Die Zeitschrift für Betriebsräte in Deutschland 5 | 2016
Marionette Betriebsrat
25 Ausradiert und abgeschafft!
Wellpappe-Aus in Gelsenkirchen 17 Immer wieder Streit ums Weihnachtsgeld
31 Suppenkoma: Raus
aus dem Mittagstief
* „staade Zeit“ = bayerisch für „besinnliche Zeit“
der betriebsrat 5 | 2016
Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht, für mich ist der Dezember seit vielen Jahren keines- wegs die „ruhige Zeit“, wie es uns noch unsere Eltern erzählt haben und wie es in vielen Weihnachtsliedern heißt. Für mich ist der Dezember in den letzten Jahren immer der hek- tischste Monat im Jahr. Zum Jahresschluss gilt es noch sehr viel zu erledigen, zu besorgen und abzuschließen.
Eigentlich schade. Schlechtes Zeitmanagement würde man heutzutage sagen. Stimmt, kann ich da nur antworten. Für dieses Jahr habe ich mir jedoch ganz ernsthaft vorgenom- men, diesen Zustand zu ändern.
Ich kann Ihnen nur wünschen, dass es Ihnen nicht so wie mir ergeht. Ich wünsche Ihnen, dass Sie jetzt im Dezember und über die Feiertage genügend Zeit und Muße finden für das Wichtigste im Leben: die Menschen, die Ihnen ganz nahe stehen und die Ihnen lieb sind.
Und natürlich Sie selbst. Nehmen Sie sich in den nächsten Wochen genügend Zeit auch für sich selbst. Denn es gibt nur einen Menschen der die volle Verantwortung für Sie trägt: Sie selbst!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine frohe Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Ihr
Leiter des Instituts zur Fortbildung von Betriebsräten
* „staade Zeit“ = bayerisch für „besinnliche Zeit“
Dezember – die „staade“Zeit!*
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Brückentage 2017
Ein Blick auf die Feiertage im nächsten Jahr lohnt sich schon jetzt: Denn wer die Brückentage geschickt als Urlaubstage
nutzt, kann sich über längere Auszeiten freuen. Und noch eine gute Nachricht: 2017 beschert uns mit dem Reformationstag einen zusätzlichen Feiertag!
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Geschenkt!
Eine Flasche Wein, ein Paket mit Lebku- chen oder ein Gutschein: Viele Kunden und Zulieferer bedanken sich zum Jahresende bei Mitarbeitern anderer Firmen mit klei- neren oder auch größeren Geschenken.
Doch dürfen die Kollegen solche Geschenke überhaupt annehmen?
Inhalt
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ifb Institut zur Fortbildung von Betriebsräten KG Prof.-Becker-Weg 16
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Impressum
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3 Raus ins Rampenlicht 4 Inhalt
6 kurz gemeldet
10 Marionette Betriebsrat?
Kollegen, lasst
Euch nicht verschaukeln!
15 Brückentage 2017:
Schon jetzt die Feiertage clever nutzen.
17 Schöne Bescherung!
Immer wieder Streit ums Weihnachtsgeld.
20 Geschenkt!
Dürfen Arbeitnehmer
Weihnachtspräsente annehmen?
der betriebsrat 5 | 2016 Inhalt
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Pause muss sein
Unter Ruhepausen versteht man im Voraus festzule- gende, unbezahlte Unterbrechungen der Arbeitszeit, in der der Arbeitnehmer weder Arbeit leisten, noch sich dafür bereitzuhalten braucht – so hat es das Bun- desarbeitsgericht im Jahr 2003 festgelegt.
Willkommen, JAV
Herzlichen Glückwünsch zur Wahl, liebe JAVler! Für euch beginnt nun eine neue, spannende Aufgabe.
Gerade zu Beginn der Amtszeit solltet ihr ein paar „Spielregeln“ kennenler- nen und wissen, worauf ihr besonders achten müsst.
Wir sagen euch, worauf es ankommt!
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22 Mail oder Fax reichen 23 Gesetzesänderungen im Überblick
25 Ausradiert und abgeschafft
Fieses Vorgehen beim Wellpappe-Aus in Gelsenkirchen
29 Willkommen, JAV
Tipps für die neue Amtsperiode.
Was Sie gegen Ihr Mittagstief machen können:
31 Raus aus dem Suppenkoma!
Ramona Senier
34 „Man kann vieles
schaffen, man muss es nur anpacken“
37 Pause muss sein 39 Recht aktuell 41 ifb intern
43 Wirtschaftswissen – wichtig für jeden
Betriebsrat!
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kurz gemeldet
Mindestlohn-Ausnahme wird selten genutzt
Langzeitarbeitslose haben die Möglichkeit, für die ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses unterhalb des ge- setzlichen Mindestlohns von derzeit 8,50 € pro Stunde tä- tig zu werden. Damit wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass der Mindestlohn die Integration von Langzeitarbeits- losen in den Arbeitsmarkt nicht erschwert. Allerdings wird die Ausnahmeregelung selten genutzt, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung herausgefunden hat.
Bei einer Befragung von 5.450 Langzeitarbeitslosen, die eine Stelle gefunden haben, gaben weniger als 2 % an, eine entsprechende Bescheinigung beantragt zu haben.
Deutscher Arbeitsschutzpreis 2017: Jetzt bewerben
Unternehmen und Einzelpersonen können noch bis zum 31.01.2017 ihre Bewerbung für den Deutschen Arbeits- schutzpreis 2017 einreichen. Gesucht werden kluge Ideen und neuartige Produkte und Prozesse im Bereich Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Die branchenübergreifende Auszeichnung ist mit insgesamt 40.000 € dotiert. Weiter- führende Informationen und Bewerbungsunterlagen finden sich unter www.deutscher-arbeitsschutzpreis.de.
Homeoffice weit verbreitet
Mittlerweile bieten vier von zehn Unternehmen ihren Beschäftigten an, (auch) vom Homeoffice aus zu arbei- ten. Wie verbreitet Homeoffice ist, hängt dabei stark von der Unternehmensgröße ab. Der große Anteil entfällt auf Firmen mit über 500 und mehr Mitarbeitern (65 %).
Bei Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern sind es nur 29
%. Dies geht aus dem aktuellen Ifo-Flexindex von Randstad hervor. Häufigstes Argument gegen Home-Office waren IT-Si- cherheit und Datenschutz.
der betriebsrat 5 | 2016 kurz gemeldet
kurz gemeldet
Vorbild? Deutsche Chefs schneiden schlecht ab
Als Chef sollte man seinen Mitarbei- tern ein Vorbild sein. Eigentlich lo- gisch, oder? Doch in diesem Punkt schneiden Deutschlands Chefs im eu- ropäischen Vergleich schlecht ab: Sie rangieren auf dem vorletzten Platz. Nur 64 % bescheinigen ihrem Vorgesetzten, dass er die Unternehmenskultur ver- tritt und Vorbildcharakter hat, so das Ergebnis des Randstad Arbeitsbarome- ters. Schlechtere Ergebnisse erzielten nur noch die Manager in Luxemburg (60 %). Die vorbildlichsten Chefs gibt es laut der Umfrage in Schweden, Spanien und Portugal.
Digitalisierung braucht Regeln
Digitalisierung braucht Regeln
Die Anforderungen an die Beschäf- tigten steigen, und dafür ist auch die Digitalisierung der Arbeitswelt verant- wortlich. Dies in ein Ergebnis des aktu- ellen DGB-Index „Gute Arbeit“. Für den Bericht haben rund 9.740 Beschäftigte ihre Arbeitsbedingungen und speziell die Auswirkungen der Digitalisierung bewertet. Rund 82 % der Befragten gaben an, dass die Digitalisierung ih- ren Berufsalltag prägt, sei es durch E-Mails, Smartphones oder eine com- putergesteuerte Terminplanung. Und fast jeder Zweite gab an, dass dadurch die Arbeitsbelastung zugenommen hat.
Schuldneratlas 2016
Die Schulden in Deutschland sind in diesem Jahr wieder gestiegen. Zum Stichtag 01.10.2016 wurde insgesamt eine Überschuldungsquote von rund 10 % gemessen – damit sind über 6,8 Mio. Bürger über 18 Jahre überschul- det; 131.000 Menschen mehr als noch im letzten Jahr. Zu diesen Ergebnissen kommt der Schuldneratlas 2016 der Unternehmensgruppe Creditreform.
Betroffen sind auch immer mehr älte- re Menschen: Inzwischen werden rund 174.000 Menschen in Deutschland ab 70 Jahren als überschuldet eingestuft – ein Plus von 16 %.
Betriebsräte-Preis: Gold für BASF
Die Gewinner des Betriebsräte-Preises 2016 stehen fest:
Gold geht in diesem Jahr an den Betriebsrat von BASF in Ludwigshafen. Der Betriebsrat hatte einen Standort- sicherungsvertrag sowie umfangreiche Investitionen in die Nachwuchssicherung durchgesetzt. Silber erhielt der Konzernbetriebsrat der Thyssenkrupp AG für ein in- ternationales Rahmenabkommen zu Mindeststandards und der Einhaltung von Arbeitnehmer- und Menschen- rechten weltweit. Über Bronze durfte sich der Betriebsrat des Nürnberger Stromanbieter N-ERGIE freuen, der ein Maßnahmenpaket zur Fachkräftesicherung im demogra- fischen Wandel durchgesetzt hat. Die Preisverleihung fand am 10.11.2016 in Bonn statt.
FOTO KOMMT NOCH
Betriebsräte-Preis: Gold für BASF
Die Gewinner des Betriebsräte-Preises 2016 stehen fest:
Gold geht in diesem Jahr an den Betriebsrat von BASF in Ludwigshafen. Der Betriebsrat hatte einen Standort- sicherungsvertrag sowie umfangreiche Investitionen in die Nachwuchssicherung durchgesetzt. Silber erhielt der Konzernbetriebsrat der Thyssenkrupp AG für ein in- ternationales Rahmenabkommen zu Mindeststandards und der Einhaltung von Arbeitnehmer- und Menschen- rechten weltweit. Über Bronze durfte sich der Betriebsrat des Nürnberger Stromanbieter N-ERGIE freuen, der ein Maßnahmenpaket zur Fachkräftesicherung im demogra- fischen Wandel durchgesetzt hat. Die Preisverleihung fand am 10.11.2016 in Bonn statt.
Foto: Bund Verlag Die Goldpreisträger:
Betriebsrat der BASF SE, Ludwigshafen
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kurz gemeldet
Jeder Dritte nachlässig bei Passwortwahl
Diese Nachlässigkeit kann böse enden: Mehr als ein Drit- tel der Internetnutzer in Deutschland (37 %) verwendet dasselbe Passwort für mehrere Online-Zugänge, z.B. zu E-Mail-Konten, sozialen Netzwerken oder Online-Shops.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Um bei der Vielzahl an Zugängen den Überblick zu behalten, könnten Passwort-Manager helfen. Diese speichern alle Kennwörter in einer verschlüs- selten Datei.
Leichter Rentenanstieg in Aussicht
Deutsche Rentner können laut der Deutschen Rentenver- sicherung im kommenden Jahr mit einer leichten Erhö- hung der Bezüge um rund 2 % rechnen. Die genauen An- passungssätze stehen jedoch erst im Frühjahr 2017 fest.
Grundlage der Rentenanpassung ist unter anderem die Lohnentwicklung nach Daten des Statistischen Bundes- amts.
Staubschutz: Ausgezeichnete Ideen
Etwa jeder achte Erwerbstätige kommt bei der Arbeit häufig mit Staub, Rauch oder Gasen in Berührung. Dies geschieht meist unsichtbar, ist aber nicht ungefährlich für die Gesund- heit. Mit dem 11. Gefahrstoffschutzpreis wurden nun Lösun- gen ausgezeichnet, die das Staubaufkommen am Arbeitsplatz verringern und so die Gesundheit der Beschäftigten schützen können. In der Kategorie „Staubarme Materialien verwen- den“ konnte die Firma Mapei überzeugen: Ihr Produkt, die Mape-Box, ist ein Container-System, mit dem vorgemischte
Spachtelmassen auf die Baustelle geliefert werden. In der Kategorie „Staubarme Techniken“ wurde die Friedrich Duss Maschinenfabrik ausgezeichnet: Sie stellt professionelle Bau- werkzeuge mit speziellen Absaugsystemen her. Die Firma Möcklinghoff Lufttechnik Gentwickelte ein System zur Rau- mentstaubung, den DustBox-Hochleistungsluftreiniger, und erhielt dafür einen Preis in der Kategorie „Staubausbreitung verhindern“. Nähere Informationen gibt es unter www.gefahr- stoffschutzpreis.de.
Foto: Jörg Carstensen / BMAS Die Preisträger des 11. Gefahrstoffschutzpreises.
der betriebsrat 5 | 2016 kurz gemeldet
kurz gemeldet
Zum 01.01.2017 wird der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 € auf 8,84 € brutto je Stunde steigen. Das hat das Bundeskabinett be- schlossen. Es folgt damit dem Beschluss der Mindestlohnkommis- sion vom 28.06.2016..
Die EU-Kommission hat eine Strategie für kooperative und intel- ligente Transportsysteme vorgestellt, um bis zum Jahr 2019 „in- telligente und vernetzte Fahrzeuge“ auf die Straße zu bringen.
Einer Bitkom-Umfrage zufolge wäre jeder fünfte Autofahrer (19
%) bereit, seinem Auto im fließenden Verkehr auf der Autobahn die Kontrolle zu überlassen. Im Stadtverkehr würden dies 17 % tun.
Gesetzlicher Mindestlohn
steigt um 34 Cent
Die Autos überneh- men das Steuer!
Diversity Management steht noch am Anfang
Zwei von drei Unternehmen in Deutschland sind auf absehbare Ver- änderung durch eine vielfältige Arbeitswelt nicht vorbereitet. Zu diesem Schluss kommt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst
& Young in Zusammenarbeit mit dem Verein Charta der Vielfalt.
Näheres unter www.charta-der-vielfalt.de. Die Charta der Vielfalt ist eine Unternehmensinitiative zur Förderung von Vielfalt in Un- ternehmen und Institutionen. Sie will die Anerkennung, Wertschät- zung und Einbeziehung von Vielfalt in der Unternehmenskultur in Deutschland voranbringen.
ALG I
für Arbeitnehmer
Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I kann auch Ar- beitnehmer in einem ungekündigten Arbeitsver- hältnis zustehen, wenn sie faktisch beschäftigungs- los sind. Das hat das Sozialgericht Dortmund (S 31 AL 84/16) entschieden. Eine Arbeitnehmerin hatte angegeben, wegen Mobbing auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz nicht weiterarbeiten zu können. Sie war deshalb von ihrem Arbeitgeber freigestellt wor- den – ohne Gehaltszahlung. Die Richter entschie- den in ihrem Sinne. Für die Gewährung von ALG I reiche bereits eine vfaktische Beschäftigungslosig- keit.
Keine Anzeigepflicht für Sai- son-Kurzarbeitergeld
Künftig gibt es keine Anzeigepflicht für das Sai- son-Kurzarbeitergeld mehr. Hintergrund ist das Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbil- dung und des Versicherungsschutzes in der Ar- beitslosenversicherung. Durch dieses wurde die Regelung zur Anzeige des Arbeitsausfalls beim Saison-Kurzarbeitergeld ersatzlos gestrichen.
Unternehmen müssen für den Bezug künftig nur noch die Abrechnungsunterlagen einreichen und zudem die Aufzeichnungen, welche die Gründe für die Arbeitsausfälle belegen, aufbewahren.
Wenig Wertschätzung macht krank
Wer sich im Betrieb wohlfühlt, sich mit den Zielen identifiziert und erlebt, dass der Arbeitgeber loyal hinter ihm steht, wird seltener krank. Dagegen machen zu wenig Lob, zu viel Kontrolle, fehlende Eigenverantwortung, ungerechte Bezahlung und ein schneller Führungsstil schneller krank. Das hat die AOK bei der Analyse der Fehlzeiten von Be- schäftigten herausgefunden.
ALG I
für Arbeitnehmer
Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I kann auch Ar- beitnehmer in einem ungekündigten Arbeitsver-
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„Es muss nicht immer ein Betriebsrat sein“, verkündete das personalmagazin in seiner Ausgabe 07/16. Beispielsweise beim Online-Fo- tohändler Pixum gebe es einen „Kulturrat“ als
„Mitarbeiter-Interessenvertretung und Hüter der Unternehmenskultur“, gemeinsam mit der Geschäftsführung. Wenn es nicht so traurig wäre, dann könnte man fast darüber lachen.
Ein mieser Trend zeichnet sich ab in deutschen Unternehmen:
Die klammheimliche Abschaffung der Betriebsräte. „Die brau- chen wir doch nicht, das machen wir besser“, postulieren win- dige Arbeitgeber und verunsichern so zahlreiche Beschäftigte.
Kulturrat, BR-Alternative, Hüter der Unternehmenskultur … Egal wie schön der Name klingt, es ist nur eine Mogelpackung. Denn es gibt keine Alternative zum Betriebsrat!
Marionette Betriebsrat?
Kollegen, lasst Euch nicht
verschaukeln!
der betriebsrat 5 | 2016 Marionette Betriebsrat
kaufen, gibt es auch inhabergeführte Unterneh- men, in denen der Chef niemanden neben sich duldet. Ein Beispiel hierfür ist der Firmen-Patri- arch Manfred Zollner, der mit der Aussage „Der Betriebsrat bin i“ Schlagzeilen gemacht hat.
Dabei geht es überhaupt nicht um die Frage, wer Herr im Haus ist. Denn von einer funktio- nierenden, gelebten Mitbestimmung profitiert das ganze Unternehmen. Und aus Arbeitneh- mersicht gibt es sowieso keine sachlichen oder logischen Argumente gegen einen Betriebsrat.
Trotzdem behindern Arbeitgeber laut WSI der Hans-Böckler-Stiftung jede sechste Betriebs- ratsgründung; sie schüchtern Kandidaten ein, drohen mit Kündigungen. Unfassbar, aber leider Realität in deutschen Unternehmen. Da hilft nur eins: Zusammenrücken und gemeinsam für das gute Recht der Belegschaft kämpfen.
Betriebsräte stärken das Unternehmen
Wenn Betriebsratsarbeit gut läuft, ist das ein Beweis für die gute Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber. Denn unbestritten stärkt ein guter Betriebsrat das ganze Unternehmen.
Zu starr und uncool?
Doch warum lassen sich Beschäftigte über- haupt auf eine Betriebsrats-Mogelpackung ein, statt dem Original zu vertrauen? „Zu starr“
seien die engen Vorgaben aus dem Tarifrecht für die „Start-up-Kultur“ bei Pixum gewesen, liest man im personalmagazin.
Zu starr? Der Verdacht liegt nahe, dass da je- mand ein X für ein U verkauft. Denn die Idee des Kulturrats wurde in der Pixum-Geschäfts- führung geboren. Mit der listigen Botschaft da- hinter: ´zu cool für einen Betriebsrat´. Pixum, lasst euch gesagt sein: Richtig cool ist nur, wer einen Betriebsrat hat! Denn alles andere ist nur eine Mogelpackung und läuft auf eine mitbe- stimmungsfreie Zone hinaus.
Die wollen uns etwas aufzwingen
Verkehrte Welt: Um die Wahl zu verhindern, stel- len manche Arbeitgeber es auch so dar, als solle dem Unternehmen ein Betriebsrat aufgezwun- gen werden, als würde sich eine Gewerkschaft reindrängeln wollen, um Unruhe zu stiften. Mit populistischen Argumenten wird Stimmung in der Belegschaft gemacht – und der Arbeitgeber lacht sich ins Fäustchen, wenn die Belegschaft ihm zustimmt und lieber keinen Betriebsrat wählt. Denn er hat nichts zu verlieren, die be- triebsratslose Belegschaft aber eine ganze Menge.
„Der Betriebsrat bin i“
Neben dem Versuch, Betriebsräte und Mitbe- stimmung als veraltet und unzeitgemäß zu ver-
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Marionette Betriebsrat
Das gilt in guten wie in schlechten Zeiten. Denn nur mit Betriebsrat haben die Arbeitnehmer eine echte Chance, im Betrieb mitzumischen.
Vor allem in schlechten Zeiten, wenn Arbeits- plätze bedroht sind, sind Betriebsräte besonders wichtig. Betriebsräte sind gelebte Demokratie.
Ohne Betriebsrat sind die Kolleginnen und Kol- legen in den Betrieben der Willkür des Arbeit- gebers schutzlos ausgeliefert. Alternative Mit- arbeitergremien haben rechtlich nämlich keine Relevanz!
Betriebsräte lohnen sich immer!
Betriebsräte können im Betrieb viel verbes- sern und die Willkür des Arbeitgebers been- den. Sie bestimmen insbesondere bei sozialen Themen direkt mit und können mit ihrer Ini- tiative viel erreichen. Denn eins ist klar: Gibt es keinen Betriebsrat, gibt es auch keine Mit- bestimmungsrechte. In Betrieben ohne Be- triebsrat entfällt die Anwendung des Betriebs- verfassungsgesetzes, die Mitwirkungsrechte
können nicht rechtsverbindlich ausgeübt wer- den. Der Arbeitgeber darf allein entschei- den! Kein Wunder also, dass es immer noch Arbeitgeber gibt, die Betriebsräte verteufeln.
Betriebsratsgründung ist ein gutes Recht
Betriebsräte bestimmen mit – und das ist auch gut so. Seien es beispielsweise Themen wie Be- ginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Pau- senzeiten, Überstunden, Bereitschaftsdienst, Teilzeit und Gleitzeit – diese gehen jeden Be- schäftigten etwas an.
Vielleicht läuft es auch ohne Betriebsrat, wenn das Unternehmen auf Rosen gebettet ist. Wer- den die Zeiten schwieriger, wendet sich das Blatt. Besser ist es da, wenn der Betriebsrat be- reits in guten Zeiten mit seiner Arbeit beginnt und frühzeitig Fehlentwicklungen stoppt.
Lasst Euch keinen Maulkorb anlegen!
der betriebsrat 5 | 2016 Marionette Betriebsrat
Ach, „so schlimm“ ist der Chef doch nicht.
So was hatten wir noch nie. Und das ist immer noch mein Unternehmen.
Wenn es etwas zu klären gibt, bere- den wir das so.
Die Vorgaben sind mit Betriebsräten zu starr.
Prima, umso besser! Dann wird er ja auch nichts gegen die Gründung eines Betriebs- rats einzuwenden haben.
Ganz wichtig: Der Arbeitgeber kann die Wahl eines Betriebsrats nicht verhindern.
Arbeitgeber, wovor habt ihr dann Angst?
Gilt das auch „in guten wie in schlechten Zeiten“? Weht der Wind wirtschaftlich rauer, ist es vielleicht bald vorbei mit dem Kuschel- kurs. Da helfen nur echte Mitbestimmungs- rechte!
Nicht starr, sondern gerecht. Die Mitbestim- mungsrechte bieten ein solides Fundament für ein funktionierendes Unternehmen.
Das ganze Unternehmen profitiert von einer funktionierenden, gelebten Mitbestimmung.
Auch für den Betriebsrat ist es einfacher, wenn er bereits in guten Zeiten mit seiner Arbeit beginnt.
Schwache Ausreden und gute Antworten.
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Marionette Betriebsrat
Ein Desaster: Arbeitgeber behindern jede sechste Betriebsratsgründung!
Arbeitgeber behinderten jede sechste Betriebsratsgründung;
sie schüchterten Kandidaten ein, drohten mit Kündigun- gen oder verhinderten die Bestellung eines Wahlvorstands.
So lautet das unfassbare Ergebnis einer Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung. Danach gehen Unternehmen beson- ders gegen Neugründungen von Betriebsräten nach häufig aggressiv vor.
Erschreckend .. aber leider Realität?
Schreibt uns Eure Meinung!
Attacken gegen Betriebsräte nehmen leider zu. Macht euch Luft! Wir haben ein offenes Ohr für Euch und Eure (nicht) alltäglichen Sorgen im BR.
Ihr erreicht unsere Redaktion unter:
offenes-ohr@ifb.de.
Natürlich vertraulich!
Fazit: Echte
Betriebsräte braucht das Land
Lasst euch also nicht für dumm verkaufen – starke Betriebsräte braucht das Land! Und wer sich näher
informieren will, für den haben wir bequem alle Schritte der Betriebsrats-Gründung zusammengetragen.
Tschüss, Kulturräte!
Weiterlesen
http://blog.betriebsrat.de/be- triebsrat/freibier-am-abend-statt- betriebsrat/
Warum Arbeitnehmer keine Kul- turräte brauchen
http://blog.betriebsrat.de/
betriebsrat/warum-arbeitneh- mer-keine-kulturraete-brauchen/
5 | 2016 der betriebsrat
Brückentage 2017:
Schon jetzt die Feiertage clever nutzen.
Ein Blick auf die Feiertage im nächsten Jahr lohnt sich schon jetzt: Denn wer die Brückentage geschickt als Urlaubstage nutzt, kann sich über längere Auszeiten freuen. Und noch eine gute Nachricht: 2017 beschert uns mit dem Reformationstag einen zusätzlichen Feiertag!
Das geht ja aus Arbeitnehmersicht nicht gut los mit die- sem 2017 … Neujahr fällt nämlich auf einen Sonntag.
Aber kein Grund zum Ärgern: Das nächste Jahr wird ins- gesamt recht arbeitnehmerfreundlich. Es gibt viele Mög- lichkeiten für Brückentage – und sogar einen zusätzlichen
Feiertag.
06. Januar: Heilige Drei Könige
Drei Bundesländer kennen den Feiertag „Heilige Drei Könige“: Baden-Württemberg, Sachsen-An- halt und Bayern. Er fällt 2017 auf einen Freitag und sorgt somit für ein verlängertes Wochen- ende. Glück für Arbeitnehmer, die davon profi- tieren! Und wer die Tage vor dem „freien Frei- tag“ einreicht, hat sogar eine ganze Woche frei.
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Brückentage 2017
Wer profitiert von Allerheiligen?
Allerheiligen am Mittwoch, dem 01.11. ist nicht überall ein gesetzlicher Feiertag. Folgende Bun- desländer profitieren vom freien Tag: Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg. Wer dort arbeitet, kann vorher oder hinter geschickt zwei Brückentage nutzen. Der Buß- und Bettag am 22. November fällt auf einen Mittwoch. Darüber können sich al- lerdings nur Menschen in Sachsen freuen.
Weihnachten 2017:
Montag und Dienstag frei
Erster und zweiter Weihnachtsfeiertag fallen 2017 auf einen Montag bzw. Dienstag. Das allein sind schon gute Nachrichten, aber es wird noch besser: Da auch Neujahr 2017 auf einen Montag fällt, lassen sich in der Zeit vom 23.12.2017 bis zum 01.01..2018 mit drei Urlaubstagen zehn Tage am Stück Freizeit schaffen.
Alles in allem sehen die Aussichten für 2017 doch gut aus. Viel Spaß mit den Brückentagen!
Ostern: Lange Freizeit im April
Ostern bietet sich auch 2017 ideal für eine Urlaubsunterbrechung an: Wer um Mit- te April herum ein paar Tage länger frei haben möchte, sollte Urlaub in der Wo- che vor Karfreitag (10. bis 13.04.) oder nach Ostermontag (ab 18.04.) beantragen.
Der 1. Mai ist frei … und zum Glück ein Montag
Der freie 1. Mai fällt im kommenden Jahr auf ei- nen Montag. Auch in dieser Woche gibt es also die Möglichkeiten, Urlaubstage clever einzusetzen.
Christi Himmelfahrt, Pfingsten und Fronleichnam
Christi Himmelfahrt (Donnerstag, 25.05.), Pfingsten (05.06.) und Fronleichnam (15.06.) bieten sich ebenfalls – wie in jedem Jahr – für ausgedehnte Kurzurlaube an. So lässt sich zum Beispiel eine Reise von 03. bis 11.06. pla- nen. Diese kann neun Tage lang sein – in der Regel bei nur vier eingesetzten Urlaubstagen.
Der Oktober bietet 2017 gleich zwei Feiertage
Der Tag der Deutschen Einheit (03.10.) fällt 2017 auf einen Dienstag. Der Montag davor lässt sich daher gut als Brückentag für ein verlängertes Wo- chenende nutzen.
Und hier noch die besonders gute Nachricht für Oktober: Aus Anlass des 500. Geburts- tags der Reformation ist 2017 der Reformati- onstag bundeseinheitlich ein Feiertag. Damit haben alle Arbeitnehmer am Dienstag dem 31.10. frei. Normalerweise ist dieser Tag nur in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein gesetzlicher Feiertag. Es bietet es sich also an, den Montag davor als Brückentag zu nutzen.
5 | 2016 der betriebsrat Schöne Bescherung!
Schöne Bescherung!
Immer wieder Streit ums Weihnachtsgeld.
Betriebsrat Benno Sorglos kann es nicht fassen. Der Arbeitgeber hat verschiedene Schreiben an die Kollegen aufgesetzt: „Unse- re Gewinnerwartungen sind eingebrochen, deshalb müssen wir das Weihnachtsgeld leider kürzen“ bzw. „Ihre Arbeitsleistung war nicht zufriedenstellend in diesem Jahr. Das Weihnachtsgeld wird gestrichen!“. Die Kollegen sind empört. Darf der Chef das?
Die schlechte Nachricht vorab: Einen gesetzlichen An- spruch auf eine Sonderzahlung in Form von Weihnachts- geld gibt es nicht. Viele Beschäftigte können trotzdem aufatmen, denn Anspruchsgrundlage der Sonderzahlung können Tarifvertrag, Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, betriebliche Übung und auch der Gleichbehandlungs-
grundsatz sein.
Ungleiche Verteilung des Extrageldes
Im Schnitt erhalten etwa 55 % der Beschäftigten ein Weihnachtsgeld. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Online-Umfrage des WSI-Tarifar- chivs der Hans-Böckler-Stiftung. Die Analyse der Befragungsdaten von rund 6.000 Beschäf- tigten zeigt dabei deutliche Unterschiede: Un- ter den Beschäftigten mit Tarifvertrag erhalten
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Schöne Bescherung!
Betriebliche Übung
Zahlt der Arbeitgeber ein Weihnachtsgeld ohne Vorbehalt über mehr als drei Jahre in gleicher Höhe oder mit gleichbleibender Berechnungs- grundlage, entsteht ein Rechtsanspruch auf Weiterzahlung aus betrieblicher Übung. Eine Streichung bzw. Kürzung ist nicht zulässig, denn durch die in der Vergangenheit erbrachte Leistung hat der Arbeitgeber einen Vertrauen- statbestand geschaffen.
Dies musste auch ein Arbeitgeber erst lernen:
Er versuchte, mit einem Aushang ans Schwarze Brett den Anspruch auf Weihnachtsgeld aus be- trieblicher Übung zu widerrufen. Damit hatte er keinen Erfolg. Das BAG (10 AZR 69/96) stellte fest: Teilt der Arbeitgeber den Arbeitnehmern durch Aushang mit, er könne aufgrund der wirt- schaftlichen Lage des Betriebes in diesem Jahr kein Weihnachtsgeld zahlen, so liegt darin kein Angebot an die Arbeitnehmer, die bestehende betriebliche Übung zu ändern. In der zunächst widerspruchslosen Weiterarbeit der Arbeitneh- mer kann daher auch keine Annahme eines Än- derungsangebotes gesehen werden.
Gleichbehandlungsgrundsatz
Erhalten alle Kollegen bzw. die Kollegen einer bestimmten Gruppe Weihnachtsgeld, darf ein vergleichbarer Arbeitnehmer nicht ohne trif- tigen Grund von der Zahlung ausgeschlossen werden.
Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass be- stimmte Arbeitnehmer(gruppen) von der Son- derzahlung ausgeschlossen werden können;
etwa wenn deren Zahlung von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig gemacht wird.
Für den Ausschluss muss es aber immer einen sachlichen Grund geben.
71 % Weihnachtsgeld. Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden, können sich nur 44 % über die Sonderzahlung freuen.
Auch innerhalb der geltenden Tarifverträge gibt es gravierende Unterschiede: Ein im Ver- gleich hohes Weihnachtsgeld erhalten z.B.
Beschäftigten im Bankgewerbe, in der Süßwa- renindustrie, in der Chemieindustrie, in der Druckindustrie sowie in der Textilindustrie (Westfalen) – immerhin 95 bis 100 % eines durchschnittlichen Monatseinkommens. Es folgen die Bereiche Versicherungen mit 80 %, der Einzelhandel (West: vorwiegend 62,5 %) sowie die Metallindustrie (überwiegend 55 %).
Tarifvertrag als Grundlage
Sieht der Tarifvertrag die Zahlung von Weih- nachtsgeld vor, haben Beschäftigte gute Karten.
Denn dieses darf grundsätzlich nicht gekürzt werden. Eine Ausnahme bilden die übertarifli- chen Zulagen, also wenn das Weihnachtsgeld in der Regel höher ausfällt, als es der Tarifvertrag vorsieht. In diesem Fall kann eine Streichung oder Kürzung des übertariflichen Teils zulässig sein, wenn er zuvor mit Vorbehalt bzw. als „frei- willige Leistung“ gezahlt wurde.
Auch Sanierungstarifverträge können das Weihnachtsgeld streichen oder kürzen.
Arbeitsvertrag
Besteht laut Arbeitsvertrag ein vorbehaltloser Anspruch auf Weihnachtgeld, kann dieses nicht gekürzt oder gestrichen werden.
Betriebsvereinbarung
Ist die Zahlung von (übertariflichem) Weih- nachtsgeld Bestandteil einer Betriebsverein- barung, kann es nur gestrichen oder gekürzt werden, wenn der Arbeitgeber die Betriebsver- einbarung fristgerecht kündigt und diese nicht nachwirkt.
5 | 2016 der betriebsrat
Arbeitsleistung darstellt.
Es kommt im Zweifel also immer darauf an, wofür die Sonderzahlung geleistet wird, also ob der Arbeitgeber damit eine besondere Beloh- nung verbindet.
Sorglos in das Weihnachtsfest
Die Kollegen im Betrieb von Benno Sorglos können aufatmen. Bei ihnen gilt ein Tarifver- trag, der Anspruch auf Zahlung ist wasserdicht – Einbruch der Gewinnerwartung hin oder her.
Auch die angebliche Schlechtleistung darf nicht zu Kürzung führen.
Anderswo sollte genau geprüft werden, wenn der Arbeitgeber den Weihnachtsgeld-Hahn ab- drehen will. Und das schnell, denkt an mögli- che Verfallsklauseln! Denn in der Regel wird das Weihnachtsgeld mit dem Novembergehalt ausgezahlt.
Beliebt beim AG:
Der Freiwilligkeitsvorbehalt
Viele Weihnachtsgeldzahlungen enthalten Freiwilligkeitsvorbehalte. Und das geht so:
Der Arbeitgeber weist bei der Auszahlung des Weihnachtsgeldes darauf hin, dass die Zahlung freiwillig erfolgt und keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet. Dies ist wirksam, wenn kein Rechtsanspruch auf Zahlung be- steht. Der Arbeitgeber kann so das Entstehen einer betrieblichen Übung für die Zukunft ver- hindern.
Allerdings heißt es hier, genau hinzuschauen und gegebenenfalls fachkundigen Rat einzu- holen, denn die Rechtsprechung stellt an die Wirksamkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten hohe Anforderungen.
Rückzahlung?
Was ist mit Fällen, in denen der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld zurückfordern möchte, wenn der Arbeitnehmer kündigt? Das kann unzuläs- sig sein, entschied zuletzt das LAG Hamm (15 Sa 1780/15). Eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeits- leistung darstellt, kann nicht vom ungekündig- ten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, abhän- gig gemacht werden. In dem zu entscheidenden Fall wurde die Weihnachtsgratifikation jeweils monatlich ausgezahlt, die Arbeitnehmerin hatte zum 31.12. des strittigen Jahres gekündigt.
Auch das Bundesarbeitsgericht entschied 2013 (10 AZR 848/12), dass eine Sonderzahlung mit Mischcharakter in Allgemeinen Geschäftsbe- dingungen nicht vom Bestand des Arbeitsver- hältnisses am 31. Dezember des Jahres abhän- gig gemacht werden kann. Sonderzahlung mit Mischcharakter bedeutet, dass das Weihnachts- geld neben der Entlohnung der Betriebstreue auch eine Vergütung für die bereits erbrachte
Stichwort: Weihnachtsgeld
Das Weihnachtsgeld ist eine Sonderzahlung des Arbeitgebers und dient z.B. der Anerken- nung für geleistete Dienste oder als Motivati- on für die zukünftige Arbeitsleistung.
In der Regel wird Weihnachtsgeld zusätzlich zum normalen Entgelt im November ausge- zahlt.
Schöne Bescherung!
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Eine Flasche Wein, ein Paket mit Lebku- chen oder ein Gutschein: Viele Kunden und
Zulieferer bedanken sich zum Jahresende bei Mitarbeitern anderer Firmen mit klei-
neren oder auch größeren Geschenken.
Doch dürfen die Kollegen solche Geschenke überhaupt annehmen?
Nicht sorglos alles annehmen
Blättert man in den Gesetzen, findet man in
§ 299 des Strafgesetzbuches (StGB) eine Re- gelung , dass beim geschäftlichen Verhältnis nichts angeboten bzw. angenommen werden darf, was eine Gegenleistung im Sinne eines Wettbewerbsvorteils mit sich bringt bzw. die Pflichten gegenüber dem Unternehmen ver-
Geschenkt!
Dürfen Arbeitnehmer Weihnachtspräsente annehmen?
der betriebsrat 5 | 2016 Geschenkt!
Aus dem finanziellen und Image-Schaden hat man bei Siemens gelernt.
Was bedeutet das nun für die Geschenke ande- rer Firmen? Ganz einfach, man sollte gerade in der Vorweihnachtszeit die Regeln des eigenen Unternehmens zum Thema Geschenke gut ken- nen. Oftmals sehen diese vor, dass Präsente bis zu einem bestimmten geringen Wert (z.B. bis 30
€) zulässig sind, nicht aber dar- über hinaus.
Und was ist, wenn es keine Richtlinien gibt?
Fehlen bislang klare Regelungen im Unternehmen, dürfen Mitar- beiter natürlich trotzdem keine Geschenke annehmen, die un-
mittelbar von einer Gegenleistung abhängen – das ist selbstverständlich. Letztlich sind immer die Umstände des Einzelfalls entscheidend. All- gemein gelten Geschenke allgemein als akzep- tabel, wenn sie einen Wert von ca. 20 bis 30 € nicht überschreiten. Im Zweifel sollte man sich vor der Annahme aber mit dem Betriebsrat bzw.
dem Vorgesetzen beraten.
Übrigens: Beamte oder Angestellte von Bund und Land dürfen grundsätzlich keine Geschen- ke annehmen. Ausnahmen sind nur durch die Zustimmung durch Vorgesetzte möglich.
Dürfen Arbeitnehmer Weihnachtspräsente annehmen?
Man sollte gerade in der Vor- weihnachtszeit die Regeln des Unternehmens zum Thema Geschenke gut kennen.
letzt. Amtsträger machen sich der Bestechlich- keit schuldig, wenn sie für eine Gegenleistung einen Vorteil annehmen (§ 331 f StGB).
Aus diesen Regelungen lässt sich herauslesen, dass es wohl darauf ankommt, wie beinflussbar Geschenke einen Arbeitnehmer machen – die Grenze zum Bestechungsverdacht ist schmal.
Im Umkehrschluss bedeutet dies für Arbeit- nehmer, dass sie sensibilisiert sein müssen und nicht sorglos alles annehmen sollten.
Weitreichende Mitbestimmungsrechte
Auf der anderen Seite kann der Arbeitgeber eine Anweisung, dass Geschenke nicht (mehr) angenommen werden dürfen, nicht einseitig er- lassen. Denn es handelt sich nicht um schlichte Arbeitsanweisungen, vielmehr ist die Ordnung im Betrieb betroffen. Damit hat der Betriebsrat weitreichende Mitbestimmungsrechte (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).
Ethik- bzw. Compliance-Richtlinien
Üblicherweise werden Regelungen zur Annah- me von Geschenken oder Einladungen in den Compliance-Richtlinien des Unternehmens ge- troffen.
Angefangen hat die deutliche Sensibilisierung in den Unternehmen mit der wohl größten Korruptionsaffäre der deutschen Wirtschafts- geschichte: Vor zehn Jahren stürmten mehrere hundert Beamte Geschäftsräume von Siemens sowie Privatwohnungen zahlreicher Mitarbei- ter. Schmiergeld lautete der Vorwurf, die ge- richtliche Aufarbeitung dauerte lange. Heute hat Siemens Compliance-Richtlinien, nach de- nen genehmigungsbedürftige Zuwendungen, z.B. die Einladung zu Unterhaltungsveranstal- tungen und sonstige Zuwendungen (insbeson- dere Geschenke und Essenseinladungen), über ein spezielles Tool genehmigt werden müssen.
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Mail oder Fax reichen
Mail oder Fax reichen
In vielen Arbeitsverträgen finden sich Verfallklauseln, auch Ausschlussklauseln genannt. Sie besagen, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden müssen – sonst verfallen sie und können nicht mehr eingefordert werden.
sprüche gegenüber der anderen Vertragspartei
„schriftlich“ geltend zu machen sind, unwirk- sam. In diesem Fall ist die ganze Klausel un- wirksam, Arbeitnehmer können sich dann auf die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren berufen.
Arbeitnehmer, aufgepasst!
Für Arbeitsverträge, die vor dem Stichtag ge- schlossen wurden, hat die Neuregelung keine Auswirkung. Die Änderung des § 309 Nr. 13 BGB gilt nur für Schuldverhältnisse, die nach dem 30.09.2016 entstehen. Vorher vereinbarte Schriftformerfordernisse in Ausschlussklau- seln bleiben daher (vorerst) wirksam.
Auch die Kündigung des Arbeitsvertrages ist nach wie vor nur schriftlich möglich.
Auswirkungen auf den Alltag
Tipp: Die Neuregelung betrifft auch viele Ver- träge des täglichen Lebens, die nach dem 30.09.16 geschlossen wurden, wie z.B. Handy- vertrag oder Zeitschriften-Abo. Aber auch hier gilt: Die Kündigung muss klar formuliert sein.
Also Name, Adresse und Kundennummer nicht in der Mail oder dem Fax vergessen!
Um für Rechtsklarheit zu sorgen und um zu vermeiden, dass Arbeitnehmer durch solche Klauseln nachteilig behandelt werden, hat der Gesetzgeber den § 309 Nr. 13 BGB nun neu geregelt. Danach sind AGB-Klauseln in Arbeitsverträgen unwirksam, durch die für Anzeigen oder Erklärungen eine strengere Form als
„Textform“ verlangt wird. Damit reichen Mail oder Fax nun aus, denn sie gehören zur Textform. Entscheidend ist, dass es keiner Unterschrift mehr bedarf.
Für wen gilt die Neuregelung?
Zu berücksichtigen ist die Neuregelung bei Arbeitsverhältnissen, die seit dem 01.10.2016 geschlossen werden. Bei diesen sind die bisher verwendeten Vertragsklauseln, wonach An-
Bisher Schriftform, jetzt Textform
In der Regel sahen Verfallklauseln dabei bis- lang vor, dass Ansprüche innerhalb einer be- stimmten Frist schriftlich gegenüber der Ver- tragspartei geltend zu machen waren. In Zeiten von E-Mail und Fax eine Hürde, denn Schrift- form bedeutete immer mit handschriftlicher Unterschrift.
Entscheidend ist, dass es
keiner Unterschrift mehr be-
darf. Die Neuregelung
betrifft auch viele Verträge
des täglichen Lebens.
5 | 2016 der betriebsrat 5 | 2016 der betriebsrat
Was gibts Neues?
Gesetzesänderungen im Überblick
Zum Jahresende bewegt sich viel im Paragrafen-Dschungel.
Dies sind die wichtigsten Neuerungen, die Betriebsräte ken- nen sollten:
Gesetz gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkvertrag
Nach jahrelangen Diskussionen ist das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) nun beschlossene Sache. In Kraft tritt es am 01.04.2017.
Die wichtigsten Neuregelungen betreffen die Bereiche Leiharbeit und Werkverträge.
1. Leiharbeit
Die Neuregelung sieht „Equal Pay“ nach neun Monaten vor. Nach dieser Zeit sollen Leiharbei- ter den gleichen Lohn erhalten wie vergleich- bare Stammarbeitnehmer.
Außerdem wird es eine Überlassungshöchst- dauer von grundsätzlich 18 Monaten geben.
Und Schließlich wird der Einsatz entliehener Arbeitnehmer als Streikbrecher verboten.
2. Werkverträge
Die Abgrenzung von abhängiger und selb- ständiger Tätigkeit wird per Gesetz definiert.
Außerdem werden die Informationsrechte des Betriebsrats klargestellt: Sie haben das Recht, über Art und Umfang der vergebenen Aufga- ben und die vertragliche Ausgestaltung der eingesetzten Werkvertragsnehmer informiert zu werden.
Entwurf eines Gesetzes zur Lohngleichheit
Noch mehr „Equal pay“? Mit dem „Gesetz für mehr Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen“ (Lohngleichheitsgesetz) sollen Be- schäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Ar- beitnehmern künftig ein einklagbares Recht auf Offenlegung der Gehälter haben und so in Erfahrung bringen können, ob sie genauso viel verdienen wie die mit ihnen vergleichbaren Be- schäftigten. Wenn nicht, soll ein Anspruch auf Nachzahlung bestehen. Schnittstelle der Infor- mation, was eine Vergleichsgruppe verdient, soll der Betriebsrat sein.
Achtung, bislang handelt es sich noch um ei- nen Entwurf – geplant ist, dass das Gesetz am
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Was gibts Neues?
Was gibts Neues?
4. Psychische Belastungen bei der Gefährdungsbeurteilung.
Änderung der Schriftformklausel im BGB
Seit dem 01.10.2016 sind Klauseln ungültig, die eine Kündigung per Schriftform verlangen.
Hintergrund ist die Änderung des § 309 Nr.
13 BGB. Dies betrifft auch die Verfallklauseln vieler Arbeitsverträge!
Neues Bundesteilhabegesetz
Man liest schon viel über das neue Bundesteil- habegesetz – aber noch ist nichts in trockenen Tüchern. Voraussichtlich am 16.12. wird sich der Bundesrat in „letzter Instanz“ mit dem Ge- setz befassen, also zustimmen oder auch nicht.
Wir bleiben am Ball! Wichtige Hintergründe und Infos zum Zeitplan und zu den Regelun- gen finden sich unter www.ifb.de/bthg
Flexi-Rente
Arbeiten im Alter? Mit dem Gesetz zur Flexi-Rente soll es mehr Flexibilität beim Übergang von der aktiven Beschäftigung in den Ruhestand geben. Konkret bedeutet dies, dass es einfacher werden soll, im Alter einem Job nachzugehen und gleichzeitig eine vor- gezogene Rente zu beziehen. Das Gesetz soll stufenweise ab 2017 in Kraft treten.
01.07.2017 in Kraft tritt. Wir werden berichten!
Novellierte Arbeitsstättenverordnung
Ziel der Arbeitsstättenverordnung (ArbS- tättV) war und ist es, Beschäftigte an ihrem Arbeitsplatz schützen und zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten beitragen. Um den Anforderungen einer mo- dernen Arbeitswelt gerecht zu werden, hat das Bundeskabinett am 03.11.2016 Änderungen der Arbeitsstättenverordnung beschlossen.
Die Änderungen sollen noch vor Jahresende in Kraft treten.
Im Vorfeld war der Protest groß, besonders in der Kritik stehende Änderungen wurden aber gar nicht mehr umgesetzt. Die Neuregelung bzw. Konkretisierungen betreffen im Wesentli- chen die Themen
1. Homeoffice
auch Telearbeitsplätze genannt.
2. Fenster
an Arbeitsplätzen und in Sozialräumen.
3. Arbeitsschutz-Unterweisung
aber nicht für jede Art von Sanitärräumen.
Lassen die baulichen oder betrieblichen Ge- gebenheiten dies nicht zu, z. B. in Bereichen von Flughäfen, Bahnhöfen, Sportstadien oder Einkaufszentren, kann von einer Sichtverbin- dung nach außen abgesehen werden. Neu ist die eindeutige Auflistung von Ausnahmen.
5 | 2016 der betriebsrat
Was den Mitarbeitern des Gelsenkirchener Wellpappe-Werks in den letzten Wo- chen widerfahren ist, klingt wie ein Alptraum – und ist es auch. Völlig überra- schend wurde am 31. Oktober Insolvenz angemeldet. Geht es noch schlimmer?
Leider ja, denn die Information an die Arbeitnehmer erfolgte nicht persönlich sondern per Brief, der Betriebsrat war nicht eingeweiht, es gab kein Gehalt und allen wurde der Zugang zum Werk verweigert. Betroffen sind 96 Beschäftigte.
Ausradiert und abgeschafft
Fieses Vorgehen beim Wellpappe-Aus in Gelsenkirchen
Gnadenlos: Der Träger des Bundesverdienstkreuzes Wolfgang Palm
Die Wut auf Wolfgang Palm ist groß. Hatte er bislang gerne seine „soziale Einstellung“ betont, zeigt sich jetzt ein ganz anderes Gesicht. Ohne Ethik und Moral wurde das Wellpappe-Werk einfach dichtgemacht.
Foto: Verband Deutscher Papierfabriken VDP
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Ausradiert und abgeschafft
Belegschaft und Betriebsrat fielen aus allen Wolken: Per Bote wurden Sie über das Werks-Aus informiert. Kein per- sönliches Wort, nur die lapidare Begründung, dass aufgrund der „hoffnungslos veralteten“ Anlagen im Werk keine Aufträge mehr an Gelsenkirchen vergeben würden, es keine Investitionsmittel zur Modernisierung gebe. Daher habe man Insolvenz anmelden müssen.
ringer kann man seine Beschäftigten wohl nicht behandeln. Besonders perfide mutet es zudem an, dass Konzernchef Wolfgang Palm am glei- chen Tag die Belegschaft eines anderen Werkes über die Schließung informierte, dies für die be- troffenen Beschäftigten in Gelsenkirchen wohl aber nicht für nötig hielt.
Wie sozial sind Sie wirklich, Herr Palm?
In einem Interview gegenüber dem Handels- blatt äußerte Wolfgang Palm noch im Jahr 2010:
„Offenheit, Gradlinigkeit, Berechenbarkeit, Zu- verlässigkeit und Fairness sind die Grundsät- ze unserer Unternehmenspolitik“. Er betonte die „soziale Einstellung“ und „Verbundenheit gegenüber den Beschäftigten“. Belohnt wurde
Zutritt verweigert
Viele Mitarbeiter, die eigentlich den Brücken- tag vor dem 01.11. genießen wollten, versam- melten sich vor dem Werkstor. Dort der nächste Hammer, denn ein Sicherheitsdienst bewachte das Werk und verhinderte den Zutritt. Auch auf das Oktobergehalt warteten die Kollegen ver- geblich. Der Schock über die Nachricht, keine weiteren Informationen, kein Zutritt, kein Geld.
Geht man so mit altgedienten und motivierten Kollegen um? Ganz sicher: Nein!
Die Palm-Gruppe, zu der das Gelsenkirchener Werk gehört, hatte hingegen wenig Skrupel: Der Standort wurde umgehend von der Internetprä- senz gelöscht. Ausradiert und abgeschafft, ge-
5 | 2016 der betriebsrat
Im Kampf gegen die Palm-Gruppe hat es indes einen ersten kleinen juristischen Erfolg gege- ben: Vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen stritten die Parteien um den Zutritt des Be- triebsrats zum Werk. Der Betriebsrat obsiegte mit seinem Antrag auf Einstweilige Verfügung und erhielt wieder Zugang zum Betriebsrats- büro. Auch eine Betriebsversammlung konnte so Mitte November durchgesetzt werden.
Auch finanziell gab es für die Beschäftigten einen kleinen Lichtblick: Der vorläufige Insol- venzverwalter Rolf Weidmann und die Bundes- agentur für Arbeit vereinbarten in Verhandlun- gen mit der Gelsenkirchener Stadtverwaltung die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes für Oktober, bei Bedarf auch für November und De- zember. „Wir hoffen, dass so die schlimmsten finanziellen Sorgen der Belegschaft gemildert werden können“, erklärte Oberbürgermeister Frank Baranowski.
Und wie geht es weiter?
Inzwischen hat der Betriebsrat Strafantrag we- gen „Herbeiführung einer Insolvenz“ gestellt.
Parallel dazu geht das Insolvenzverfahren wei- ter. Sollten die Voraussetzungen für die Eröff- nung des Insolvenzverfahrens vorliegen, wird in der Regel der vorläufige Insolvenzverwalter zum Insolvenzverwalter ernannt.
Für die Beschäftigten heißt das leider, abzuwar- ten und im schlimmsten Fall auf die Abwick- lung zu warten. Wir werden über die Entwick- lungen bei Wellpappe berichten.
er mit dem Bundesverdienstkreuz, verliehen für besondere Leistungen. Nichts als schöner Schein?
Das sehen offenbar viele so, denn eine Petition zur Aberkennung des Bundesverdienstkreu- zes von Wellpappe Chef Wolfgang Palm fand innerhalb kurzer Zeit bereits rund 1.230 Un- terzeichner (Stand: 17.11.2016). In einem Un- terstützer-Kommentar von Rainer Schiffkowski, Leiter des Referates Wirtschaftsförderung der Stadt Gelsenkirchen, liest man beispielsweise:
„Ich habe bislang noch nie ein solch strate- gisch kleinteilig vorbereitetes Agieren wider die Menschlichkeit und unter Verletzung von Ethik, Moral und sozialer Verantwortung erle- ben müssen. (…) Ich gebe meiner Fassungslo- sigkeit für dieses höchst unanständige Verhal- ten des Herrn Dr. Palm Ausdruck.“
Unterstützung durch ver.di
Auch ver.di verurteilte das Vorgehen der Palm-Gruppe und die angemeldete Insolvenz für das Wellpappewerk Gelsenkirchen scharf.
„Dieses verantwortungslose Verhalten stellt einen unglaublichen Vorgang dar“, erklärte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. „Die Palm-Gruppe ist der zweitgröß- te Wellpappekonzern in Deutschland, der zu- letzt durch millionenschwere Zukäufe seine Marktposition ausgebaut hat. Der Konzern verfügt über genügend Mittel, um ein Werk mit 96 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anständig zu behandeln und mit der Inter- essenvertretung nach Wegen zum Erhalt der Arbeitsplätze zu suchen. Hier liegt ein klarer Fall vor, ein Werk bewusst in die Insolvenz ge- führt zu haben.“ Ver.di stehe an der Seite Be- schäftigten und ihrer Familien und werde alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um für den Erhalt der Arbeitsplätze zu kämpfen.
Kleiner Teilerfolg: Zutritt zum Werk
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Ein Fall wie dieser hat auch für Dietrich Manstetten neue Di- mensionen. „Eine Insolvenz kommt nicht über Nacht“, erläutert er. „Früher gab es eine Art gesellschaftlichen Kodex, ein solches Verhalten gegenüber den Beschäftigten war verpönt und anrüchig.
Heute nutzt man immer gezielter das ´Nicht-Arbeitsrecht´, frei nach dem Motto: Einfach machen!“.
Ein Beispiel hierfür sei auch das Gerichtsverfahren um den Zutritt des Betriebsrats zum Werk. Denn dass dem Betriebsrat dieses Recht zusteht, sei eindeutig, der Betriebsrat hat das Hausrecht im Betriebsratsbüro. „Deshalb war es für mich auch eine Selbstver- ständlichkeit, dass wir das Verfahren gewinnen. Aber sich um das Recht einfach nicht mehr zu kümmern, das hat heutzutage schon Methode.“
Betriebe würden aufgespalten oder geschlossen und damit erstmal Fakten geschaffen, ohne Rücksicht auf das geltende Recht. „Meine Sorge ist, dass so was salonfähig wird. Das darf nicht passieren.
Schon heute gehört etwa die Bekämpfung von Betriebsräten leider zum professionellen Handwerkszeug.“
Dieses Vorgehen darf
nicht salonfähig werden!
Wir sprachen mit dem Rechtsanwalt Dietrich Manstetten, der den Well- pappe-Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen vertritt.
Ausradiert und abgeschafft
5 | 2016 der betriebsrat Willkommen, JAV
Willkommen, JAV
Tipps für die neue Amtsperiode.
Herzlichen Glückwünsch zur Wahl, liebe JAVis! Für euch beginnt nun eine neue, spannende Aufgabe. Gerade zu Beginn der Amtszeit solltet ihr ein paar „Spielregeln“ kennenlernen und wissen, worauf ihr besonders achten müsst. Wir sagen euch, wo- rauf es ankommt!
Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung, kurz JAV, können viel im Betrieb bewegen. Als Ansprech-
partner für die jugendlichen Arbeitnehmer (unter 18 Jahren) und die Auszubildenden unter 25 Jahren nehmen sie sich ganz unterschiedlichen Themen an. Hierzu gehört beispielsweise, die Kollegen zu unterstützen, wenn es Knatsch in der Ausbildung gibt, wenn ein Azubi nicht über-
nommen werden soll oder wenn ein junger Kollege Ärger mit den Vorgesetzten hat. Aber keine Angst: Ihr musst als JAV nicht alle Probleme alleine lösen. Dabei hilft euch der Betriebsrat.
Im Boot dem Betriebsrat
JAV und Betriebsrat sollen und müssen eng zusammenarbeiten. Ein guter Draht zum Be- triebsrat ist daher sehr wichtig für eure Arbeit als JAV! Er ist Ansprechpartner für alle eure Fragen. Außerdem kümmert er sich um die Um- setzung von Maßnahmen für die jugendlichen Arbeitnehmer und Auszubildenden. Anders ausgedrückt: Wenn ihr ein Thema anstoßt, ist der Betriebsrat für die Umsetzung zuständig.
Denn die JAV kann nicht selbst mit dem Arbeit- geber verhandeln; der Betriebsrat vertritt die Interessen der gesamten Belegschaft gegen- über dem Arbeitgeber.
Sicherlich wollt ihr aber wissen, was in der Sa- che passiert? Da hilft euch § 68 BetrVG: Danach hat die JAV nämlich das Recht, an Besprechun- gen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat teil- zunehmen, wenn es um die Angelegenheiten junger Kollegen geht.
Recht auf Informationen
Und die JAV muss nicht allen Informationen hin-
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Willkommen, JAV
men. Das macht Sinn, denn der Betriebsrat weiß über einzelne Themen oft mehr als die JAV und kann diese Informationen dann gleich beisteuern.
In das Protokoll der Sitzung gehö- ren neben den wichtigsten Argu- menten (mindestens) der Wortlaut und das Stimmenverhältnis der ge-
fassten Beschlüsse. Das Protokoll ist vom JAV-Vor- sitzenden und einem weiteren JAV-Mitglied zu unterschreiben. Außerdem muss eine Anwesen- heitsliste beigefügt werden, in die sich jeder Teil- nehmer einträgt.
Gut versammelt dank JAV
Ähnlich wie der Betriebsrat mit der Betriebsver- sammlung kann auch die JA-V eine Versamm- lung einberufen (vgl. § 71 BetrVG). Wie wäre es vielleicht gleich vor oder nach einer Betriebs- versammlung? Die JAV-Versammlung ist eine gute Gelegenheit, um über euch und eure Arbeit zu berichten und bestimmte Themen mit allen Jugendlichen und Auszubildenden zu beraten.
Gut, dass es euch gibt
Die Zahlen des DGB-Ausbildungsreports sprechen eine klare Sprache: Wenn eine Jugend- und Aus- zubildendenvertretung oder ein Betriebs- oder Personalrat im Betrieb existiert, sind jeweils mehr als doppelt so viele Auszubildende sehr zufrieden mit ihrer Ausbildung als bei denjenigen ohne be- triebliche Interessenvertretung. Es ist also prima, dass es euch gibt. Wir wünschen euch einen ge- lungenen Start!am Stück Freizeit schaffen.
Alles in allem sehen die Aussichten für 2017 doch gut aus. Viel Spaß mit den Brückentagen!
terherlaufen: Der Betriebsrat hat die Pflicht, die JAV zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend mit allen nötigen Informationen zu versorgen. Dazu gehört auch, der JAV die zur Erledigung ihrer Aufgaben erforderlichen Unter- lagen zur Verfügung zu stellen.
Betriebsratssitzung:
Unbedingt reinschnuppern!
Die JAV darf einen Vertreter zu jeder Sitzung des Betriebsrats entsenden – und sollte das auch tun.
Denn nur so bekommt ihr viele wichtige Informa- tionen und bleibt auf dem Laufenden.
Sogar alle Mitglieder der JAV dürfen an bestimm- ten Tagesordnungspunkten teilnehmen, wenn es um besondere Angelegenheiten von jugendlichen Arbeitnehmern und Auszubildenden geht. Wer- den hierzu Beschlüsse gefasst, darf die JAV mit abstimmen (§ 67 Abs. 2 BetrVG).
Wichtig für den Austausch:
Die JAV-Sitzung
Wir kommt man noch an Informationen? Zwi- schen Tür und Angel bleibt oft nicht viel Luft. Zeit zum Austausch bietet euch daher die JAV-Sitzung nach § 65 BetrVG: „Die Jugend- und Auszubil- dendenvertretung kann nach Verständigung des Betriebsrats Sitzungen abhalten“. Sinnvoll ist es, einen regelmäßigen Sitzungstermin zu verein- baren, z. B. jeden ersten Montag im Monat. Bitte den Betriebsrat und den Arbeitgeber darüber in- formieren! Die Sitzungen finden während der Ar- beitszeit statt.
Die Zusammenstellung der Tagesordnung ist die Aufgabe des JAV-Vorsitzenden, ebenso wie die Einladung zur Sitzung. Denkt daran, rechtzeitig einzuladen, damit alle genügend Zeit zur Vorzu- bereitung haben. Formuliert die Tagesordnung so konkret wie möglich, das macht die Vorbereitung für alle Beteiligten einfacher.
Eine Einladung bekommen übrigens nicht nur JAV-Mitglieder, sondern auch der Betriebsratsvor- sitzende. Dieser (oder ein beauftragtes Betriebs- ratsmitglied) kann an allen JAV-Sitzungen teilneh-
Beeilt euch! viele Termine sind schon ausgebucht!
Seminartipp
• Jugend- und Auszubildenden- vertretung Teil I: Alles klar für den Start – Die Rechte und Pflichten der JAV!
Übrigens: Teilnehmer dieses Semi- nars erhalten das ifb-Starterpaket für die Jugend- und Auszubilden-
5 | 2016 der betriebsrat
Raus aus dem Suppenkoma!
Was Sie gegen Ihr Mittagstief machen können.
Gääääähn! Gerade im Winter fallen einem nach einem schönen Mittagsessen gerne die Augen zu. Jetzt am Liebsten ein Nicker- chen – doch leider wartet die Arbeit. Kommt Ihnen das bekannt vor? Nicht jeder Chef hat Verständnis für das Tagestief. Also was tun gegen das Suppenkoma?
Nach dem Mittagessen ist am Arbeitsplatz häufig erstmal die Luft raus. Diagnose: Suppenkoma, auch bekannt als
„Schnitzelstarre“. Und das ist keine Einbildung, der Leis- tungsabfall hat sogar einen wissenschaftlichen Namen:
Man spricht von der postprandialen Müdigkeit. Übersetzt bedeutet es so viel wie Müdigkeit „nach dem Essen“. Die Augen sind schwer und selbst Kaffee bringt die Konzentra-
tion nicht zurück. Woran liegt das nur?
Verdauung ist Schwerarbeit
Hauptgrund des Mittagstiefs ist, dass der Kör- per nach dem Essen mit der Verdauung zu tun hat. Ein großer Teil des sauerstoffreichen Blutes wird zur Nahrungsverwertung gebraucht. Der Blutdruck sinkt, die Muskulatur und das Gehirn werden unzureichend versorgt. Die Folge ist, dass wir schläfrig werden und uns die Arbeit schwer fällt.
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Raus aus dem Suppenkoma!
wieder fit zu werden. Denn beim Gehen kommt der Kreislauf in Schwung und die Sauerstoffver- sorgung im Körper wird gesteigert.
Wer partout nicht um den Block gehen will oder kann, der sollte wenigstens statt dem Fahrstuhl die Treppe nehmen. Tipp: Frische Luft sorgt für einen wachen Geist! Daher auch kurz die Fenster öffnen, um frische Luft reinzulassen. Wer dazu noch ein paar Dehnübungen macht, fühlt sich schnell wieder fitter.
Wasser trinken
Wichtig ist auch, ausreichend Wasser zu trin- ken. Denn wer zu wenig trinkt, beeinträchtigt die Blutzirkulation im Körper: Das Blut fließt langsa- mer, der Blutdruck sinkt und die Organe werden schlechter versorgt – auch das Gehirn. All das kann Müdigkeit und mangelnde Konzentration zur Folge haben. Um ans Trinken zu denken, soll- te man sich direkt zu Arbeitsbeginn eine Flasche Wasser parat stellen. Hartnäckigen Wenig-Trin- kern hilft zuweilen auch ein „Trinkerinnerer“.
Dies sind kleine Programme zum Download, die, wie der Name schon sagt, regelmäßig ans Trinken erinnern. Doch Vorsicht, nicht immer ist der Download am Arbeitsplatz erlaubt! Das soll- te unbedingt vorher abgeklärt werden. Empfoh- len werden übrigens ca. 2 Liter Wasser pro Tag.
Blutzucker rauf,
Wachmacherhormon runter
Ein weiterer Grund für das Leistungstief ist das Essen selbst: Kohlenhydrate lassen den Blutzu- ckerspiegel innerhalb von wenigen Minuten in die Höhe schießen. Dieser Glukoseüberschuss bremst die Produktion des „Wachmacherhor- mons“ Orexin, wie britische Forscher entdeckt haben. Orexin beeinflusst den Schlaf-Wach- rhythmus eines Menschen und sorgt unter an- derem für Aufmerksamkeit und Wachheit. Wird die Orexin-Bildung durch eine kohlenhydratrei- che Mahlzeit gehemmt, führt dies zu Müdigkeit.
Viele Kohlenhydrate enthalten übrigens vor al- lem Pommes, Pasta, Kartoffeln und Weißbrot.
Daher gilt der Grundsatz: Nach schwerem Es- sen fällt das Arbeiten schwer. Wer nach dem Mittag schnell wieder in die Gänge kommen möchte, sollte leicht verdauliche, fettarme Spei- sen zu sich nehmen und auf kleine Portionen achten. Diese beanspruchen weniger Blut und lassen dem Körper mehr Energie. Wie wäre es zum Beispiel mit einer heißen Suppe in der kalten Jahreszeit? Sie ist in der Regel nicht nur gut verdaulich, sondern wärmt auch noch von innen.
1.000 Schritte tun …
Kommt trotzdem Müdigkeit auf, gehört ein Spaziergang zu den besten Tricks, um schnell
5 | 2016 der betriebsrat Raus aus dem Suppenkoma!
Wer hätte das gedacht: Schon eine Viertel- stunde Mittagsschlaf steigert die Leistungs- fähigkeit um bis zu 35 %. Zudem erleiden laut einer griechischen Studie Menschen, die mehr als drei Mal pro Woche 30 Mi- nuten nachmittags schlafen, viel seltener einen Herzinfarkt. Klingt alles wunderbar, doch wie umsetzen am Arbeitsplatz?
Schlechtes Image? Egal!
Denn trotz aller positiven Wirkungen hat der Mittagsschlaf immer noch ein schlech- tes Image. Wer mittags schläft, ist faul, oder nicht? Dabei gehört das Nickerchen in an- deren Ländern bereits fest zur Kultur, wie etwa die „Siesta“ in Lateinamerika oder das „Inemuri“ in Japan. Also sollte man sich erstmal von dem Gedanken frei ma- chen, was die Kollegen davon halten, wenn man in seiner Pause die Augen zumacht.
Leider halten bislang nur wenige Firmen Ruheräume für ihre Mitarbeiter bereit.
Doch das kurze Nickerchen kann trotz- dem gelingen, etwa im Pausenraum oder einfach im Bürostuhl: Zurücklehnen und Augen schließen, unter Umständen noch eine Schlafbrille aufsetzen. Vielleicht hilft sanfte Musik über Kopfhörer aus dem Smartphone beim Einschlummern.
Dabei sind folgende Regeln sehr wichtig:
• Wirklich nur in der PAUSE schlafen. Wer während der Arbeitszeit schläft, kann unter Umständen sogar ohne Abmahnung eine Kündigung kassieren. Denn Arbeitszeitbe- trug stellt einen Kündigungsgrund dar.
• Die optimale Zeit für ein Mittagsschläf- chen liegt laut Biorhythmus zwischen 13 und 14 Uhr.
• Den Wecker stellen! Das Schläfchen sollte maximal zwischen 20 und 30 Minuten dau- ern. Sonst gerät man in die Tiefschlafphase, der Kreislauf ist im Keller und die Müdig- keit schlimmer als zuvor. Amerikanische Forscher haben sogar herausgefunden, dass ein langer Mittagsschlaf von mehr als 40 Minuten auf lange Sicht sogar schädlich sein kann.
• Um wieder richtig wach zu werden, hilft etwas kaltes Wasser im Gesicht und etwas frische Luft.
• Um wieder richtig wach zu werden, hilft etwas kaltes Wasser im Gesicht und etwas frische Luft.
Noch Zweifel? Unser Tipp: Einfach mal Ausprobieren!
Der berühmte Powernap:
Ein kurzes Nickerchen, das wirklich hilft
Vor ein paar Jahren tauchte der Begriff „Powernapping“ das erste Mal auch in der Arbeitswelt auf. Inzwi- schen bestätigen zahlreiche Studien die positive Wirkung eines kurzen Schläfchens in der Arbeitspause.
Doch wie umsetzen?
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„Man kann vieles
schaffen, man muss es nur anpacken“
Ramona Senier, Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat der GESOBAU AG
Seit elf Jahren ist Ramona Senier Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat der GESO- BAU in Berlin. Mit großem Respekt ist sie damals in das Amt gestartet. Wir sprachen
mit ihr über ihre Erfahrungen, Hürden und Erfolge.
Ramona, ganz ehrlich: Macht Dir die Ar- beit im Aufsichtsrat Spaß?
Spaß ist vielleicht nicht das richtige Wort, ich würde eher sagen, dass es Freude macht, etwas bewegen zu können. Als Betriebsrat stößt man manchmal an die Grenzen seiner Handlungsfä- higkeit. Im Aufsichtsrat kann ich schon früh auf bestimmte Themen aufmerksam machen. Na- türlich können wir Arbeitnehmervertreter nicht alles durchsetzen, aber trotzdem können wir immer die Position der Arbeitnehmer deutlich machen. Es ist ein großer Gewinn, das wir Ar- beitnehmervertreter im Aufsichtsrat auf Augen- höhe mit allen Beteiligten diskutieren können – ich weiß, dass ist keine Selbstverständlichkeit.
War das auch Deine Motivation, Dich da- mals zur Wahl zu stellen?
Im Grunde schon. 2005 war bei uns ein eher schwieriges Jahr, es stand das Thema Personal- abbau im Raum. Damals dachte ich, ich stelle mich der Wahl, um im Aufsichtsrat direkter Ein- fluss auf die Situation nehmen zu können. Als ich dann tatsächlich gewählt wurde, hatte ich natürlich großen Respekt vor dem neuen Amt und der damit übernommenen Verantwortung – aber da musste ich durch. Schließlich hatte ich ein klares Ziel vor Augen und war dankbar, ge-
wählt worden zu sein.
Und was sagen die Kollegen, wenn man plötzlich so ein Amt innehat?
Zu Beginn hieß es, ´die Kollegen werden Dich jetzt anders sehen, Du bist jetzt in anderen Sphären´ unterwegs. Und ja natürlich, wurden auch vereinzelt Bedenken geäußert, ob ich den Anforderungen gerecht werde. Wie alles Neue ist das Ganze ein Lern- und Entwicklungspro- zess. Heute kann ich sagen, dass ich überwie- gend positive Rückmeldungen und Unterstüt- zung erfahre. Das ist für mich Anerkennung und Ansporn zugleich.
Mitglied im Aufsichtsrat und gleichzeitig Betriebsrat – passt das zusammen?
Ja, gerade das passt! Denn was im Aufsichtsrat entschieden wird, also die strategische Ausrich- tung des Unternehmens, muss von der ganzen Belegschaft und auch im Betriebsrat umge- setzt werden. Ich würde sagen, Betriebsrat und gleichzeitig Aufsichtsrat muss nicht sein, aber es hilft. Entscheidend ist die Bereitschaft, die Interessen der Belegschaft sowie des Unter- nehmens zu vertreten. Einen guten Austausch zwischen den verschiedenen Interessenvertre-
der betriebsrat 5 | 2016 Echte Regelung oder heiße Luft?
tungen finde ich daher sehr wichtig.
Nach Deiner Erfahrung, welche Fähigkei- ten sollte man als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat mitbringen?
Für notwendig halte ich die Bereitschaft, dazu- zulernen und sich weiterentwickeln zu wollen.
Ich habe deshalb erstmal Schulungen besucht und mich informiert. Kenntnisse über das Un- ternehmen bzw. die Lust darauf, dieses besser kennenzulernen sind grundlegende Bausteine,
insbesondere für Interessenvertretungen. Am wichtigsten finde ich, dass man den Willen und den Mut hat, sich für andere einzusetzen und Verantwortung zu übernehmen. Denn man kann vieles schaffen, man muss es nur anpa- cken! Persönlich halte ich eine gesunde Kom- munikationsfähigkeit und den Spaß an der Zu- sammenarbeit mit anderen für sehr hilfreich.
Die Fähigkeit, einander „Brücken zu bauen“, um eine Balance zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen herzustellen, ist auch im
Zur Person: Ramona Senier
Seit 37 Jahren arbeitet Ramona Senier bei der GESOBAU AG; einer, wie sie sagt, „tollen Firma in Reinickendorf“.
Das Unternehmen mit ca. 300 Mitarbei- tern ist eines der größten städtischen Wohnungsbauunternehmen in Berlin.
Mitglied des Betriebsrats ist sie seit 1994, Arbeitnehmervertreterin im Auf- sichtsrat seit dem Jahr 2005. Und, noch etwas ganz Besonderes, seit 2015 ist sie stellvertretende Aufsichtsrats- vorsitzende der GESOBAU AG.
„Ich liebe Herausforderungen“, sagt Ra- mona Senier, die mit ihrem Optimismus und ihrem Wissendurst gemeinsam mit anderen schon viel bewegen konnte.
Und ihr Herz schlägt – nach entspre- chender Qualifizierung – noch für ein weiteres Ehrenamt: Seit dem Jahr 2004 ist sie als Mobbing- und Konfliktbera- terin in ihrem Unternehmen tätig. „Es ist sehr bereichernd, Menschen Mut zu machen.“
Bereichernd war auch das Gespräch mit ihr – Begeisterungsfähigkeit, die überspringt!
Foto: GESOBAU/ Christian Thomas
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