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Archiv "Heinrich Heines Tod: Ein Winterkrimi" (05.01.1998)

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er Dichter Heinrich Heine wurde 200 Jahre nach seiner Geburt vor allem in seiner Geburtsstadt Düsseldorf auf vielfältige Weise geehrt und gefeiert – eine späte Wiedergutma- chung. Ende des Jahres nah- men sich auch Ärzte seiner an. Rechtsmediziner der nordrhein-westfälischen Lan- deshauptstadt untersuchten gemeinsam mit Kollegen aus Göttingen eine Haarlocke des Poeten, genauer gesagt zehn Haare, die aus dem Nachlaß seiner Frau Mathil- de stammen. Eigentlich woll- ten sie nur den Beweis dafür erbringen, daß Heinrich Hei- ne wirklich an Syphilis ge- storben ist. In diesem Fall hätten sich in den Haaren Spuren von Quecksilber fin- den lassen müssen. Denn Quecksilber wurde im vori- gen Jahrhundert in der Regel zur Syphilistherapie einge- setzt.

Mit Hilfe modernster Technik, der sogenannten To- talreflexions- und Röntgen- fluoreszenz, habe er die Haa- re untersucht, berichtete Dr.

med. Dr. rer. nat. Harald Ki- jewski, Arzt und Diplomche- miker am Institut für Rechts- medizin der Universität Göt- tingen, in Düsseldorf vor Journalisten. Dabei machte er eine überraschende Ent- deckung: Die Analysen erga- ben nämlich keinerlei Hin- weise auf Quecksilber. „Wir haben statt dessen erhebliche Spuren von Blei gefunden.“

Es fanden sich zwischen 192 und 244 Mikrogramm Blei pro Gramm Haar. Verglichen

mit Normwerten (etwa 1,8 Mikrogramm Blei pro Gramm Haar), könne dies als Indiz für eine Bleivergif- tung angesehen werden. Da- mit sei es zwar keineswegs wi- derlegt, daß Heine dennoch an Syphilis erkrankt war, da die Quecksilbertherapie nicht obligat war, räumte der Rechtsmediziner ein. Es spreche jedoch einiges dafür, daß Heine an einer Bleiver- giftung gestorben sei.

Bleivergiftung Als Heine-Liebhaber ha- be er aufgrund seiner Ent- deckung nach einer Schilde- rung der typischen Sympto- me einer solchen Vergiftung in Heines Gedichten gesucht.

Und er sei fündig geworden, berichtete Kijewski. In einem seiner letzten Gedichte (siehe Kasten)habe der Dichter sei- ne eigenen Beschwerden sei- nen Feinden gewidmet. Er schilderte – auch in anderen Werken – fast alle Erschei- nungen einer klassischen Bleivergiftung: Speichelfluß,

Darmkoliken, Tremor, Mattig- keit der Mus- keln, Lähmun- gen, Gewichts- verlust, Ein- schränkungen der Atemmus- kulatur. „Ich ha- be kaum je- mals eine Ver- giftung festge- stellt, die mit der beschriebe- nen Symptoma- tik so sehr über- einstimmt wie in

diesem Fall“, sagte Kijewski.

Auch der Direktor des Rechtsmedizinischen Insti- tuts der Heinrich-Heine-Uni- versität Düsseldorf, Prof. Dr.

med. Wolfgang Bonte, hält es für sehr wahrscheinlich, daß Heinrich Heine an einer mas- siven Bleivergiftung litt: „An diesem Bleiwert

kommt man nicht vorbei.“

Doch wie kam es zu dieser Er- krankung? Mög- lich wäre es, daß beispielsweise das Trinkwasser in einem bleihalti- gen Gefäß aufbe- wahrt gewesen wäre. Dann hät- ten allerdings die Menschen in Hei- nes Umgebung die gleichen Sym- ptome aufweisen müssen. Davon sei jedoch nichts bekannt. Auch bleihaltige Poma- den seien zu Hei- nes Lebzeiten üb- lich gewesen. Sie

wurden, so Kijewski, erst 1897 verboten. Er habe je- doch nicht den Eindruck ge- wonnen, als ob die Haare des Dichters mit Blei behandelt gewesen waren. Eine Ermor- dung des Poeten ist also nicht auszuschließen. Der Göttin- ger Rechtsmediziner: „Blei- acetat läßt sich allen Nah- rungsmitteln und Getränken unauffällig beimengen.“ Tat- verdächtige mochte er aller- dings nicht nennen, da dies reine Spekulation wäre. Es gibt allerdings auch Zweifel.

So fragte Bonte: „Ist die Locke wirklich von Heine? Ist sie aus der Zeit seines To- des?“ Gewißheit könnte mög- licherweise eine in Kürze vor- gesehene Untersuchung brin- gen. Dann nämlich werden die Wissenschaftler sich die Totenmaske des Dichters im Heine-Institut ansehen. An ihr könnten sich, so hofft Dr.

med. Wolfgang Huckenbeck, Leiter des Serologischen La- boratoriums am Institut für Rechtsmedizin der Univer- sität Düsseldorf, Barthaare mit Haarwurzeln befinden.

Dann wäre die DNA-Analyse und die damit verbundene Frage nach der Echtheit der Haare kein Problem mehr.

Der Leiter des Heinrich- Heine-Instituts, Prof. Dr. Jo- seph A. Kruse, vertritt aller- dings die Auffassung, daß

diese Untersuchungen wohl kaum im Sinne des Dichters sind. Er versicherte: „Von mir hätte niemand die Haare be- kommen.“ Trotz dieser Be- denken ist Kruse dazu bereit, die Totenmaske für die Un- tersuchungen zur Verfügung zu stellen, auch wenn sich

„die Biographie Heines durch die Ergebnisse der Un- tersuchungen sicherlich nicht ändern wird“. Letztlich müß- ten die Medizinhistoriker die Schlußfolgerungen ziehen.

Gisela Klinkhammer A-47 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 1–2, 5. Januar 1998 (47)

V A R I A FEULLETON

Heinrich Heines Tod

Ein Winterkrimi

Am Ende des Heinejahres 1996 präsentierten Rechtsmediziner der Universitäten Düsseldorf und Göttingen eine überraschende These über den Tod des Dichters. Sie haben kaum Zweifel dar- an, daß Heinrich Heine an einer Bleivergiftung starb. Möglicherweise wurde er sogar ermordet.

(aus dem Buch „Romanzero“) Ich vermach’ euch die Koliken, Die den Bauch wie Zangen zwicken.

Harnbeschwerden, die perfiden preussischen Hämorrhoiden.

Meine Krämpfe sollt Ihr haben, Speichelfluß und Gliederzucken, Knochendarre in dem Rucken, alles schöne Gottesgaben.

Heinrich Heine

Vermächtnis

Heinrich-Heine-Porträt von Colla, Öl auf Elfenbein,

entstanden nach 1825

Foto: Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf

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