Verlust des Ichs in der Moderne?
Verlust des Ichs in der Moderne?
Erkundungen aus literaturwissenschaftlicher und theologischer Perspektive
Herausgegeben von
Christian Danz und Michael Murrmann-Kahl
Mohr Siebeck
Christian Danz ist Professor für Systematische Theologie an der Ev.-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
Michael Murrmann-Kahl ist Privatdozent für Systematische Theologie an der Ev.-Theologi- schen Fakultät der Universität Wien, Pfarrer der Ev.-Lutherischen Kirche in Bayern (Neu- stadt/Donau) und Klinikseelsorger in Bad Gögging.
ISBN 978-3-16-156521-2 / eISBN 978-3-16-156522-9 DOI 10.1628 / 978-3-16-156522-9
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© 2019 Mohr Siebeck Tübingen, Germany. www.mohrsiebeck.com
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Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Gomaringen auf alterungsbeständiges Werkdruck- papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Printed in Germany.
Vorwort
Der vorliegende Band geht auf eine interdisziplinäre Tagung zurück, die un- ter dem Titel Verlust des Ichs in der Moderne? – Wahrnehmungen in Lite- ratur und Religion vom 6. bis 7. Juli 2017 an der Evangelisch-Theologi- schen Fakultät der Universität Wien stattfand. Aus literaturwissenschaftli- chen und theologischen Perspektiven thematisieren die Autoren den Wandel von Ichkonzepten und religiösen Selbstbildern in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts und bis zur Gegenwart.
Den Referenten möchten wir dafür danken, dass sie an der Tagung teilge- nommen und ihre Beiträge zur Publikation zur Verfügung gestellt haben. Unser Dank gilt außerdem den Herren Bernhard Lasser und Patrick Pertl (beide Wien), in deren Händen sowohl die Erstellung der Druckvorlage als auch der Register lag, dem Verlag Mohr Siebeck in Tübingen für die Aufnahme des Bandes in sein Verlagsprogramm sowie Frau Katharina Gutekunst für die sehr gute Zusammenarbeit.
Wien und Neustadt a. d. Donau Christian Danz
Februar 2018 Michael Murrmann-Kahl
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ... V
Christian Danz / Michael Murrmann-Kahl
Verlust des Ichs in der Moderne? Eine Einleitung ... 1
Jörg Lauster
Aufhebung in die Natur. Religiöse Naturerfahrung im
Spiegel der Literatur ... 11
Daniel Weidner
„Der hat auch Religion …“. Religionsfragen im Bildungsroman des Realismus am Beispiel von Wilhelm Raabes Der Hungerpastor und Gottfried Kellers Der grüne Heinrich ... 27
Friedhelm Marx
Mission impossible. Religiöser Fanatismus in der Literatur
der Moderne ... 47
Jan Rohls
Ichverlust und Wertezerfall. Musils Der Mann ohne Eigenschaften
und Brochs Die Schlafwandler ... 59
Tim Lörke
Egozentriker. Ich-Verlust und religiöse Persönlichkeitsbildung bei
Huysmans, Waugh und Mann ... 107
Michael Murrmann-Kahl
„Gelobt seist du, Niemand.“ Verlust von Gott und Ich bei
Paul Celan ... 125
Folkart Wittekind
Verlust des Ichs oder Sinn des Lebens? Die Entwicklung des
Erzählens vom Tod des Kindes in der Kinder- und Jugendliteratur ... 149
VIII Inhaltsverzeichnis
Jan-Heiner Tück
Poetik des Verschwindens. Fragile Identität in den Erzählungen von
Judith Hermann ... 187
Christian Danz „Ich als Text“. Beobachtungen zur Konstruktion von Selbstbildern und Religion in Thomas Meineckes Roman Selbst ... 205
Autorenverzeichnis ... 221
Personenregister ... 223
Sachregister ... 226
Verlust des Ichs in der Moderne?
Eine Einleitung
Christian Danz / Michael Murrmann-Kahl
Die Vorstellungen vom Ich, seiner Identität und dessen Zustandekommen unterliegen einem Wandel. Allein schon die vielfältigen Bedeutungen, in- haltlichen Verschiebungen und Überschneidungen der Begriffe ‚Ich‘ /
‚Selbst‘, ‚Person‘ / ‚Persönlichkeit‘, ‚Individuum‘ / ‚Individualität‘ und
‚Subjekt‘ / ‚Subjektivität‘ / ‚Selbstbewusstsein‘ seit der Aufklärung bezeu- gen die fundamentale Schwierigkeit, Klarheit über die zahlreichen Ich-Kon- zepte zu gewinnen.1 Ein Zugang zu diesem Themenfeld muss nicht zwin- gend einen begriffsgeschichtlichen Weg beschreiten. Geradezu seismogra- phisch wird der komplexe Sachverhalt des Wandels der Ich-Vorstellungen, worauf bereits Alfred N. Whitehead in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hingewiesen hat, in der Literatur registriert. „Auf die Literatur also, insbe- sondere ihre konkretesten Formen, haben wir daher unser Augenmerk zu richten, wenn wir die verborgenen Grundgedanken einer Generation entde- cken wollen.“2 Literarische Darstellungsformen markieren jedoch nicht nur den Wandel von Identitätsvorstellungen, sondern auch die Transformationen der Religion in der Moderne. Religion ist in der abendländischen Tradition ein prominenter Ort der Beschreibung von menschlicher Identität und deren Zustandekommen. Freilich, auch die literarischen Darstellungsformen un- terliegen einem Wandel, wie etwa an der Gattung des Romans ersichtlich wird. Diese ist wie die Selbstbilder und die Religion stets ein Ausdruck von gesellschaftlichen und kulturellen Transformationsprozessen seit der Frühen Neuzeit. Die literarische Fiktion spiegelt diese Prozesse nicht einfach wider.
1 Vgl. nur die einschlägigen begriffsgeschichtlichen Artikel in: Historisches Wörter- buch der Philosophie, 12 Bde., hrsg. v. J. RITTER / K. GRÜNDER / G. GABRIEL, Basel 1971–
2005. Zum Wandel des Selbstvorstellung vgl. auch C. TAYLOR, Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität, Frankfurt (Main) 1996.
2 A. N. WHITEHEAD, Science and the Modern World, 1926, S. 106. Zitiert nach P.
BOURDIEU, Das kulturell Unbewußte, in: Kulturphilosophie, hrsg. v. R. KONERSMANN, Leipzig 32004, S. 243–252, hier: S. 245.
2 Christian Danz / Michael Murrmann-Kahl
Literatur bearbeitet gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Wandlungs- prozesse im Horizont des literarischen Feldes mit eigenen Mitteln.3 Gleiches gilt für die Religion. In ihr spiegeln sich die Transformationen der Ich-Vor- stellungen nicht einfach wider, sondern sie werden von der Religion mit den ihr eigenen symbolischen Formen thematisiert.
Die angedeuteten Überlagerungen und vielfältigen Brechungen verlangen geradezu interdisziplinäre Perspektiven auf die literarischen Markierungen des Wandelns von Ich und Religion. In den Beiträgen des vorliegenden Ban- des wird das aus den Perspektiven von Germanistik und Theologie aufge- nommen und die Veränderungen von religiösen Identitätskonzeptionen exemplarisch an literarischen Werken aus den letzten beiden Jahrhunderten rekonstruiert.
Die Beschreibungen und Deutungen der Moderne und deren literarischer Verarbeitung sind stets aus einer bestimmten, geschichtlich gewordenen Perspektive vorgenommen, neben der es immer auch andere gibt. Selbstbe- schreibungen, die die Moderne von sich selbst und ihrer Genese herstellt, existieren nur im Plural. Das jedoch dürfte selbst wiederum ein grundlegen- des Merkmal von Modernität sein: Die Auflösung einer einheitlichen Ge- samtsicht auf die Kultur und das Leben der Einzelnen. Der Verlust der Ein- heit der Kultur infolge von gesamtgesellschaftlichen Modernisierungspro- zessen mit ihren in sich gegenläufigen Tendenzen schlägt sich in den litera- rischen Selbstdarstellungen der Kultur nieder. Aber was besagt das genau und wie ist das analytisch zu rekonstruieren?
In seiner 1920 publizierten Theorie des Romans deutete der junge Georg Lukács den Roman als einen spezifischen Ausdruck der Moderne.4 In ihr, so seine Diagnose, sei die Einheit von Seele und Kultur aufgelöst, so dass jene sich in den von ihr selbst geschaffenen Kulturgütern nicht mehr wiederfin- det. Durch das Auseinandertreten von Seele und Welt entfremdet sich nicht nur das Subjekt vom Objekt, auch die Seele wird dadurch einem Zwiespalt unterworfen. Allgemeines – transzendentales – Selbst und individuelle Seele kommen nicht mehr zur Deckung. Das spiegelt sich im Roman, der dadurch
3 Vgl. hierzu P. BOURDIEU, Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes, Frankfurt (Main) 1999, S. 367 f.
4 Der Text erschien bereits 1916 in der Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunst- wissenschaft und wurde unter anderem auch von Max Weber diskutiert, der Lukács seit 1912 kannte und mit ihm in der Heidelberger Zeit (bis 1917) befreundet war. Von gegen- seitiger Beeinflussung in ästhetischen und ethischen Theorien ist auszugehen: vgl. E.
KARÁDI, Ernst Bloch und Georg Lukács im Max Weber-Kreis, in: Max Weber und seine Zeitgenossen, hrsg. v. W.J. MOMMSEN / W. SCHWENTKER, Göttingen 1988, S. 682–702, hier: S. 689–702.
Einleitung 3
zum „Ausdruck der transzendentalen Obdachlosigkeit“ in der gottverlasse- nen Moderne wird.5 Es sind der Verlust der Einheit der Kultur, einer über- greifenden Einheitsperspektive sowie die Rationalisierung der Lebenswelt, die dazu führen, dass sich die individuelle Seele in der modernen Kultur selbst zum Problem wird. Eben das, so die geschichtsphilosophische These von Lukács, thematisiert der Roman. Dieser stiftet einen Sinn, den es in der Wirklichkeit nicht mehr gibt.
In seiner Deutung des Romans als Ausdruck einer gottverlassenen Welt, die vollständig einem kausalen Mechanismus unterliegt, hat Lukács die Dia- gnose seines Lehrers Georg Simmel aufgenommen, der Kultur sei selbst schon eine Tragödie eingeschrieben.6 Simmel versteht die Kultur als Weg der Seele zu sich selbst. In der modernen Kultur sei diese Selbstbegegnung problematisch geworden, da durch den Modernisierungsprozess die Diskre- panz zwischen dem Individuum und den Kulturgütern, die immer komplexer werden, unüberbrückbar geworden ist. Das hat Rückwirkungen auf die Selbstwahrnehmung. Minutiös registrierte Simmel die Transformationen, denen das Selbstbild im Prozess der Genese der Moderne unterliegt. Die im Kern neuhumanistische Vorstellungen von der Person als autonomem und gebildetem Individuum (Goethes Wilhelm Meister), die sich mit der Heraus- bildung des Bürgertums im 18. Jahrhundert etablierte und in der Literatur inszeniert wurde, habe sich schon im 19. Jahrhundert verändert. Das „Erzie- hungsideal des 18. Jahrhunderts“ ging, so Simmel, „auf eine Bildung des Menschen, also einen persönlichen, inneren Wert“. Diese Vorstellung von der gebildeten Seele ersetze schon das „19. Jahrhundert durch den Begriff der ‚Bildung‘ im Sinn einer Summe objektiver Kenntnisse und Verhaltungs- weisen“.7 Die von Simmel notierte Umstellung wird auch in der Religion markiert. Aus der himmlischen Lehre, die dem Einzelnen von außen er- reicht, und in der er seine wahre Identität findet, wird ein Erlebnis, in dem sich das vollendet, was im Menschen bereits angelegt ist.8 Zwar fungierte das alte Modell einer metaphysischen Seelensubstanz auch nach deren kri- tischer Destruktion durch die Kantische Erkenntniskritik noch als Rahmen- konzeption der religiösen Identitätskonzeptionen, aber es musste neu gefasst werden. Zeichen und Bedeutung, das war wohl das bedeutsamste Resultat der Kritik der reinen Vernunft, wurden ihrer cum grano salis substantiellen
5 G. LUKÁCS, Die Theorie des Romans. Ein geschichtsphilosophischer Versuch über die Formen der großen Epik, Neuwied / Berlin 1971, S. 32.
6 Vgl. G. SIMMEL, Der Begriff und die Tragödie der Kultur, in: DERS., Gesamtausgabe, Bd. 12, hrsg. v. R. KRAMME / A. RAMMSTEDT, Frankfurt (Main) 2001, S. 194–223.
7 G. SIMMEL, Philosophie des Geldes, Frankfurt (Main) 1989, S. 621.
8 Vgl. nur Schleiermachers Reformulierung des Offenbarungsbegriffs in den Reden Über die Religion.
4 Christian Danz / Michael Murrmann-Kahl
Koppelung beraubt.9 Sowohl die am Ende des 18. Jahrhunderts einsetzende religionsphilosophische Debatte als auch die um 1800 ausgearbeiteten Na- turphilosophien können als Versuch eines konstruktiven Umgangs mit der veränderten Lage verstanden werden. Die religiöse Deutung der Natur im Umkreis der Romantik führt zu neuen Konzeptionen des Ichs und seiner Identität. Die Transformation religiöser Semantiken, die nun einsetzen, der mit der einsetzenden Modernisierung einhergehende Bedeutungsverlust der überlieferten christlichen Religion unter den Gebildeten, verarbeitet auch das literarische Feld. Exemplarisch lässt sich das an den Texten Adalbert Stifters, Gottfried Kellers und um die Wende zum 20. Jahrhundert an Wil- helm Raabe ablesen. Sie transformieren die kirchlich-dogmatische Lehrfas- sung der christlichen Religion im Medium der literarischen Fiktion: sei es als Neubeschreibung der Erlösung des Ichs als dessen Auflösung in die Na- tur, wie bei Stifter,10 oder, so Keller und Raabe, als Auseinanderbrechung einer einheitlichen Biographie, die sich nicht mehr erzählen lässt.11 Tritt die Natur an die Stelle des alten Divinen, so impliziert das eine Naturkonzep- tion, der alle Ambivalenzen entnommen sind. Aber das ist schon im 19. Jahr- hundert nur noch eine Möglichkeit unter anderen. Hermann Melville insze- niert in seinem Roman Moby Dick die divine Natur nicht mehr als einen Horizont, der einen verlässlichen Zusammenhang von Zeichen und Bedeu- tung stiftet und als Erlösungsort fungiert.
Max Webers Diagnose, der Weg in die Moderne führe vom Ideal der Selbstbildung und einer einheitlichen Persönlichkeit um 1900 zum be- schränkten Fachmenschentum,12 wird von Simmel so formuliert:
„[D]ie Dinge, die unser Leben sachlich erfüllen und umgeben, Geräte, Verkehrsmittel, die Pro- dukte der Wissenschaft, der Technik, der Kunst – sind unsäglich kultiviert; aber die Kultur der Individuen, wenigstens in den höheren Ständen, ist keineswegs in demselben Verhältnis voran- geschritten, ja vielfach sogar zurückgegangen.“13
9 Nachgezeichnet hat die genannte Entwicklung Joachim Hörisch anhand des Abend- mahls. Vgl. J. HÖRISCH, Brot und Wein. Die Poesie des Abendmahls, Frankfurt (Main)
52015.
10 Vgl. hierzu den Beitrag von Jörg Lauster in diesem Band.
11 Vgl. hierzu den Beitrag von Daniel Weidner in diesem Band.
12 „Dann allerdings könnte für die ‚letzten Menschen‘ dieser Kulturentwicklung das Wort zur Wahrheit werden: ‚Fachmenschen ohne Geist, Genußmenschen ohne Herz, dies Nichts bildet sich ein, eine nie vorher erreichte Stufe des Menschentums erstiegen zu ha- ben.‘“ M. WEBER, Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus, hrsg. v. K.
LICHTBLAU / J. WEISS, Bodenheim 1993, S. 154 (es handelt sich natürlich um ein Nietz- sche-Zitat).
13 SIMMEL, Philosophie des Geldes, S. 620. Nach Weber führt er zum Zerfall der Per- sönlichkeit und Zersplitterung in unvereinbare, miteinander konkurrierende Wertsphären.
Vgl. die berühmte „Zwischenbetrachtung“ in M. WEBER, Gesammelte Aufsätze zur Reli- gionssoziologie Bd. 1, Tübingen 91998, S. 536–573, bes. S. 554–567.
Einleitung 5
Wie bei Weber ist es bei Simmel die Ausdifferenzierung der Kultur sowie der daraus resultierende Verlust einer kulturellen Einheit, die Rückwirkungen auf das Selbstbild des Individuums sowie die Religion haben.14 Der Einzelne findet sich in seinen kulturellen Objektivierungen nicht nur nicht mehr wieder; er wird von den modernen kulturellen Funktionssystemen geradezu exkludiert.15 Dadurch wird das Individuum sich selbst problematisch. Die Religion, der der Aufbau des Selbstbildes oblag, wird zu einem kulturellen Feld neben anderen.
Eine Integration des Gesellschaft oder der Kultur, für die sie im 19. Jahrhundert noch in Anspruch genommen werden konnte, kann die Religion nicht mehr leisten, nachdem der „letzte Zentner fossilen Brennstoffs verglüht ist“. Was bleibt, ist ein „stahlhartes Gehäuse“, das für den Einzelnen unentrinnbar gewor- den ist.16
Allerdings geht Simmel, und das unterscheidet ihn von seinem Schüler Lukács, in seiner Beschreibung des sich in der Moderne zum Problem ge- wordenen Subjekts von der Überzeugung eines substantiellen Seelenkerns als Grundlage der Persönlichkeit aus. Bei Lukács und seinen Altersgenossen wird eine solche metaphysische Vorstellung aufgelöst in den Vollzug des Subjekts, in dem sich dieses erst konstituiert. Dem geht die in der protestan- tischen Theologie vorgenommene Umformulierung der traditionellen Es- chatologie parallel. Auf die Unterstellung einer unsterblichen Seelensub- stanz wird nun verzichtet und die Identität des Menschen – von einem zu- grundeliegenden und sich durchhaltenden Personenkern gelöst – theologisch als Handeln Gottes beschrieben.17 Der Abbau der cum grano salis bürgerli- chen Persönlichkeitsvorstellung, die Überwindung des Persönlichkeitside- als, führt zu neuen Vorstellungen von der Person.18 Aus der Charakterbil- dung als Ideal der Persönlichkeit wird das Bild eines Subjekts, welches sich in seinem Vollzug erst herstellt. Das wahre und eigentliche Selbst entsteht in der Entscheidung.19 Vor der Folie eines ganz bestimmten (bürgerlichen)
14 Simmel selbst deutet die eigentliche Religion der Moderne als Religiosität, eine Fär- bung der Seele.
15 Niklas Luhmann hat später diesen Endzustand in der funktional differenzierten Ge- sellschaft mit der Exklusions- als Anspruchsindividualität beschrieben, die freilich nicht darauf hoffen dürfe, dass soziale Systeme die an sie adressierten Ansprüche auch erfüllen würden. Vgl. N. LUHMANN, Individuum, Individualität, Individualismus, in: DERS., Gesell- schaftsstruktur und Semantik, Bd. 3, Frankfurt (Main) 1993, S. 149–258, hier: S. 236–249, bes. S. 246: Die funktional differenzierte Gesellschaft kann „nur enttäuschende Erfahrun- gen bieten und eine entsprechende Justierung der Ansprüche nahelegen“.
16 M. WEBER, Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus, S. 153.
17 Vgl. hierzu den Beitrag von Folkart Wittekind in diesem Band.
18 Vgl. nur P. TILLICH, Die Überwindung des Persönlichkeitsideals. Ein Vortrag [1927], in: DERS., Main Works / Hauptwerke, Bd. 3: Sozialphilosophische und ethische Schriften, hrsg. v. E. STURM, Berlin / New York 1998, S. 131–150.
19 Vgl. hierzu C. GRAF V.KROCKOW. Die Entscheidung. Eine Untersuchung über Ernst Jünger, Carl Schmitt, Martin Heidegger, Stuttgart 1958.
6 Christian Danz / Michael Murrmann-Kahl
autonomen Subjektverständnisses müssen die Transformationsbewegungen des Ichs und der Identitätsbildung als ein Verlust bzw. „Liquidation des Sub- jekts“20 erscheinen. Was also in die Kritik gerät, ist eine bestimmte, selbst geschichtlich gewordene Auffassung der Person.
Der Wandel der Vorstellungen von der Person und ihrer Religion wird in der Literatur um 1900 mit deren eigenen Mitteln verarbeitet. Aber die lite- rarischen Formen protokollieren nicht einfach die Transformationen des re- ligiösen Selbst, das literarische Feld unterliegt selbst einem Wandel. Expres- sionistische Formen ersetzen realistische und naturalistische Darstellungs- weisen.21 Programmatisch kann die Literatur selbst an die Stelle der Reli- gion treten, wie bei Thomas Mann.22 Zum Ausdruck kommt darin die Auf- lösung traditionaler christlicher Formen von Religion und ihren Bildern vom Ich und seiner Identität. Die durchschlagende Modernisierung und Rationa- lisierung der modernen Kultur lässt die Vorstellung einer einheitlichen Per- sönlichkeit zum Problem werden, auf die in der Literatur mit Neubeschrei- bungen und Umbildungen von religiösen Traditionen reagiert wird.23 Die Gebrochenheit der Selbstwahrnehmung in der modernen Gesellschaft wird aufgenommen und durch Neukonzeptionen des Romans bearbeitet. Bei Ro- bert Musil scheint sich die bisherige Geschlossenheit ins Fragmentarische aufzulösen und die ‚klassische’ Form des Romans gar nicht mehr einlös- bar.24 Exemplarisch sind die Textproduktionen von Franz Kafka. In seinen zunächst höchst privaten Angst- und Alpträumen und seinen Selbstbestra- fungsphantasien haben sich viele wieder erkannt.25 Denn Kafkas ‚Ich‘, ver-
20 T.W. ADORNO, Negative Dialektik, Frankfurt (Main) 21980, S. 267–283.
21 Zu parallelen Entwicklungen in der Philosophie am Beispiel von Edmund Husserl vgl. F. FELLMANN, Phänomenologie und Expressionismus, Freiburg i. Br. / München 1982.
22 Solche Umbesetzungen der tradierten christlichen Religion werden freilich schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Anschluss an Friedrich Nietzsche vorgenom- men. Vgl. aber auch D.F. STRAUSS, Der alte und der neue Glaube. Ein Bekenntniß, Leipzig 1872. Im Horizont von Nietzsches Umbesetzung stehen auch die Versuche von Thomas Mann. Vgl. T. MANN, Fragment über das Religiöse, in: DERS., Essays, Bd. 3: Ein Appell an die Vernunft 1926–1933, hrsg. v. H. KURZKE / S. STACHORSKI, Frankfurt (Main) 1994, S. 296–298. Vgl. hierzu auch H. DETERING, Thomas Manns amerikanische Religion. Theo- logie, Politik und Literatur im kalifornischen Exil, Frankfurt (Main) 2012, sowie den Bei- trag von Friedhelm Marx in diesem Band.
23 Vgl. hierzu den Beitrag von Tim Lörke in diesem Band.
24 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Jan Rohls in diesem Band.
25 „Berlin 1914. Am 12. Juli wird der Prager Versicherungsvizesekretär Franz Kafka zu einer Aussprache über die Auflösung seiner Verlobung mit der Stenotypistin Felice Bauer ins Hotel ‚Askanischer Hof‘ bestellt […]. Anwesend sind: Fräulein Bauer, ihre Schwester Erna und ihre Freundin Grete Bloch. Kafka verlässt das Hotel als Verurteilter. Als ‚Ge- richtshof‘ wird er das Treffen später bezeichnen. Noch im Sommer beginnt er mit der Ar- beit am ‚Prozess‘.“ So A. KILB, Am Altar der Moderne, in: F.A.Z. 154 (06. 07. 2017),
Einleitung 7
kapselt im chiffrierten ‚K.‘, sieht sich einem höchst ausgefeilten und un- durchsichtigen Apparat gegenüber, demgegenüber es von vornherein keine reale Chance zu bestehen hat. Aus Max Webers preußischer Variante einer effizienten Bürokratie ist gleichsam ein k.u.k. österreichisches Pendant einer schlampigen, korrumpierten und korrumpierbaren Willkür- und Behörden- herrschaft geworden, deren Verfahren (im Prozess) prinzipiell „hoffnungs- los für die Angeklagten zu sein“ und deren Gnadenakte (wie im Schloß) auch nichts anderes als eine Demütigung zu sein pflegen.26 Klare Zuschreibungen von Handlungsträgern werden in der literarischen Fiktion aufgelöst. So ist es kein Wunder, dass Kafka in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gera- dezu zum ‚Klassiker der Moderne’ avancierte und zahlreiche, konkurrie- rende Deutungsversuche erfuhr um herauszufinden, was der Stand der Frei- heit und die Möglichkeiten des Individuums (noch) sind (so etwa bei Ben- jamin, Adorno und Celan). Selbst der Chefideologe Georg Lukács kommt nicht umhin, ihm die Referenz zu erweisen. Nach einer Anekdote soll er geäußert haben, als er nach dem gescheiterte Ungarn-Aufstand 1956 über die Grenze nach Rumänien deportiert wurde: „Kafka hatte doch recht.“ Da- bei dachte er offensichtlich „an den ‚Prozess‘, an die Geschichte einer Ver- urteilung, der niemand entgehen kann“.27
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird schließlich die Transfor- mation der Vorstellung des Ichs von sich selbst noch weiter vorangetrieben.
Die strukturalistische Philosophie verabschiedet programmatisch die klassi- sche Subjektvorstellung. Dem entspricht der Tod des Autors, der nun pro- klamiert wird.28 Bei Michel Foucault erscheint das Selbst als Bestandteil des
S. 13. Ausführlicher zum Hintergrund: K. WAGENBACH, Franz Kafka, Reinbek bei Ham- burg [1964] 1979, S. 88–100.
26 Vgl. den gewichtigen Essay von W. BENJAMIN, Franz Kafka. Zur zehnten Wiederkehr seines Todestages [1934], in: Benjamin über Kafka, hrsg. v. H. SCHWEPPENHÄUSER, Frank- furt (Main) 1981, S. 9–38, hier: S. 13.20 f., T.W. ADORNO, Aufzeichnungen zu Kafka (1942–1953), in: DERS., Prismen. Kulturkritik und Gesellschaft [1955], Frankfurt (Main) 1976, S. 302–342.
27 A. KILB, Am Altar der Moderne, S. 13: „So wie Zehntausende zwischen 1945 und 1989 jenseits der Elbe an Kafka gedacht haben müssen, während sie auf ihr Verfahren warteten […]. Kaum jemand kann sich heute vorstellen, was Kafkas Werk damals für seine Leser im real existierenden Sozialismus bedeutete: keine Fiktion, sondern wahrhaftige Be- schreibung ihrer Existenz.“ [!]
28 Vgl. nur R. BARTHES, Der Tod des Autors, in: ders., Das Rauschen der Sprache, Frankfurt (Main) 2005, S. 57–63. Auch die Auflösung des Autors hat Vorläufer, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen und erkennen lassen, dass Autormodelle selbst einen Wan- del unterliegen. Geradezu paradigmatisch hierfür ist die Aufhebung eines starken Autor- modelles in den bibelexegetischen Debatten über die Verfasserschaft des Pentateuch in der sogenannten Urkundenhypothese im 18. Jahrhundert. Vgl. hierzu D. WEIDNER, Bibel und Literatur um 1800, München 2011.
8 Christian Danz / Michael Murrmann-Kahl
Diskurses und wird in seine Selbstinszenierung und Selbstdarstellung auf- gelöst. Herausgearbeitet wird das an den Texten von Charles Baudelaire.
Modern sein, heißt nicht, sich selbst zu akzeptieren, sondern umgekehrt,
„sich selbst zum Gegenstand einer komplexen und strengen Ausarbeitung zu machen“.29 Der Einzelne steht unter der Forderung, sich selbst zu erfin- den und darzustellen. Entsprechend ist die Moderne keine Befreiung des Menschen in seinem eigenen Sein, sondern sie „nötigt ihn zu der Aufgabe, sich selbst auszuarbeiten“.30 Performanz wird nun zu einer zentralen Kate- gorie, um das Selbst zu beschreiben.31 In seinen Selbstdarstellungen ist das Ich immer schon in Geschichten verstrickt, so dass es nicht der selbst Autor seiner Lebensgeschichte ist. Es erscheint nun als Text, der als Hypertext weder Anfang noch ein Ende oder einen Mittelpunkt hat.32 In seinen Erzäh- lungen, mit denen es sich selbst erst herstellt, bleibt das Ich sich selbst ebenso wie dem Anderen opak.33 Die Eigentlichkeit und Selbstdurchsichtig- keit, die noch Heidegger dem um sich selbst wissenden Dasein zugespro- chen hatte, erscheint vor dem Hintergrund der Debatten am Ende des 20.
Jahrhunderts als bloße Fiktion. Einher geht damit seit den 1990er Jahren eine Kritik an dem Authentizitätsdenken, der Vorstellung eines eigentlichen Lebens, welches als normatives Konstrukt im Fokus der Debatten der 1968er Generation stand.34 Das Selbst wird nun gleichsam als Oberfläche verstan- den, hinter der es kein eigentliches oder authentisches Ich mehr gibt.35 An die Stelle des Originals tritt die Kopie, ohne die freilich auch jenes gar nicht möglich ist.36
Seismographisch verarbeitet das literarische Feld den Wandel der religi- ösen Selbstvorstellungen. Die Gedichte Celans besetzen den religiösen Hin- tergrund angesichts der prinzipiellen Infragestellung des Menschen durch
29 M. FOUCAULT, Was ist Aufklärung?, in: Grundlagentexte Kulturphilosophie. Benja- min, Blumenberg, Cassirer, Foucault, Levi-Strauss, Simmel, Valery u.a., hrsg v. R. KO- NERSMANN, Hamburg 2009, S. 247–262, hier: S. 255.
30 FOUCAULT, Was ist Aufklärung?, 256. Genauso auch N. LUHMANN, Individuum, S. 247: „Dieser Aufgliederung der Gesellschaft nach Funktionsbereichen entspricht die Anforderung an das Individuum, sich selbst zu individualisieren.“
31 Vgl. J. BUTLER, Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt (Main) 182016.
32 Vgl. T. MEINECKE, Ich als Text, Frankfurter Poetikvorlesung, Frankfurt (Main) 2012.
Zur Hypertextualität vgl. J.D. BOLTER, Das Internet in der Geschichte der Technologie des Schreibens, in: Mythos Internet, hrsg. v. S. MÜNKER / A. ROESLER, Frankfurt (Main) 1997, S. 42–47.
33 Vgl. hierzu E. LEVINAS, Die Zeit und der Andere, Hamburg 21989; J. BUTLER, Giving an Account of Oneself, New York 2005.
34 Vgl. hierzu auch M. HOUELLEBECQ, Elementarteilchen. Roman, Köln 1999.
35 Zur Herausbildung der Authentizität als einer Neubeschreibung des Selbst seit der Romantik vgl. auch C. TAYLOR, Die Formen des religiösen in der Gegenwart, Frankfurt (Main) 2002, S. 57–96.
36 Vgl. N. LUHMANN, Die Realität der Massenmedien, Wiesbaden 52017, S. 106.
Einleitung 9
das nationalsozialistische Mordprogramm um.37 Während das bei dem Dich- ter noch vor dem Hintergrund eines cum grano salis religiösen Weltbildes erfolgt, wird dieses in den Texten vom Ende des 20. Jahrhunderts bewusst ausgeklammert.38 Es kommt zur Auflösung von linearen Erzählstrukturen, dem Verzicht auf eine Handlung und einer Zuwendung zur Oberfläche, hin- ter der es keine Eigentlichkeitsdimension mehr gibt.39 Das Ich erscheint nun als Textur, als eingebunden in Diskurse, von denen Religion einer unter vie- len anderen möglichen ist.40
Umstritten und kontrovers diskutiert wird die Frage, ob der angedeutete Prozess als Verlust und Verabschiedung des Ichs / Subjekts / Individuums zu verstehen sei, als Bruch mit dem neuzeitlichen Paradigma von Subjekti- vitätsvorstellungen, oder als deren Weiterschreibung, Umbesetzung und Neubestimmung unter veränderten gesellschaftlichen und kulturellen Bedin- gungen.41 Man könnte auch von einer Dauerkrise des Ichs in der Moderne mit ungewissem Ausgang sprechen.42 Nicht minder umstritten als die Fragen nach dem Ich und seiner Identität sind die, was unter Religion zu verstehen sei. Gehört diese gleichsam zur Natur des Menschen oder ist Religion eine geschichtlich gewordene Weise menschlicher Selbstdeutung? Deutlich ist, die Problemkreise von Selbst und der Religion überlagern sich auf vielfäl- tige Weise. Nach der Darstellung von religiösen Selbstbildern in der Litera- tur zu fragen, setzt schon ein Verständnis von Religion voraus. Diesen The- menfeldern gehen die nachfolgenden Beiträge im Medium literarischer (fik- tionaler) Texte unterschiedlicher Gattungen nach. Welche Vorstellungen des religiösen Ichs inszenieren sie, welche Deutungen werden von solchen Ich- Konzepten transportiert oder ausprobiert? Wie unterscheiden sich die Deu- tungen der Ich- und Selbstbilder in Theologie und Literaturwissenschaft?
Was besagen solche Unterschiede – so es sie gibt – für das Verhältnis von Religion und Literatur in der Moderne?
37 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Michael Murrmann-Kahl in diesem Band.
38 Vgl. hierzu die Beiträge von Jan-Heiner Tück und Folkart Wittekind in diesem Band.
39 Vgl. O. GRABIENSKI / T. HUBER / J.-N. THON (Hgg.), Poetik der Oberfläche. Die deutschsprachige Popliteratur der 1990er Jahre, Berlin / Boston 2011.
40 Vgl. hierzu K. HUIZING, Affektive Identität. (Religiöse) Anthropologie in Zeiten der Mediatisierung, in: R. ROSENSTOCK (Hrsg.), Mediatisierung und religiöse Kommunika- tion. Herausforderungen für Theologie und Kirche, Leipzig 2018 (im Druck), sowie den Beitrag von Christian Danz in diesem Band.
41 Vgl. hierzu F. WITTEKIND, Verlust des Ichs? – Methodische Überlegungen zur theo- logischen Wahrnehmung postmoderner Lebenswelten, in: „Gelebte Religion“ als Pro- grammbegriff Systematischer und Praktischer Theologie, hrsg. v. A. GRÖZINGER / G. PFLEIDERER, Zürich 2002, S. 131–159
42 Vgl. hierzu auch die Beiträge in: I.U. DALFERTH / P. STOELLGER (Hgg.), Krisen der Subjektivität. Problemfelder eines strittigen Paradigmas, Tübingen 2005.
10 Christian Danz / Michael Murrmann-Kahl
Diese Themenfacetten werden in einer cum grano salis chronologischen Perspektive jeweils aus literaturwissenschaftlicher und theologischer Sicht diskutiert, um interessante Konstellationen, Konflikte und Überschneidun- gen auszuloten. Einsetzend mit literarischen Inszenierungen von Selbstbild und Religion im Roman des 19. Jahrhunderts zeichnen die Beiträge die Transformation des religiösen Selbstbildes in der Literatur bis hin zur Pop- literatur der Gegenwart nach. Erkennbar wird, dass substantialistische Vor- stellungen vom ‚Ich‘ (Seele) bzw. der Einheit, oder des Kerns der Person (‚Persönlichkeit‘) durch reflexive Konzeptionen und Beschreibungen abge- löst werden. In der reflexiv gewordenen Moderne konkurrieren unterschied- liche Ichkonzepte, in denen das oft totgesagte ‚Ich‘ vielfältigen Metamor- phosen unterliegt.
Personenregister
Adorno, Theodor Wiesengrund 7, 136, 139 f., 142–146
Alexander der Große 54 Antschel, Leo 137 d’Arc, Jeanne 77 Aristoteles 15 Aron, Raymond 202 Attar, Farid-ed-din 79 Augustin 78, 91, 187 Austin, John Langshaw 12
Bachmann, Ingeborg 125, 139, 145
Barth, Karl 146, 152, 168 Baudelaire, Charles 8, 112, 191 Beethoven, Ludwig von 24, 61,
68
Benjamin, Walter 7, 198 Benn, Gottfried 109, 138 Berkéwicz, Ulla 189, 203 Bleuler, Eugen 80
Blumenberg, Hans 116, 118 Böhme, Jakob 33
Bohrer, Karl-Heinz 203 Bollenbeck, Georg 29 Borchardt, Rudolf 144 Borowski, Tadeusz 145
Broch, Hermann 81–83, 87, 89 f., 92, 98–104
Brody, Daniel 82
Buber, Martin 72 f., 76, 78 Büchner, Georg 50
Bultmann, Rudolf 146, 152, 164 f.
Bunyan, John 13
Byron, George Gordon 23
Calvin, Johannes 97 Carlyle, Thomas 14, 25, 64 Carrol, Lewis 156
Cather, Willa 11
Celan geb. Antschel, Paul 7 f., 125–145, 147
Channing, William Ellery 64 Chesterton, Gilbert Keith 117
Defoe, Daniel 13 Derleth, Ludwig 53, 55 Diner, Dan 135 Donath, Alice 61, 76 Donath, Gustav 61, 76
Donnelly, Elfie 166 f., 169, 171 Downham, Jenny 175 f.
Drawert, Kurt 144 f.
Ebner, Magarethe 80 Edvardson, Cordelia 146 Eichendorff, Joseph von 144 Einstein, Albert 108
Emerson, Ralph Waldo 64, 77 Emmerich, Wolfgang 132, 136
Feuerbach, Ludwig 40–42 Fichte, Johann Gottlieb 63 Foerster, Friedrich Wilhelm 77 Fontane, Theodor 83, 92 Forel, Auguste 49 Foucault, Michel 7
224 Personenregister
Franz Joseph, Kaiser, I. 62 Freud, Sigmund 108 Freytag, Gustav 34 f., 38
Gaarder, Jostein 169 f.
Genua, Katharina von 78 George, Stefan 68 Girgensohn, Karl 78, 80
Goethe, Johann Wolfgang von 3, 17, 28, 30 f., 39, 61, 100 Gogh, Vincent van 73 Goll, Claire 125, 132, 143 Green, John 178 f., 181 Guttzeit, Johannes 49 f.
Hagauer, Gottlieb 71 Halbfas, Hubertus 168 f.
Handke, Peter 196
Hauptmann, Gerhart 48–52, 54, 56
Hayen, Hemme 72, 79
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 31 f., 99
Heidegger, Martin 8, 139–142 Henrich, Dieter 14 f.
Hermann, Judith 188–191, 196, 200, 202 f.
Heyse, Paul 78
Hirsch, Emanuel 28, 32 Homer 14, 65
Hörisch, Jochen 136 Hürlimann, Thomas 203 Husserl, Edmund 140
Huysmans, Karl-Joris 109 f., 116, 121–124
Iser, Wolfgang 13–15
Jacoby, Joel 34 Jakobson, Roman 166 James, William 64, 80
Joyce, James 83, 187 Jüngel, Eberhard 168
Kafka, Franz 6 f.
Kant, Immanuel 99 f.
Keller, Gottfried 4, 29, 39 f., 43 f.
Kertész, Imre 144 f.
Key, Ellen 64
Kierkegaard, Søren 98 Klages, Ludwig 76 Kretschmer, Ernst 80 Krüger, Hermann Anders 32 Krupp, Friedrich Alfred 90
Leibniz, Gottfried Wilhelm 98, 101
Levi, Primo 145 f.
Lewis, Clive Staples 150 f.
Lindgren, Astrid 160–166, 169, 171
Loos, Adolf 95
Lukács, Georg 2 f., 5, 7, 46, 190 Luther, Henning 178
Luther, Martin 54, 91, 97, 100 f.
MacDonald, George 156, 158–
160
Machiavelli, Niccolò 97 Maeterlinck, Maurice 63 f.
Mann, Thomas 6, 48, 53, 55 f., 71, 81, 109 f., 120–124, 147 Marcel, Gabriel 192
Mecklenburg-Strelitz, Luise von 84
Meinecke, Thomas 205–214, 216, 218
Meister Eckhart 73 Melville, Hermann 4 Messer, August 80 Müller, Herta 190
Musil, Robert 6, 47, 59–62, 64 f., 71 f., 75–82
Personenregister 225
Nancy, Jean-Luc 211–213 Napoleon Bonaparte, Kaiser, I. 54 Nicholls, Sally 172, 175 f.
Nietzsche, Friedrich 51, 54, 56, 61, 64, 67, 95, 108, 141 Novalis 14, 63, 68
Otto, Rudolf 21
Paley, William 19 Passolini, Pier Paolo 211 Paul, Jean 17, 34
Paulus 80, 93, 105, 170 Peters, Carl 84
Planck, Max 108 Platon 12, 14, 63, 75 Proust, Marcel 187 f., 196
Raabe, Wilhelm 4, 29, 32, 34, 39, 43
Rathenau, Walter 64
Rilke, Rainer Maria 48, 51–56, 73, 131
Ritschl, Albrecht 159 Ritter, Joachim 16
Robespierre, Maximilien de 54 Rorty, Richard 12
Rousseau, Jean-Jacques 64 Ruskin, John 64
Russell, Bertrand 99
Sachs, Nelly 133 Safranski, Rüdiger 142 Savonarola, Girolamo 54 f.
Schiller, Friedrich 16, 61
Schöffler, Herbert 13 Schönfeldt, Sybil 156 Schrager, Friederike 137 Searle, John 12
Silas 93, 105 Silesius, Angelus 42 Simmel, Georg 3–5 Stifter, Adalbert 4, 17–25
Taylor, Charles 14 Thoreau, Henry David 64 Tieck, Ludwig 14 Tillich, Paul 146
Troeltsch, Ernst 13, 95, 165
Unseld, Siegfried 189
Verroen, Dolf 171
Wackenroder, Wilhelm Heinrich 14
Wagner, Richard 61, 71 Waugh, Evelyn 109 f., 115 f.,
118, 121–124
Weber, Max 4 f., 7, 95, 113 f.
de Wette, Wilhelm Leberecht 32 Whitehead, Alfred 1
Whitman, Walt 64
Wichern, Johann Hinrich 78 Wiesel, Elie 146
Wilhelm, Kaiser, I. 84 Wilhelm, Kaiser, II. 62 Wittgenstein, Ludwig 99, 102 Woolf, Virginia 187
Wyneken, Gustav 47
Sachregister
Absolute, das 84
– abstrakt gewordenes 98 Anschauung, die 75 Architektur, die 95 Ästhetik, die 30
– kompensatorische Kraft der 16 – moderne 16
Atheismus, der 40–43, 212 Auferstehung, die 211 Auflehnung, die 161 Augenblick, der 197 – ästhetischer 187 – empathischer 187 Auschwitz 142 f., 146 Autor, der 206
Bewusstseinsbegriff, der 165 Bildes, Funktion des 16
Bildung, die 3, 28–30, 37, 67, 113 – ästhetische 30
– Bildungsbegriff 29 – Bildungsreligion 30
– Bildungsroman 31 f., 37, 43, 46 – Prinzip der 100
– Semantik der 29 – Sinnversprechen der 46 Buße, die 121
Chaos, religiöses 47 Christentum, das 151 – bürgerliche Form des 159 Christlichkeit, wahrhafte 169
Dichtung, Funktion der 16 Dingversessenheit, die 191 Dogmatik, die 214, 216, 218 f.
– Funktion der 218 – Thema der 214 – theologische 218
Eigenschaft, die 70
Einheitserlebnis, das 73–75 Ekstase, die 73, 76
Erfüllung, die 90 Erinnerung, die 181 – rettende 198
Erkenntnis, die 76 f., 101 Erlöser, der 89
Erlösung, die 76, 88 f., 94, 103 Eros, der 76
– elementarer 76 – kosmischer 76
Eschatologie, die 165, 183, 186 Essay, das 70 f.
– Essayismus 70 Ethik, die 99, 102
– kantische Pflichtethik 99 Ewigkeit, die 180, 182, 186 Existenz, die 122
Fatalitätsillusion, retrospektive 202
Fiktion, die 13–15, 17 Theorie der 13, 17 Freiheit, die 91, 103 – äußere 91
– innere 91
Sachregister 227
– platonische 103 Frömmigkeit, die 91, 178
Gedicht, das 140, 142 f., 145 Gefühl, das 75
Gegenreformation, die 97–99 Gegenwart, reine 195
Geist, der 16, 103, 159 f., 170 – Begriff des 154
– menschlicher 154, 160 – positivistischer 104 Geistige, das 103 Geschlecht, das 208
– Geschlechteridentität 208 f.
– Geschlechterzuschreibung 208 Gesetz, das 95, 135
– inneres 19 f.
– Sittengesetz 19 f.
Glaube, der 80, 91 f., 96, 101, 117–119, 203
– Akt des Glaubens 165
Gnade, die 92 f., 95, 97, 118, 121 Gott 79, 95–97, 136
– Gnade Gottes 183 – Gottesgedanke 218 – alter Gottesgedanke 180 f.
– Reich Gottes 80, 164 – Stimme Gottes 135 – Tod Gottes 176 Göttliche, das 101 – Ungöttliches 79
Grundbedürfnis, menschliches 122
Gute, das 20
– Kraft des Guten 20
Heilige Schrift, die 98 Heilige, das 22 Hoffnung, die 196 Hunger, der 35 f.
Hypothese, die 70
Ich, das 8 f., 107, 122 f., 146 – Aufhebung des 19 f., 23–25 – Einheit des 73
– Ich-Findung 113 – Ichlosigkeit 69 – Ichsucht 69 – Steigerung des 69 – transzendentes 69 – verlorenes 116
– Verlust des 9, 11 f., 21, 25, 107–109, 122–124, 149, 175, 186
Identität, die 120 f., 123 f., 146, 213
– geschlechtliche 208 – religiöse 212
Imagination, die 15 f., 20 f.
Imitatio Christi 49, 56
Imperativ, neuer kategorischer 146
Inzest, der 74 Irdische, das 84
Jenseitsvorstellung, Kritik der 152
Judentum, das 98
Katholizismus, der 98, 104, 112, 114, 116 f., 121, 123
– Kryptokatholizismus 98 Kinder- und Jugendliteratur, die
155
Kirche, die 168 – Zerfall der 66 Körper, der 211 f.
Kosmogonie, die 96–98, 100 f.
– metaphysische 100 Krieg, der 81, 91, 95
Kultur, die 3, 142, 159, 168, 175 – Ausdifferenzierung der 5 – Kulturgeschichtsschreibung 154 – Kulturkritik 142
228 Sachregister
– moderne 3, 6
– Verlust der Einheit der 2f.
Kunst, die 30, 100, 113 f., 153 – Kunstreligion 114
Leben, das 176 – ewiges 178, 185 – gelungenes 170, 173 Legende, die 122 Leser, der 206
Liebe, die 69 f., 74 f., 79, 81, 192 – Eigenliebe 75
– Geschwisterliebe 71, 75 Literat, der 56
Literatur, die 1 f., 12, 14, 17, 100, 151 f., 159 f., 184 f.
– Aufgabe der 167, 176 – Literaturwissenschaft 166
Marxismus, der 99, 103 Materialismus, der 104 mémoire involuntaire 188, 197 Mensch, der 89, 99, 101, 104 – aktiver 81, 97
– kontemplativer 81, 97 – metaphysisch ausgestoßener
104
– Verlust der Ganzheit des 67 Metaphysik, die 99–102 – philosophische 100 Mittelalter, das 96, 99 Moderne, die 2, 8, 20, 48, 96 – Bedingungen der 124 – kulturelle 165 Modernität, die 2 Mögliche, das 60
– Möglichkeitsmensch 70 – Möglichkeitssinn 60 Moral, christliche 51 Musik, die 24
Mystik, die 70, 74, 78–80
Natur, die 16 f., 19 f., 22, 24, 89 – Erfahrung der 20
– Gesetz der 19 f.
– Naturästhetik 16 – Naturwissenschaft 108 Nichtigkeit, die 195 Niemand 128 f.
Niemandsrose, die 129, 132, 136 Nihilismus, der 200
Obdachlosigkeit, transzendentale 190
Pantheismus, lyrischer 34 Performanz, die 8
Person, Entzauberung der 70 Pflicht, die 99, 122
Phänomenologie, die 140 Philosophie, die 99, 102 – antiplatonische 102 – idealistische 101 – kantische 98 – neue 100
– strukturalistische 7 Physik, Krise der 108
Platonismus, der 99, 103, 105, 170–172
– Neuplatonismus 101
Positivismus, der 98 f., 101, 105 – antiplatonischer 99
– logischer 99 f., 102 Prophet, der 54, 56 f.
Protestantismus, der 97–99, 101, 104
Rationalismus, der 67 Reale, das 90
Reformation, die 99
Religion, die 1–3, 5, 9, 12, 28–30, 32, 34, 46, 64, 97 f., 113, 121–
124, 151–153, 159, 185, 207, 210, 212, 214–219
Sachregister 229
– ethnische 27 – der Ehrfurcht 27 – Subjekt der 217
– Religionsbegriff 165, 214 f.
– Religionskritik 152, 167 f.
– Religionspsychologie 78 – Religionstheorie 216 – der Weisen 27 Religiöse, das 81, 121 Religiosität, die 64 Renaissance, die 98 f.
Revolution, die 105
Roman, der 2 f., 46, 100, 102 – neuer 102
– polyhistorischer 102 – Sinnversprechen des 46 Romantik, die 84
Rose, die 130–132
Schöpfung, die 135 Schreiben, das 212
Seele, die 63–67, 158 f., 170 f., 174
– Seelenkern 5
– Seelenmetaphysik 158 Sekte, die 97 f.
Selbst, das 7 f., 207, 209 f., 213 – allg. Struktur des individuellen
163
– das wahre 5
Sendungsbewusstsein 49 f.
Sinn, der 210, 212
– des Lebens 163 f., 172, 174–
176, 179, 181 f., 186 – Sinnenich 69 Sozialismus, der 92 Spiritualismus, der 44
Sprache, die 14, 139, 154, 165, 169
– Deutsche 137 f.
– Grenzen der 23 – Sprachlosigkeit 145
Stoa, die 101
Subjekt, das 5, 146, 182 – ästhetisches 187 – autonomes 205 – Verlust des 6, 9 Sünde, die 83, 118 – Erbsünde 69, 75 – Sündenfall 75 Symbol, das 68
Tat, die 101
Theologie, die 101, 165, 168 f., 203 f.
– Natural Theology 19 – Konzeption der 216 – Physikotheologie 19 Tiefenpsychologie, die 108 Tod, der 85, 156, 168, 175 – Heidenangst vor dem 203 – des Kindes 150, 158 – Leben nach dem 152 – Moment des 178 – Todesbewusstsein 157 Totalität, kognitive 101 Tradition, die 122
Transzendenzbezogenheit, die 151
Trauer, die 198 Traumhafte, das 83 Trost, der 161
Überlebensschuld, die 145 Uniform, die 84
Unmittelbare, das 99 f.
Verdammnis, ewige 183 Verlusterfahrung, die 119 Vernunft, rationale 103 Verschwinden, Poetik des 200 Weg, heiliger 72 f.
Wert, der 82
230 Sachregister
– Wertzerfall 82 f., 95–99, 104 Wirklichkeit, die 151 f., 167–169,
175
– Begriff der 155 – Wirklichkeitssinn 60
Zivilisationsbruch, der 140, 147