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Der politische Katholizismus im Urteil der NZZ) 1920-1950

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THOMAS MAISSEN

Der politische Katholizismus im Urteil der NZZ) 1920-1950

«politischer Katholizismus» ist ein Kampf- und stark auch ein Feindbegriff, wie er in den hier behandelten Jahrzehnten von Nationalsozialisten, aber auch von eifrigen Protestanten oder laizistischen Demokraten in anklägerischem Sinn verwendet wird: als klerikaler Übergriff in die staatliche Sphäre.

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Obwohl die katholische Kirche manches dabei Implizierte als Unterstellung zurückweist und der Terminus insofern nicht nur unscharf, sondern auch konzeptionell vorbelastet ist, wird er hier verwendet. Er drückt nämlich die Spannungs- verhältnisse aus, die der Berichterstattung der freisinnigen N euen Zürcher Zeitung zugrunde liegen: auf der einen Seite das traditionelle Misstrauen des liberalen Laizismus gegen klerikale Einflüsse in der Politik, auf der anderen Seite aber das Abwehrpotential konfessioneller Parteien gegen die Totalitaris- men zur Linken und Rechten. Dieses ambivalente Verhältnis von Schweizer Liberalismus und Katholizismus, in seinen Spannungen ebenso wie in seinen Allianzen , ist bisher für das schweizerische 20. Jahrhundert kaum wissenschaft- lich behandelt worden; auch in den vorliegenden Werken zur NZZ-Ge- schichte taucht es allenfalls am Rande auf.

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Allein Kurt Imhof hat die «zu- nehmende Polarisierung der <bürgerlichen) Parteien» anhand der Medien an- gesprochen: In einem Vergleich der Intensität, mit der nationale Themen in der NZZ und im katholischen «Vaterland» behandelt werden, hält er zwei Pha- sen des Dissenses fest , als die FDP oder zumindest Teile von ihr kämpferisch gegen antiliberale und namentlich korporativistische Positionen der Katho- lisch-Konservativen antreten: 1926-29 (Getreidemonopol, Nationalrats- und Bundesratswahlen) und 1933-35 (Frontenfrühling, Totalrevision).

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Seit ihrer Gründung 1780 versteht sich die NZZ als politisch unabhängig, aber dem «Grundgedanken des schweizerischen Liberalismus» verpflichtet.

Ohne ein eigentliches Parteiblatt zu sein, ist die - auch personelle - Nähe zur Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) eine Konstante. Gleichzeitig ist die NZZ ein Qualitätsblatt mit internationaler Ausstrahlung, eine Funktion, die besonders nach der Gleichschaltung im Dritten Reich für den gesamten deutschsprachigen Raum wichtig wird. 1920 wird die NZZ in einer Auflage von 40400 Exemplaren gedruckt, 1930 sind es 54600 Stück und 1940 ebenso wie 1950 gegen 70000 Blatt. In derselben Epoche lassen sich der (Zürcher) Freisinn und die NZZ jenseits der - in sich regional und parteipolitisch ja auch

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Originalveröffentlichung in: Der politische Katholizismus im Urteil der NZZ, 1920-1950, in: Victor Conzemius (Hg.), Schweizer Katholizismus 1933-1945. Eine Konfessionskultur zwischen Abkapselung und Solidarität, Zürich 2001, S. 123-146.

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schon rechthet erogenen- liberalen «Grossfamilie» lokalisieren,indem man sie bildlich im Zentrum dreier Kreise mit jeweils wach sender Distanz darstellt:

a) die antiklerikale Tradition von Sonderbundskrise und Kulturkampf, die wed er antireligi ösnoch prinzipiellantikatholisch gedacht ist,aber die römi- sche Kirche wegen ihrer «ultramontanen>Strukturen mehrtrifft alsdiepro- testantischen;

b) die nach dem Landesstreik festgefügtebürgerliche Front gegen den Sozia- lismus, wobei die katholische Schweizerische Konservative Volkspartei (SKVP) mitseit 1920 zwei Bundesräten eine tragendeSäul ebildet;4

c) der in den dreissigerJahren auf die SozialdemokratischeParteiausgeweitete nationale Schulterschlu ss gegen das «U nschwe izerische» und die auslän- dische Bedrohung, wozu Kommunisten und Fröntler als fünfte Kolonnen mitgerechnet werden.

Vor diesem Hintergundwird in den folgenden vier Kapiteln zuerst das Span- nungspotential von Liberalismus und Katholizismusvor allem auf kantonaler Ebene (Zürich und Luzern) beleuchtet, dann die Auseinandersetzung der NZZ mit Vertretern der katholischen Geisteswelt und mit den Postionen der SKVP auf Bundesebene erörtert, um schliesslich die aussenpolitische Bericht- erstattung über das Verhältnis der römischen Kirche zu den autoritären und totalitären Staaten zu behandeln. Die Datumsangaben in Klammern verwei- sen jeweilsauf die entsprechende Ausgabe der NZZ; wo erkennbar, wird der Artikelverfasser namentlich oder wenigstens mit dem Kürzelerwähnt. Da die redaktionellen Kommentarein dieser Epoche nicht persönlichgezeichnet wer- den, können allerdingsgerade die anonymen Beiträge am meisten beanspru- chen,den Standpunkt der NZZ wiederzugeben.

LIBERALISMUS UND KATHOLIZISMUS

Das «Gesetz betreffenddas katholische Kirchenwesen»vom 27. Oktober 1863 gewährleistet in Zürich die Freizügigkeit für die Altgläubigen, und ihre vier Gemeinden werden staatlich anerkannt. Doch als sich im Kulturkampf die christkatholische Mehrheit der Stimmberechtigten abspaltet, finden sich die Romtreuen ab 1873 wiederals Randgruppemarginalisiert.5Politischkann sich die «Ch ristlichsoziale Partei» (CSP) 1905etablieren; wie ihr Name zeigt, rich- tet sie sich an die oft sozial und konfe ssionell marginalisierte, zugewanderte Diaspora im Industriekanton,gehörtabe r gesamtschweizerisch zur SKVP. Mit einem Wähleranteil,der in den Nationalrat swahl en von 1919 (5,1%) bis 1959 (12,7%)ansteigt und in den Kantonsratwahlenjeweils noch etwas höher liegt (1964: 14%), bleibt sie stets hinter FDP, SP, BGB und Ldu. Damit erweist sie sich in denJahren nach dem Landesstreik als klar bürgerliche Part ei ohne bestimmenden Einfluss: 1933 wird erstmals ein Mitglied der CSP Zürcher Stadtrat, doch erst im katholischen «Schicksalsjahr » 1963 stellt sie mit Urs Bürgi ihren ersten Regierungsrat.

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Reibungsflächen mit den dominierenden Freisinnigen und Dem okraten besteh en traditionell vor allem wegen des fehlenden öffentlichrechtlichen Statu s der katholischen Kirch e und in den Bereichen konfession elle Misch- ehe n und Bildungspolitik (Staatsschul e). Der in der Bundesverfa ssung fest- geschrieben eStatus quo ist für die Liberal en gleichbedeutend mit «konfessio- nellem Prieden»; angesichts der Machtverhältnisse kann die CSP beziehungs- weise auf nation aler Ebene die SKVP ihre Postulate meist nur defensiv ver- treten.

Die NZZ kommentiert die entsprechendenProblem eim allgemeinen ohne kulturkämpferischen Eifer, und an den Polemiken ,wie sie in der Linkspr esse gegen bischöfliche Hirtenworte oder Bettagsmandate losbrechen, nimmt sie nicht teil. In Nachrufen gedenktsie derBischöfe jeweils sachlich und respekt- voll; so erinnert der reformierte Genfer Theologe Adolf Keller beim konser- vativen Marius Besson an Bürgersinn und Patriotismus, vor allem aber an ökume nische Gemeinsamkeiten." Gleichwohl bleibt die NZZ - vermutlich hinsichtlich der Aktionäre mehr als in der Redakti on - in einem Milieu ver- wurzelt, wo nicht nur liberale, sonde rn durchaus.auch zwinglianische Vorbe- halte gegenüber dem Katholizismus verbreitet sind.]. R. von Salis wird dies später alsetwas gewundene Begründung dafür anführen, dasser bei der NZZ keine Anstellung erhält."Dass er oderande re wegen der Konfession diskrimi- niert werden, istjedoch insofern eher unwahrscheinlich,als in der NZZ die Verdienste liberaler Katholikenbei der Gründung desBundesstaats oder in den konservativ dominierten Kantonen stets bewusst bleiben." Allerdings bietet schon aus praktischen Gründen dasreformierte Zürich und seine Universität das naheliegende Reservoir, um Mitarbeiter der NZZ zu rekrutieren. Nicht nur liberale,sondern auch zwinglianisch eEmpfindlichkeiten schaffen sich da- her,wenn auch verhalten,durchaus Gehör, so gegen die von der katholischen Kirche verordnete, syste m atische Binnenrni ssion oder konfessionelle Vettern- wirtschaft (1.11.36). Klar verurteilt wird der «billige Geschäftskatholizismus»

eines «Schutzverbands»,der fordert, dass Katholiken nur bei Gleichgläubigen einkaufen sollen, was auch von «Katholiken einer geraden und aufrechten Gesinnung» abgelehnt werde (30.5. und 5.6.29).Die von katholischer Seite be- kämpften Ausnahmeartikel der Bundesverfassung (Jesuitenverbot, Klosterarti- kel) haben ihre Wächter in der NZZ, wo sich der Zürcher Staatsrechtler und Professor Fritz Fleiner ausführlich empört, nachdem ein Jesuit an der ETH einen Vortrag gehalten hat (19.1.30,Repliken und Duplik am 26.1.30).Bitteres Unverständnis äussert Karl Fueter, als die kurz zuvor in der NZZ freund- lich rezensierten ökumenischen Werke des katholischen pfarrers Georg Se- bastian Huber indiziert werden, «wä h rend z.B. Hitlers<M ein Kampf>oder der

<Stürm en noch nie mit dem Bann belegt wurden!» (28.4.18.10.36; vgl. auch 20.8.36 zum Widerspruch von Katholizismus und Geistesfreiheit). Unter dem Titel «Geistlicher Fanatismus» kann auch noch eine Meldung gedruckt wer- den,die vergangenenJahrhundertenzu entstammenscheint : Im Entlebuch er- hältein Freisinniger auf dem Sterbebettkeine Sakramente,weil er einst gegen

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ein sodomitisches Vorstandsmitglied der SKVP vor Gericht ausgesagt hat (13.125.6.29).

Generell verbindet die NZZ über den hier behandelten Zeitraum hinaus eine enge Loyalität mit den liberalen Minderheiten in den einstigen Sonder- bundskantonen und vor allem in Luzern, wo das freisinnige «Luzerner Tag- blatt» direkt Artikel der NZZ abdruckt."Während auf Bundesebene ein bür- gerliches «Bollwerk der nationalen Geschlossenheit» herrscht, bleiben die Kantone «Turnierplätze», «wo der Fechtgang zwischen konservativ und libe- ral» den Kampf gegen die Sozialisten als «Plankengeplänkel erscheinen» lasse (7.18.8.47).In diesem regionalen Bereich sind im Untersuchungszeitraum denn auch die schärfsten Formulierungen gegen die SKVP zu finden, «eine macht- hungrige und in sozialpolitischen Fragen reaktionäre Partei», die im Wahl- kampf den ganzen Regierungsapparat, die konservative Beamtenschaft und die «kräftige Unterstützung der Geistlichkeit» mobilisiere, um die Gegner mit

«Verdrehungen und Unrichtigkeiten grober Natur» zu diskreditieren: mit Dro- hungen vor einem «Linksblock» aus FDP und SP ebenso wie mit dem ewigen

«Gespenst der Religionsgefahr»(6.17.110.5.27).Noch 1947 beklagen die Luzer- ner Freisinnigen «übelste Verunglimpfungen» und die «leider nicht unge- wohnte» Praxis der Geistlichkeit, den Wahlkampf hinter den Kulissen zu be- einflussen (12.5.47).

Sachlich, allerdings meist nur mit Agenturberichten wird über die schwei- zerischen Katholikentage informiert, Zeichen konfessioneller Unduldsamkeit jedoch werden aufmerksam notiert.I" Das Treffen von 1924 im protestanti- schen Basel rechtfertige die «Besorgnis weiter Kreise» über die Fortschritte des Katholizismus nicht, denn die konservativen Bundesräte seien verantwortungs- bewusste «erste Diener des Staates». Deswegen solle aber Jean Marie Musy auch nicht rhetorisch beklagen, dass Katholiken «Schweizer zweiter Ordnung»

seien, was er ja selbst widerlege (17.8.24). Am Luzerner Katholikentag von 1927 wird die «nötige Aufmerksamkeit» auf die Äusserungen von Weihbischof Antonius Gisler von Chur gerichtet, der die «Katholische Aktion» gegen die französische Revolution und ihre Enkel mobilisiere, gegen das «neue, mindere Heidentum», und damit den unablässigen Kampf gegen den Liberalismus pre- dige (11.9.29). Und in Fribourg, am Katholikentag von 1935, wird der Verkauf der NZZ verboten- weil ein einziger Verkäufer die «Ordnung in den Strassen hätte stören können» (5.9.35). '

Je grösser die nationalsozialistische Bedrohung wird, desto weniger rührt man jedoch am konfessionellen Frieden. Zwischen den Kirchen zeigt sich dies in ökumenischen Ansätzen, was der erwähnte Theologe Keller in seiner Rezension der «Discorsi e Panegirici» des soeben gewählten Pius XII. festhält:

«Der Kampf der Kirche mit einer feindlichen heidnischen welt bringt natur- gernäss die Kirchen näher zusammen» (2.4.39;vgl. auch 14.6.42).Unpolemisch ist etwa der historische Artikel von W. K-r. (wohl der Zwingli-Biograph Wal- ter Köhler) über «vierhundert Jahre Jesuitenorden», der begrüsst, dass der Orden sich gewandelt habe und sich vor allem den Wissenschaften widme

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(27.129.9.40).Als 1939 das von den Nazis vertriebene jesuitische Canisianum provisorisch von Innsbruck nach Sitten übersiedelt, empört sich allerdings ein redaktioneller Mitarbeiter

J.

B., dass das Volk vor ein verfassungswidrigesfait accompli gestellt werde: Die äussere Bedrohung dürfe nicht jede Diskussion über Religionsprobleme ersticken, zumal in der Frage dieses herrschsüchtigen

«Kampfordens» weiter «staatliche Religionsfreiheit» gegen «kirchliche Zwän- gerei» stehe (2.1.39,vgl. auch die Einsendungen vom 11. und 26.1.39).

Kaum überraschend ist Georg Thürers ausführliche Würdigung von Bruder Klaus zu dessen 450.Todestag, der in diesen Zeiten der Bedrohung rein poli- tisch als eidgenössischer Einiger gezeichnet wird (21.3.37). Im Umfeld der Kanonisierung präsentiert ein Gastautor H. G. P. Niklaus von Flüe in drei ganzseitigen Artikeln ebenfalls als «Mittler» und «Patrioten», der ein Pro- gramm von Frieden und Neutralität vorgezeichnet habe.Früher hätten die Alt- gläubigen ob des Heiligenkults und Wunderglaubens die politische Leistung des Einsiedlers beinahe vergessen; gerade deswegen sei er bei den Protestan- ten stets verehrt worden (11.113.115.5.47). Die eigentliche Kanonisierung im Petersdom beschreibt der Korrespondent als «würdige Feier» mit einer «Reihe ebenso merkwürdiger wie wirkungsvoller Zeremonien» (11./16.5.47, vgl. auch 29.7.42,4.112.5.44).

Bezeichnenderweise zerbröckelt der politische Burgfriede auch hinsichtlich der konfessionellen Fragen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs.11 «Geheime Pläne des schweizerischen Katholizismus zur ausgeklügelten Eroberung der protestantischen Majorität» beschäftigen die Phantasie mancher, wenn auch keineswegs aller Reformierter. Differenzierte Kommentare zu solchen Warn- rufen zeichnet in der NZZ seit 1942 Ernst Bieri, der reformierte Theologie studiert hat und damit solide Fachkenntnisse in die Redaktion einbringt, der er ab 1947 fest angehört. Die «Übertreibungen und unbewiesenen Behauptun- gen» des Leiters des Evangelischen Pressediensts, Arthur Frey12, überzeugen ihn ebenso wenig wie die «biedermännisch-harmlosanmutenden» historischen Simplifizierungen des - zu diesem Zeitpunkt - Bündner Demokraten Paul Schmid-Ammann.P Dessen Polemik gegen die «verhängnisvolle konservativ- rechtsfreisinnige Bürgerblockpolitib stilisiere eine «Katholikengefahr» nur zum dreisten Zweck, «alle Nichtkatholiken zur Flucht in die Burg der Links- front zu verpflichten» (21.4.46). 1948 setzt sich Bieri erneut mit Frey auseinan- der, dessen «Katholizismus im Angriff» im selben Jahr erschienen ist und behauptet, die konfessionellen Spannungen im Lande nähmen zu, weil die

«Alleinherrschaft der alleinseligmachenden Kirche und die Rekatholisierung der Schweiz» angestrebt würden.Tatsächlich, so Bieris Analyse, fühlten sich viele Katholiken bei einer «sorgfältigen <Gliederung> des Staates und der Wirt- schaft» wohler als in der «liberalistischen Unordnung», und wesensgemäss an- erkenne ihre Kirche nicht die «Gleichberechtigung mehrerer Standpunkte auf kulturellem und politischem Gebiet». Aber für prinzipielles Misstrauen oder eine reformierte Abwehrfront gibt es laut Bieri keinen Anlass; die dominante liberale Gesinnung habe es ermöglicht, den konfessionellen Hader zu über-

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win de n,sodassdieProtestanten auf man chmal übe reifriges Geb aren nichtmit ana loge n Massnahmen zu reagieren brau chten (25.7.48).DierichtigeAntwort auf den unbestritten syste ma tisch geführten Machtkampf,den Gewi ssen sterror und die Abgren zungssucht von Katholisch-Kon ser vativen bestehe nicht in eine r konfession ellen , evangelische n, sondern in einer politisch en , liberalen Par tei - sie allein bleib e auc h dann liberal, wenn sie die Meh rh eit ste lle (8.8.47).Entspr ech end werde n im Nam en der freihei tlic he n Moderne auch die konfession ell en Ausnahmeartikel nach eine r umstritten en Red e des kon ser- vativen Bundespr äsidentenEnrico Celio entschie de nvertei dig t:«D iedogm ati- sche n Grundlagen der katho lische n Kirch etendier en - niema nd kann esleu g- nen - aufeine auto ritäreStaatsfü hru ng hin»(3.8.4 8).

Auf theologisch erEben e wird die Dogm ati sierung derleiblich en Himmel- fahrt Mariä von viele n Protestanten als neu e Vertiefung desRisses zwische n den Konfessionen empfunde n und kontrover s diskutiert (vgl. 31.10. und 9.1 19.122.124.11.50).Umgek ehrt emp finde tesin Zür ich die durch Zuwand erung ste tswachse nde Zahl der Römisch-Kath olisch en alsimmer fragwürdiger,dass sie als Steu er zahl er die refor m ierte und - in der Stadt - die christk atholisch e Landeskirchemittragen müssen.Am 22. Oktob er 1950 forde rt der spä te re Ge- neralvikarAlfred Teob aldi am Zürcher Katholikentag die öffentlich re ch tliche Anerkennung der katholi sch en Kirch e im ganze n Kanton . Die damit einse t- zende und durchden Streitum in Zürich wirke nde Jesuiten inte nsivie rte De- batt e wird bei derNZZvon Bieri geführ t.Diekatholisch en «Neuen Zürcher Nachrichten» reagier en mit eine r ähnliche n Artikelreihe, die ebenso wie die Beiträgeder NZZals Separatum gedru ckt ersche int. 141963 bewilligt dasZür- che r Volk klar ein neu esKirchen gesetz, dasdie katho lische Kirch e alsöffen t- lichrechtli ch e Körp er sch aft anerkennt; Bieri engag iert sich als Redaktor und Politiker star kfür die Vorl age.Die weitgehe nde Nor m alisierungderinterkon- fession ellen Bezi ehungen erfolgtauf nation alerEben ein der Volk sab stimmung von 1973,als dieAusnahmeartikelin der Bundesverfassunggestrich en werd en.

Auch diese Thematik ko mmentiert Bieri, wobei er zuerst die anac hro nisti- sche n Artikel als Barri ere gegen «konfessionelle Übergriffe» beibe ha lte n will (30. 5.54), sich abe r später gegen dasJesuiten verbot aussp richt.15Gleichwo hl lehnt Zürich ,mit viereinhalbweite ren Ständen,dieAufhebungderAusnahme- artikel mit Parolen wie «Jesus ja- Jesuiten nein»ab.

VERT RE TE R DER KATHOLI SCH E N GEIS TESWE LT

Der PriesterHeinrich Fed erer (1866-1928)istnichtnur Verfasser liter ari sch er Werk e und ein er Biographieüber Niklau svon Flüe, sonde rn au ch viel er Zei- tungsartikel. Die meisten ersche ine nin katholisch en Periodika, abe r insgesamt 21 Artikelab 1916 auc h in der NZZ.Bei alle r Lieb e gera dezum ItalienFran z von Assisis forde rt Fed er er gegen das ratio nale, abstrakte Weltbürgertum die .konkret e, emo tio na le Ver wurzelung in der «trauliche n Gemein sch aft desBlu- tes» und «im wahr en Scholl eng eruch mein es alema nn ische n Ursprungs und

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Geha bens» (2 8.129.10.2 3). Der - katholische - Feuillet on-Redaktor Eduard Ko rro di berück sichtigteden ebenverstorbenen Fed erer in seiner Text au swahl

«Ge isteserbe der Schweiz » (192 8), wo er «Zwe i Pred igt en » aus dem Roman

«Berge und Men sch en » «in ihrervat erl ändisch enHaltung»neb endieRed edes jungen Hedi ger in Kellers «Fähnlein dersiebe n Aufrech ten» ste llt - alsSinn- bild von eidgenössischer «Minne un d Eintracht». Im Nachruf erklärt Ko rro di Feder er denn auc h zum notwendigen «katholischen Kontrapunkt» zu Kell er und verkündet, die gan ze Schweiz werd eum den «liebe n Dichter, gute n Geist undgrosse n Verklarer der Heimat »trau ern (30.4.2 8).16

Umstritten er ist bis heute Gonzague de Reyn old (1880-1970), der 192 0 mit eine m Art ikel über Bau delaire in der NZZ debüti ert hat und fortan als

«na he stehe nden) Auto r wiederho lt dortpubliziert (27.10.29,21.7.34,30.8.34 ; vgl. 23.3.29).17 Am 20. Oktob er 1929 bespricht Ret o Caratsch respektvo ll Reyn old s «Democratie et la Suisse»,bemän geltaber die inkonsequ enteKritik an der direkte n Demokr atie, die durchau sföderalistisch,«ko nse rva tiv undanti- eta tistisch»sei - gan zande rsals das«von de R. hoch eingeschä tz te fascistische Italien». Dennochsp ürt Caratsch eine n «Anhauch von Liberalismus»im Buch, das der freisin nige Bundesarch ivar Alfred Rufer gleich ze itig als «klerikal-fas-

cistisch» cha rakterisiert.Im darauf entbre nne n de n Skandal um ReynoldsBer- ner Lehrstuhl spricht sich Caratsch gegen ein «Sche rbe nge richt» un d eine n neuen «Stra ussenhande l» aus; mit Reynolds Ideen müsse man sich geistig ause inande rsetzen und nichtdurc hEntz ug der Leh rbefu gn is(16.5.110.8.30).In diese m Sinnist der Freiburger in derJubiläu m sau sgab e «150 JahreNZZ» vom 12.Janu ar 1930 als Vertret er der Romandie präsent: Bei alle r Sympathie hält Herman n Weilenmann Reynold vor, er suc he in seinem jüngsten Werk die Wurzelnder Schweiz undfinde,hinter den Wer ten Föd er alismus,Lan desver- teidigung, Fam ilie und Christe n tu m, diejenigen eines, seines Kanton s: Fri- bourg,dessen Realit ät er zum Bild des ganzen Lan desverkl äre.

Ein andere r Rez en sent (Hh.)preist 1934 die dritte, über arb eit et e Auflage von Reynold s um strittener «Dernocratie» eupho risch und ist faszin iert vom unzeitgem ässen und «im mer begeisterten Sachwalte r unve rlierba ren gemei- neidgenössische n Erbes»,der im Auslan d das schwei ze rische Ansehen mehre: Die «kleine n Gewalttätigke iten und kuriosen Vorurteil e» im Buch verschw in- den hinter der Absage von Autor - und Rez ens ent - an den «lee rlaufende n

«lemocratis me:», an die «po pularitätshasche rische, woh lfahrtsstaa tliche und pazi fistisch eRegierun gsweise », an die «lang geübte Verh errl ichungderMitt el- mässigk eit , den Missbrau ch der Freiheit in manc he r platten Kopp elung, die Herr sch aft von Unbe rufen en und Un zu ständigen auf Kosten einer Auslese»

(9.9.34) . Am 14.Oktob er 1934 erscheint ein Vorabdruck au s Reynolds Bro- schüre «D ie Schweiz im Kam pfum ihreExistenz»:Der Aristokrat wette rt ge- gen die Fran zösisch e Revoluti on undruftdazu auf, die «wesen tliche Idee » des eigene n Lan desim notwen digen Wandelzu verwirkliche n, ohne dem Mythos zu verfalle n, der «das gan ze Werk des Nati on alsozialismus zu verde rben»

drohe.Gleichsam alsebe nsosanfte wieklareKor rekturliest sich MaxRychn ers 129

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Besprechungderselb en Broschüre,die am 30. Dezem ber eine Titelseite füllt:

«Der Kampfum dieSchweiz».Nicht ohne Anerkennungfür «unseren Polemi- ken> und den hellsichtigen ProvocateurnenntRychn er doch dessen Anliegen beimNam en: Föd er alismus,Korp or ativismu s,Antiliberali smus, Aristo-Dem o- kratie,Autorität.Ein VortragReynolds an der ETH,wo er Anfang 1936 fürdie

«mo ralische Sanierung»des Land es plädiert, ist auch für den Beri cht erstatt er bg.Anlasszu einer ebensosubtilenwie deutlichen Distanzi erung: Denstarke n Beifall der Zuhörerschaft kontrastiert er mit dem «Schweigen jen er vereh rte n Häupter und Dien er am akade mische n Wort, die ein Leben und ein Leben s- werk den humanistischen Idealen, dem Ged eihen der Dem okratie und der Bewahrung und Rein erhaltung ihrer Prinzipien gewidme t haben und noch widmen» (29.1.1936;vgl. 26.5.39).

Der klareBruch der NZZ mit Reynold erfolgt in der bekannten Debatt e von Anfang 1941, 18als Reyn old im Zeichen desAntib olschewi smu s den Ver- zicht aufdie Neutralität fordert und vom Gen fer Korrespondenten G. L.als

«Defa itist» bezeichn et wird , dessen inne res Verhältni s «zu der Schwe iz von heute» lose geworde n sei (6.114.129.1.1941; vgl. Reyn old s Replik am 7.2.41).

DieseHaltungteilt auch Jakob Welti,als er dieZürcher Aufführungvon Rey- nolds «La Cite sur la montagne » rezensi ert: Der politi sch-konfession elle Aussenseit er ste lle Heiligenverehrung und «Respe kt vor der Autorität des anc ien regim e» über die «gemeineidgenössischen Satzungen» von 1848, was nicht als «Ausdruck zeit genössischen schweizerischen Empfinde ns» begrü sst werde n könne.Eben so wenig sieht Welti in dem von «Heer und Haus»und Gen eral Guisan prop agierten Theaterstü ck eine «Bo tschaft der Armee an das SchweizerVolk», «de nn unsereArmeeistdasVolk ,und diesesVolkdenktnicht sowie HerrdeReynold »(17.2.41).

DasSpannungsverhältni szwischen eine m überko nfessione llen Patri oti smu s und eine m vorübergehe nd verunsiche rte n liber alen Bek enntniszum Bundes- staat von 184 8 zeigt sich auch in anderen Rezen sion en. Die Rückführung akt ue ller, insbesondere beru fsständ ischer Ordnungsvor stellungen aufeine pos- tulierte ch ristliche Natur des Men schen ,wie sie Richard Gutzwiller in «Die Katholiken und die Schweiz» ausführt, überzeugt Sdt. wed er in der theor eti- schen nochin der histori schenBegründung, so dass er dem politi schen Kath o- lizismu s eine n Anwalt wünsch t,der «wenige r unbed enklich <Umsichschlägt)>>

(~.1.36; zu Gutzwiller auch 12.7.33 über «Fronten und Kath olizi smu s»).Auch die gegenre forma to rische Einseitigkeit Theod or Schweglers in seiner «Ge- schi~hte der kath olischen Kirche derSchweiz»mache diesen nicht zum Weg- bereiter desnotwendigen konfession ellen Fried en s, «de rallein auf der Grund- lagegegen seitigerAchtung von Dauer sein kann»(26.9.37). Dagegen beurteilt G.C. L.Schmidt Oskar Bauhofers «Eidgenosse nschaft, Selb stbehauptungund Bew ährung» alsgeha ltvo lles Werk einesjunge n Kath oliken ,der den Ursprung der aktue llen «to talitäre n Tend en zen»im «De mo kra tism us» des19.Jh.verorte.

Mit Bauh ofer warn t der Rez en sentdavor,diein den christliche n Kosmos ein- gebunde ne Eidgen ossen schaft «mit der Dem okratie und den liber alen Errun-

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genschafcen» zu verwechseln; man müsse sie «nicht wegen einer Ideologie, sonde rn um ihrer selbst willen»bejahe n, alsgemeinsamer Wille, eine Recht s- ordnu ng in Freih eit zu bewah ren. Bauhofers prakt ische Reform vorschläge überz eu gen Schm idt weni ger, doch übernimmt er dessen Lob für den «weit- sichtigen» Philipp Anton von Segesser ebenso wie die Forderung,dasschwei- zerische Staatsbewu sstsein durch eine Rückbesinnung auf den chr istliche n Glaube n und eine christliche Ver fassun gsrevision zu stär ke n (25.7.39; vgl.

8.12.37 zu Segessers «G rösseundScharfb lick»).

SCHWE I ZER ISC HE BUNDESPO LI T I K

Mit dem Ende desErsten Weltkriegs und dem Übergangzum Prop orzwahl- recht verlier t der Freisinn 1919 schlagar tigseine abso lute Meh rh eit im Nati o- nalrat, währe nd die erst 1912 als Partei kon stitu iert en Kath olisch-Kon servati- ven sich in beiden Kammern gu t behaupte n könne n und eine n zweiten Sitz im Bundesrat erhal te n . Auch die Wiedererri chtungder päpstlich en Nuntiatur ist eine liber ale Kon zession , die nach dem Land esstre ik den antisoz ialistische n Bürgerblockzusammen schw eissen soll. Auf die entspreche nde, überr aschende Meldung folgt in der NZZ ein sachlicher Artikel, in dem die Gründe für die Aufhebungder Nuntiatur währe nd desKulturkamp fshistorischdargel egt und die Wiederannäherung «nur referierend» geschilde rt wird. 19Angesicht s des vorherrsche nde n Gleich m utsunter Reformiert enund gegen einzelne - leise- Befürchtungen meint die NZZ, dass die kon fession ellen Streit fragen der Gegenreformation und des 19.Jahrhunderts im mod ernen Sozialstaatana chro - nistisch seien (22.123.6.,4.118.7.,12.117.8., 8.19.11.20).

Die grundsätzlich positive Einschätzung der schwei zer ische n Kath olisch- Kon servativen zeigt sich wie erwähn t nicht in der kanton alen Bericht erstat- tung,dafür um so stärke rund loyaler auf Bundeseb en e.Giuseppe Motta wird scho nbei seine r Wahlmit «grossen Hoffnun gen»präsentiert(14.12.11) und bei der fünft en Wahl zu m Bundespräsidenten lob t man «einenStaatsmann erster Auslese und eine n Men schen von unersch ütterlich em Glaub e an das Gute».

Ausdrücklich aus freisinniger Sicht wird bet ont, «wie unsagbar viel gu te n Geist»der Kath olisch-Kon servative «in die dem Part eil eben en trüc kte n höh e- ren pflicht en der nation alen Zusammen arb eit mitgebracht hat»(17.12.36,vgl.

auch 18.12.31). Entsp rechendkategorischwidersetztsich die NZZ eine r «poli- tischen Exekution»desAussenministers, wenn dieSP jeweilsmit Hinweis auf Mottas fehl ende Distanz zu Mussolini und Franeo seinen Rücktritt ford ert.

Sanfte Kritikrichtet sichallenfallsgegen dieTendenz ,dieAussenp olitik als Ge- heimsphäre der Regierungzu betrachten, zumaldie Redaktion etwa während der Septemberkri se 1938 Mottas Optimismu s nicht länger teilt (29.8.119.

10.110.11.37, 19.2.111.10.38).Am 23.Januar 194 0 gede nkt die NZZ graphisch völlig aussergewö hn lich aufeine r ganzen,schwarz umrahmten Titelseit e des versto rbe ne n Magistraten: Sehr einfü hlend wird Mottas «Fehlurteil» geschil- dert,der aneine n neu en Kriegnicht habe glaube nwollen und demdarob sein

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Herz gebrochen sei, nachdem er noch vor kur zem heftig reagiert habe, wenn

«patrio tische Mahner auf die dro he nde n Gefahren in - wie er meinte - über- treibende r Weise hindeutet en». Sein e Aussenp olitik sei etwas volksfern ge- wesen,abe r richtig «im Grundsatz und in denErgebnissen ,wenn auch nicht in jeder ihrer Formen und Äusserungen»; auf jeden Fall abe r «vo n der tiefen Sor ge um Land und Volk eingegeben». Der «feinge bilde te, temp aram enrv oll e.

Staatsm ann wirdgewürdigt alseine der «stärkste n geistigen Pot en zen schwei- zerischer Staatsführungin den letztenJahrzeh nt en», «ein Grosser desLand es) und «eidgenössischerMittl er», der «edelste Bür gertugenden» verkörpert habe (23.1.,vgl.auch 26.1.40).

Trotz ein er gewissen konfession ellen Enge wirdauch Jean MarieMusy bei seiner Wahl in den Bundesrat von Augu st Welti warm präsentiert (12.12.19, 12.12.24). Bei Musys aufwühlen de m Rücktritt wird festgeh alten , dass der

«ho chbega bte» und verdiens treiche Musy an den in beid e Richtungen extre- men Urt eilen über seine Person mit schuldig sei,vor allem wegen seines «un- versöhn liche n Antagoni smus»gegenüber dem Koll egen Schulthess, aberauch wegen eines Amtsm issbrau chs,der in diesenTagen akt ue ll wird (17.120.3.34) . Der Nachrufam 23.April 1952 wird nicht nur die «he ftige, zum Autoritären neigende, gleichzeitigspru ng hafte Art Musysi erwä h nen, sonde rn auch seine

«me rkwü rdigen Reisen nach Vichy und in das nation alsozi alistische Deutsch- land».MusysNachfolger Philipp Etter wird als«entschiedener Verfechter der kath olische n Sache) vorgeste llt, aber mit etwas Neid auch alsein «Mann,der den Freisinnigen in dem wichtige n Augenblicke fehlte), nämli ch ein jugen d- licher Nachfolger für einen zur ückge trete ne n Bundesrat (25.128.3.34). Als

«H üter unverg änglich er Werte»,der mit seinen Reden von 1939 ein «vate r- ländis ches Brevier »verfa sst habe, zeichnet ihn ein Vierteljahrhundert später die Würdigungbeim Rücktritt (26.3.59,vgl. auch den Nachrufvom 27.12.77).

Die wich tigste inte llekt ue lle und politi sche Herausforderung katholisch- kon servativer Proveni en z ist in den wirtschaftliche n Krisenjahren nach 1929 der Korporativismus, wieihn Piu sXI. am 15. Mai 1931 in derEnzyklika «Q ua- dragesim o anno» in scha rfer Abgen zung zur sozialistisch-kollektivistische n und zur lib eral en, «in dividualistische n Wirtschaftsweise r vertritt. Bei aller

«achtu ngsvollen Anerkennung) für das allge me ine, sozialpo litische Anliegen des Rundschreib en s übersieht die NZZ diese Stossrichtung nicht (31.5.31, vgl. 7.6.31). 20Der korporative Regelungsbed arfund die auto no me Preis- und Lohnbestimmungmüssten zur einer«Er tö tung desVeran tw ortlichkeit sgefühls undaller schö pfer ische n Energien führen»,Ertragsrückgän geundsoziale Kon- flikte wären die Folg e (27.6.33). Gleichwohl erhält der SKVP-Nati on alratKarl Wick Raum für seine wichtigsten Postul ate, die er in ihrer dem okratischen Ausrichtung von italienischen und deutsch en Bemühungenklar unterschi ed en haben will: Mitarb eit der Berufsverb änd e im Staat,Ausgleich der wirtschaft- lichen Gegensätze durch Verträge und Vereinb arungen, Aufsichtsrecht des StaatesüberdieWirtschaft,OrdnungderKonkurren z.(9.8.33 ,vgl.18.4 .34 und 2.10.34). Korpor ative Regelungen wünsch t sich au ch der Präsid en t des Ge-

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werbeverbands un d freisinnige St. GallerNation alratAugustSchirm er,der eine

«gew isse Abkehr vom wirtschaftliche n Liber alismus) als Gebo t der Zeit an- sieht (23.10.34) . In den übri gen Beiträgen zum Them a, die sich im zwei te n Halbjahr 1934 häu fen , wird jed och vor den fatalen Folgen korp orativer Re- gelu ngen für die Exportindu stri e ebenso gewarnt (17.8.126.10.34) wie vor der Übertragung gesetz geb eri scher Komp et enzen auf die Berufsverb änd e. Aus

«sozialpazifistischen Illusion en» würde n diese so zu «M itrege nte n» ohne de- mokra tische Legiti m ation,was wie in Österr eich zu einerDikta tur ausz ua rte n droh e(24.6.118.10.122.11.34und 17.4.35 ). 21

Die korpo rativistische Ideologie wird zuseh ends als «Kern punkt) eine r Tot alrevision derBundesverfassung aufgefasst (30. 8.35), wie sie von den Fron- tisten ausgegange n ist, abe r als Initiative erst durch die Sammeltäti gkeit der SKVP den Durchbruch schafft.22Willy Bret scher wendet sich nicht nur als Che fre dakto r,sondern auch auf dem Zürcher FDP-Part eit ag entschie de n ge- gen ein unklaresRevision sbegehr en in gefahrvoller Zeit,doch wird in der Zei- tung auchjunglibe ralen und - «im Interesse eine r gesam tbü rge rlic he nAbklä- rungder Problem e) - kath olisch-kon servativ en Anhän gern der Vorl ageRaum überl assen .So verständnisvoll die in der Revision sfrage an de rsgesinnte n bür- gerliche n Gruppierungen beh andeltwerd en, so massiv ist die Polemik gegen das«marxistische Politbüro »der - wie die FDP - revision sfeindlichen SP,da diesedieBefürw ortetpau schal als Faschisten ang reife (26.8.und2.13.18.9.35) . Die Ausein and ersetzungmit dem konservativen Gedank en gut wird vor allem durch exte rne Zusend er geführt: Der erwähnte Arthur Frey erinnert unter Verw eis au f Öste rreich an den kath olischen «Totalitätsanspru chr und sieht in der Verfassun gsrevision vor allem dasVeh ikel, um die konfession ellen Artikel zuelim iniere n. Freys ebe nfallsscho n genannte r Leh rer,der StaatsrechtIer Flei- ner, warn t vor weit eren katholisch en Zielen: Bundesgaranti e für die Kirchen, konfessionelle Privatschulen und Friedhöfe, konfession elles Eher echt als OptionderKant on e.Auchdie Red aktionder NZZsp rich tsich klargegenden konkreti sierten «Prei burge r Ver fassun gsentwu rfe der Katholisch-Kon servati- ven aus der den kanton alen Partikulari smus wiede r auflebe n lasse und den konfe ssion ellen Fried en im öffentliche n Leb en gefährde (28.8. und 1./2 .1 5.16.9.35) . Der Korpor ativi smus selbst spielt in diesen liber alen Stellungnah- men also kein e entscheide nde Rolle, wirdjedo ch in eine rseparate n Zuschrift

«von eine m Volk sw irtsch afte n> krit isiert (3.9 .3 5).

Die zweite Volksabstimmung, in der sich historisch betrachtet die Gegn er und die Erbe nvon 1789 und 1798 gegenü bers te he n, istdie sogena nnte Fonj al- laz-Initiative gegen die Freim aur er,die am 28.November 1937 dem Volk vor- gele gt wird ,wob ei die SKVP Stimmfreigabe beschlie sst.P Die Initiative wird in der NZZ von

J.

Brosi alsein Produkt des «Na tiona lsoz ialism us schwei ze- rischer Prägun g) vorges te llt, der reichli ch dumpf und dürftig dem deutsch en Beispiel nacheifer e; dagegen hätt en die Ideale der Freimaur er : Duldsamkeit, Freihe it, Men schlichkeit auch für diejenigen Gültig kei t, die Logenr itu ale ab- lehnten. Ihrem Wesen nach beruhe die Freim aurerei auf dem okratischer

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Grundlage und befinde sich in diam etralem Gegen satz zu Diktatur und De- spotie (10.111.11.37). Ihr «historische r Gegner » sei dabei der Kath olizi smus , hält der ehe malige Logenbruder C. T. fest, doch die Kirch e selbst habe ein Interesse daran, dass «eidge nössische Hitler imitatoren» nicht das in teg rative Feindbild der freim au ererischen Geh eimrnacht zerstörten (14.11.37). Es gehe nicht um ein Bek enntnis zu r überl ebt en und unpopulären Freimaur erei , son- dern zu fundam entalen Freih eit srechten, die spä te r auch ande ren Minderhei- ten abgespro che n werden könnten .Was geschah nichtin Italien ,der «geistige n Heimatder Fonj allazze»? «Katho like n und Freim aurerfeind e wärm ten sichan dem Feu er chen , dasdie Freimaurer verbrann te, und merkten nicht , dass die Reihe bald an sie kommen würde) (17.11.37). Der Sonntagskommentar vom 21. November, eine Woche vorder Abstimmung,them atisiertkonkret «Katho- lizismu s und Freim aur erinitiative»: Den Stellungnahmen der kon servativen Part eiführer hätt e statt der Stimmfreigabeund trotz den psychologischenBar- rieren eher ein «blankes Nein» der SKVP gegen eine Initiative entsp roche n, die eine n «Verrat schwe izerische r Gesinnung» bed eute (28.11.37, vgl. auch 23.124.11.37).Der Siegmit 513000 Nein gegen 232000Ja (die «zu m gering- sten Teil aus fascistischer ode r frontistischer Neigung» stam m te n) ste lle kein Votum für die Freimaurer dar,sondern eine «dem okra tische Crundwelle»und

«geradezuvern ich tende) Niederlagefür die Verkünder «demokratie- und da- mit staatsfeindliche r fremder Ideologien».Beson der e Genug tuung wecke das

«Mass von Einsicht, Disziplin und staats bürge rliche m Empfinden), das die

«katho lische n Miteid gen ossen»bewi esen hätt en (29.11./3.12.37). AUSSENPO LI T ISC HE KO MM E N T AR E

Mit grossemBedauern vermeldetdie NZZ im Januar 1922,dass «der Papstdes Weltkriegs) versto rbe n ist,dertolerante,friedli eb ende, besonne ne undrealisti- sche Ben ediktXY.,der sich so wohltue nd vom «intrigieren de n Imperialism us eines LeosXIII. und dem naiv-intransigenten Fanatismu smittelalterlicherPrä- gung eines Pius' X.) unter schi ed en habe (23.125.1.22). In PiusXL,Achille Ratti ,wirdein frank ophiler Vertret erder «versöhnliche n Richtung»in derTra- dition Ben ed ikt s begrüsst, von dem die Verständigung mit dem italie nische n

~taat erho fft werd en könne (6.17.18.2.22,vgl.auch 30.12.2 9). Dass grundsätz- liehe, aber moderatformulierteMeinungsunterschiede auch zum neu en Papst besteh en , beweist etwa der Kommentar über die Ende 1925 erlassene Enzy- klika «C hristus Rex», die den «Laizism us) für alle «sozialen Übel und die Zwiet racht zwi schen denVölkern» veran two rtlich mache- ein Laizismu s, «der nichts anderes istals der mod erne Liber alismus).Dem werde eine mittelalter- liche Theokrati e gegen übe rges te llt, den n der Papst ford ere im Geri cht s- und Unterrichtswesen let ztlich nichtsande res als kuriale Sou ver änität über unter- geordne te Staaten (12.1.26).AufUnter wer fun gdes Staatsbürgers unter die Kir- che und der ande ren christlichen Konfe ssion en unter den Stuhl Petri laufezu- mal in Europ a die päpstlich e Lehre hinaus, was die Enzyklika «Mortalium

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animos. einma l mehrbeweise(15.1.28; vgl.auch 24.7.27:«Amerikanism us und Katholizismu s)).

In denAugen desRom-Korre spondenten RobertHodel hatsichMussolini , der von einer «Staatsreligion» als «wunderbarem Prop agandamittel» seines Imper ialismus träume, schon früh als «une rmü dliche r Werb er um die Gunst desVatik ans) und alsungewohnt nachgiebig erwiesen, wo essich um konfes- sione lle Schulen, den Religion sunterricht, Kruzifixe in der Schule, die Ehe- sche idungode r dasVerhältni s zur Freim aur er eihandelte (19.6.23).24Auch die Lösun gder im me rwiede r them atisierten«Römischen Frage) rückt näh er, wo- mit die Kurie die «eigenartige moralische Stellungpreisgeben» würde,«die ihr dieFiktion derGefangenschaftbereitethat »;ein enerheblichen Prestigegewinn bed eute ein Übereinkommen dagegen für Mussolini (21.10.26, vgl. 1./5.2.22) . Allerdingsbesteh e neb en sachliche n Differenzen der unauflösb are Gegen satz zwischen «alleinseligma chende r Suprematie des Staates» und «katho lische r Universalität) weiter, und ein schlimmer Konfliktzwischen faschistisch erund

«klerikaler Starrköpfigkein könne nicht ausgeschlossen werde n (6.3.27, vgl.

25.127.10.27). Doch am8.Februar 1929verkünde teinseite nfüllende r Leit arti- kel: «D er neu e Kirchenstaat ). Was, ausse r dem Lin sengericht eine r bet rächt- lichen Abgeltung, habe den Papst zum Nachgeben veranlasst, das ihm den - franz ösischen - Vor wurf ein trage,er sei nun «Hofkaplan» des Diktator s?Das Konkordat räume mit der «gesam ten liberalen Gesetz gebung in der kirch- lichen Materie in Italien» auf - in ihrem Antiliber alismus hätt en sich Fa- schism us und Klerikalismus gefunde n. Mussolini habe nunmehr die letzte möglich einnere Opposition ausgeschalte t und für dieAussenp olitik die wich- tige Unterstü tzung der römischen Kirche erlang t; in eine m golde ne n Käfig halte sie der Faschist gefangen, der im Katholizismu snur dasver ehre,wasdie- ser «als Erbstück vom heidnischen Rom übernommen hat) (8.117.119.120.2., 24.3. und16.124.5.29).

Eben sobegren ztwieMussolini sLiebezum Katholiz ismu s seiabe rauch die päpstlich e Unter stützungfür den Faschismus;im Sinn ihre r auf die Ewi gkeit ausgerichtete n Mission würde die Kurie mit dem Teufel und jed er weltlichen Ideol ogie paktieren , wenn der Kirche damit gedien t wäre - so sei selbst ein katho lische r Politik er wie Don Luigi Sturzo «auf dem Altar Mussolinis ge- opfert»worde n. Im Duce ste he dem Papst abe r nuneingleichermassen unfehl - barer, verg öttli chter und im «Gru ndsatz der Ausschliesslichkeio absolutisti- scher Sou verän gegenüber.Mussolini sReligion sei jed och der vom Papst ver- absche ute Nation alismus - punktuelle politische Zusammenarb eit zwischen ihne n könne es gebe n,wahre Achtung ode r gar Freundschaftjedochnicht,da sich diebeanspruchten weltliche n und kirchlichen Sphärennichtreinscheide n liessen (14.12.30, 2.13.6.31). Das katho lische Ver ein swesen um die «Azione Catt olica»führe ebe nso zu Konflikten wiedie Enzyklika «übe r die christliche Erziehung der Jugend», die eine der «Ha uptursa che n der ständige n Konflikte der Kirche mit den zivilisierten Staaten bildet ). Ganz besonders forder e die Lehrschrift aber den Faschismusherau s,da sievor der «sog.physischenErzie-

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hung» warne, sofern sie in eine m übertrieben en , falsche n und krieger ischen Nation alismu sden Geistder Gewaltsamkeit vermittle (14.1.30). Ineine m Leit- artikelwird dieVer antwortungfürdiedurch «Q uadragesimoanno» verschärft e Krise zu eine m erhe bliche n Teildem «eige nw illige n Greis auf dem Heiligen Stuhle»zugeschrieben ,der zuspä terkannt hab e,dassMussolini ausden Later - anverträgen erheblich mehr Prestige als die Kirche Einfluss gewonne n habe:

Der «heidnische n Staatsver götzung» sei mit der übertreib enden Red e von

«Kirche nverfolgung» nichtbeizukommen.Nichtnur dieFaschisten , auchjeder liber ale Staat sei mit dem päpstlich en Herrschaftsan spruch kon frontiert ge- wesen , sofern er «seine Schule nicht dem EinflussdesKleru svöllig ausliefern wollte) (8.7.31).Gleichwohl bleib edas religiöse Bek enntnisdas ein zige Gebiet, auf dem die persönl iche Freiheit noch gelte . So hält Hodel zum 7. Jahr estag desKonkordats fest, dassjeglich er Konfliktstoff verschw unde nsei: Die Kirche bestreite «das RechtdesStaates auf den Nachwuch s) nicht grundsätzl ich, und Mussolini förd er e den Katholizismus als Volk straditi on, Sitte und Brauch,um dieItalien er zueinigen (21.2.36 ,vgl. 30.10.32).

Der Vatikan sei nunm eh r mit dem Faschismu s so eng verbunde n, dass er sich in Abessinien in der «offenkundige n Sympathi e) eines morali schen Alli- ierten zum katholisch en Italien bek enne,das gegenein «zwa r nominell christ- liches, abe r tatsächlich barb arisches Land ) käm pfe (17.10.111.11.35, 21.2.36, 4.3.37). Die 1938 gleichwohl erneuerten Spannungen zw isch en Kirche und Staat werde n in der NZZ mit Originalt exten dokumentiert , eine m Leit artikel des «Os servatore Romane: gegen den modernen Militarismu sund einer «be- merk en swerten» Red edesPapstes,die sich gegen dievon Deutschland über- nom m en e Rassenl eh re wende und «an Schärfe kaum überbot en werden»

könne (24.1./31.7.12.8.38). Gleichwohl wird beim Tod von Pius XI. festge- halten, dass man eine «entschiedene Stellungnahme und Kampfan sage des Vatikan s gegen die auto ritäre n und tot alitären System e»nurgewärtigen könne, wennder Nachfolger aussergewö hnliches For mat aufweise (17.2.39).

WieMussolini , so erfahrenauch dieiber isch en Diktatorenin der NZZeine insgesam t wohlwollende Beurteilung. Nach Jahrzehnten der Wirren wird _ trotz Militarismu s und Gewalt - der «überragende, energische und über au s kluge Ministerpräsident Salazar» gepriesen, der Ruhe, Ordnung und Zufrie- denheit geschaffen habe und als «unbedi ng te r Anhän ger der Kirche»auf die Unterstützung aller Katholiken zähl en könne. Sein e neu e Ordnung baue auf der Famil ie,Einheit slistenund einerStänd ekammer auf und verwerfeliber alen I~didividu~lismus, Sozi alismu s,Part eien und Parlam ent- «Einric htunge n, die die Republik ohne Rücksicht auf die besonde rn Bedürfni ssedesLand es übe r- nommen hatte ). Für ein Land ,wo sich niem and nach dem früheren «pseudc - dem okratischen Regim e» zurücksehne, sei denn auch der Begriff «Di ktarun fragwürdig (17.12.31, 18.12.34, 20.2.16.8.35, 11.7.39). Die Rolle der Kirch e ist f~rdieNZZ kein ezentraleDeutungskat egori e, wede r in Portugalnoch in Spa- men, wo Greueltaten gegen Priester erwä hnt,aberkaum kommentiert wer den (11.9.36). Vielmehr ersche int Fran eoals Vertr et er eines neu en,jungenSpanien ,

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derdie «in Traditi on en aller Art gebundene) Kirche nicht wied er in ihre alte Macht stellunginstallier en werde (3.7.38,10.2.17.4.39).

So wenig diese Prophez eiung für Spanien zutrifft, so seh r gilt sie für Deutschland,das vorw iege nd vom erwähnte n Ret o Caratsch in Berlin abge- deckt wird.25 In den Verhandlungen übe r ein Kon kordat werde der Papst wahr scheinl ich wie in Italien nachgeben , diekatholische Zentrumspartei und Bayerns Sonderstellung opfern sowie die katholisch e Aktion entpo litisiere n, zuma l die kath olische Position in Deutschland dennoch stärke r bleibe als die evangel ische (3.111.7.33). Als Frieden sschluss zwi schen zwei Tot alität sprinzi- pien und als grosses Datum der vatikani sch en Diplomati e entsp reche das Reichskonkordat einer Politik der Opportunität, die den politi schen Kath oli- zismu s fallen lasse, um für die rein kirchlichen Interessen wie Orden , Reli- gionsunte rricht, konfession elle Schul en und kano nisches Recht grosse Frei- räume zu schaffen . Der Realpolitiker Hitler habe kein Inter esse an einem Kampfmit der weiter mächtigen römischen Kirche, der- wie die Geschichte lehre - ste ts«zu ungunste n desStaates ausgeschlagen» habe; stattdesse n einige ersich jetzt mit eine r kon servativen «H üte rin desAutoritätsgedank ens»,die als

«mo ralische Stütze»seine Herr schaftsansprü che kon solidi er e und damit bloss die Bew egungdesFussvolk snachvollzi ehe (12.123.7.und 1.11.33).

Dieser Zuversicht stra fen bald Meldungen von Über griffen gegen katho- lische Publik ation en und geistliche Lügen, ebe nso die sensatione lle «Flucht deutscher Protestanten zum Katholizismu s) ,dessen innerl ich gestärkte Front für vieleChristen dieletzte Zuflucht darstelle.Dennes sei nicht,wie von den Nazisbeanstand et , politi sche Einmischung, sondern «Verte idig ung und Not- wehr» ,wenn der Kleru sdasChristentum gegeneineangeb lich überl egen e ger- manische Urreligion rechtfertige (2.2.17.4.34). Dieses von Alfred Rosenberg inspiri erte,letztlichneuheidnische «positive Christentum»jen seitsvon Kath o- lizismu sund Protestantismu s erörte rt Pd. in zwei ganzseitigen Artikeln :Dieser Selb stb ezeichnung wide rsp räche n die Repr ession und Intoleranz desTot alita- rismu s,dasmit demEvangel ium unvereinbareRassendogma,der Gewalt- und Machtkult und der neu e Recht sbegriff. Die Gläubigen , die zu Opfern und Wider stand ber eit seien, könnten noch gefäh rlich werden für eine n Staat,der eine Min oritätignor ier enzu können glaube (25 .10.34) .Verschieden eBeri cht e über den deutsch en «Kultur karnpf» geh en eine m Artikel voran, in dem die NZZam 21. Juli 1935 «einem schon in derVorkriegszeit bekannten deutschen katho lische n Politiker»mitgute n Nazi-Kontakt en dasWorterte ilt.Dieser ver- mu te t, dassder Vatikan mit seine r tradition ellen Bindung zum Rom an enturn, zu Polen und zu Habsburg dem vordrä nge nden Germa ne nturn begegnen wolle.Gleich arti ge,kampfber eite Streithähnewerd en bei beiden Antagoni sten ausgemacht undin Rosenbergund Kardin alFaulhaberpersonifiziert,währ end

«Rea lpo litiker» von Hitler bis Hess zur Verständi gung bere it seien, falls die Kircheihrem Antigermani smu s absage.

Gegen solche Fiktion en eines ausgeglich en en Kampfes hält der Köln er Korrespondent M. R. fest, dassin Deutschland der Staat und nur er festlege,

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was «politisch» und damit dem Katholizismus benommen sei; insofern und wegen der völlig ungleich verteilten Machtmittel habe die Kirche keine Er- folgsaussichten in ihrem «unfassbaren Widerstand», von dem die NZZ mit kaum verhohlener Sympathie berichtet (29.11.35, 24.129.1.36, 22.124.1.37).

Massenprotest sei nicht mehr möglich, die Kirche eingekreist, nachdem sie sich mit ihren Hoffnungen auf das Konkordat verspekuliert und damit dem Dritten Reich den ersten grossen Prestigeerfolg verschafft habe.Entsprechend wird die am Palmsonntag,21. März 1937, in deutschen Kirchen gegen den nationalsozi- alistischen «Götzenkult» verkündete Enzyklika «Mit brennender Sorge» von der NZZ als Zeichen der Schwäche beurteilt, das die Position der diffamierten und verfolgten Katholiken nur noch verschlimmere.Wenig helfe ihnen auch die rein politisch-taktisch bedingte Solidarität der Linken, welche die Kirchen nur in Deutschland bedroht sehe, nicht aber in Russland oder dem republika- nischen Spanien (12.2.,23.124.3.und 8.117.123.127.128.4.37). Die «Schlamm- flut der Sittlichkeitsprozesse» wird tatsächlich erst eingestellt, als die Bischöfe auf ihren «nutzlosen Kampf um die Bekenntnisschule» verzichten und sich darauf verlegen, «die Ära der Verfolgung» durch Abwarten zu überleben (31.8.37).Auch die päpstliche Rede von «Kirchenverfolgung» und seine «an- griffslustige» Verurteilung der Rassentheorie ändere nichts daran, dass die deutschen Bischöfe sich fortan in «einer fast hoffnungslosen Defensive» befän- den(27.12.37,17.5.38,3.2.39).

In Österreich interpretiert die NZZ die - inhaltlich allerdings vage - stän- destaatliche Verfassung, die am30.April1934 verabschiedet wird, als Ende des demokratischen Parlamentarismus. Hinter Einschränkungen der Glaubens- und Gewissensfreiheit wird der Einfluss des Vatikans vermutet, und ebenso demonstriere die gleichzeitige Verkündigung des Konkordats «den engen Zu- sammenhang des autoritären österreichischen Staates mit dem Katholizismus»

(1./2.5.34). Der «neue österreichische Patriotismus», der sich dem deutschen Nationalsozialismus entgegenstelle, wird als Geburt des katholischen Lagers präsentiert, dessen ultramontane Färbung antiliberale, klerikal-aristokratische Herrschaftsallüren und einen Repressionsapparat entwickelt habe, die seine Anziehungskraft reduzierten (12.6.112.8.34).Der Vatikan habe seine Hoffnun- gen auf den tiefgläubigen Kanzler Kurt von Schuschnigg gesetzt und reagiere entsprechend verbittert auf den «Anschluss», während die österreichische Geistlichkeit sich der neuen Lage rasch angepasst habe und den Arm zum Hit- lergruss hebe (20.2.116.128.3.und8.4.38, vgl. auch5.4.11.6.38).

Gleichsam ein Resurne dieser Kampfphase wird beim Tode von Pius XI.

gezogen: Die Lateranverträge seien trotz der Gefahr einer «verschleierten Ab- hängigkeit» ein persönlicher Triumph gewesen, während das Reichskonkordat Hitler einen frühen Prestigewinn gebracht und das Zentrum geopfert habe;

insofern sei die vatikanische Diplomatie mitschuldig an der Situation der deut- schen Katholiken, die so gefährlich sei wie kaum je zuvor (10.111.2.39, vgl.

18.2.39). Gleichwohl traut die NZZ Eugenio Pacelli, der das Konkordat aus- gehandelt hat und als Pius XII. aus dem Konklave hervorgeht, die Charakter-

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stärke zu, das Schifflein Petri durch die seit Menschengedenken schwerste Krise Europas zu lenken, wobei «seine überragende Intelligenz, ... weltmän- nische Gewandtheit und diplomatische Erfahrung» hilfreich seien (3.3., vgl.

2.6.39).

Nach Kriegsausbruch werden - eine bei heiklen Themen oft gewählte Lö- sung - unkommentiert längere Passagen zitiert sowohl aus einem auf Deutsch- land gemünzten Artikel des «Osservatore Romanos gegen den modernen Krieg als auch aus der Enzyklika «Summi Pontificatus» gegen die verabsolu- tierte staatliche Gewalt (16.9.und27.128.10.39). Wie selten zuvor komme dem Papsttum nun eine überragende Bedeutung zu, und trotzd~n Lateranve~träg~n bleibe es sein gutes Recht, die italienische Politik zu beeinflussen - nicht III

seiner Eigenschaft als geistlicher Oberhirte der universalen Kirche, wohl aber als Bischof von Rom, der die Religion verteidige (8.4.40). Am 7. Dezember 1940 wird eine eindeutige,aber nicht an einen konkreten Adressaten gerich- tete vatikanische Stellungnahme gegen die Euthanasie veröffentlicht; die päpst- liche Osterbotschaft1941 wird als antitotalitär verstanden, da sie von den Lei- den der besetzten Länder und von religiösen Verfolgungen spricht. Wenig später wertet Hodel die Aussage eines italienischen Unterstaatssekretärs als

«Bekenntnis des Faseismus zum Christentum, zur christlichen Lehre und zur christlichen Moral» und damit als Beweis, dass der «Fascismus niemals als Widersacher jenes christlichen Geistes auftreten wird, der Europa schuf und fortwirkend weitergestaltet» - vielmehr bemühten sich Duce und Papst im sel- ben Sinn um «Frieden mit Gerechtigkeit» (18.7.41, vgl. die vage Agenturmel- dung vom 15.4.41). So spricht man gar von einem «Wettlauf der Diplomaten zum Vatikan», der auch wegen seiner karitativen Tätigkeit als «einzige neutrale Weltmacht» nach dem Krieg «eine entscheidende Rolle beim Wiederaufbau der Kulturwein spielen wolle(21.9.42, 3.3.44,22.7.45).

Mit der Sowjetunion tritt für die Kurie allmählich der linke totalitäre Anta- gonist in den Vordergrund, obwohl die NZZ eine taktische «Assimilier~ng kommunistischer Elemente durch den politischen Katholizismus» vorerst nicht ausschliesst(6.1.127.12.47). Doch schon bald nimmt die Sorge des Vatikans an- gesichts der «Offensive gegen das Christentum und die kat~olis~he Kirche): in den Satellitenstaaten überhand (18.3.49, vgl. 18.5.49).Der III dieser Konflikt- situation ausgesandte «päpstliche Bannstrahl gegen die Kommunisten», ihre Exkommunikation, wird am 21. Juli 1949 in «Unserer säkularisierten Epoche»

und angesichts der ambivalenten historischen Erfahrungen mit einer gewissen Verwunderung kommentiert - die römische Kirche demonstriere, dass fortan

«ein Kampf <bis aufs Messer» gelte (21.7.49, vgl. M. I. Cory am 24.7.49). So hätten es die «feinverästelten Laienorden der Katholischen Aktion» ermög- licht, dass Oe Gasperis DCI die Kommunisten in der schicksalshaften italieni- schen Kammerwahl vom 18. April 1948 besiegte (25.4.48, 4.8.49).Auch wenn er dieses Verdienst anerkennt, bleibt Hodels Nachfolger Eric Mettler gespalten, als er am28. September 1948 eine katholische Propagandaver~nstaltungin d~r ewigen Stadt beobachtet: Ihn «erinnerten das endlose Marschieren, der mysti-

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sehe Feu erzaub er, das Mütz en- und Feldzeich en wesen , die Kam pfrufe und Sprechchör e, das sugges tive Frag- und Antwortspiel zwische n Balkon en und

<ozea nische n Massen> in viele m an früh ere Zeiten, so dass ein em liber alen Gemüt auch auf dem Pet er splatz um die freie Persönlichkeit bange werd en konnte.»

FAZIT

Der ~<politische Kath olizismus»istin den unter su chtenJahrzehnten ein regel- mäSSl~es Them a in der NZZ, abe r nicht die zentrale Deutungskat egorie.Von den hier beh andelten Themenkommenin der von Esther Kamb erzusammen- gestellten Mediener eignishi er archie nur die Later anverträge (1929, Rang 10) und dasVerhältn isder Nazi zu den Kirch en (1938,Rang8) - eine grosse Rolle sp iele n sie allein im Jahr 1934 ,mit dem deutsch en Kulturkampf (Rang2) und derFrage der Tot alrevision (Rang4,1935 Ran g 10), wozuauch die öste rre ichi - sch~n Entwi cklungen hinzu zu rechne n wären .26 Daraus lässt sich allerdings schliesse n, dassdiedeutschePolitik gegen übe r der katholischen, vorallemaber gegenü be r der evangelisch en Kirche, ebe nso wiedie Fragederschweizerischen Verfassun gsordnung in dem Moment eine bet rächtliche Rolle spielt, als die NZZ unzweid eutigden nation alistischen Wahn im Norden und dessen fronti- s~isch~n Imitator en als Hauptgefahr ben ennt.Die Refer enzpunkte dieser Posi- non sind ~ber wede r konfessio ne ll noch in einem engen Sinn part eip olitisch , sonde rn SIe lauten nation ale Unabh ängigkeit und,damit verbunde n, Neutra- lität. Daran gem esse n und bisMitte derdreissigerJahre für zu leichtbefunden werdendi~pazifistischeLinke, ebenso aber, nach der fatalen Fehlein schätzung

«~aterländlschen> Gemeinsamkeiten im Zürcher Herb stw ahlkampfvon 1933, die von ausse ngeste ue rten Fronten.Gleichermassen gegen Internati on alismus wie Rassismusrichtet sich das in dieser Zeit kein eswegsnur für die Schweiz eigentüm liche, abe r für ein viersp rachiges Land ebe nso wich tige wie heikl e Denken in Kategor ien wie «Volksnatu r»ode r «Nationalcharakter».In diesem patri oti schen Raster werd en für die NZZ ideologische und erst rechtkonfes- sio ne lle Unter schiede innerhalbder bürgerlichen Parteien weitgehend sekun- där.Dam itistaber auch - jen seits desverbindenden «Politische m - dasInter- esse für die katho lische Konfession und Gesellschaft, ihre Kirch e und Hier archie ehe r gering;wen n überhaupt,werde n Kath olik entage,Hirt enbriefe und an de re bischö fliche Handlungen meistens durc h unkommentierte Agen- turberichte abgedeckt.

. A.uch wenn eine thematisch weit er gefasste Inhaltsanalyse der NZZ, als SIe hier gefr agt war, ergebe n dürfte, dassdie liberale Grundhaltung klar vor- herrs~h.t, so i~t die Toler an z für rechtskon servative, reakti on äre ode r philo- fasch istische Uberl~gung.en (nicht nur von kath oli scher Seite) in der Zeitung vor~anden ~ndbleibt esim bekann te n FalleHodel/Mussolin i auch lange.Der Rubik on wird,etwadurch Gonz aguedeReyn old,in dem Moment überschrit- ten , wo ein Schwe ize r nicht länger für Neutralit ät und Unabh än gigkeit ein-

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zutret en sche int. In ihrer Fixierung auf zeitloses «w ah res Schweizertum » als wich tigste m Kri ter iummachen verschie de ne Autor en deutlich , dass sie au f die parlam entarisch- dir ektdem okratische Ausfor mung des Staats von 1848 und 1874 verzichten können, wo die schie re Existenz der Eidg enossen schaft auf dem Spiel steht; dieswohl um so mehr,als die freisinnigeTradition nach der Katastrophevon 1914,dem Land esstreik und der Wirtschaftskri se von 1929 für viele fragwürdig geworde n ist. Erstdie liberaleVariante der geistigen Land es- vertei digung, vor allem abe r der ang lo-amerikanische Sieg übe r Hitler wird dem demokratischen Rechtstaatund der mark twirtschaftli chen Ordnung auch internation al wiede r die Legitimation verle ihe n, die ihnen in der Zwi schen- kriegsz eit abgeht- im kontinentalen Vergleich am wenigsten, abe r doch auch in der Schweiz.Werim bürgerlichen Lagerin dieserPhasetiefsterVerunsiche- rung den festen Grund nicht in der mod ernen Dem okratie, son de rn in einer zeitl osen Eidgenossen sch aft christliche r Prägung sucht, für den drän gt sich die enge Allianz mit den ideologisch gefestigte n Kath oli sch-Kon servativen ge- radezu auf,die mehrbiet en alseine n Juniorp artnerin eine m takti schenBünd- nisgegen die Linke.

WiedasLuzernerBeispiel zeigt, istdieseAllianznicht spa nnungsfrei;auch in der Berichter stattungüber dasAusland, etwa überBelgien,finden sich seh r klare liber ale Vot en gegen «Kirche nzwang» in der Politik (vgl. etwa 26.11./

9.12.32 ).Typisch für solche Äusse ru nge n isthier wie in derSchweiz der laizis- tischeStandpunkt:Nichtwasdie Kirche vertr itt,sonde rn dass siein die Polit ik eingreift, istdas gru ndsätz liche Ärgernis.InsofernreagiertdieNZZ dann emp- findlichauf den politi sch en Katholizismus, wennsie in ihm den ultramontanen Klerikalismus des19.Jahrhunderts ahnt;soerklären sichau ch ver ständnisvolle Voten für MussolinisKampfgegen kirchliche «Einm ischung» in die staatliche Sphäre.Nicht minder tot alitärals der Staat ersche int danndie römisch eKirche zumindest in ihrem Anspruch, auch wenn ihre realen Machtmittel weniger vermögen; dafür, so wird oft betont, kann sie ihr Handeln gedu ldig auf lang- fristige,heilsgeschi chtlicheDimen sion en ausric hte n.

Deutlich weniger ausgebildet istlange Zeit dasSen sorium für den katho- lischen Autor it arismusdes20.Jahrhunderts,also für dieSymbio se von Kirche und Dikt aturim Kampfgegen die liber ale und sozialistische Mod erne.Innen- politi sch zeigtsich dies darin,dassbeim Lob der «Intellektuellen von Rechts»

wie Reynold und Ett er ihrunb estreitb aresBek enntnis zur Nation ihre ebenso unbestreit bare Mühe mit der mod ernen Dem okratie völlig in den Schatt en ste llt. Seh rbehutsam ,geradeim Ver gleichmit der Polemik gegen koll ektivisti- sche Theori en, wirktau ch die Distanzi erungvom unliber alen (aber ap rior i ja keineswegs «unschw eizerischen») Korporativismus; deutlichere Pflöcke wer- den im Namenfundam entaler Freih eit srechte erstgegen die Freim aurerinitia- tive eingesc hlage n. Die bei Kriegsende wiede r akt ue lle Ausein and er set zung mit dem «po litische n Kath oliz ismus»drückt insofern woh l auch, abe r nicht ausschliesslich das Unbeh agen eines gefestigte n Liberalismus über die auto - ritäre Ver suchung des bürgerli chen Partners aus-?- damit aber indirekt auch

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