über einen gewissen Zeitraum durchgeführt werden. – jedoch mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten. Wäh- rend das Programm Kon-Lab auf die Förderung des Artikelgebrauchs, der Erwerb des Plurals, der Präpositionen, sowie den Aufbau des Wortschatzes, des Satzbaus und der Grammatik konzentriert, setzt das Würzburger-Trainingsprogramm eher den Schwerpunkt auf die Erfahrung des Klangs von Lauten, Silben und Wörtern (phonologische Bewusstsein).
Die Offensive Frühe Chancen: Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration ist ein Programm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend woran Kitas in Mitte seit 2010 be- teiligt sind. Im Bundesprogramm Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration werden ausgewählten Schwerpunktkitas (39 in Mitte) durch speziell ausgebildete Fachkräfte zur Sprachförderung unter- stützt (eine halbe Personalstelle pro Kita). Aufgabe der Fachkräfte in den Schwerpunkt-Kitas ist es, eine alltagsintegrierte sprachliche Bildung und Begleitung der Kinder insbesondere in den ers- ten drei Lebensjahren in der Konzeption der Einrichtung zu verankern.
http://www.fruehe-chancen.de/
Weitere Programme, woran sich Kitas in Mitte beteiligen, sind u.a. das Rucksack-Projekt und das Jahrescurriculum Sprachförderung. Wie bei den oben vorgestellten Programmen haben diese eben- falls ganz unterschiedliche Strategien und Ansatzpunkte.
Das Rucksack-Projekt bindet die Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund bewusst als Ex- perten in der Erstsprache ein. Diese treffen sich einmal in der Woche für zwei Stunden in der Ein- richtung und erhalten Tipps, Anregungen und Arbeitsmaterialien zu verschiedenen Themen, die sie dann in der ihnen vertrauten Sprache zu Hause mit ihren Kindern spielerisch "bearbeiten".
Gleichzeitig werden in Kita und Schule die von den Eltern verwendeten Themen und Wortfelder in der deutschen Sprache aufgegriffen und in die pädagogische Arbeit mit den Kindern integriert.
Das „Jahrescurriculum Sprachförderung“ dagegen zielt eher auf die zu vermittelnden Inhalte ab.
Es bildet einen Rahmen für altersbezogene thematische Projekte und zielt auf ein Lernen in The- menzusammenhängen, die an der Lebenswelt der Kinder anknüpfen. Hierbei wird der jeweilige
Wortschatz vorgegeben aber die Gestaltung und Umsetzung der Themen liegt in der Hand der Er- zieherin und der Kinder.
Instrumente und Aktivitäten der Sprachförderung
Neben dem Sprachlerntagebuch gibt es weitere Instrumente der Sprachförderung, welche die Kitas im Bezirk Mitte verwenden. Dazu zählen beispielsweise der Ordner „Materialien zum Sprachler- nen“ in Kitas und Grundschulen“ (grüner Ordner), der im Auftrag der Senatsverwaltung für (da- mals) Bildung, Wissenschaft und Forschung im Rahmen des Projekts FörMig Berlin herausgege- ben wurde, der Sprachkoffer (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, 2003) oder die Materialien vom Programm „Das bin ich!“ vom Finkenverlag. Neben den unterschiedlichen In- strumenten gibt es auch das Konzept der alltagsintegrierten Sprachförderung, das u.a. von den
„Frühe Chancen“-Kitas praktiziert wird. Das heißt, dass die pädagogischen Fachkräfte sich in allen Situationen gegenüber allen Kindern sprachfördernd verhalten.
Gebräuchliche Aktivitäten zur Sprachförderung sind insbesondere Geschichten erzählen, Übungen für die Mundmotorik, Sprechübungen bzw. Spiele mit Lauten/Reimen, Singen, Fingerspiele sowie Rollen- oder Theaterspiele. Ein sehr umfangreicher Überblick über eine Vielfalt von Aktivitäten zur Sprachförderung findet sich im Handbuch „Aktivitäten zur Sprachförderung“ (Iven 2009). In der vorliegenden Befragung wurde versucht, die Häufigkeit des Einsatzes verschiedener Aktivitä- ten in den Kitas zu erfassen.
Regionales Sprachberaterteam
Auf der Grundlage des Schulgesetzes §55 und der Rahmenvereinbarungen mit den Vertretern der LIGA der Spitzenverbänden können Kindertagestätten seit dem Jahr 2008 das Beratungs- und Un- terstützungsangebot des „Regionalen Sprachberaterteam für vorschulische Sprachförderung“ in Anspruch nehmen. Hier werden Erzieher und Erzieherinnen konzeptuell in Hinblick auf die Ent- wicklung von Sprachförderkonzepten, bei der Implementierung der alltagsintegrierten Sprachför- derung, bei Stolpersteinen der Sprachentwicklung aber auch bei der Beratung der Eltern von Kin- dern mit sprachlichem Förderbedarf unterstützt.
2 Bestandsaufnahme der Sprachförderung in Kin- dertagesstätten in Berlin-Mitte
Wie eingangs geschildert, ist der Bezirk Mitte durch die Zusammensetzung seiner Bevölkerung im besonderen Maße mit Problemen der Sprachentwicklung im Kitaalter konfrontiert. Da gerade die Kinder mit dem größten Risiko meist in ihrer Familien nicht ausreichende Unterstützung bei der Entwicklung ihrer (deutschen) Sprachkenntnisse bekommen, ist die Kindertagesstätte ein wichti- ges Setting für die Förderung ihrer Sprachfähigkeit – nicht nur durch eventuelle gesonderte Sprachförderungsmaßnahmen, sondern auch durch die Interaktion mit anderen Kindern (vgl. BA Mitte 2013).
2.1 Hintergrund
In der vorliegenden Befragung sollte die sprachliche Situation bzw. die Sprachförderung in den Kitas von Berlin-Mitte insgesamt untersucht werden: Inwieweit werden mangelnde Deutschkennt- nisse bei Kindern als Problem gesehen? Sind logopädische Störungen vorhanden? In welcher Art und Weise wird in den Kitas des Bezirks Berlin-Mitte Sprachförderung durchgeführt? Wie schät- zen die bezirklichen Kitas die Arbeit mit dem Sprachlerntagebuch ein? Welche Instrumente und Programme werden genutzt und welche Hindernisse werden gesehen? Darüber hinaus wurde eine Frage zur Beteiligung an Gesundheitsförderungsprogrammen, die in unser 2010er Kitabefragung nicht eindeutig genug gestellt wurde, präziser formuliert.
Die Beschäftigung mit dem Thema Sprachförderung greift auch ein bezirkliches Gesundheitsziel wieder auf, das die Förderung der Sprachkompetenz der Kinder im Bezirk vorsieht (vgl. BA Mitte 2009). Hierbei geht es darum festzustellen, welche Hindernisse bzw. welche förderlichen Faktoren bei der Durchführung dieser Aufgabe im Setting Kita vorliegen und ggf. darauf basierend, neue Strategien zu entwickeln.
2.2 Planung und Durchführung der Befragung
Die Befragung wurde im Bezirksamt Mitte, Organisationseinheit QPK, konzipiert. Für die Planung Durchführung und Auswertung der Befragung wurde das Bezirksamt durch eine externe Mitarbei- terin (zuerst Carmen Guzman und später Sabine Treichel, MPH) im Rahmen eines Werkvertrages unterstützt. Außerdem beteiligten sich eine Reihe von Kooperationspartnern an der Entwicklung des Fragebogens, u.a. der bezirkliche Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, die Abteilung Jugend, die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, das Berliner Kitainstitut (BeKi) und Erzieherinnen von mehreren außerbezirklichen Kitas.
2.2.1 Stichprobe
Sämtliche Kitas aus dem Bezirk Berlin-Mitte, die im April 2013 bei der Abteilung Jugend im Be- zirksamt angemeldet waren, wurden in der Stichprobenauswahl erfasst. Dabei eingeschlossen wa- ren sowohl Kitas unterschiedlichster Träger (z. B. von Wohlfahrtsverbänden getragene, private Kitas oder Kitas des Eigenbetriebs) als auch solche mit verschiedenen pädagogischen Ansätzen (z.
B. Montessori, Fröbel) und thematischen Schwerpunkten (z. B. Musik und Kunst, Natur, interkul- turelle Arbeit, etc.). An der Befragung nahmen von den angeschriebenen 265 Kitas insgesamt 155 teil; die Rücklaufquote betrug 58%. In den befragten Kitas waren zum Befragungszeitpunkt insge- samt 1593 Erzieherinnen und Erzieher beschäftigt, die 9856 Kinder unterschiedlicher Herkunft betreuten.
2.2.2 Fragebogenentwicklung
Während der Fragebogenentwicklung fanden mehrere Gespräche mit pädagogischen Fachkräften aus verschiedenen Kindertageseinrichtungen statt. Hierbei wurden Einschätzungen von Erfah- rungsexperten eingeholt, um die wichtigsten Fragestellungen im Bereich „Sprachförderung“ zu ermitteln. Der Fragebogen wurde im Bezirksamt Mitte entwickelt und in mehreren Pretests in Kitas außerhalb des Bezirks nach Praxistauglichkeit getestet. Hierbei wurden sukzessive Entwürfe erstellt und von pädagogischen Fachkräften probeweise ausgefüllt bzw. beurteilt. Anhand des Feedbacks der Tester wurde der nächste Prototyp dementsprechend korrigiert.
Insgesamt umfasst der fertige Fragebogen vier Themenkomplexe: zur Struktur der Kindertagesstät- te, zu ihren Inhalten und Schwerpunktthemen, zur sprachlichen Situation in den Kitas sowie zur Sprachförderung. Der erste Themenbereich umfasst Fragen zur Kita-Struktur, d. h. zu den betreu- ten Kindern, deren Alter und sozialem Status sowie verschiedene Angaben zu den Erzieherinnen und Erziehern. Der zweite Fragenkomplex beinhaltet das Kita-Profil; insbesondere wurde hier nach inhaltlichen Schwerpunkten (z. B. pädagogischen Orientierungen) gefragt sowie nach zusätz- lichen Qualifikationen des Fachpersonals hinsichtlich Sprachförderung. Der dritte Fragenkomplex bezog sich auf die aktuelle sprachliche Situation in den Kitas, d. h. die Erstsprachen und Deutsch- kenntnisse der Kinder sowie die Problemwahrnehmung des Fachpersonals hinsichtlich Sprach- aber auch logopädischen Schwierigkeiten standen im Mittelpunkt. Der vierte Fragenkomplex be- inhaltete verschiedene Aspekte zur Sprachförderung: die Beurteilung des Sprachlerntagebuchs als ein Arbeitsmittel und weitere Aktivitäten zur und Methoden der Sprachförderung, Teilnahme an Sprachförderungsprogrammen sowie wahrgenommene Barrieren bei der Sprachförderung.
Die überwiegend geschlossenen Fragen wurden jeweils ergänzt durch offene Fragen, bei denen die Probanden ihre Meinung frei äußern, Kritik üben und Verbesserungsvorschläge machen konnten.
Dadurch war es möglich, zusätzliche und z. T. sehr aufschlussreiche Antworten zu bekommen.
Insgesamt betrug der Umfang des Fragebogens 4 Seiten.
2.2.3 Ablauf der Befragung
Die Erhebung erfolgte in erster Linie per Email. Die Kitas wurden in April 2013 über die Untersu- chung informiert und gebeten, an der Befragung teilzunehmen. Angehängt an die Email erhielten sie den Fragebogen in zwei Fassungen. Die erste war eine MS Word Datei mit Antwortfeldern, die ausgefüllt, gespeichert und per Email zurückgeschickt werden konnte. Die zweite Fassung war eine PDF-Datei, die ausgedruckt, ausgefüllt und per Fax oder Post zurückgeschickt werden konn- te. Die Mehrzahl der teilnehmenden Kitas bevorzugte die eher traditionellen schriftlichen Ant- wortmöglichkeiten.
Die Kitas wurden per E-Mail viermal im Zeitraum von April 2013 bis September 2013 (letzte Er- innerung) um Mitarbeit und Teilnahme an der Befragung gebeten. Außerdem wurden Kitas, die sich bis zur letzten Erinnerung noch gar nicht gemeldet hatten, telefonisch kontaktiert und freund- lich gefragt, ob sie den Fragebogen noch ausfüllen wollten.
2.3 Ergebnisse der Befragung
Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse der Befragung erst einmal deskriptiv ausgewertet.
Im zweiten Teil dieses Berichts werden diese Ergebnisse verwendet, um die Kitas anhand der von ihnen verwendeten Methoden bzw. Arbeitsmittel für Sprachförderung in verschiedene Gruppen einzuteilen. Im nächsten Kapitel wird anhand von Ergebnissen der Schuleingangsuntersuchung der Kinder aus den befragten Kitas versucht, einen Niederschlag der unterschiedlichen Strategien und
Methoden der Sprachförderung in den Kitas bei den Sprachkenntnissen bzw. Sprachproblemen der Schulanfänger festzustellen.
2.3.1 Rahmenbedingungen in den Kitas
Die Kitas, die an unserer Befragung teilgenommen haben, waren in vielfacher Hinsicht sehr hete- rogen. Sowohl in Hinblick auf die Zahl und Zusammensetzung der Kinder als auch in Bezug auf die Charakteristiken der pädagogischen Fachkräfte, die dort arbeiten, gab es eine große Bandbreite unter den beteiligten Kitas.
Schaubild 2.1 zeigt die Kitas, die unseren Fragebogen ausgefüllt haben, nach der Anzahl der be- treuten Kinder. Hiernach betreuen ca. 27% der Kitas (53) weniger als 25 Kinder. Ungefähr 18%
der Kitas (28) wiesen zwischen 25 und 49 Kindern auf. Jeweils ca. 13% der Kitas (20) betreuten 50 - 79 sowie 80 - 119 Kinder. In 17,4% der Kitas (27) sind es 120 Kinder oder mehr. 7 Kitas machten keine Angabe zur Zahl der betreuten Kinder.
0 10 20 30 40 50 60
k.A.
< 25 25 - 49 50 - 79 80 - 119 120+
7
53 28
20 20
27
Quelle: Kitabefragung Mitte 2013
Schaubild 2.1: Kitas nach der Anzahl der Kinder (N = 155)
Anteil der Kinder aus sozial benachteiligten Familien
Da die soziale Situation in der Kindertagesstätte eine erhebliche Rolle in Hinblick auf die Arbeits- bedingungen der dort tätigen pädagogischen Fachkräfte spielt, wurde bei der Befragung nach einer Einschätzung des Anteils der Kinder aus sozial benachteiligten Familien seitens der Kitaleitung gefragt. Als mögliches Kriterium für eine schwierige soziale Lage wurde der so genannte „berlin- pass“ 1 vorgeschlagen.
Der überwiegende Teil der befragten Kindertagesstätten (76%) betreut nach eigenen Angaben eher wenige Kinder, die aus sozial benachteiligten Familien kommen. Gerade 24% von ihnen kann ei- nen Anteil von über 40% ausmachen (Schaubild 2.2). Angesichts der Tatsache, dass über 50% der Kinder im Bezirk in Familien leben, die auf SGB II für ihren Lebensunterhalt angewiesen sind, ist Skepsis bei der Beurteilung dieser Angaben angebracht. Möglich wäre jedoch, dass sozial benach- teiligte Kinder in den untersuchten Kitas unterrepräsentiert sind.2 Aus der Schuleingangsuntersu- chung (ESU) ist bekannt, dass zwar lediglich 6% der Schulanfänger aus der unteren sozialen
1 Den „berlinpass“, der einen ermäßigten bzw. kostenlosen Zugang zu zahlreichen öffentlichen sowie privaten Veranstaltungen oder Einrichtungen öffnet, erhalten seit 2009 die Menschen, die Hartz IV, Sozialhilfe, eine Grundsicherung oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen.
2 Aus Fachkreisen ist bekannt, dass viele leistungsberechtigte Familien den berlinpass gar nicht beantragen.
Schicht gar nicht vor der ESU in der Kita waren, aber in der Regel besuchen sie die Kita nicht so lang wie die besser gestellten Kinder (vgl. BA Mitte 2013).
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
0 - 20%
20 - 40%
40 - 80%
80 - 100%
61%
15%
18%
6%
Quelle: Kitabefragung Berlin-Mitte 2013
Schaubild 2.2: Anteil der Kinder aus sozial benachteiligten Familien
Anteil der Kinder aus Familien, wo nicht überwiegend Deutsch gesprochen wird
Schaubild 2.3 befasst sich mit der Sprachensituation in den Familien der betreuten Kinder. In ca.
20% der befragten Kindertagesstätten liegt der Anteil der Kinder, wo nicht überwiegend Deutsch gesprochen wird, bei über 80%. In immerhin 41% der Kitas liegt dieser Anteil bei 40 - 80%, in 15% der Kitas liegt der Anteil zwischen 20 und 40% und in etwas weniger als einem Viertel der befragten Kindertagesstätten leben weniger als 20% der Kinder in Familien, in denen nicht über- wiegend Deutsch gesprochen wird.
0% 10% 20% 30% 40% 50%
0 - 20%
20 - 40%
40 - 80%
80 - 100%
23%
15%
41%
20%
Quelle: Kitabefragung Berlin-Mitte 2013
Anteil der Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch ist
Schaubild 2.3: Anteil der Kitas in denen ... % ihrer Kinder aus Familien kommen, wo nicht überwiegend Deutsch gesprochen wird (N = 150)
Überwiegende Erstsprachen der Kinder
In den befragten Kindertageseinrichtungen werden sehr viele und vor allem Sprachen unterschied- licher Sprachfamilien gesprochen. Mitunter werden von den Befragten recht seltene – zumindest in Deutschland – Sprachen angeführt, wie Aramäisch oder Tamil.
Schaubild 2.4 zeigt die Nennungen der Kindertagesstätten zu den Erstsprachen der Kinder. Neben dem Deutschen wurden vor allem die türkische (68% der Kitas), arabische (52% der Kitas) und polnische (32% der Kitas) Sprache als Muttersprachen der Kinder angegeben. Aber auch das Rus- sische, Englische, Französische und Spanische bringen die Kinder aus ihren Familien mit.
0 20 40 60 80 100 türkisch
arabisch polnisch russisch englisch französisch spanisch serbokroatisch
106 81
49 42 37 32 29 28
Quelle: Kitabefragung Berlin-Mitte 2013
Schaubild 2.4: Überwiegende Erstsprachen der Kinder in der untersuchten Kitas (n = 155)
2.3.2 Angaben zu den pädagogischen Fachkräften
Es arbeiteten 1593 Erzieherinnen und Erzieher in den befragten Kita-Einrichtungen. Insgesamt werden dort ca. 9850 Kinder zwischen 1 und 6 Jahre betreut, d.h. fast 6 Kinder je Erzieher/in. Ent- sprechend der Unterschiede in der Zahl der betreuten Kinder, gab es auch erhebliche Unterschiede in der Anzahl der Erzieher/innen in den untersuchten Einrichtungen. Ein Großteil der Kindertages- stätten beschäftigt zwischen 1 bis 5 Erzieherinnen (37%). In 24% von ihnen arbeiten 5 bis 10 und bei 16% 11 bis 15 pädagogische Fachkräfte.
Pädagogische Fachkräfte mit zusätzlichen Qualifikationen in der Sprachförderung
Angesichts der Intention unserer Befragung wurde ausdrücklich nach der Qualifikation der Erzie- her/innen im Bereich der Sprachförderung gefragt. Insgesamt gab es mindestens eine pädagogische Fachkraft mit einer zusätzlichen Qualifikationen in der Sprachförderung in 79 der befragten 155 Kindertagesstätten (51%). Je nach Größe der befragten Kitas gab es bis zu 15 Erzieher/innen je Kita, die solche Qualifikationen besaßen.
Die meisten Einrichtungen, die qualifiziertes Fachpersonal für die Sprachförderung haben, be- schäftigen eine oder zwei Fachkräfte, die hinsichtlich der Sprachförderung besonders geschult sind. Diese rangierten von formellen Ausbildungsgängen wie Sprachheilpädagogik und Spracher- ziehung hin zu Weiterbildungen im Rahmen von sprachförderlichen Projekten.
Migrationshintergrund der pädagogischen Fachkräfte
Neben den zusätzlichen Qualifikationen in Sprachförderung beschäftigt eine Reihe von Kinderta- gesstätten im Bezirk pädagogische Fachkräfte, die einen eigenen Migrationshintergrund besitzen, zu helfen. Schaubild 2.5 zeigt, welcher Migrationshintergrund in wie vielen der befragten Kitas bei den pädagogischen Fachkräften vorhanden ist. In 55% der Kitas gibt es Erzieherinnen und Erzie- her mit Migrationshintergrund. Den größten Anteil machen hier die Fachkräfte aus, die einen tür- kischen Migrationshintergrund haben: In 29% der befragten Kitas arbeiten Erzieher/innen mit tür- kischem MH.
0% 10% 20% 30% 40% 50%
türkisch englisch polnisch russisch arabisch serbokroatisch spanisch französisch keine
29,0%
16,1%
12,9%
6,5%
5,8%
4,5%
5,2%
3,9%
45,2%
Quelle: Kitabefragung Berlin-Mitte 2013
Schaubild 2.5: Anteil der Kitas, die ErzieherInnen mit Migrationshintergrund beschäftigen (n = 155)
Männeranteil unter den pädagogischen Fachkräften
Dass in der frühkindlichen Erziehung Frauen und Männer zusammen arbeiten, wird zunehmend als wichtig und als Bereicherung für die pädagogische Arbeit wahrgenommen. Trotzdem sind mo- derne männliche Rollenvorbilder und Bezugspersonen für Mädchen und Jungen in Kindertages- stätten noch eher selten. Nach Angaben des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg (AfS) lag der Anteil männlicher Mitarbeiter im Jahr 2012 im pädagogischen Bereich der Kindertagesstätten bei ca. 7,5% (AfS 2013). In dieser Hinsicht liegen die befragten Kitas in Mitte mit einem Durschnitt von 9,2% um einiges höher als in Berlin. Bei fast der Hälfte der befragten Kitas, also bei 48%, sind jedoch keine männlichen pädagogischen Fachkräfte tätig (Schaubild 2.6). In den Kitas, die Männer beschäftigten, reichte der Anteil von 4,3 bis 50%.
0% 10% 20% 30% 40% 50%
keine 4,3 bis 8%
8 bis 12%
12 bis 20%
mehr als 20%
insgesamt
48,1%
12,3%
6,5%
15,6%
17,5%
9,2%
Quelle: Kitabefragung Berlin-Mitte 2013
Schaubild 2.6: Anteil der Kitas mit männlichem Fachpersonal (n = 154)
2.3.3 Profile der Kitas
Im Fragebogen hatten die Kitas die Möglichkeit einen oder mehrere thematische Schwerpunkte ihrer Arbeit anzugeben. Schaubild 2.7 stellt die von den Kitas genannten Profile da. Thematische
Schwerpunkte der befragten Kindertagesstätten sind insbesondere Körper und Bewegung (mit über 70%), Sprachförderung mit 55% sowie Musik und Kunst (über 50%). Weitere Themenbereiche sind Gesundheit (20%) und interkulturelle Pädagogik. Der bilinguale Spracherwerb wurde ledig- lich von 20% der befragten Kitas als Schwerpunktthema bezeichnet. Neben der Vorgabeliste wur- den weitere Themenbereiche frei geäußert, allen voran Integration, Natur und Umwelt sowie Mon- tessori-Pädagogik und Inklusion.
0% 20% 40% 60% 80%
Körper und Bewegung Sprachförderung Musik und Kunst Gesundheit Interkulturelle Pädagogik Bilungualer Spracherwerb Theaterpädagogik
72,9%
55,5%
51,0%
47,7%
34,8%
20,0%
10,3%
Quelle: Kitabefragung Berlin-Mitte 2013
Schaubild 2.7: Inhaltliche Schwerpunkte der befragten Kitas (Mehrfachantworten möglich) (n = 155)
2.3.4 Problemwahrnehmung im Bereich der Sprache
Mangelnde Deutschkenntnisse als wahrgenommenes Problem
Vor dem Hintergrund, dass ein großer Anteil der Kitas von Kindern aus Familien besucht werden, wo Deutsch nicht die Erstsprache ist, wurde in der Untersuchung gefragt, ob mangelnde Deutsch- kenntnisse als ein Problem in der Kita wahrgenommen wird oder nicht. Die Antworten zeigen hierbei tendenziell ein überraschendes Bild: Über 60% der befragten Kitas sehen die Deutsch- kenntnisse der betreuten Kinder kaum (34%) bzw. gar nicht (28%) als ein Problem an; demgegen- über stehen 38% der Kitas, die eher bzw. ein großes Problem darin sehen (vgl. Schaubild 2.8).
0% 10% 20% 30% 40%
kein Problem eher kein Problem eher ein Problem ein großes Problem
27,9%
33,8%
26,0%
12,3%
Quelle: Kitabefragung Berlin-Mitte 2013
Schaubild 2.8: Mangelnde Deutschkenntnisse sind… (n = 154)
Wenn man dieses Ergebnis differenziert nach dem Anteil der Kinder aus Familien, wo nicht über- wiegend Deutsch gesprochen wird, betrachtet, wird schon ein Zusammenhang erkennbar: Knapp über 60% der Kitas, wo mehr als 40% der Kinder aus solchen Familien kommen, sehen mangelnde Deutschkenntnisse als Problem an.
2.3.5 Sprachförderung in den Kitas
In diesem Abschnitt werden die Angaben zu den Materialien bzw. Methoden der Sprachförderung, die in den befragten Kitas verwendet werden, erst einmal deskriptiv dargestellt. Hiermit kann sich der Leser ein Bild von der Situation in Hinblick auf Sprachförderung in den bezirklichen Kitas machen. Im dritten Teil dieses Berichts werden diese Angaben zusammen mit den Ergebnissen der Schuleingangsuntersuchung bezüglich der Sprache verwendet, um gegebenenfalls die Wirksamkeit bestimmter Strategien bzw. Konstellationen in den Kitas zu beurteilen.
Das Sprachlerntagebuch als Instrument der Sprachförderung
Eines der wichtigsten Instrumente, die in Berliner Kindertagesstätten zur Sprachförderung ver- wendet werden, ist das Sprachlerntagebuch (vgl. 1.2.). Schaubild 2.9 stellt die Einschätzungen der befragten Kitas zum Sprachlerntagebuch grafisch dar. Dass das Sprachlerntagebuch nur wichtig sei, um den Bedarf bei sprachlichen Auffälligkeiten zu ermitteln, stimmten 60% der Befragten e- her nicht und 25% gar nicht zu. Das heißt, dass die überwiegende Mehrheit der befragten Kitas eher ein breiteres Nutzungsspektrum für das Sprachlerntagebuch sieht. Nur insgesamt 15% der Kitas stimmten dieser Aussage eher bzw. völlig zu. Über die Hälfte der Kitas finden, dass das In- strument Sprachlerntagebuch (eher) unkompliziert in der Durchführung ist; allerdings sind 44%
der Einrichtungen auch (eher) nicht von der Einfachheit des Instruments überzeugt. Darüber hin- aus zeigen die Ergebnisse, dass der überwiegende Teil der befragten Einrichtungen (59,1%) zu- mindest eher zustimmt, dass dies ein gutes Instrument sei, um die sprachliche Entwicklung des Kindes festzustellen. Aber über 40% der befragten Kitas standen dem Nutzen des Sprachlerntage- buchs als Instrument zur Feststellung der sprachlichen Entwicklung eher skeptisch gegenüber.
0% 20% 40% 60% 80% 100%
…für die Eltern zum Nachschlagen verfügbar
…nicht ausreichend, um die Entwicklung festzustellen
… ein gutes Instrument, um die sprachliche Entwicklung festzustellen
…unkomliziert in der Durchführung
…nur wichtig, um den Bedarf bei Auffälligkeiten festzustellen
76,0%
24,3%
21,5%
16,9%
2,7%
14,0%
37,8%
37,6%
39,2%
12,2%
8,7%
33,8%
32,2%
35,8%
60,1%
1,3%
4,1%
8,7%
8,1%
25,0%
Quelle: Kitabefragung Berlin-Mitte 2013
Schaubild 2.9: Das Sprachlerntagebuch ist...
stimmt stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht
Der Aussage, dass das Sprachlerntagebuch unzureichend sei, die Sprachentwicklung und das Kommunikationsverhalten der Kinder zu bewerten, stimmt die Mehrheit, nämlich 62% der Kitas, (eher) zu. 37% der Befragten stimmten dem, mindestens eher nicht zu. Das heißt dennoch, dass weitere bzw. alternative Instrumente gefunden und verfügbar sein müssen, um den Spracherwerb und die Sprachentwicklung besser unterstützen zu können. 90% der befragten Kindertagesstätten sagen aus, dass das Lerntagebuch offen und für die Eltern (völlig) zugänglich ist; gerade einmal 10% verneinen dies.
Die frei geäußerten Bemerkungen beinhalten meist Kritik aber auch Vorschläge, welche weiteren Mittel für die Dokumentation sprachlicher Entwicklung nützlich sind. Hierbei werden beispiels- weise die einfacher zu handhabenden Portfolios oder die effektiveren Entwicklungsbögen erwähnt.
Sprachförderprogramme und -instrumente
Aus Schaubild 2.10 ist ersichtlich, dass die befragten Kitas Erfahrungen mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Sprachförderprogrammen und -instrumenten gemacht haben. Zu den am meisten von den befragten Einrichtungen (früher und/oder aktuell) genutzten Sprachförderungsprogram- men und -instrumenten gehören der „Sprachkoffer“ (61 Kitas) sowie das so genannte Würzburger Trainingsprogramm (43 Kitas).
0 10 20 30 40 50 60 70
andere Instrumente/ Programme
"Sprachkoffer"
"Würzburger Trainings- programm"
ConLab (ZviPenner)
"Das bin ich" (Finkenverlag)
„grüne Ordner von SenBWF“
Jahrescurriculum Sprachförderung Rucksack-Projekt Alltagsgegenstände
54
61 43
9 7 5 5 3 3
Quelle: Kitabefragung Berlin-Mitte 2013
Schaubild 2.10: Kitas, die Programme / Instrumente zur Sprachförderung einsetzen (Mehrfachantworten), n = 155
9 Kitas gaben an, am Programm ConLab von Zvi Penner teilzunehmen. 7 Kitas gaben an, die Ma- terialien von „Das bin ich“ (Finkenverlag) zu benutzen. Weitere Nennungen sind der „grüne Ord- ner der Senatsverwaltung“ (5 Kitas), das Jahrescurriculum Sprachförderung (5 Kitas), das Ruck- sackprojekt sowie Sprachförderung mithilfe von Alltagsgegenständen (3 Kitas). Darüber hinaus werden sehr vielfältige weitere Programmen und Materialien zur Sprachförderung genutzt: z.B.
Bilderkarten, Bücher, Sprachförderpakete sowie Materialien unterschiedlicher Verlage (Klett- Verlag, Carlsen-Verlag u. a.).
Neben den oben aufgeführten Programmen und Instrumenten wurde auch die Teilnahme an der
„Offensive Frühe Chancen“ im Rahmen des Bundesprogramms „Schwerpunkt-Kitas Sprache &
Integration“ sehr häufig genannt (31 Kitas). Diese bietet zwar kein geschlossenes Programm oder Curriculum an, unterstützt die Kitas aber finanziell durch eine zusätzliche halbe Sprachförde- rungskraft.
Aktivitäten zur Sprachförderung
Bei der Frage nach der Häufigkeit verschiedener Aktivitäten zur Sprachförderung stellten sich ins- besondere „Singen“, „Geschichten erzählen bzw. vorlesen“ und „Kinder selbst zum Erzählen brin- gen“ als die weitaus häufigsten Aktivitäten heraus (vgl. Schaubild 2.11). Diese wurden nach An- gaben der Befragten jeweils in der Mehrheit der befragten Kitas „immer“ durchgeführt – Singen sogar in fast dreiviertel der Kitas. Etwas weniger häufig wurden Aktivitäten wie frühmusikalische Erziehung und „Fingerspiele“ genannt.
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Singen Geschichten Kinder erzählen frühmusikal. Erziehung
Fingerspiele Sprechübungen Rollenspiel/Theater Mundmotorik
71%
65%
60%
41%
40%
27%
10%
8%
23,0%
31,0%
33,0%
34,0%
39,0%
54,0%
40,0%
49,0%
4,0%
2,0%
6,0%
21,0%
17,0%
15,0%
33,0%
34,0%
1,0%
1,0%
0,0%
3,0%
3,0%
2,0%
14,0%
5,0%
Quelle: Kitabefragung Berlin-Mitte 2013
Schaubild 2.11: Häufigkeit von Aktivitäten der Sprachförderung
immer häufig immer wieder selten
Sprechübungen, Rollenspiel/Theater und Mundmotorik gehörten zu den Aktivitäten, die nicht ganz so häufig, aber in vielen Kitas „immer wieder“ in den Alltag eingebaut werden. Zu den häu- figsten frei geäußerten Antworten der Kitas zählen vor allem die Ausflüge ins Theater, in Büche- reien oder auch in Museen sowie Tischgespräche und Diskussionen. Und immer wieder wird auf Bewegung und Mehrsprachigkeit bzw. Bilingualität hingewiesen, die zur Sprachförderung beitra- gen.
Methoden bei besonderem Sprachförderungsbedarf
Schaubild 2.13 stellt die in den Kitas verwendeten Methoden beim Sprachförderbedarf grafisch dar. Wenn ein Sprachförderungsbedarf vorhanden ist, setzen die jeweiligen Einrichtungen vor al- lem auf die Förderung innerhalb der Gruppe (90% der Kitas) und auf den Einbezug der Eltern (63% der Kitas). Mit 54% stellt die Sprachförderung in kleinen Gruppen ebenfalls eine wichtige Methode in den Kitas dar.
0% 20% 40% 60% 80% 100%
in der Gruppe selbst Einbezug der Eltern Sprachförderungskurse in kleinen
Gruppen
Sprachförderkraft
90%
63%
54%
34%
Quelle: Kitabefragung Berlin-Mitte 2013
Schaubild 2.12: Förderungsmethoden bei Sprachförderungsbedarf (Mehrfachantworten) (n = 155)
Hindernisse bei der Sprachförderung
Vor allem der Zeit- (68%) und Personalmangel (67%) werden von sehr vielen Erzieherinnen und Erziehern als Hindernisse bei der Sprachförderung in ihrer Kita genannt (vgl. Schaubild 2.13).
Auch die Kitas, die durch die „Offensive Frühe Chancen“ eine befristete personelle Unterstützung erfahren haben, gaben sehr häufig Zeit- und Personalmangel als Hindernisse zur angemessenen Sprachförderung an.
Mangelnde Bereitschaft der Eltern sowie ein Finanzierungsmangel werden eher nachrangig wahr- genommen. Qualifikationsmangel und nicht bedarfsgerechte Angebote wurden noch seltener bei den befragten Kitas als Hinderungsgründe für Sprachförderung wahrgenommen.
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Angebote entsprechen nicht dem Bedarf (N = 93)
Qualifikationsmangel (N = 101) mangelnde Elternbereitschaft (N = 104) Finanzierungsprobleme (N = 103) Personalmangel (N = 105) Zeitmangel (N = 106)
4,2%
4,9%
10,5%
11,5%
26,7%
29,0%
12,6%
18,4%
28,6%
26,9%
40,0%
39,3%
48,4%
51,5%
42,9%
42,3%
22,9%
23,4%
34,7%
25,2%
18,1%
19,2%
10,5%
8,4%
Quelle: Kitabefragung Berlin-Mitte 2013
Schaubild 2.13: Wahrgenommene Hindernisse bei der Sprachförderung
sehr etwas eher nicht gar nicht
2.4 Zusammenfassung
In der vorliegenden Befragung zur Sprachförderung in den Kitas von Berlin-Mitte wurde ein be- zirkliches Gesundheitsziel aufgegriffen, das die Förderung der Sprachkompetenz der Kinder im Bezirk vorsieht. Da die Kindertagesstätte ein wichtiges Setting für diese Förderung ist (vgl. u.a.
BA Mitte 2013), galt sie unserer besonderen Aufmerksamkeit. In der Untersuchung ging es darum festzustellen, welche Hindernisse bzw. welche förderlichen Faktoren bei der Durchführung dieser Aufgabe im Setting Kita vorliegen und darauf basierend ggf. neue Strategien zu entwickeln.
In der Befragung wurden sämtliche Kitas aus dem Bezirk Berlin-Mitte mit einem 4-seitigen Fra- gebogen angeschrieben, der neben Fragen zur Praxis der Sprachförderung, zum Umgang mit dem Sprachlerntagebuch, zur Problemwahrnehmung sowie zu den verwendeten Programmen, Instru- menten und Aktivitäten auch Fragen zu den Rahmenbedingungen der Sprachförderung in den Kitas enthielt. Aus den insgesamt 265 angeschriebenen Kindertagesstätten nahmen 155 teil – d.h., dass die Rücklaufquote 58% beträgt. Die Erhebung erfolgte in erster Linie per Email im Zeitraum von April bis September 2013.
Angaben zu den betreuten Kindern
Ein wichtiges Ergebnis in Bezug auf die Rahmenbedingungen betraf die Sprachensituation in den Familien der betreuten Kinder: In ca. 20% der befragten Kindertagesstätten lag der Anteil der Kin- der, die aus Familien mit fehlenden bzw. sehr wenigen Deutschkenntnissen kommen, bei über 80%. Darüber hinaus lag der Anteil in 41% der Kitas bei 40 - 80%. Nur in etwas weniger als ei- nem Viertel der befragten Kindertagesstätten leben weniger als 20% der Kinder in Familien, in denen nicht überwiegend Deutsch gesprochen wird. Nach Angaben der Kitas sind die überwiegen- den Erstsprachen der Kinder Türkisch (68% der Kitas), Arabisch (52%) und Polnisch (32%).
Angaben zu den pädagogischen Fachkräften /Kitaprofile
Erfreulich in Hinblick auf die Stoßrichtung unserer Befragung war die Tatsache, dass es mindes- tens eine pädagogische Fachkraft mit einer zusätzlichen Qualifikationen in der Sprachförderung in 51% der befragten Kindertagesstätten gab. Diese rangierten von formellen Ausbildungsgängen wie Sprachheilpädagogik und Spracherziehung hin zu Weiterbildungen. Darüber hinaus gab es in 12 Kindertagesstätten Erzieher/innen mit der zusätzlichen Qualifikation „Integrationserziehung“. Es gab auch in einer Reihe von Kindertagesstätten pädagogische Fach-kräfte, die einen eigenen Mig- rationshintergrund besaßen. Den größten Anteil machen hier die Fachkräfte aus, die einen türki- schen Migrationshintergrund haben (29% der befragten Kitas).
Thematische Schwerpunkte der befragten Kindertagesstätten sind insbesondere Körper und Bewe- gung (mit über 70%), Sprachförderung mit 55%, sowie Musik und Kunst (über 50%). Weitere Themenbereiche sind Gesundheit (20%) und interkulturelle Pädagogik. Der bilinguale Spracher- werb wurde lediglich von 20% der befragten Kitas als Schwerpunktthema bezeichnet.
Problemwahrnehmung im Bereich Sprache
Auf die Frage hin, ob mangelnde Deutschkenntnisse als ein Problem wahrgenommen wird, sehen über 60% der befragten Kitas die Deutschkenntnisse der betreuten Kinder kaum (34%) bzw. gar nicht (28%) als ein Problem an. Als Problem dagegen wird es von 38% der Kitas betrachtet.
Das Sprachlerntagebuch als Instrument der Sprachförderung
Eines der wichtigsten Instrumente, die in Berliner Kindertagesstätten zur Sprachförderung ver- wendet werden, ist das Sprachlerntagebuch. Insgesamt stimmten 59,1% der befragten Einrichtun- gen zumindest eher zu, dass das Sprachlerntagebuch ein gutes Instrument sei, um die sprachliche Entwicklung des Kindes festzustellen. Dass das Sprachlerntagebuch nur wichtig ist, um den Be-
darf bei sprachlichen Auffälligkeiten zu ermitteln, stimmten 60% der Befragten eher nicht und 25% gar nicht zu. Das heißt, dass die überwiegende Mehrheit der befragten Kitas eher ein breiteres Nutzungsspektrum für das Sprachlerntagebuch sieht.
Über die Hälfte der Kitas finden, dass das Instrument Sprachlerntagebuch (eher) unkompliziert in der Durchführung ist; allerdings sind 44% der Einrichtungen auch (eher) nicht von der Einfachheit des Instruments überzeugt. Der Aussage, dass das Sprachlerntagebuch unzureichend sei, die Spra- chentwicklung und das Kommunikationsverhalten der Kinder zu bewerten, stimmte die Mehrheit, nämlich 62% der Kitas, (eher) zu. Das heißt, dass weitere bzw. alternative Instrumente gefunden und verfügbar sein müssen, um den Spracherwerb und die Sprachentwicklung besser unterstützen und bewerten zu können.
Programme, Instrumente und Aktivitäten der Sprachförderung
Programme und Instrumente der Sprachförderung werden von einer Reihe von Kitas verwendet.
Zu den am meisten von den befragten Einrichtungen genutzten Sprachförderungsprogramme und - instrumenten gehören der „Sprachkoffer“ (61 Kitas) und das so genannte Würzburger Trainings- programm (43 Kitas). Ferner nehmen 9 am Programm ConLab von Zvi Penner teil. Darüber hin- aus werden sehr vielfältige weitere Programme und Materialien zur Sprachförderung genutzt: z.B.
Bilderkarten, Bücher, Sprachförderpakete sowie verschiedene Materialien unterschiedlicher Ver- lage. Neben ihren Erfahrungen mit den oben genannten Programmen und -instrumenten der Sprachförderung nahmen auch 31 der befragten Kitas an der Offensive Frühe Chancen teil.
Die Aktivitäten zur Sprachförderung, die kontinuierlich in den befragten Kitas stattfinden, sind Singen, Geschichten erzählen bzw. vorlesen und Kinder selbst zum Erzählen bringen. Zu den häu- figen sprachförderliche Aktivitäten zählen auch Sprechübungen und Mundmotorik. Neben der Mundmotorik gehören ferner Rollenspiele und Theater zu den Aktionen, die in den Kita-Alltag eingebaut werden. Zu den häufigsten frei geäußerten Antworten der Kitas zählen vor allem die unternommenen Ausflüge ins Theater, in Büchereien oder auch in Museen sowie Tischgespräche und Konferenzen. Und immer wieder wird auf Bewegung und Mehrsprachigkeit bzw. Bilingualität hingewiesen, die ebenfalls zur Sprachförderung beitragen.
Methoden bei besonderem Sprachförderungsbedarf
Wenn in den befragten Kitas ein besonderer Bedarf hinsichtlich Sprachförderung vorhanden ist, setzen die Einrichtungen vor allem auf die Förderung innerhalb der Gruppe (90% der Kitas) und auf den Einbezug der Eltern (63% der Kitas). Mit 54% stellt die Sprachförderung in kleinen Grup- pen ebenfalls eine wichtige Methode in den Kitas dar.
Hindernisse bei der Sprachförderung
Vor allem der Zeit- (68%) und Personalmangel (67%) werden von vielen Erzieherinnen und Er- ziehern als Hindernisse bei der Sprachförderung genannt. Mangelnde Bereitschaft der Eltern sowie ein Finanzierungsmangel werden aber nicht so stark als Problem wahrgenommen.
3 Sprachförderung in den Kitas im Lichte der Schuleingangsuntersuchung (ESU)
Angesichts der Tatsache, dass die Schuleingangsuntersuchung (ESU) im Bezirk Mitte einen Groß- teil der Kinder jedes Jahrgangs in Hinblick auf eine Reihe von präventionsrelevanten Sachverhal- ten untersucht, liegt es nah, diese Gelegenheit für mehr als die gesetzlich vorgesehene individuelle Prüfung der Schulreife zu verwenden (vgl. BA Mitte 2001). Da die Sprachentwicklung auch eine wichtige Rolle bei der ESU spielt, ergeben sich im Zusammenhang mit der im zweiten Kapitel vorgestellten Kitabefragung zur Sprachförderung einige interessante Fragestellungen.
Der Anlass der nachfolgenden Untersuchung war es festzustellen, ob eine Verbindung zwischen den durchgeführten Maßnahmen und Aktivitäten der Sprachförderung in der Kita und den entspre- chenden ESU-Ergebnissen der Kinder festgestellt werden konnte. Hierbei geht es besonders da- rum, günstige Voraussetzungen bzw. Konstellationen zu finden, welche im Sinne von „Models of Good Practice“ nachgeahmt oder repliziert werden können.3
3.1 Methodische Vorgehensweise
Eine wichtige Voraussetzung für das Vorhaben war die Erfassung des Namens der besuchten Kita bei der Schuleingangsuntersuchung im Bezirk Mitte. Diese Angaben wurden seit längerer Zeit im Elternfragebogen nachgefragt, sie wurden aber nicht in das Eingabeprogramm eingetragen. Hierbei gab es datenschutzrechtliche Bedenken gegen eine generelle Erhebung solcher Informationen bei der ESU. Insbesondere in kleineren Kitas gab es die theoretische Möglichkeit, Individuen anhand der sonstigen ESU-Angaben zu identifizieren.
In Absprache mit dem Berliner Datenschutz wurde für jedes untersuchte Kind der Name der zu- letzt besuchten Kita über eine Kodierungsliste festgehalten. Kitas mit weniger als 20 Kindern er- hielten eine Sammelnummer, um den Datenschutz zu bewahren. Für die Kitakodierung wurde in den letzten 3 Jahren das bezirklich definierte Erhebungsfeld im Eingabeprogramm verwendet.
Hierdurch entstand die Möglichkeit, die bei der ESU untersuchten Kinder mit den in der Kitabe- fragung erfassten Kitas zu verbinden.
Durch die Kitakodierung konnten die Kinder im ESU-Datensatz gefunden werden, welche zum Zeitpunkt der Einschulungsuntersuchung eine der befragten Kindertagesstätten besucht haben. Die ESU-Daten wurden mit den relevanten Informationen aus den Ergebnissen der Befragung zur Sprachförderung für die von den Kindern zuletzt besuchte Kindertagesstätte ergänzt, sodass sie dementsprechend ausgewertet werden konnten. In den ESU-Ergebnissen wurde nur die zuletzt besuchte Kita festgehalten. Für diese Auswertung gehen wir davon aus, dass die Kinder ihre Kita in den letzten Jahren vor der Einschulung nicht gewechselt haben.
Da es in der vorliegenden Auswertung darum geht, eventuelle Auswirkungen von Sprachförde- rungsaktivitäten bei Kindern aus den befragten Kitas festzustellen, werden nur Aktivitäten berück- sichtigt, die in der Zeit vor der jeweiligen Schuleingangsuntersuchung der Kinder stattfanden. Um sicher zu gehen, dass eine ausreichende Exposition zur Intervention vorlag, wurden nur Kinder in die Auswertung einbezogen, die mindestens zwei Jahre die Kita besuchten. Kinder, die Kitas be-
3 Ursprünglich wurde beabsichtigt, diese Untersuchung anhand der Datenbasis der Kitabefragung 2010 durchzuführen, da diese ebenfalls das Thema Sprachförderung behandelt hat (vgl. BA Mitte 2013, S. 25 ff.). Bei der Sichtung der Ergebnisse dieser Befragung wurde es bald klar, dass die diesbezüglichen Fragen nicht differenziert genug waren, um dies zu realisieren. Daher war es nötig, eine neue Erhebung (Nacherhebung Sprachförderung) durchzuführen.
sucht haben, über die keine Informationen vorlagen sowie Kinder, für die kein Kitaname bei der ESU erhoben wurde, werden in der engeren Auswertung außer Acht gelassen.
Die Untersuchung wird, je nach Fragestellung, unterschiedliche Zielvariablen aus der Einschu- lungsuntersuchung benutzen.
In Hinblick auf die Effektivität von Sprachförderung bei Kindern mit Migrationshintergrund werden die Deutschkenntnisse solcher Kinder verwendet, die aus Familien der unteren sozia- len Schicht kommen.
Um die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Sprachförderung in Hinblick auf Spracharmut bei Kindern ohne Migrationshintergrund zu überprüfen, werden die Ergebnisse des S-ENS Di- agnostiktests „Sätze nachsprechen“ verwendet.
Die soziale Schicht und der Migrationshintergrund der jeweiligen Familie werden in der Untersu- chung als intervenierende Variable betrachtet, da die familiären Förderungsmöglichkeiten unab- hängig von der Kita jeweils sehr unterschiedlich sind. Aus diesem Grund wird in den nachfolgen- den Auswertungen insbesondere das Augenmerk auf die Kinder aus sozial schwächeren Familien gelegt.
In unserer Untersuchung werden Sprachprobleme (Sprachstörungen), die eher auf logopädische Ursachen zurückzuführen sind, außer Acht gelassen, da diesen ohnehin nicht durch Sprachförde- rung in der Kindertagesstätte begegnet werden kann.
3.2 Auswertung der Schuleingangsuntersuchung im Bezirk Mitte
Wie eingangs erwähnt ist die ursprüngliche Bestimmung der Schuleingangsuntersuchung (ESU) gemäß dem Berliner Schulgesetz (§55, 5) die Feststellung der Schulreife der für die Grundschule angemeldeten Kinder. Seitdem die Ergebnisse der ESU flächendeckend dokumentiert und erfasst worden sind, zusammen mit einigen Angaben aus einem Elternfragebogen (z.B. Informationen zum Kitabesuch, zum Migrationsstatus4, zum Fernsehkonsum sowie zur sozialen Lage und zur kleinräumigen Zuordnung), ist sie die wichtigste Datenquelle für die Kindergesundheit in Berlin geworden. Neben der Auswertung in den Bezirken werden die Ergebnisse für ganz Berlin von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales jährlich ausgewertet und im Internet publiziert (GSI). Dadurch liegen seit 2001 präventionsrelevante Informationen über die Schulanfänger vor, die zum Zweck der Gesundheitsberichterstattung ausgewertet werden können.
Im folgenden Abschnitt werden zunächst einige Eckdaten der Schuleingangsuntersuchung im Be- zirk Mitte vorgestellt. Hierbei werden insbesondere für die Jahre 2011 - 2013 Sachverhalte darge- stellt, die für die vorliegende Untersuchung relevant sind. Diese sind u.a. Angaben zur sozialen Lage, zum Migrationshintergrund und zur Kitabesuchsdauer, sowie eine Einschätzung der Deutschkenntnisse der Kinder nichtdeutscher Herkunft und die Ergebnisse der S-ENS- Funktionsdiagnostik im Bereich Sprache.5
Im anschließenden Abschnitt wird anhand der oben angegebenen Kriterien die Stichprobe für un- sere Untersuchung gezogen und beschrieben. Darüber hinaus werden eventuelle Unterschiede zwi-
4 Dieser Indikator basiert auf Angaben der Eltern zur Herkunft der Familie.
5 Während sich die E-ENS Funktionsdiagnostik auf einen standardisierten Test bezieht, basiert die Einschätzung der Deutsch- kenntnisse der Kinder lediglich auf die Kommunikation mit dem Kind während der Untersuchung.
schen den verschiedenen Gruppen in Hinblick auf die soziale Lage sowie den Migrationshinter- grund der untersuchten Kinder aufgezeigt.
3.2.1 Aktuelle Eckdaten der ESU für Mitte
Im Vergleich zu ganz Berlin bzw. zu den anderen Bezirken wies der Bezirk Mitte im Schuljahr 2012 sowohl einen hohen Anteil an Schulanfängern aus sozial schwachen Familien (zweithöchste Stelle hinter Neukölln) als auch den höchsten Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund (69%) auf. Dies druckte sich u.a. auch in einen im Berliner Vergleich hohen Anteil an Schulanfängern mit unzureichenden Deutschkenntnissen aus. (SenGesSoz 2013)
Schaubild 3.1 zeigt die Schulanfänger im Bezirk Mitte in den Jahren 2011 bis 2013 nach Herkunft und sozialer Lage. Insgesamt wurden 9349 Kinder bei der Schuleingangsuntersuchung in diesen drei Jahren untersucht. Davon waren lediglich 2944 oder 31,5% der Schulanfänger deutscher Her- kunft, d.h. dass der Anteil an Kindern, die einen Migrationshintergrund aufwiesen, fast 70% be- trug. Deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Herkunftsgruppen in Hinblick auf die soziale Lage sind augenfällig: Während fast die Hälfte der Schulanfänger deutscher (54,3%) oder osteuro- päischer (55,9%) Herkunft zur oberen sozialen Schicht zuzurechnen ist, sind es nur 7,5% der tür- kisch- bzw. 11,6% der arabischstämmigen Kinder. Insgesamt waren knapp ein Viertel der Schul- anfänger in Mitte aus der oberen, ca. 39% aus der mittleren und ca. 36% aus der unteren sozialen Schicht.6
0% 20% 40% 60% 80% 100%
insgesamt (N = 9349) sonstige Staaten
(N = 1078) westliche Industriestaaten
(N = 487) ehemaliger
Ostblock (N = 1411)
arabisch (N = 1277)
türkisch (N = 2152)
deutsch (N = 2944)
29,9%
30,2%
20,8%
55,9%
11,6%
7,1%
54,3%
24,5%
28,5%
24,3%
23,0%
21,5%
24,3%
24,9%
45,6%
41,2%
55,0%
21,2%
67,0%
68,6%
20,9%
Quelle: ESU Berlin-Mitte 2011 - 2013
Schaubild 3.1: Die bei der ESU im Bezirk Mitte untersuchten Kindern nach Herkunft und sozialer Lage (2011 - 2013)
obere mittlere untere
Determinanten der Kitabesuchsdauer
Schaubild 3.2 zeigt die Dauer des Kitabesuchs vor der Schuleingangsuntersuchung in Mitte für die Jahre 2011 bis 2013 nach sozialer Lage und Migrationshintergrund. Wie in vergangenen Auswer-
6 Als Indikator für die soziale Lage der Familien bei der ESU wird in dieser Analyse der sogenannte Statusindex verwendet (vgl. Bettge/Oberwöhrmann 2011), wo neben der Erwerbstätigkeit und der Schulbildung auch die Berufsbildung der Eltern einbezogen wird (vgl. SenGesSoz 2014).