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PJ77_S186-190_Gockel_Die Identität von Denken und Sein bei Hegel

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Academic year: 2022

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1er dieser Bezugssysteme (mögen sie sich nun auf den „Klassenkampf" oder auf den „Kampf ums Dasein" der „Völker" berufen), nicht „wissenschaft­

liche“ Erkenntnis in irgendeiner Form, sondern (wie Hitler und seine Leute dieses offen Zugaben)

„Macht-ergreifung“ und Machtbehauptung ist und war.

Wenden wir uns nun von dem Inferno dieser Unterwelt wieder den Bezugssystemen echter Wis­

senschaft zu, so müssen wir feststellen, daß wir es in unseren Überlegungen nicht mit den materiellen Bezugssystemen der Wissenschaften selbst, sondern mit deren Form zu tun hatten. Dieses war zunächst (in der „Tabellenwissenschaft“) die. Form der

„Schrift“ (als eine moderne Version dieser Form könnte man die Methode der „Statistik“ betrach­

ten), sodann (als „Regelwissenschaft“) die der „Vor­

schrift", und in der griechischen „Prinzipienwissen­

schaft" die Methode einer präzisen Begriffsbildung als solcher, aus der heraus unsere wissenschaftliche Sprache, bis heute, original oder übersetzt, grie­

chisch ist. In den beiden letzten Wissenschaftsfor­

men unserer Tabelle auf S. 182 wird demgegenüber die inhaltliche Artikulation der menschlichen Welt­

begegnung ausdrücklich zum Thema, und zwar kom­

men hierbei die beid en Seiten dieser Weltbegegnung in der Weise zur Geltung, daß es die „Begriffswis­

senschaft;" mit den Problemen der begrifflich en Artikulation, die Erfahrungswissenschaft modern­

europäischen Stiles aber mit denen der faktischen Organisation dieser Weltbegegnung zu tun hat. Es ergibt sich danach dann aber, daß diese beiden For­

men in ihrer recht verstandenen Zielsetzung nicht so sehr in Gegensatz zueinander stehen (wie dieses der immer nodi nicht überwundene „antischolasti­

sche" Affekt der frühen Neuzeit vermeinte), als vielmehr sich gegenseitig ergänzen und relativieren, wobei das unüberholbare Bezugssystem aller mög­

lichen Bezugssysteme in jedem Falle die Geschichte ist.

DIE IDENTITÄT VON DENKEN UND SEIN BEI HEGEL

Von Heinz Gockel (Münster)

Wir wollen versuchen, in zwei Gedankenbewe­

gungen uns auf den Weg zu machen, den Hegel in der „Phänomenologie des Geistes" und in der „Wis­

senschaft der Logik“ gegangen ist. Dabei werden wir nach dem Sein fragen, das heißt, wir werden das Sein, wie es an sich und für sich ist, betrachten.

Indem w ir aber nach dem Sein fragen, sind wir durch solches Fragen schon im Denken selbst. Als Zugang zum Sein wird sich der Weg des Denkens selber zeigen. Damit ist uns schon die andere Auf­

gabe zugewiesen, das Denken selbst, wie es an sich und für sich ist, zu betrachten. Die Weise solchen Fragens und Denkens muß sich nach dem Gegen­

stand richten, damit nicht durch eine falsche Me­

thode am eigentlich zu Erörternden vorbeigeredet werde. So gilt es, beim Sein zu sehen, was ist, beim Denken zu sehen, was gesch ieht. Nach dem Sein und dem Denken fragen heißt, das Denken selbst sprechen lassen.

I. Das Sein

1. Sein an sich - reines Sein - Nichts

„Das Wissen, welches zuerst oder unmittelbar unser Gegenstand ist, kann kein anderes seyn, als dasjenige, welches selbst unmittelbares Wissen, Wis­

sen des U nmittelbaren oder S eyen d en ist“ (II, 81).1 Das, womit das Wissen also anhebt, ist das Seiende, das vor uns Liegende, das, worauf zuerst und un­

mittelbar der Blick fällt. Dieses Seiende ist dieses oder jenes, ein Bestimmtes, ein Einzelnes. Fragen wir nach dem Sein selbst, so werden wir zunächst von diesem einen Einzelnen, Bestimmten wegge­

wiesen auf ein anderes Einzelnes, Bestimmtes. An jedem Einzelnen leuchtet das Sein auf; aber es ist nicht das Sein. Von jedem Seienden kann ich sagen, daß es ist. Auf dieses „Ist“ wollen wir unseren Blick richten, um zu sehen, was es an sich selbst sei.

Unser Blick kann aber nicht direkt auf das „Ist"

gehen, denn das „Ist“ zeigt sich uns nicht unmittel­

bar, wie es an sich selbst ist, sondern es zeigt sich uns am Seienden. Indem ich das Seiende denke, denke ich es als Seiendes, das heißt als ein im Sein gehaltenes Seiendes. Das Seiende selbst verweist von sich aus auf das Sein selbst. Aber es verweist auf das Sein als das, was es nicht ist. Das Seiende sagt uns: ich bin nicht das Sein. Wenn unsere Frage sich also auf das Sein selbst richtet, so muß sie vom Seienden abstrahieren, um in dieser Bewegung der Abstraktion auf das Sein selbst zu kommen. Da aber das Sein nur am Seienden aufleuchtet, muß die Frage sich zunächst an das Seiende halten. Das Fragen nach dem Sein bestimmt sich so vom Seien­

den her, das sich als das Nicht-Sein des Seins, als die Abstraktion ausweist.

Das Seiende nun zeigt sich zunächst als ein Be­

stimmtes, als ein „dieses-da". Von dieser Bestimmt­

heit des Seienden abstrahierend erhalte ich die erste

„Bestimmung“ des Seins: es ist das Unbestimmte.

Der Satz: „Alles Seiende ist“ sagt nun darüber hinaus ein zweifaches: einmal daß das Seiende be­

dingt ist durch ein anderes, aber nicht durch ein anderes Seiendes, sondern durch das andere des Seienden, welches sich in der Copula „ist“ aus­

spricht. Die Bedingung für ein Seiendes kann nicht in einem anderen Seienden liegen, da sich dieses wieder als bedingt erweist. Die Bedingung für ein Seiendes muß in dem anderen als seinem anderen liegen. Das andere des Seienden ist das Sein. Das Sein ist also nicht ein Bedingtes, sondern ein Unbe­

dingtes. Zum anderen sagt der Satz: „AllesSeiende ist“, daß das Seiende nicht aus sich ist, sondern das es aufgrund von . . . ist, aufgrund aber des Seins. Das Sein ist also das Ungegründete2. Zum Sein an sich komme ich durch Abstraktion alles

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dessen, was am Seienden als Bestimmtheit, Bedingt­

heit, Gegriindetsein ist. Alle Bestimmungen näm­

lich des Seienden sind relative Bestimmungen, die das Seiende in Bezug auf anderes setzen. Das Sein selbst kann aber nicht mit relativen Bestimmungen behaftet sein, da es sonst nicht das umfassende A ll­

gemeine wäre. Wenn idi aber alles Bestimmte, Be­

dingte, Gegründete vom Seienden abstrahiere, dann bleibt nichts als das leere Sein, weldies keine Be­

stimmtheiten, keine Bedingtheiten, kein Gegrün­

detsein aufweist. Aber auch dieses Sein wird noch gedacht. Erst wenn ich auch vom Denken abstra­

hiere, ist das Sein an sich. An sich selbst ist dieses Sein nichts. Es ist leeres Sein, daß heißt nichts.

„Seyn, reines Seyn - ohne alle weitere Bestimmung.

In seiner unbestimmten Unmittelbarkeit ist es nur sich selbst gleich, und auch nicht ungleich gegen Anderes, hat keine Verschiedenheit innerhalb sei­

ner, noch nach Außen. Durch irgend eine Bestim­

mung oder Inhalt, der in ihm unterschieden, oder wodurch es als unterschieden von einem Anderen gesetzt würde, würde es nicht in seiner Reinheit festgehalten. Es ist die reine Unbestimmtheit und Lehre. - Es ist nichts in ihm anzusdiauen, wenn von Anschauen hier gesprochen werden kann; oder es ist nur dieß reine, leere Anschauen selbst. Es ist ebenso wenig etwas in ihm zu denken, oder es ist ebenso nur dieß leere Denken. Das Seyn, das un­

bestimmte Unmittelbare ist in der That Nichts}

und nicht mehr noch weniger als Nichts.“ (IV, 87 f.) 2. Sein für sich - absolute Abstraktion Als die Negation des Seienden ist das Sein nichts.

Sein und Denken zeigen hier schon ihre Identität:

im Sein an sich ist nichts anzuschauen, es ist nichts als das Anschauen selbst, die Bewegung des Den­

kens, welche das Sein als das Unbestimmte, Unbe­

dingte, Ungegründete erkennt. Dieses aber ist nur das eine Moment des Seins selbst. Wenn das Sein das Unbestimmte, das Seiende aber das Bestimmte, das Sein das Unbedingte, das Seiende aber das Be­

dingte, das Sein das Ungegründete, das Seiende aber das Gegründete ist und wenn das Seiende seine Bestimmung, seine Bedingung und seinen Grund nicht in sich oder einem anderen Seienden hat, dann ist das Sein nicht nur das Unbestimmte, Unbedingte, Ungegründete, sondern zugleich das Bestimmende, Bedingende, Gründende. Das Sein für sich also erweist sich als das unbestimmte Be­

stimmende, das unbedingte Bedingende, das unge­

gründete Gründende.

Das Denken, das sich auf das Seiende richtet, ist damit zunächst und zugleich beim Sein selbst, das heißt, es ist unmittelbar beim Sein; das Denken ist zunächst nicht beim Seienden, sondern bei dem

„Ist“ des Seienden. So zeigt sich das Sein selbst als nicht unterschieden, als unmittelbar. Alles andere ist unterschieden. Das eine Seiende grenzt sich vom anderen Seienden ab und unterscheidet sich da­

durch von ihm. Das Sein aber kennt keine Grenze, es ist Ununterschieden. Diese seine Ununterschie- denheit ist aber gerade das, wodurch es sich unter­

scheidet. Wovon aber unterscheidet sich das Sein als Nichtunterschiedenes? Es unterscheidet sich nicht von einem anderen, denn dann wäre es ja unter­

schieden. Es soll aber gerade nicht unterschieden sein. Sein Unterschiedensein soll im Nichtunter­

schiedensein bestehen. Soll das Sein gegenüber al­

lem anderen allein dadurch ausgezeichnet sein, daß es nicht unterschieden ist, so kann dieses Nicht- untersdieiden sich nicht auf ein anderes beziehen;

denn dann wäre dieses Nichtunterscheiden wieder­

um ein Unterscheiden und nicht mehr. Das Unter- sdiiedensein des Seins soll zugleich ein Untersdiei- den und ein Nichtunterscheiden sein. Es soll sich ja unterscheiden, aber durch Nichtunterschiedenheit.

So kann das Sein sich nur von sich selbst unterschei­

den. Sich von sich selbst unterscheiden heißt aber sich selbst negieren. Sich selbst negieren ist nichts anderes als die Negation der Negation, es ist die Negation, die sich auf sich selbst richtet und so nicht relative Negation ist, indem sie etwas ande­

res negiert, sondern absolute Negation, indem sie sich selbst negiert. Diese Bewegung des Unterschei­

dens von Nichtunterschiedenem aber ist die Bewe­

gung des Selbstbewußtseins, „es ist f ü r sich selbst, es ist Unterscheiden d es U nuntersch iedenen, oder S e lb stb ew u ß tsey n " (II, 136 f.). Dieses Verhältnis der absoluten Negation gilt es im folgenden beim Denken aufzuzeigen.

II. Das Denken

1. Denken an sich - reines Denken — Nichts Das Denken denkt immer etwas. So hat es einen Gegenstand. Es hat ein ihm Gegen-stehendes. Die­

ser Gegenstand ist zunächst das Vorhandene, das Seiende, auf das das Denken trifft. Fragen wir nach dem Denken selbst, so müssen wir den gleichen Weg gehen, der sich bei der Frage nach dem Sein zeigte, den Weg der Abstraktion. Indem ich etwas denke, ist dieses Etwas das Gedachte. Alles, was ist, steht schon immer unter den Bedingungen mög­

lichen Gedachtwerdens. Ich kann grundsätzlich al­

les, was ist, denken, und selbst das Nichtgedachte, sofern es ist, ist damit unter die Möglichkeit ge­

stellt, gedacht zu werden. Alles, was ist, erweist sich als mögliches oder wirkliches Gedachtes. Das Gedachte aber ist nicht das Denken selbst, es ist sein Gegen-stand. Fragen wir also nach dem Den­

ken, so müssen wir von allem möglichen und w irk­

lichen Gedachten abstrahieren. Wenn ich aber alles Gedachte aus dem Denken fortnehme, so bleibt immer noch das Sein selbst anwesend. Ich bin im­

mer noch nicht beim Denken selbst. Auch dieses Denken ist noch. Ebenso wie wir oben, um zum Sein an sich zu kommen, auch vom Denken ab­

strahieren mußten, müssen w ir nun vom Sein ab­

strahieren, um zum Denken an sich zu kommen.

Abstrahieren wir vom Sein, so ist auch das Denken nicht mehr. Denn soll das Denken selbst bleiben, so muß es ein bleibendes sein. Wenn nichts ist, ist nicht nur nichts für das Denken da, sondern das Denken selbst ist nicht. Hier schon zeigt sich die

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Untrennbarkeit von Sein und Denken. Um auf das Denken selbst zu kommen, muß idi das Sein selbst bestehen lassen. Abstrahiere idi vom Sein, so ist auch das Denken nicht mehr, es ist Nichts3.

2. Denken für sich - absolute Negation Das reine Denken erwies sich als das Nichts.

Dieses aber ist wiederum — wie bei der Frage nach dem Sein - nur ein Moment des Denkens, wie es an ihm selbst ist. Das Denken ist nicht nur an sich, sondern auch für sich zu begreifen, daß heißt, das Denken, das nichts Gedachtes zum Gegenstand hat, ist dennoch nicht nur nichts, sondern es selbst ist immer noch Denken. Dieses Denken wird nun nicht unter dem Gesichtspunkt des Denkens von etwas gesehen, sondern als Prozeß des Denkens, wie das Denken für sich selbst ist. Wir erläutern diesen Gedanken an einem ausgezeichneten Modus des Denkens, an der Frage, um das so Erarbeitete auf das Denken selbst anzuwenden.

Fragen ist immer denkendes Sichbemühen um die Sache. Was aber geschieht beim Fragen4? In der Frage gibt es ein Fragendes, das Ich, der Fra­

gende selbst, oder, wenn wir nur auf die Frage ohne fragendes Subjekt sehen, die Frage selbst. Es gibt ferner ein Befragtes, die der Frage vorlie­

gende Sache, die sie um etwas befragt. Und es gibt in der Frage drittens das Erfragte, das, worauf die Frage geht, was sie eigentlich w ill. Auf dieses durch die Frage am Befragten Erfragte kommt es der Frage eigentlich an. Es ist das, um dessentwillen die Frage überhaupt ist.

Diese drei Momente sind an jeder Frage aufzu­

zeigen. In der anfänglichen - und das heißt grund­

legenden — Frage der Philosophie: „Warum ist überhaupt etwas" zeigt sich als das Befragte das Etwas. Dieses Etwas ist alles Seiende; denn ich kann grundsätzlich alles befragen. Das Erfragte der Frage offenbart sich uns in dem „Warum“. Es zielt auf den Grund, auf den Sinn. Die Frage kann sich nicht mit dem Etwas begnügen, sonst wäre nichts zu fragen, sondern sie fragt das Etwas auf seinen Grund, auf seine Wahrheit hin. Wir fragen immer nach der Wahrheit. Das Fragende selbst aber zeigt sich - wenngleich nicht so offenbar — in dem „Ist“. Das Fragen ist das Sein der Frage. Die Frage ist nur, wenn sie fragt, aber die Frage kann nur fragen, wenn sie ist. Die Frage selbst ist kein Seiendes, denn das Seiende fragt nicht. „Diese Frage ist“, das heißt: Fragen ist Sein und Sein ist Fragen.

Wir sagten: das, um dessentwillen die Frage überhaupt ist, ist das Erfragte. Dieses ist aber nicht vom Befragten her, sondern von der Frage selbst.

Die Frage erst entwirft den Horizont, in dem das am Befragten Erfragte aufleuchtet. Sie entwirft das Woraufhin der Frage. Es gibt keine richtungs­

lose Frage. Denn die Frage w ill etwas Bestimmtes wissen. Dieses Bestimmte ist aber nicht ein vom anderen her Bestimmtes, sondern ein durch die Frage selbst Bestimmtes. Weiter aber bestimmt die Frage auch die Sache, die sie befragt; denn in der

Richtung der Frage ist schon die Richtung mitge­

geben, in der der zu befragende Gegenstand liegen muß, um überhaupt befragt werden zu können.

Der Gegenstand muß im Gesichtsfeld der Frage liegen. Insofern die Frage selbst das in ihr Erfragte bestimmt, fragt sie nicht nach einem anderen, son­

dern zunächst nach sich. Indem die Frage aber auch das zu Befragende bestimmt, richtet sie sich nicht auf ein anderes, sondern zunächst auf sich selbst.

Die Frage also fragt im Prozeß des Fragens zu­

nächst nicht nach einem anderen, sondern immer zunächst nach sich selbst. Unter dem Gesichtspunkt der Grundfrage der Philosophie heißt das: Das Sein (als Frage) richtet sich auf sich selbst (als Seiendes, das Befragte) und befrägt darin sich selbst (als Wahrheit, das Erfragte). Das so sich zeigende Fragen ist nicht mehr ein Fragen nach etwas, sondern das Fragen, wie es für sich ist.

Fragen aber heißt denkendes Sich-bemühen um die Sache. Wenden wir das Gesagte auf das Denken an, so müssen wir sagen, daß das Denken im Pro­

zeß seiner selbst zunächst nicht etwas denkt, son­

dern immer nur sich selbst denkt. „Denn nicht als abstraktes Ich, sondern als Ich, welches zugleich die Bedeutung des Ansicbseyns hat, sich Gegen­

stand seyn, oder zum gegenständlichen Wesen sich so verhalten, daß es die Bedeutung des Fürsich- s ey n s des Bewußtseyns hat, für welches es ist, heißt d e n k e n (II, 159.)

„Im Denken bin Ich frei, weil ich nicht in einem Andern bin, sondern schlechthin bei mir selbst bleibe, und der Gegenstand, der mir das Wesen ist, in ungetrennter Einheit mein Fürmichseyn ist;

und meine Bewegung in Begriffen ist eine Bewe­

gung in mir selbst.“ (Ebda.)

Im Fragen aber ist das Fragen gerade nicht mehr Nichts, sondern das Sein selbst. Das Denken ist so nicht mehr leeres Denken, sondern Denken seiner selbst. Nun hatte sich aber gezeigt, daß das Erfragte als die Wahrheit der Frage nichts als die Frage selbst ist. Fragen aber war mit Hilfe der Grundfrage der Philosophie als Sein bestimmt. Das Erfragte als die Wahrheit der Frage ist die Frage selbst und somit als die Wahrheit des Seins auch das Sein selbst. Im Hinblick auf das Denken heißt das, daß Denken Sein ist und die Wahrheit des Denkens die Wahrheit des Seins ist.

Es bleibt uns nun die Aufgabe zu zeigen, wie denn dieser Prozeß des Fragens der Frage nach sich selbst sich vollzieht. Die Frage w ill etwas wissen. Dieses, das sie wissen w ill, wird durch das Befragte vermittelt. Dadurch aber ist auch das Erfragte als ein am Befragten Erfragtes unterschie­

den von der Frage selbst. Das Erfragte ist das andere der Frage, wie auch das Befragte das andere der Frage ist. Wir konnten aber zeigen, daß die Frage im Prozeß ihrer Selbstverwirklichung nur nach sich selbst fragt. Im Fragen selbst, wie es für sich ist, ist das Fragen und sein anderes identisch.

Die Frage selbst ist die Bewegung auf das andere, das sie selbst ist, und die Rückbewegung von die­

sem anderen zu sich selbst. So ist die Frage nicht

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nur „an sich“, sondern auch „für sich“: „Wir sagen, daß etwas für sich ist, insofern als es das Anders- seyn, seine Beziehung und Gemeinschaft mit Ande­

rem aufhebt, sie zurüdegestoßen, davon abstrahirt hat.“ (IV, 184.)

Die Bewegung nun, die das Fragen in diesem Prozeß vollzieht, ist die Bewegung der Negation.

Aber diese Negation ist keine relative Negation die Frage negiert nicht etwas und ein anderes und so fort bis ins Unendliche, sondern sie negiert sich selbst, da sie selbst das Erfragte, das heißt selbst ihr anderes ist. Indem die Frage sich auf sich selbst richtet, hat sie sich zugleich gegenüber als ihr an­

deres. Das ihr andere ist die Negation der Frage.

Dennoch ist dieses andere nur die Frage selbst. So negiert sich die Frage als ihr anderes und kommt darin wieder zu sich zurück. Die Negation richtet sich auf sich selbst. Eine Negation, die sich auf sich selbst richtet, ist die Negation der Negation, das heißt, sie ist absolute Negation. Wir können auch mit einem durch Hegel bekannten Terminus sagen:

Es ist die Identität von Identität und Nichtiden­

tität. Solcherweise aber ist die Negation absolute Negation, das heißt, sie richtet sich auf sich selbst.

Wenn die Negation sich aber selbst negiert, bleibt es nicht bei der Negation, sondern sie muß notwendig Umschlägen und sich so als erneute Posi­

tion setzen. Das Denken, das sich auf sich selbst richtet, ist absolute Negation. Es bleibt weder in der Leere des reinen Denkens nodi in der reinen Negation bestehen, sondern setzt sich damit zu­

gleich als an und für sich. Das Denken, indem es sich als sein anderes negiert, wird selbst absolut;

es wird Denken für sich, Denken nicht von etwas, sondern Denken von sich selbst. Damit ist das Denken, wie es an ihm selbst ist, bestimmt. III.

III. Die Identität von Sein und Denken 1. Die formale Identität von Sein und Denken

Hier gilt es, das bisher Gesagte noch einmal zusammenzufassen und schärfer in den Blick zu bekommen. Wir hatten das Sein als das unbe­

stimmte Bestimmende, das unbedingte Bedingende, das ungegründete Gründende erkannt. Als solches ist es schon über das leere Sein, über das Nichts hinausgegangen und zu sich selbst gekommen. Die Abstraktion, die vom Seienden zum Sein führte, war als einfaches Negieren bestimmt. Das zeigten schon die Ausdrücke, die für das reine Sein ge­

wonnen wurden: Unbestimmtheit, Unbedingtheit, Ungegründetsein. Durch solches Abstrahieren aber komme ich niemals zum Sein als einem Bestim­

menden, Bedingenden, Gründenden. Die einfache Abstraktion, wenn sie ins Unendliche fortgeführt wird, endet in der bloßen Negation. Das Bestim­

mende, Bedingende, Gründende ist aber nicht Ne­

gation, sondern erneute Position. Der Weg, den wir gegangen sind, mußte Umschlägen und sich gegen sich selbst kehren. Damit war aber keine Rückkehr in das Vorliergegangene geschehen, son­

dern eine neue Position gewonnen. Sie war be­

stimmt als Negation der Negation. Das Sein an und für sich zeigte sich als diese Negation der Negation. Das Bestimmende, Bedingende, Grün­

dende ist also keine Position an sich, sondern eine Position, die aufgrund der absoluten Negation ist.

„Aufgrund“ heißt: der Grund, der Sinn, die Wahr­

heit des Seins zeigt sich als die formale Struktur der Negation der Negation.

Dieselbe Struktur fanden w ir beim Denken. In­

dem das Denken sich selbst denkt, ist es schon nicht mehr nur reines Denken als bloße Abstrak­

tion, welche nichts ist, sondern es ist schon immer bei sich selbst. „Wir sehen, daß im Inneren der Erscheinung der Verstand in Wahrheit nicht etwas anderes als die Erscheinung selbst, aber nicht wie sie als Spiel der Kräfte ist, sondern dasselbe in seinen absolut-allgemeinen Momenten und deren Bewegung, und in derThat nur sich seihst erfährt.“

(II, 137.) Das Bei-sich-selbst-sein des Denkens kann aber nicht anders bestimmt werden, als daß das Denken sich als sein anderes negiert. Diese Negation ist wiederum keine relative, denn sie ne­

giert nicht etwas, sondern sie ist absolute Negation, denn sie negiert das Denken selbst, das als sein anderes seine Negation ist. Negation der Negation ist die formale Struktur des Denkens, wenn es an und für sich selbst betrachtet wird. In dieser Nega­

tion, die absolut ist, ist das Denken identisch mit sich selbst. Denn die absolute Negation kehrt zu­

rück in die Identität. Identität der Identität und Nichtidentität, Negation der Negation, das ist die formale Bestimmung des Denkens an und für sich und des Seins an und für sich.

2. Die absolute Identität von Sein und Denken Unter absoluter Identität ist ein zweifaches zu verstehen. Sie besagt einmal, daß die Identität selbst eine absolute ist, das heißt, daß sie nicht nur als eine formale Identität zu fassen ist, sondern auch und gerade als inhaltliche. Zum anderen be­

sagt sie, daß diese Identität das Absolute selbst ist oder ein Moment des Absoluten,

a) Die Identität als absolute Identität

Es hatte sich oben gezeigt, daß das Sein der formale Grund alles Seienden ist. Aber als dieser Grund hatte sich das Sein nicht nur an sich gezeigt, sondern auch, für sich, denn nur so ist es als Grün­

dendes zu bestimmen. Dadurch hebt es sich ab vom leeren Sein als dem Nichts und wird zur Fülle alles dessen, was ist. Es gibt nichts, das nicht im Sein seinen Grund hätte. Insofern das Sein sich selbst Grund ist, ist cs absoluter Grund. Die Identität des Seins mit sich selbst ist absolute Identität.

Ebenso beim Denken: alles, was ist, sofern es ist, steht unter der Bedingung möglichen oder wirk­

lichen Denkens. Dieses rührt aber nun nicht daher, daß grundsätzlich alles, sofern es ist, gedacht wer­

den kann, wie oben aufgezeigt, sondern daher, daß das Denken immer nur sich selbst denkt. Das Den­

ken, das sich selbst denkt, ist damit in die abso­

lute Bewegung getreten. Es ist in dieser Bewegung selbst absolut geworden. Als absolutes Denken aber muß es alles, was ist, umfassen; anderenfalls

(5)

wäre es nicht absolut, da ihm ein anderes gegen­

überstünde, welches das Denken zu einem relati­

ven machte. Die Identität des Denkens mit sieb selbst ist absolute Identität.

Die Identität von Denken und Sein aber zeigte sich uns bisher noch als formale Identität. Die Identität des Seins mit sich selbst hatte sich als Negation der Negation bestimmt; ebenso die des Denkens mit sich selbst. Ist nun aber das Sein mit sich selbst absolut identisch und das Denken mit sich selbst absolut identisch, so kann auch die Identität von Sein und Denken nur absolute Identität sein.

b) Die Identität als Moment des Absoluten Das Denken, das sich selbst denkt, w ill es sich umfassend denken, muß sich absolut denken.

Nur so umfaßt es alles Seiende. Das heißt aber, es muß nicht dieses oder jenes Seiende denken, son­

dern das Sein selbst. Versuchte es auch alle mög­

lichen Seienden zu denken, so hätte es doch nur eine unendliche Reihe des Seienden begriffen, nicht aber das Seiende absolut. Das Seiende absolut be­

greifen heißt, es von seinem Grund her begreifen.

Bei der Betrachtung des Für-sich-sein des Denkens hatte sich schon das Sein als notwendig für das absolute Denken erwiesen. W ill es das Seiende in der absoluten Bewegung denken, so muß es das Sein als Grund des Seienden denken. Es kann das Sein selbst nicht anders als absolut denken. Dieses Absolute scheint dem Bewußtsein nodi ein Jensei­

tiges zu sein. Es hat seine Realität noch nicht im Bewußtsein. Dennoch hat es seine Realität auch im Denken, da das Denken es ja als Reales denkt. Es denkt das Absolute als Sein, und zwar in der auf­

gezeigten Weise als umfassender Grund. In dieser Bewegung sind freilich Sein und Denken noch gespalten. Das Sein ist das andere des Denkens, das Denken ist nicht das Sein. Das Sein als Inhalt des Denkens ist scheinbar sein Gegen-stand. Die­

ser Gegenüberstand aber ist nicht ein Einzelnes, sondern das Sein als Absolutes. Diese Bewegung ist nun immer noch eine relative: das Denken ist in Relation zu seinem Gegenstand, dem Sein. Im Sichdenken des Denkens aber hatte sich das Den­

ken gerade nicht als relatives, nicht als ein auf an­

deres bezogenes, sondern als absolutes erwiesen, das heißt nur auf sich selbst bezogenes. Indem das Denken sich auf das Sein bezieht, bezieht es sich in der Bewegung der absoluten Negation auf sich selbst. Das absolute Sich-selbst-denken des Den­

kens kann nicht in Relation treten zu einem an­

deren, das außerhalb seiner selbst stünde. Nun ist dieses andere (das Sein für sich) selbst in absoluter Bewegung begriffen. Stünden sich hier zwei abso­

lute Bewegungen gegenüber, so müßten sie sich in der Weise negieren, daß nichts übrigbliebe, ein nun über das Nichts des leeren Seins und des lee­

ren Denkens potenziertes Nichts. Da dieses nicht ist, sind Sein und Denken in ihrer absoluten Be­

wegung identisch und erweisen sich als Momente des Absoluten. Die Einheit von Sein und Denken ist die Einheit des Absoluten mit sich selbst.

ANMERKUNGEN

1 Die Werke Hegels werden nach der Jubiläums­

ausgabe, hrsg. V . H. Glöckner, Stuttgart 1927 f f . ,

zitiert, und zwar geben die römischen Ziffern den Band, die arabischen die Seite an.

2 Unter diesem Aspekt des Verhältnisses von Gründen und Ungegründetsein hat Ute Guzzoni in der Arbeit „Werden zu sich", Freiburg 1961, die Weise des dialektischen Denkens eingehend be­

leuchtet.

3 Vgl. R. Kroner, Von Kant bis Hegel, Bd. 2, Tübingen 1924, S. 426: „Wenn das Sein, wie es am Anfang der Logik gemeint ist, als Denkgegen­

stand schlechthin, als das dem Denken schlechthin Entgegengesetzte verstanden wird, so ist das Den­

ken ohne das Sein, vom Sein schlechthin abge­

trennt - das Nichts. Begriffe ohne Anschauung sind leer, sagt Kant, das heißt aber: sie sind nicht ein­

mal Begriffe, denn sie begreifen — nichts.“

4 Vgl. M. Heidegger, Sein und Zeit, § 2.

TAUTON

Untersuchungen zum Wesen des Begriffes ταύτόν von Thomas Harting (Berlin)

(1)

1. Der Titel λόγος wird von Hegel vergleichsweise selten gebraucht. Am häufigsten kommt λόγος als Titel oder Name in historischen Zusammenhängen vor, sei es in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie oder sei es in der Philosophie der Religion. Er schreibt das griechische Wort λόγος meist klein, und zu den Ausnahmen gehört λόγος

— Logos im eingedeutschten Gebrauch1. Glöckners Hegel-Lexikon II, 1420 zitiert eine Stelle aus den Vorlesungen über Jakob Böhme ausführlich, an der Hegel in Parenthese auf das Wort λόγος als solches eingeht; dort - XV, 314 - heißt es: ,,Λόγος ist be­

stimmter als Wort. Es ist schöne Zweideutigkeit des griechischen Worts, - Vernunft und zugleich Spra­

che. Denn Sprache ist die reine Existenz des GeL stes; es ist ein Ding, vernommen in sich zurückge­

kehrt.“

Dieser Topos steht teils außerhalb des Kontex­

tes, in dem er vorkommt - Hegel referiert ,Von göttlicher Beschaulichkeit*, cap. 1 —, so daß die Stelle auch für sich genommen und ausgelegt wer­

den kann. Der erste Satz offenbart Hegels Unge­

nügen an der ihm selber geläufigen Übersetzung λόγος = Wort. Der griechische Name, meint He­

gel, sagt mehr und anderes, als im Deutschen na­

mens des Wortes ausgedrückt werden kann. Λο'γος ist »bestimmter*, d. h. tiefer und bedeutsamer, läßt

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