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undesfinanzminister Hans Eichel hat gut lachen:Nach monatelangen De- batten konnte er seine Steuer- reformpläne nahezu unge- stutzt in das Steuersenkungs- gesetz einbringen. Kernstück der Neuregelung ist die Sen- kung der Steuersätze. In der Einkommensteuer wird der Eingangssteuersatz in mehre- ren Stufen von 22,9 auf 15 Prozent zurückgenommen, der Spitzensteuersatz sinkt von 51 auf 43 Prozent. Konsequenz für Anleger: Je später Kapital- erträge erzielt werden, umso günstiger. Es kann sich daher lohnen, statt normalverzinster Anleihen Zerobonds zu er- werben, deren Zinsertrag erst im Jahr der Fälligkeit in einer Summe zu versteuern ist. Auch Banksparpläne mit aufgeschobener Zinszahlung können interessant sein – wo- bei sich allerdings die Frage nach der Höhe der Gesamt- rendite stellt. Unternehmen, die bisher einbehaltene Ge- winne mit 40 Prozent und aus- geschüttete Gewinne mit 30 Prozent versteuern mussten, zahlen jetzt eine einheitliche Körperschaftsteuer von 25 Prozent. Zusammen mit der Gewerbesteuer ergibt dies ei- ne Belastung von rund 38 Pro- zent. Folge: Der „Gewinn nach Steuern“ verbessert sich um fünf bis 15 Prozentpunkte – ein Argument, das für Akti- en als Geldanlage spricht.
Markante Änderungen er- geben sich auch bei der Di- videndenbesteuerung, wo bis- lang das „Anrechnungsverfah- ren“ gilt: Anleger, deren Ka- pitaleinkünfte über den maß- geblichen Freibeträgen liegen (3 100 DM für Alleinstehen- de und 6 200 DM für Verhei- ratete), müssen Dividenden- zahlungen in voller Höhe mit ihrem persönlichen Steuersatz versteuern. Die bereits vom Unternehmen gezahlte Kör- perschaftsteuer wird ihnen je- doch auf die Einkommensteu- erschuld angerechnet; ebenso die bereits gezahlte Kapital- ertragsteuer. Ab dem Ge- schäftsjahr 2001 gilt stattdes- sen das „Halbeinkünftever- fahren“. Nur noch die Hälfte der gezahlten Bardividende
unterliegt dann der Einkom- mensteuer des Anlegers. Im Gegenzug entfällt die Anrech- nung der Körperschaftsteuer.
Die Neuregelung gilt auch für Dividendenzahlungen auslän- discher Unternehmen, wobei gezahlte ausländische Quel- lensteuern je nach Land wei- terhin entweder erstattet oder auf die deutsche Steuerschuld angerechnet werden. Anle- ger, die statt festverzinslicher Wertpapiere Aktien mit ho- her Dividendenzahlung erwer- ben, profitieren somit von der günstigeren steuerlichen Be- handlung. Während Zinszah- lungen bereits ab 3 100/6 200 DM steuerpflichtig sind, greift die Besteuerung bei Dividen- den erst ab 6 200/12 400 DM.
Spitzenverdiener freuen sich Pluspunkte bietet das neue Verfahren insbesondere für Anleger mit einem Spitzen- steuersatz von mehr als 40 Pro- zent. Der Vorteil, nur noch die Hälfte der Dividende versteu- ern zu müssen, ist für sie weit- aus größer als der Nachteil, die Körperschaftsteuer nicht mehr angerechnet zu bekom- men. Benachteiligt sind indes Anleger mit niedrigem Spit- zensteuersatz, die bisher über die Steuergutschrift einen Zu- satzertrag erzielten. Beson- ders stark betroffen sind aber auch Investoren, die den Spa- rerfreibetrag noch nicht aus- schöpfen. Sie erhielten bisher die Bruttodividende zuzüglich des Körperschaftsteuergutha- bens. Künftig müssen sie sich mit der – dafür allerdings leicht höheren – Nettodivi- dende bescheiden. Das ge- zahlte Körperschaftsteuergut- haben ist für sie verloren. Hin-
gegen macht die Neuregelung deutsche Dividendenpapiere für ausländische Anleger wie- der interessanter, ist ihnen die Anrechnung der Körper- schaftsteuer bisher ohnehin versagt geblieben.
Attraktiver werden Aktien für viele Anleger nicht nur durch die Neuregelung der Dividendenbesteuerung. Vor- teile ergeben sich auch bei der Besteuerung von Spekula- tionsgewinnen. Bisher unter- lagen alle „Gewinne aus Ver- äußerungsgeschäften“ immer dann in vollem Umfang dem Einkommensteuersatz des Anlegers, wenn sie innerhalb von zwölf Monaten realisiert werden und der Gesamterlös aus solchen Spekulationsge- schäften im Jahr mindestens 1 000 DM (Verheiratete: 2 000 DM) beträgt. Wenn ein allein stehender Anleger im laufen- den Jahr 1 800 DM Spekulati- onsgewinne erzielt, muss er dafür bei einem angenomme- nen Spitzensteuersatz von 40 Prozent 720 DM Einkommen- steuer bezahlen. Nach neuem Recht müssen von den 1 800 DM jedoch nur noch 900 DM versteuert werden. Damit bleibt der Ertrag völlig steuer- frei, denn schließlich liegt er unter der unveränderten Frei- grenze von 1 000 DM. Daraus ergibt sich ein interessanter Gestaltungsspielraum. Anle- ger, die Spekulationsverluste nach altem Recht realisieren, können diese in voller Höhe auf das Folgejahr fortschrei- ben. Hingegen müssen sie künftige Spekulationsgewin- ne nur zur Hälfte versteuern.
2 000 DM Spekulationsverlust von heute „neutralisieren“ al- so einen künftigen Spekulati- onsgewinn von 4 000 DM.
Bei Dividendeneinkünften greift das neue Steuerrecht in jedem Fall für alle Gewinne, die vom Unternehmen ab dem Jahr 2001 erwirtschaftet wer- den. Dividendenzahlungen für das Jahr 2000 werden also nach altem Recht besteuert, spätere Dividenden nach dem neuen Recht. Bei Spekulati- onsgewinnen greift die Neu- regelung ab dem Realisie- rungsdatum 1. Januar 2002.
Allerdings sehen manche Ex- perten auch hier eine enge Bindung an das Geschäftsjahr des Unternehmens, sodass erst nach Ende des Geschäftsjah- res 2001/ 2002 auch die Speku- lationsgewinne steuerlich be- günstigt werden.
Indirekter Vorteil
Wichtiger als bisher ist eine genaue Buchführung. Wer- bungskosten, die in Zusam- menhang mit Zinspapieren anfallen, können auch künftig in voller Höhe abgerechnet werden. Hingegen wird der Werbungskostenabzug in Zu- sammenhang mit Dividenden- papieren auf die Hälfte be- grenzt. Es kann daher sinnvoll sein, Dividenden- und Zinspa- piere auf verschiedene Depots zu verteilen, sodass sich Wer- bungskosten steuerlich leich- ter zuordnen lassen.
Das geänderte Steuerrecht bringt nicht nur unmittelbare Vorteile für Aktionäre, die beispielsweise von der Be- günstigung bei den Spekulati- onsgewinnen profitieren. Das Steuersenkungsgesetz sieht ei- nen weiteren wichtigen Plus- punkt vor, der letztlich wie- derum den Anteilseignern zu- gute kommen sollte: Kapital- gesellschaften können Anteile an anderen deutschen Kapi- talgesellschaften ab dem Jahr 2002 steuerfrei verkaufen, wenn sie die Beteiligung min- destens ein Jahr gehalten ha- ben. Schon jetzt wird damit gerechnet, dass es in Deutsch- land zu umfangreichen Neu- ordnungen des Anteilsbesit- zes kommt. Begünstigt wer- den Unternehmen mit hohem Beteiligungsbesitz, zum Bei- spiel Versicherungsgesellschaf-
ten. Peter Jobst
V A R I A
Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 22½½1. Juni 2001 AA1495
Steuerreform
Dividenden werden anders besteuert
Seit dem 1. Januar gilt das Steuersenkungsgesetz.
Besonders die Ertragsbesteuerung nach dem „Halb- einkünfteverfahren“ zwingt zum Umdenken.
Wirtschaft