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Archiv "Gewalt gegen Kinder das bestgehütete Geheimnis" (01.02.1990)

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DER KOMMENTAR

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Gewalt gegen Kinder

das bestgehütete Geheimnis

ten eingeholt, an dem Wissenschaft- ler und zehn renommierte Institute mitwirkten. Das Gutachten kam in acht Teilbänden in einem Umfang von 1500 Seiten bereits im Februar 1989 über; Projektkoordinator und Verfasser des Schlußberichtes war das Institut für Gesundheits-System- forschung (IGSF) in Kiel unter Lei- tung von Prof. Dr. med. Fritz Beske.

In Bonn wurde auf ministerieller Ebene dagegen kaum etwas bewegt.

Außer „hektischem Stillstand" und

„Denkpausen" ist nichts Großes zu vermelden. Noch unter der Ägide des verflossenen Bundesgesund- heitsministers Heiner Geißler ist in der Bonner Kennedy-Allee zumin- dest zeitweilig ein neu errichtetes Fachreferat „Gesundheitsberichter- stattung/Statistik" damit betraut worden, sich vorrangig dieses kräfte- zehrenden Projekts anzunehmen.

Personalabgang und Kompetenzge- rangel auch mit dem Bundesarbeits- ministerium und (später) mit dem Statistischen Bundesamt entfachten einen Streit über das Erstgeburts- recht und die institutionelle Anbin- dung. Mehr nicht! Wissenschaftler und Gutachter haben dank öffent- lich finanzierter Forschungsaufträge ihre „Schularbeiten" längst erledigt.

Die Gesundheitsberichterstattung ist für die politische Planung und Ent- scheidungsfindung zu wichtig und zu sensibel, als daß sie durch weiteres Kompetenzgerangel ins politische Aus manövriert werden darf.

• Die Politik ist nun am Zuge, zu entscheiden, ob der von den Gut- achtern und den Instituten aufge- zeigte Weg gangbar ist und offensiv beschritten werden soll: Danach soll nach einem einvernehmlich abge- stimmten Gesamtkonzept jedes be- teiligte Institut Mosaiksteine zur re- gelmäßigen Berichterstattung bei- steuern, die nach dem Prinzip der Arbeitsteilung fach- und sachgerecht in eigener Kompetenz erhoben und aussageträchtig ausgewertet werden können. Die Zusammenführung, Auswertung und Veröffentlichung in einer Art zentralen, neutralen Evi- denzbüro wäre dann nur noch zweit- rangig. Mit finanzieller Unterstüt- zung und dem Segen der Bundesmi- nisterien wäre dies kurzfristig auch machbar. Dr. Harald Clade

In der von der UNICEF - der Kinderhilfe-Organisation der Ver- einten Nationen (UNO) - und dem Internationalen Kinderschutzbund entworfenen und im November 1989 von der UNO verabschiedeten „In- ternationalen Konvention der Rech- te des Kindes" ist ein Abschnitt auch dem Schutz des Kindes vor Miß- handlungen durch seine Eltern oder sonstige Personen gewidmet, denen es anvertraut ist. Wie im Rahmen der UNO nicht anders denkbar, wur- de dabei die Verantwortung des Staates hervorgehoben.

In der Ärzteschaft der Welt ist in- des „Gewalt gegen Kinder" keines- wegs ein neues Thema. Der Weltärz- tebund hat schon 1984 einen Text über den Kindesmißbrauch verab- schiedet und diesen im Oktober 1989 ergänzt und verstärkt. Die Probleme sind in der ärztlichen Publizistik, auch in der vorliegenden Zeitschrift, in den letzten Jahrzehnten und Jah- ren immer wieder einmal dargelegt worden.

Wichtig: Prävention

Dennoch: Gewalt gegen Kinder - das ist nach wie vor das bestgehütete Geheimnis unzähliger Familien Ärz- te und Ärztinnen werden in der täg- lichen Praxis - davon ist Dr. Ingeborg Retzlaff, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes und der Ärztekam- mer Schleswig-Holstein, überzeugt - sehr viel häufiger mit den Folgen von Gewalt gegen Kinder konfrontiert, als sie es selbst wahrnehmen: „Viele schwer einzuordnende Krankheitser- scheinungen und Verhaltensauffäl- ligkeiten können Folgen solcher Ge- waltanwendungen im körperlichen und seelischen Bereich sein."

Dem Thema muß also immer wieder erneut Aufmerksamkeit ge- schenkt werden. Dies hat in der Bun- desrepublik zuletzt die Lübecker Gruppe des Deutschen Ärztinnen- bundes in einer eigenen Veranstal- tung getan, wenig später ergänzt durch Vorträge an der Akademie für

medizinische Fortbildung der Ärzte- kammer Schleswig-Holstein. Neben der körperlichen und seelischen Ge- walt gegen Kinder, die man gewöhn- lich als Kindesmißhandlung versteht, befaßten sich die Tagungen - und so spiegelt es eine nun vorliegende Bro- schüre*) - vor allem auch mit dem sexuellen Mißbrauch von Kindern.

Neben Referaten u. a. aus frau- enärztlicher, pädiatrischer und kri- minalpolizeilicher Sicht stehen schwergewichtig Beiträge maßgeb- licher Kinder- und Jugendpsychiater:

Prof. Dr. med. Joest Martinius, Di- rektor des Instituts für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität München, zur Persönlichkeitsent- wicklung mißhandelter Kinder; Prof.

Dr. med. Stefan Herzka, Leiter der Kinderpsychiatrischen Abteilung der Universität Zürich, über seelische Gewalt gegen Kinder; Prof. Dr. med.

Tilmann Fürniß, Kinder- und Famili- enpsychiater der Tavistock Clinic London, zur Diagnostik und zu den Folgen und insbesondere zur thera- peutischen Intervention bei sexueller Kindesmißhandlung; Prof. Dr. med.

Gerd Schütze, Direktor und Lehr- stuhlinhaber der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universi- tätsklinik Kiel, über Möglichkeiten und Notwendigkeit der Hilfe für das mißhandelte Kind.

Erst das Wissen nicht nur um Diagnose und Therapie, sondern auch um die Prävention versetzt den Arzt in die Lage, die jüngste Forde- rung des Weltärztebundes zu erfül- len, die - schlagwortartig zusammen- gefaßt - besagt: Ein mißhandeltes Kind ist der primäre Patient, und der die Mißhandlungen entdeckende und behandelnde Arzt hat alle ande- ren Rücksichten beiseite zu lassen - Schweigepflichten gegenüber Miß- handlern sind hier aufgehoben, das mißhandelte Kind steht an erster Stelle. EB

*) „Gewalt gegen Kinder — Mißhandlung und sexueller Mißbrauch Minderjähriger" / Ingeborg Retzlaff (Hrsg.), 1989, Jungjohann Verlagsge- sellschaft mbH, Neckarsulm, 127 Seiten, 32 DM, ISBN 3-8243-1061-9.

Dt. Ärztebl. 87, Heft 5, 1. Februar 1990 (33) A-285

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