Daseinsvorsorge 2030
Innovativ und modern –
eine Antwort auf den demografischen Wandel
2 | INHALT
2. BIOENERGIEDORF Seite 12
SACHSEN 1. AIZ GREIFSWALD
Seite 8
4. JUGENDMOBIL Seite 20
5. KITAMOBIL Seite 24
6. PARTNER_STADT Seite 28
Frankfurt/M.
DEMOGRAFISCHER WANDEL
Seite 6
SACHSEN-ANHALT
BRANDENBURG MECKLENBURG-VORPOMMERN
3. KOMBIBUS Seite 16
Dr. Christoph Bergner, Beauftragter der Bun- desregierung für die Neuen Bundesländer
Bundes und der Länder zu kooperieren und die ausgewählten Projekte von Beginn an flankierend zu unterstützen.
Vor diesem Hintergrund können wir von einem Einstieg in gemeinsames Handeln anhand von sechs Beispielen sprechen. Dabei wurden in einer ersten Phase die verschiedenen Konzepte der Projektideen präzisiert und zur Um
setzbarkeit gebracht. Zusätzlich haben wir wertvolle Hinweise gewonnen, wo noch weiterer Handlungsbedarf für ein erfolgreiches Modernisieren in den untersuchten Bereichen der Daseins
vorsorge liegt. Wir können nun in der zweiten Phase des Gesamtprojekts gemeinsam daran gehen, die konkrete Umsetzung der Projekte in der gut ein
geführten Kooperation von Bund und Ländern zu begleiten. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Beteiligten des Modellvorhabens für ihre engagierte und konstruktive Mitarbeit bedanken.
Die Idee des hier dokumentierten Modellvorhabens „Daseinsvorsorge 2030 – innovativ und modern – eine Antwort auf den demografischen Wan
del“ war und ist, den Einstieg in das demografische Modernisieren direkt zu unterstützen. Das ist gelungen. We
sentlich dabei war die Bereitschaft des Unsere Gesellschaft wird sich auf einen Wandel hin zu weniger und vor allem zu älteren Menschen einstellen müssen. An dieser Tatsache führt kein Weg vorbei. Ein wichtiger Ansatzpunkt zum Umgang mit dieser Veränderung ist eine Neukonzeption der Daseins
vorsorge. Dies setzt zweierlei voraus:
erstens einen von Bund, Ländern und Kommunen den Anforderungen des demografischen Wandels angepasster rechtlicher Rahmen, der Spielraum für flexible, regional unterschiedliche und auch technisch variantenreiche Formen der Erbringung öffentlicher Daseinsvorsorge eröffnet; zweitens die Bereitschaft von Bürgerinnen und Bür
gern, von Wirtschaft und Gesellschaft vor Ort, sich an diesem Prozess aktiv zu beteiligen. Die Neuorganisation der technischen und sozialen Infrastruktur vor Ort erfordert Mut und Innovations
freude und braucht ein gehöriges Maß an Selbstvertrauen. Der ernste Wille, neue Wege zu wagen, ist unverzicht
bar. Unsere Erfahrung ist, dass in allen Neuen Bundesländern viele Bürgerin
nen und Bürger hierzu bereit und in solchen Initiativen bereits unterwegs sind.
Das Modellvorhaben setzt Ansätze aus dem Handlungskonzept „Daseins
vorsorge im demografischen Wandel zukunftsfähig gestalten“ um und ist ein erster Schritt einer gemeinsamen De
mografiepolitik von Bund und Ländern in Ostdeutschland. Ich bin zuversicht
lich, dass wir auch die weiteren Schritte gemeinsam erfolgreich gehen werden.
Dr. Christoph Bergner
Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer
4 | VORWORT
Prof. Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen
Die demografische Modernisierung, das Sich-neu-Erfinden unter den Be
dingungen einer kleiner werdenden Bevölkerung, ist eine große Aufgabe.
Wie immer in solchen Situationen und ganz besonders in demokrati
schen Gesellschaften hängt der Erfolg einer solchen Modernisierung ent
scheidend von der Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger ab, die neu
en Strukturen zu ihrer eigenen Sache zu machen. Die Bürgerinnen und Bürger selbst sind die Subjekte der demografischen Erneuerung. Diese Tatsache wird in den sechs Projekten, die hier vorgestellt werden, ein
drucksvoll belegt. Es ist richtig, die Erneuerungswilligen in ihrer Vielfalt ins Zentrum der Unterstützung und Förderung zu rücken. Diese Bürge
rinnen und Bürger brauchen aber zu ihrer Ermutigung und zur Mobilisie
rung eigener auch finanzieller Res
sourcen neben der grundsätzlichen Anerkennung ihrer Bereitschaft zur Modernisierung auf der staatlichen Seite verlässliche und offene Partner und – noch wichtiger – Strukturen, in denen sich ihr neues Denken ganz praktisch entfalten kann.
Der Ansatz des Beauftragten der Bundesregierung für die Neuen Bun
desländer, mit dem Modellvorhaben ganz konkret den Einstieg in die de
mografische Modernisierung zu orga
nisieren, ist beeindruckend bürger
freundlich. Er kann dazu beitragen, dem kommunalen Leben in kleinen Städten und Dörfern draußen in den dünn besiedelten ländlichen Räumen neue Lebensinhalte, neue Würde und damit eine attraktive Lebensqualität zurückzugeben.
Jahren hat die Zahl der Bürgerstif
tungen, größere und kleinere, enorm zugenommen. Viele dieser Stiftungen stehen bereit, den Bürgerinnen und Bürgern in ihrem Modernisierungs
willen an die Seite zu treten und diese ganz konkret in ihren Projekten zu unterstützen. Insofern ist das Mo
dellvorhaben auch für die deutschen Stiftungen ein ganz besonderes Signal. Der Beauftragte trägt mit sei
nem Modellvorhaben auch dazu bei, dass die Bürgerinnen und Bürger, der Staat und die Stiftungen gemeinsam die Strukturen der Modernisierung gestalten und voranbringen. Dafür bedanke ich mich bei dem Beauftrag
ten und allen Beteiligten in den Pro
jekten ganz ausdrücklich. Wir sind bereit, mit dem Beauftragten darüber zu sprechen, wie wir den großen Pool der deutschen Stiftungen dichter an den Prozess der demografischen Mo
dernisierung heranführen können.
In diesen Prozessen gewinnt der freiwillige Einsatz, der Beitrag der Gesellschaft selbst, Modernisie
rungsprozesse voranzubringen, größere Bedeutung. In den letzten
Prof. Dr. Hans Fleisch Generalsekretär des Bundes
verbandes Deutscher Stiftungen und Vorsitzender der Auswahljury im Modellvorhaben
Robert Skopp, Director, Management Consulting Öffentlicher Sektor, KPMG AG Wirtschaftsprüfungs- gesellschaft
KPMG wurde vom Bundesministe
rium des Innern mit der Aufgabe betraut, die durchgeführten Modell
projekte auf der Grundlage unserer Branchen- und Fachkompetenz qua
litätssichernd zu unterstützen. Bei der Begleitung lag der wesentliche Beitrag unseres Teams darin, als Bin
deglied zwischen dem Ministerium und den Einzelprojekten zu dienen beziehungsweise als verstärkendes Element in der Abstimmung und dem Wissenstransfer die Einzelprojekte untereinander zu vernetzen. Für uns lag aufgrund des Pilotcharakters eine wesentliche Herausforderung im Bereich der Abstimmung und Kom
munikation, da keine eingefahrenen Wege eingeschlagen werden konnten, sondern neue Handlungsstrukturen und Denkweisen angeregt werden sollten.
Die fachliche Projektbegleitung und Assistenz war eine höchst spannende und fordernde Aufgabe. Für unsere Berater war es beindruckend, mit welchem Engagement die Beteiligten ihre Projekte vorangetrieben haben und dies trotz auftretender fachlicher Probleme, rechtlicher Hürden oder des knappen Zeitplans. Dieses Enga
gement hat das gesamte KPMG-Team angesteckt und unterstützte auch maßgeblich die reibungslose Zusam
menarbeit zwischen allen Beteiligten.
der wirtschaftlichen Umsetzbarkeit.
Neben der jederzeitigen Ansprech
barkeit unseres Teams haben wir hierfür je nach Notwendigkeit weite
re, eigene Experten eingebunden.
Neben dem Einsatz der Projekte war unsere qualitäts- und risikoorientier
te Begleitung während der gesamten Projektlaufzeit ein weiterer Erfolgs
faktor. Je nach individuellem Fort
schritt wurden die einzelnen Projekte mit unterschiedlichen Maßnahmen unterstützt: Absicherung einer funk
tionsfähigen Projektstruktur, Analyse rechtlicher Hürden, Schaffung einer politischen Akzeptanz sowie Sicher
stellung eines Beitrags zur Zukunft der Daseinsvorsorge und Beurteilung
Die Kombination von engagierten Projektverantwortlichen und -be
teiligten, deren fachliche Unter
stützung, der Wissensaustausch untereinander sowie ein striktes Zeitmanagement waren die Basis für das Erreichen des ersten Projekt
ziels. Wir sind stolz, als begleitender
„Coach“ und „Inkubator“ aber auch als „Wächter“ des Zeitplanes und der Zielerreichung in diesem Projekt mitgewirkt zu haben.
Die abgeschlossenen Modellprojek
te sind ein positives Beispiel, wie Öffentlicher Sektor und privatwirt
schaftliche Fachberatung gemeinsam wirkungsorientierte Erfolge für die ostdeutschen Bundesländer und perspektivisch für das gesamte Land erreichen können. Wir danken für ihr Vertrauen und wünschen den Projektträgern für die Umsetzung ihrer Konzepte alles Gute und viel Erfolg.
Robert Skopp
Director, Management Consulting Öffentlicher Sektor, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Leiter der Projektassistenz im Modellvorhaben
6 | DEMOGRAFISCHER WANDEL
Daseinsvorsorge im
demografischen Wandel zukunftsfähig gestalten
Bevölkerung, gehören sie heute zu denen mit der ältesten. Dieser Trend wird sich auch in den nächsten 20 Jahren fortsetzen. Anstelle der Abwanderung in die alten Länder gewinnt dabei die Wanderung in die erstarkenden Zentren der neuen Län
der an Bedeutung.
In den neuen Ländern ist der de
mografische Wandel deutlich vor
angeschritten. Der Rückgang der Bevölkerungszahl bei gleichzeitigem Anstieg des Durchschnittsalters hat die Bevölkerungsstruktur verändert.
Durch die politischen und sozialen Umbrüche 1989/90 kam es in hohem Maße zu Abwanderungen insbeson
dere junger Menschen und zu einem starken Rückgang der Geburten. In der Folge führten beide Entwicklun
gen zu einer ungünstigen Altersstruk
tur. Zählten die neuen Länder 1990 noch zu denen mit einer recht jungen
Lösungen und Ansätze entwickelt werden, die dem heutigen und künf
tig zu erwartenden Bedarf Rechnung tragen. Dabei können prinzipiell alle Handlungsoptionen von der Erhö
hung der Erreichbarkeit, Dezentrali
sierung von Versorgungsstrukturen über mobile Angebote bis hin zur Neuorganisation zum Einsatz kom
Die Abnahme und die Alterung der
men. Auch die Schließung von Ein
Bevölkerung nehmen Einfluss auf
richtungen kann eine Option sein.
alle Versorgungsbereiche der Da
seinsvorsorge. In Abhängigkeit von den konkreten regionalen Ausgangs
bedingungen müssen individuelle
Ein wesentlicher Schlüssel für eine demografiefeste Infrastruktur liegt in der Modernisierung. Dort, wo
Abbildung 1: Abwanderung aus und Zuwanderung in die neuen Länder ohne Berlin
225.000 250.000
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2008 2010 175.000
200.000
125.000 150.000
75.000 50.000 100.000
Abwanderung
Zuwanderung Quelle: Statistisches Bundesamt 2010
Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2030
Datenbasis: BBSR-Bevölkerungsprognose 2005-2030/bbw
Veränderung der Bevölkerungszahl 2005 bis 2030 in %
bis unter -20 -20 bis unter -10 -10 bis unter -3 -3 bis unter 3 3 bis unter 10 10 und mehr Veränderung der Bevölkerungszahl
2005 bis 2030 in % bis unter -10 -10 bis unter -3 -3 bis unter 3 3 bis unter 10 10 und mehr
Künftige Bevölkerungsdynamik
Geometrische Grundlage: BKG, Kreise 31.12.2008 Hamburg
Berlin
Köln
Frankfurt/M.
München
Hamburg
Berlin
Veränderung der Bevölkerungszahl 2005 bis 2030 in %
bis unter -20
-20 bis unter -10 -10 bis unter -3 -3 bis unter 3 -3 bis unter 10
10 und mehr
Veränderung der Bevölkerungszahl 2005 bis 2030 in %
bis unter 10
-10 bis unter -3 -3 bis unter 3 3 bis unter 10
10 und mehr
Datenbasis: BBSR-Bevölkerungsprognose 2005-2030/bbw Geometrische Grundlage: BKG, Kreise 31.12.2008
BERLIN
BERLIN HAMBURG
HAMBURG
ROSTOCK KIEL
SCHWERIN
POTSDAM
KÖLN HANNOVER
FRANKFURT/M.
MÜNCHEN
MAGDEBURG
COTTBUS
DRESDEN LEIPZIG
HALLE/S.
ERFURT
CHEMNITZ
© BBR Bonn 2010
sich herkömmliche Angebote für die Infrastruktur nicht beliebig ver
kleinern oder an veränderte Nach
fragestrukturen anpassen lassen, müssen flexible Angebotsformen und effizientere Organisationsstrukturen gefunden werden.
fähig gestalten“ erarbeitet. Es unter
breitet einen Vorschlag, wie unter den sich verändernden demografi
schen und finanziellen Rahmenbe
dingungen eine an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orien
tierte wirtschaftliche und effiziente Infrastruktur nachhaltig gesichert Bei der Entwicklung und Erprobung
werden kann.
von innovativen Lösungen zur Siche
rung der infrastrukturellen Daseins
vorsorge haben die neuen Länder vielfältige Erfahrungen gewonnen.
Diese Erfahrungen sollen gemeinsam mit den Erkenntnissen des Bundes in eine übergreifende Demografiestra
tegie einfließen. Dafür wurde ge
meinsam mit den neuen Ländern das Handlungskonzept „Daseinsvorsorge im demografischen Wandel zukunfts
del gestaltbar ist, wenn Bereitschaft und Mut vorhanden sind, Prozesse neu zu denken, Strukturen zu verän
dern und die Potenziale der Zivilge
sellschaft zu aktivieren. Erfolgreiche Demografiepolitik braucht einen Schulterschluss aller Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Das Modellvorhaben „Daseinsvor
sorge 2030 – innovativ und modern – eine Antwort auf den demografi
schen Wandel“ wurde flankierend zur Erarbeitung des Handlungskonzepts durchgeführt und lieferte wichtige inhaltliche Impulse. Die Erfahrungen aus den neuen Ländern und die Er
gebnisse der Modellprojekte verdeut
lichen, dass der demografische Wan
8 | AIZ GREIFSWALD
MECKLENBURG-VORPOMMERN
1. Aktivierungs- und Integrationszentrum für ältere Menschen in und um Greifswald
Das Projekt „Aktivierungs- und Integrations- zentrum für ältere Menschen“ (AIZ) zeigt Lösungswege insbesondere für die älteren Menschen in der Region auf, den Auswirkungen des demografischen Wandels zu begegnen.
Rahmenbedingungen des Projekts
Seit 2006 gibt es in Greifswald einen positiven Trend in der Bevölkerungs
entwicklung bei den Senioren. Die Bevölkerungsgruppe ab 65 Jahre hat mit einem absoluten Zuwachs von 4.856 Senioren bis 2030 zu rechnen.
Kontinuierlich steigt auch der Anteil der Pflegebedürftigen in Greifswald.
Perspektivisch führt dies dazu, dass die Kosten für pflegerische und medi
zinische Betreuung weiter ansteigen werden. Diese Entwicklung bedingt die Notwendigkeit der Anpassung der Angebote der öffentlichen Daseins
vorsorge.
Parallel hierzu steigt auch die Inan
spruchnahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung an. Die Anzahl der anspruchsberech
tigten Personen hat sich für Greifs
wald signifikant und kontinuierlich erhöht.
Den älteren Menschen soll so entgegenge- kommen werden, dass ihnen ein länger selbstbestimmtes und aktives Leben in ihrem gewohnten Umfeld er- möglicht wird.
Dieser Aspekt ist Grundlage der Projektidee des Aktivierungs- und Integrationszentrums. Das AIZ soll von der Volkssolidarität Greifswald- Ostvorpommern e.V. als Bestandteil des Vereins errichtet und betrieben werden.
Zentrale Zielsetzung des Projekts Aktivierungs- und Integrationszentrum
Zentrale Zielsetzung des Projekts ist es, durch Aktivierungs- und Integra
tionsmaßnahmen Vereinsamung und Isolation im Alter zu verhindern. Das Aktivierungs- und Integrationszen
trum für ältere Menschen bietet den älteren Seniorinnen und Sen ioren aus Greifswald und der ländlichen
Region zukünftig miteinander verzahnte Gesundheits, Beratungs
und Dienstleistungsangebote sowie soziokulturelle Angebote, mit denen sich die Senioren langfristig kör
perlich und geistig gesund halten können. Aus diesem Grunde soll ein Zentrum geschaffen werden, in dem die Aktivierung, die Integration und die Gesundheitsförderung alter und psychisch kranker Menschen im Vor
dergrund steht.
men zu sein und sowohl geistig als auch körperlich aktiv zu bleiben und dennoch so lange wie möglich im eigenen Haushalt zu leben. Neben vielfältigen Beratungsangeboten, zum Beispiel der Alzheimergesell
schaft, Gesundheitsämter, Pflegebe
ratungen, Polizeisprechstunden etc., werden auch entsprechende Ange
bote zur Gesundheitsförderung zur Verfügung gestellt.
Im AIZ sollen dafür unterschiedliche Dienstleistungen vorgehalten wer
den, zum Beispiel Dienstleistungs-, Gesundheits- und Beratungsangebo
te und unterschiedliche Mobilitäts
hilfen. Die Senioren werden durch das Zentrum in die Lage versetzt, auch im hohen Alter noch mit ande
ren Menschen soziokulturell zusam
Im Vordergrund des Projekts steht zudem die Bildung eines offenen und niedrigschwelligen Netzwerkes in der Region, welches die verschiedenen Akteure und Angebote koordiniert.
Über eine Vernetzung der Akteure können zu Gunsten der Angebote Synergieeffekte erzielt werden, die den Nutzern zugutekommen und unmittelbaren Nutzen stiften.
Bedarfsermittlung
Im Rahmen einer Analyse wurde der Bedarf in Bezug auf die geplan
ten Maßnahmen bei den Senioren nachgefragt. In die Bedarfser
mittlung wurden die wesentlichen regionalen (Wohlfahrts-)Verbände, die Krankenkassen, die zuständigen Jugend und Sozialämter und weitere regionale Akteure einbezogen. Im Ergebnis wurde die Notwendigkeit der geplanten Leistungsangebote für die Region festgestellt und von den Akteuren befürwortet. Mit einer stetigen Netzwerk- und Öffentlich
keitsarbeit und mit der Einwerbung von Fördergeldern konnte zusätzlich eine breite Akzeptanz für das Projekt geschaffen werden.
Gemeinsam aktiv: Auch im hohen Alter sollen sich die Senioren soziokulturell engagieren können.
10 | AIZ GREIFSWALD
Projektinhalte im Detail
Für das AIZ ist die Errichtung eines neuen barrierefreien, zweigeschos
sigen Gebäudes geplant. Die Räum
lichkeiten in dem Zentrum sollen architektonisch so eingerichtet werden, dass die Angebote auch von Menschen mit Behinderungen, zum Beispiel von Gehörlosen, genutzt werden können.
Eine Reihe von Aktivierungs- und Integrationsmaßnahmen ist Teil des geplanten Projekts. Hierunter fallen beispielsweise diverse Gesundheits
angebote für die Senioren, unter anderem die Durchführung von Vitalitätstraining, Muskelerhalt und -aufbau sowie die Durchführung von Rückenschulkursen.
Die Besucher finden eine Kantine mit Integrationscafé, die täglich frisches und gesundes Essen aus der Region anbietet und die gesunde Ernährung für die Senioren und Besucher ge
währleisten kann. Dabei wird ins
besondere auf die Verwendung von industriell gefertigten, pürierten und gefrosteten Zutaten verzichtet. Die gesunde Ernährung soll zum persön
lichen und seelischen Wohlbefinden der Senioren beitragen, indem zum Beispiel zum gemeinsamen Kochen in der Generationenkochschule angeregt werden soll. Die Mahlzeiten sollen zudem in Gemeinschaft einge
nommen werden. Hierdurch werden Bindungen aufgebaut, das Miteinan
der gefördert und die Integration der Senioren gestärkt.
soziokulturelle Dienstleistungen angeboten. Darunter fallen, um nur einige zu nennen, ein Internet
café für Senioren, Ausstellungen, Bibliotheks angebote, Reisevorträge, Gesprächsrunden, gemeinsame Le
sungen, Handy- und Computerkurse.
In den Gemeinschaftsräumen werden vielfältige und unterschiedliche
Diese Angebote zeich- nen sich insbesondere durch einen genera- tionenübergreifenden Ansatz aus und fördern den Austausch zwischen den Generationen.
Ins Auge gefasst ist darüber hinaus die Einrichtung eines Senioren
Shuttles, um dem Problem der Im
mobilität älterer und körperlich ein
geschränkter Menschen zu begegnen.
Hierdurch soll die Inanspruchnahme und die Erreichbarkeit der Angebote sichergestellt werden.
Geplant ist zudem, im AIZ Zuver
dienstmöglichkeiten und Praktika für psychisch kranke Volljährige in Kooperation mit Tages- und Be
hindertenstätten zu schaffen und Arbeitsangebote für ältere und erwerbslose Menschen vorzuhalten.
Mit Hilfe dieser Maßnahmen können öffentliche Haushalte entlastet und die Inanspruchnahme von Soziallei
stungen verhindert werden.
Wiedereinstieg in den ersten Arbeits
markt ermöglicht werden.
Neben dem Effekt der Kostensen
kung kann dem prognostizierten Fachkräftemangel in der Region aktiv begegnet werden. Den älteren erwerbslosen Menschen kann so der
Für psychisch beeinträchtigte Menschen werden die Chancen zur Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt erhöht, indem sie in einzelne Tätigkeitsbereiche mit Prak
tika- und Zuverdienstmöglichkeiten integriert und individuell gefördert werden. Hiermit kann eine Alternati
ve zu einem dauerhaften Verbleib in einer Betreuungseinrichtung eröffnet werden.
Innovativer Charakter des Ansatzes
Das Projekt zeichnet sich insbeson
dere durch eine Vernetzung verschie
dener Anbieter und regionaler Ak
teure aus. Das AIZ wird ein zentraler Anlaufpunkt für ältere Menschen, in dem verschiedene Beratungs, Gesundheits-, Dienstleistungs- sowie soziokulturelle Angebote von ver
schiedenen Anbietern vernetzt – und nicht wie bisher einzeln und an verschiedenen und schlecht erreich
baren Orten – in zentraler Lage vorgehalten werden. Kombiniert mit Angeboten zur gesunden Ernährung sowie unter Einbindung von Mobili
tätshilfen trägt das Projekt gleichzei
tig – entgegen dem vorherrschenden Trend – zur Senkung der Kosten für pflegerische und medizinische Betreuung sowie sozialer Leistungen bei, es unterstützt Senioren dabei, ihre Selbsthilfepotenziale zu stär
ken und fördert damit eine längere Unabhängigkeit von stationären und klinischen Einrichtungen.
Das geplante Zentrum in Greifswald wird komplett barrierefrei sein und neben einem Friseur und einer Bibliothek auch ein Internetcafé bieten.
Ausblick
Das Modellprojekt wurde in seiner Konzeptionierungsphase zwischen Oktober 2010 und August 2011 vom Verein bearbeitet.
Wegen der bevorstehenden Land- und Kreistagswahlen sowie der bevorstehenden Kreisgebietsreform werden erst nach Fest- legung der Verantwortlichkeiten nach der Wahl verbindliche Ent- scheidungen im Rahmen der Einwerbung finanzieller Unterstüt- zung des Projekts durch Land und Kommunen getroffen werden können.
12 | BIOENERGIEDORF
MECKLENBURG-VORPOMMERN
2. (Bio)EnergieDörfer als Daseinsvorsorge
Untersuchung und Darstellung der
Wert s chöpfungspotenziale von (Bio)EnergieDörfern sowie der Entwicklung von Teilhabekonzepten
für Kommunen und ihre Bürger.
Rahmenbedingungen und Zielsetzung des Projekts Das Projekt (Bio)EnergieDörfer als Daseinsvorsorge ist ein Pro
jekt im Landkreis Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern und wurde von der Akademie für Nach
haltige Entwicklung MV (ANE), das Thünen-Institut sowie dem Institut für angewandtes Stoffmanagement entwickelt.
Wegen des sozioökonomischen Um
bruchs der vergangenen Jahrzehnte und des sich noch verstärkenden demografischen Wandels ist die Entwicklung von Strategien insbe
sondere für den ländlichen Raum zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge erforderlich geworden.
zu erweitern, neue Einkommensquel
len, Arbeitsplätze und Teilhabemög
lichkeiten zu erschließen und Raum für die selbstbestimmte Gestaltung des Arbeits- und Lebensumfeldes durch die Bevölkerung im ländlichen Raum zu schaffen. Nur dann können akzeptable Lebensbedingungen für die ältere und mittlere Generati
on erhalten, die Abwanderung der jüngeren Generation begrenzt und die Finanzierung der Infrastruktur gesichert werden.
Ziel des Projekts ist es, Voraussetzun
gen zu schaffen, um das lokale und regionale Wertschöpfungspotenzial
Das Projekt (Bio)EnergieDörfer als Daseinsvorsorge greift die sich bietenden Chancen auf, durch die dezentrale Erzeugung erneuerba
rer Energien wirtschaftlich tätig zu werden und erzielte Einkünfte zum Erhalt oder zum Aufbau der dörfli
chen Strukturen zu verwenden.
Ein (Bio)EnergieDorf ist eine Ge
meinde oder ein Gemeindeteil, der sich aus lokal selbst erzeugten erneuerbaren Energien auf eine nachhaltige und umweltkompatible Weise weitgehend selbst versorgt und dabei die Teilhabe der Bevölkerung ermöglicht. Dabei soll eine Strompro
duktion von 100 Prozent des im Ort verbrauchten Stroms und mindestens 75 Prozent der benötigten Wärme erreicht werden.
Die (Bio)EnergieDörfer für sich allein sind zu schwach, um in größerer Zahl und erfolgreich die Schwierigkeiten des Anfangs durchzustehen, die Kon
zepte zu entwickeln, die Finanzierung zu beschaffen sowie den Aufbau und Betrieb dieser neuen und umfas
senden energetischen Infrastruktur ländlicher Siedlungen wirtschaftlich erfolgreich zu gestalten.
Die Akademie für Nachhaltige Entwicklung (ANE) unterstützt die Bürger mit Workshops bei der Entwicklung von (Bio)EnergieDörfern.
Dörfer auf dem Weg zum ( Bio)- EnergieDorf können erfolgreich sein, wenn sie sich gegenseitig unterstüt
zen, wenn sie voneinander lernen und wenn sich Bottomup und Top-down sinnvoll verstärken, also die Aktivität der Bürger und Unter
nehmen vor Ort mit entsprechenden Rahmenbedingungen und Förderun
gen verstärkt werden.
terstützung und die Zusammenarbeit geschaffen, zum Beispiel den Runden Tisch der Ingenieurbüros und eine Workshop-Reihe.
In Mecklenburg-Vorpommern ist in den vergangenen drei Jahren eine (Bio)EnergieDörfer-Bewegung entstanden. Über 80 Dörfer wol
len (Bio) EnergieDörfer werden, in zehn Jahren sollen es sogar bis zu 500 werden. Diese aus den Dörfern selbst entstandene Bewegung wird inzwischen von einer Reihe von Kooperationspartnern (Landesregie
rung, Städte- und Gemeindetag, ANE u.a.) unterstützt und hat sich selbst Strukturen für die gegenseitige Un
Im Rahmen des Projekts Daseins
vorsorge 2030 wurde für die Ent
wicklung der (Bio)EnergieDörfer ein Konzept für einen sich wirtschaftlich nachhaltig tragenden Dienstleister entwickelt, der alle Akteure beteiligt und es den Dörfern ermöglicht, den Einstieg in die Entwicklung zum (Bio)EnergieDorf erfolgreich zu gestalten.
Dörfer auf dem Weg
zum (Bio)EnergieDorf
können erfolgreich
sein, wenn die Aktivität
der Bürger und Unter-
nehmen vor Ort mit
Rahmenbedingungen
und Förderungen
verstärkt werden.
14 | BIOENERGIEDORF
Vorgehen und Ergebnisse im Projekt
Im Projekt „(Bio)EnergieDörfer als Daseinsvorsorge“ wurde in einer Vielzahl von Gesprächen, Interviews und Arbeitsberatungen mit Bürgerin
nen und Bürgern, Bürgermeistern, Gemeindevertretern, Landwirten und Unternehmern, Verwaltungsmitar
beiterinnen und -mitarbeitern her
ausgearbeitet, welche Bedingungen eine erfolgreiche Entwicklung der (Bio)EnergieDörfer unterstützen und welche übergreifenden gemeinsamen Strukturen die (Bio)EnergieDörfer und andere regionale Akteure dafür schaffen müssen. Im Ergebnis dieser Gespräche wurden
1. die Erkenntnisse über die Wert
schöpfungspotenziale von (Bio)- EnergieDörfern und die Vor
aussetzungen für ihre Nutzung vertieft;
2. ein Konzept für eine übergrei
fende Netzwerkstruktur der (Bio) EnergieDörfer in Westmeck
lenburg entwickelt: eine (Bio)- EnergieDörfer-Genossenschaft (mit dem vorläufigen Namen Energie-Landwerke Westmeck
lenburg eG, ELW), die Dienst
leistungen für die Entwicklung, die Investitionsfinanzierung und den laufenden Betrieb von (Bio)- EnergieDörfern bereitstellen wird und in Ergänzung und Koopera
tion mit (Bio)EnergieDörfern, Stadtwerken und Unternehmen der Region auch eigene erneuerba
re Energieanlagen aufbauen und betreiben wird, um die Teilhabe der Bevölkerung des ländlichen Raums an der Gestaltung und am wirtschaftlichen Erfolg dieser neu
en Zukunftsbranche möglich zu machen. Die ELW eG soll Anfang 2012 gegründet werden.
3. ein Konzept für einen revolvieren
den Eigenkapitalfonds für regio
nale erneuerbare Energien ent w i- ckelt, der das Eigenkapital für die Finanzierung der erforderlichen Investitionen bereitstellen soll.
Das Konzept soll in die Diskussion der (Bio)EnergieDörfer-Bewe
gung und die politische Debatte des Landes MV eingebracht und dem Landtag als Instrument der Entwicklung der erneuerbaren Energien im Garten der Metro
polen (ländlicher Raum zwischen Hamburg, Berlin und Stettin) vorgeschlagen werden. Es geht um den Funktionswechsel, den dieser Raum für die Metropolen bekom
men kann, insbesondere mit der Energiewende, dem ökologischen Umbau der Industrie und Land
wirtschaft, einem erforderlichen neuen Management der Ener
gie- und Stoffströme sowie für die Lebensmittelproduktion, die Erholung und den Tourismus.
Die (Bio)EnergieDörfer-Genossen
schaft und der revolvierende Eigen
kapitalfonds sind institutionell und finanziell getrennte Organisationen.
Die Genossenschaft ist konzipiert als ein Unternehmen der (Bio)Energie
Dörfer, das Dienstleistungen für den Aufbau, die Weiterentwicklung und den laufenden Betrieb der (Bio)- EnergieDörfer anbietet und sich aus diesen Dienstleistungen finanziert, und zwar zunächst regional begrenzt auf Westmecklenburg.
Finanzierungen (Förderungen, Eigenkapital und Kredite) für (Bio)- EnergieDörfer (Kommunen, Genos
senschaften, gewerbliche Betriebe, Hausanschlüsse) bereitstellen soll.
Der revolvierende Eigenkapitalfonds ist nicht als Fonds innerhalb der Genossenschaft gedacht, sondern als landesweites Finanzinstrument, das organisatorisch bei einer Landesein
richtung (Landesbank, Landesför
derinstitut (LFI) Mecklenburg-Vor
pommern, Stiftung o.ä.) eingerichtet werden sollte und das verschiedene
Es geht um den Funk- tionswechsel, den die- ser Raum für die Metro- polen bekommen kann, insbesondere mit der Energiewende, dem ökologischen Um- bau der Industrie und Landwirtschaft.
Die (Bio)EnergieDörfer-Genos
senschaft wird bei Akquisition von Finanzierungen für Investitionen in einzelnen (Bio)EnergieDörfern auf diesen Fonds zurückgreifen, aber nicht exklusiv. Das heißt, auch andere könnten den Fonds nutzen.
Insofern wären Genossenschaft und Fonds zwei sehr gut zusammenwir
kende Komponenten einer komple
xen Strategie zum Aufbau regionaler erneuerbarer Energien im ländlichen Raum. Aber beide Konzepte können durchaus unabhängig voneinander umgesetzt werden. Hinzu kommt, dass die (Bio)Energie Dörfer- Genossenschaft bereits im Januar 2012 gegründet werden soll, während mit der Gründung des Fonds frühe
stens 2012 zu rechnen ist.
Die (Bio)EnergieDörfer-Genossen
schaft kann auch ohne den Fonds Finanzierungen für ihre Dörfer akquirieren, also derzeit bestehende Förderungen, Beteiligungsmöglich
keiten und Kreditangebote nutzen.
Der Fonds wird aber die Finanzie
rung erheblich vereinfachen, das Projektentwicklungsverfahren be
schleunigen, eventuell die Finanzie
rungskosten senken, vor allem aber ermöglichen, dass die Interessen der Regionalentwicklung bei der Finan
zierungsakquise stärker gewichtet werden.
Der Entwurf dieser Analyse und der beiden Konzepte wurde am 10. Mai 2011 dem Landrat des Landkreises Ludwigslust sowie Bürgermeistern, Vertretern von Bürgervereinen, Stadtwerken, Unternehmen und Finanzinstituten vorgestellt; er wurde diskutiert und in einer Reihe anschließender Gespräche weiter präzisiert und überarbeitet. Die beteiligten Akteure unterstützen das Konzept und die Gründung einer (Bio)EnergieDörfer-Genossenschaft (Energie-Landwerke Westmecklen
burg eG) und wollen gegebenenfalls Mitglied werden. Auch das Konzept für den revolvierenden Eigenkapital
fonds fand grundsätzliche Zustim
mung, auch wenn die Details in wei
teren Gesprächen noch abgestimmt werden müssen. Gegenwärtig wird die Gründung eines solchen Fonds weiter vorbereitet, zugleich werden Wege bereitet, die bis dahin anste
henden ersten Investitionen schon ohne den Fonds zu finanzieren.
Ausblick
Die zwei wesentlichen Umsetzungsschritte sind:
• Gründung und Arbeitsbeginn der (Bio)EnergieDörfer- Genossenschaft
• Aufbau eines revolvierenden Fonds zur Finanzierung regionaler erneuerbarer Energieprojekte
Die Gründung der (Bio)EnergieDörfer-Genossenschaft erfolgt im Januar 2012, gefolgt von organisatorischem Aufbau und Beginn der Geschäftstätigkeit. Hierbei ist eine Evaluation der Zielerrei- chung zur Jahresmitte 2012 unter Einbeziehung der relevanten Akteure geplant.
Bei der Umsetzung des Aufbaus eines revolvierenden Fonds zur Finanzierung regionaler erneuerbarer Energieprojekte sind zuerst drei Aufgaben zu bearbeiten: Erstens muss eine relevante und nachhaltige politische Unterstützung für diese Idee orga- nisiert werden. Zweitens muss eine organisatorische Plattform gefunden werden. Drittens geht es um die weitere Ausarbeitung, Diskussion und Präzisierung des Konzepts. Ziel ist es, den Fonds 2012 zu gründen.
16 | KOMBIBUS
BRANDENBURG
3. KombiBus
Kombinierte Serviceleistungen als ergänzendes Angebot im Linienverkehr zur dauerhaften
Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum am Beispiel Uckermark.
Der KombiBus transportiert nicht nur Personen und Fahrräder, sondern versorgt die Dörfer auch mit Post und Frischwaren.
Spezifische Rahmenbedingungen des Projekts
Alle Dienstleistungen und Leistungen der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum sind vom demografischen Wandel betroffen, da die räumliche Dichte an Nutzern und Endkunden zurückgeht und damit die Kosten pro Einwohner und Nutzer steigen.
Dieser Effekt wird durch steigende Energie und Gesundheitskosten sowie sinkende Reallöhne in den unteren Einkommensbereichen noch verstärkt.
Für den Landkreis Uckermark wird in den Jahren 2009 bis 2030 ein Be
völkerungsrückgang von 24 Prozent prognostiziert. Die von Landwirt
schaft und Natur geprägte Region steht besonders in der Ausgestaltung des öffentlichen Personenverkehrs vor großen Herausforderungen.
Es gilt daher, die Bevölkerung bei ausgedünnter Grundversorgung und Anbindung an den konventionellen ÖPNV angemessen zu versorgen.
Aber auch andere Bereiche der Da
seinsvorsorge sind von den progno
stizierten Auswirkungen betroffen.
Die politischen Diskussionen, die der demografische Wandel voraus
sichtlich mit sich bringt, liegen der Grund idee des Projekts zugrunde und zeigen mögliche Lösungswege auf.
Zentrale Zielsetzung des Projekts KombiBus
Nahverkehr und verschiedensten Dienstleistungen zu versorgen.
Zentrales Ziel der Konzeption war es, unter Beteiligung politischer Entscheidungsträger, regionaler Partner und der Bevölkerung ein finanzierungs- und umsetzungsfä
higes Betriebskonzept im Rahmen des Linienverkehrs zu entwickeln.
Dieses sollte flexible Bedienformen einbinden und die Aufgabe erfüllen, den ländlichen Raum und seine Ein
wohner mit einem auskömmlichen
Eine Kombination von Linienbus, Post, Kurier- und Fahrdienst für bewegungseingeschränkte soll daher die Wirtschaftlichkeit einzel
ner Dienstleistungen im ländlichen Raum verbessern und die Versorgung der ländlichen Bevölkerung dauer
haft und auf hohem Niveau sicher
stellen. Durch Flexibilisierung und Multifunktionalisierung sollen diese Ziele erreicht werden.
Anforderungen an die
Gestaltung des Liniennetzes und des Fahrplanangebotes
Das Liniennetzsystem im ländlichen Raum ist zurzeit in hohem Maße auf den Schülerverkehr ausgerich
tet. Dies wird vor dem Hintergrund immer knapper werdender Finanzie
rungsmittel langfristig nicht mehr tragfähig sein.
Die Erreichbarkeit der Standorte wird zukünftig eine sehr zentrale Rolle in den ländlichen Gebieten ein
nehmen. Faktoren wie sinkende Ver
fügbarkeit von PKW durch steigende Altersarmut und die kontinuierliche Abwanderung von Fachkräften wir
ken sich auf die Mobilitätsangebote und die Sicherung der Daseinsvor
sorge ganz unmittelbar aus.
leistungen je nach Bedarf durchge
spielt werden können.
Als wesentliches Planungsinstrument des Projekts dient die Einführung ei
nes „Integralen Taktfahrplans“ (ITF) und die Kombination von Dienst- leistungen und Mobilität. Dabei bieten hierarisch strukturierte Li
nienbusnetze wegen der begrenzten Nachfrage (Schulzeiten, Einkaufs- und Berufsverkehr) freie Kapazitäten für andere Zwecke (Zustellungen, Briefkastenleerung, Fahrdienste, Botendienste). Netzplan und Fahr
plan der Linienbusse bilden dabei die Basis, auf der Modifikationen für die Kombination mit weiteren Dienst-
Diese Planungsmethode führt neben einer verbesserten Personenbeför
derung durch die Minimierung von Wartezeiten auch zu einer weitver
zweigten Güterverteilung bis in die entlegensten im Landkreis zu versor
genden Dörfer. Das ITF-Modell dient als Konzept zur Organisation der Linienangebote im städtischen und ländlichen Verkehr.
Da hierdurch Parallelverkehre ver
mieden und Busumläufe optimiert werden, zeigen sich auch wirtschaft
liche Einsparpotenziale, die für eine Ausweitung des ÖPNV-Angebotes und zur Kompensation von Einnah
merückgängen und Kostensteigerun
gen eingesetzt werden können.
Logistische Lücken im ländlichen Raum und innovativer Ansatz Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Feststellung, dass ein nicht voll besetzter Linienbus potenziell Frachtraumkapazitäten für Dritte bereithält, die zum Transportie
ren von Gütern entgeltlich genutzt werden können. Vorbilder sind dabei landesweite KombiBus-Angebote in Skandinavien, bestehend aus Perso
nenverkehr und Güterbeförderung.
Diese funktionieren in ländlichen wie auch urbanen Gegenden bereits sehr erfolgreich.
Mit einer Kombination dieser Ange
bote kann eine Angebotssteigerung im ÖPNV erzielt werden und gleich
zeitig sowohl die Bedienqualität als auch die Wirtschaftlichkeit gesteigert werden.
18 | KOMBIBUS
Ministerpräsident Matthias Platzeck überreicht Lars Boehme, Geschäftsführer der Uckermärkischen Verkehrsgesellschaft, die Auszeichnung für den KombiBus als Demografie-Beispiel des Monats.
Eine Kombination von Linienbus, Post, Kurier- dienst und Fahrdienst soll die Versorgung der ländlichen Bevölke- rung dauerhaft und auf hohem Niveau sicher- stellen.
Ermittlung der möglichen logisti- schen Nachfragepotenziale
genes Logistiksystem (Lebensmittel- Großhandel, Logistikunternehmer, Vertreter der Gesundheitsbranche) vorhalten, während die zweite Grup
pe zwar einen logistischen Bedarf hat, aus Kostengründen oder wegen zu geringer Kapazitäten jedoch kein eigenes System vorhalten kann.
Im Rahmen einer Analyse hinsicht
lich des Zeitpunktes und der Men
ge des von Wirtschaftsvertretern benötigten Frachtraums sowie der sich daraus ergebenden Chancen für ÖPNVLeistungen wurden mög
liche logistische Nachfragepoten
ziale ermittelt. Die Ergebnisse der Marktübersicht zeigen verschiedene Branchen auf, die einerseits auf Frachtraum und andererseits auf eine besonders gute Standorterreichbar
keit angewiesen sind. Insbesondere in den Bereichen Lebensmittel, Lo
gistik, Bankwesen, Gesundheit und Tourismus spielen diese Einflussgrö
ßen eine wichtige Rolle. Zwei Nach
fragegruppen kristallisierten sich innerhalb dieser Branchen besonders heraus. Zur ersten Gruppe gehören Branchenvertreter, die bereits ihr ei
Thematische Komplexität und Finanzierung
Die zunächst einfache Idee vom „vor
handenen Frachtraum im Linienbus“
entwickelte sich im Verlauf der Pro
jektkonzeption zu einer komplexeren Thematik. Hierzu gehörte neben der Klärung der spezifischen Nachfrage
situation und der genauen Darstel
lung der Auswirkungen des demogra
fischen Wandels vor allem die Frage nach der zukünftigen Finanzierung des ÖPNV.
Neben den inhaltlichen Zielstellun
gen des Projekts wurde ein Grund
gerüst für ein tragfähiges Finanzie
rungskonzept aufgestellt, das unter den Gesichtspunkten Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit langfristig Bestand haben soll.
„Gesetzliche Gratwanderung“
und Neuordnung des politischen Rahmens
Auf einige innovative Lösungen ist der bestehende gesetzliche Ord
nungsrahmen noch nicht ausge
richtet. Dank eines engen Zusam
menspiels und eines gemeinsamen Dialogs zwischen Bund, Ländern und Kommunen konnten bestehende juristische und fiskalische Spielräu
me für die Umsetzung des Projekts KombiBus geklärt werden. So sind die Zuständigkeiten für den Perso
nen- und Güterverkehr nach aktu
eller Rechtslage auf die politischen Akteure verteilt. Innovativ an der Idee KombiBus ist die Ergänzung des Personenverkehrs durch den Güter
verkehr. Die derzeitigen bundesge
setzlichen Regelwerke – zum Beispiel
das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und das Güterkraftver
kehrsgesetz (GüKG) – sehen einen solchen Dienstleistungsmix aktuell nicht vor. Ergänzend ist das Land für das ÖPNVGesetz zuständig, in dem Verantwortlichkeiten und Finanzie
rung geregelt sind. Auf kommunaler Ebene sind die Aspekte zur wirt
schaftlichen Betätigung von Kommu
nen zu berücksichtigen. Die aktuelle Rechtslage zeichnet sich durch die Notwendigkeit aus, den bestehenden rechtlichen Rahmen neu zu regulie
ren. Es müssen Kriterien entwickelt werden, die es der öffentlichen Hand erlauben, Transport- und Versor
gungsaufgaben neu zu regeln. Nur so kann die Daseinsvorsorge in Gebie
ten aufrechterhalten werden, aus denen sich privatwirtschaftliche und teilweise sogar öffentliche Anbieter bereits zurückgezogen haben.
Es müssen Kriterien ent- wickelt werden, die es der öffentlichen Hand erlauben, Transport- und Versorgungsauf- gaben neu zu regeln.
Ausblick
Kritische Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung des KombiBusses sind in erster Linie der Rückhalt durch die politischen Entschei- dungsträger auf Länder- und Bundesebene und die Nutzung des Potenzials, die das Konzept mit sich bringt. Die regionalen Akteure müssen selbst die Initiative ergreifen und ihre regionalen Ressourcen mobilisieren.
Das Modellvorhaben zeigt, dass die Lösungsansätze und Ideen auf andere Regionen und Landkreise übertragen werden kön- nen, wenn wesentliche Akteure – sprich Landkreise, Kommunen und Verkehrsbetriebe – gewonnen werden können.
20 | JUGENDMOBIL
BRANDENBURG
4. JugendMobil
Im Vordergrund dieses Projekts steht die Einbindung von Jugendlichen als Zielgruppe und deren aktiver Beitrag zur Mobilitätsplanung.
Experten aus der Kinder- und Jugendhilfe, der Stadt- und Regionalentwicklung sowie des
Verkehrswesens begleiten die Jugendlichen bei deren Erhebungen und Expertengesprächen.
Beispielregionen „Kleeblattregion“
und „Sängerstadtregion“ die Mobi
litätssituation und Partizipations
möglichkeiten junger Menschen zu verbessern. Vor diesem Hintergrund wurden gemeinsam mit den Jugend
lichen unter Beteiligung von Exper
ten und Pädagoginnen deren Mobili
tätssituation analysiert und konkrete Vorschläge zu deren Verbesserung erarbeitet. Ergebnis dieser Arbeit ist der Aufbau eines jeweiligen „Netz
werks Mobilität“ in den Beispielre
gionen, verbunden mit der Umset
zung von „Leuchtturmprojekten“ und wissenschaftlich begleitet von einer Wissensdatenbank, die wesentliche Vorschläge aus Wissenschaft und Auf Grundlage dieser spezifischen
Praxis zusammenfasst.
Rahmenbedingungen ist es das zen
trale Ziel des Projekts, in den beiden Rahmenbedingungen des Projekts
Die Folgen des demografischen Wan
dels auf die Lebenswirklichkeiten und Perspektiven junger Menschen im ländlichen Raum Brandenburgs bilden den Ausgangspunkt für das Projekt JugendMobil. Wegen fehlen
der Mobilitäts- und Ausbildungsan
gebote sowie fehlender Einbindung in die kommunalen Entscheidungs
prozesse sinkt die Bereitwilligkeit junger Menschen, in der Region zu bleiben.
Zentrale Zielsetzung des Projekts JugendMobil
Modellregionen und Zielgruppe Seitens des Ministeriums für Infra
struktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (MIL) wurden die im wirtschaftlich eher schwachen und ländlich geprägten Norden rund um die Kreisstadt Kyritz gelegene
„Kleeblattregion“ sowie die im Süden rund um die für brandenburgische Verhältnisse prosperierende Stadt Finsterwalde gelegene „Sängerstadt
region“ ausgewählt.
Die demografische Entwicklung seit den 1990er Jahren und deren Prognose für das Jahr 2030 ist in beiden Regionen vergleichbar stark rückläufig. Beide Regionen sind mit der Aussicht konfrontiert, bis zum Jahr 2030 einen weiteren Bevöl
kerungsrückgang von 25 Prozent
Gemeinsame Projekte sollen Verantwortungsgefühl und Lebensqualität der Jugendlichen stärken.
Die „Dynamischen
Fahrgemeinschaf-
ten“ könnten nicht nur
in Brandenburg den
Grundstein für ein „in-
termodales Mobilitäts-
konzept“ legen, son-
dern auch in anderen
Regionen.
22 | JUGENDMOBIL
erwarten zu müssen, verbunden mit den Anforderungen und Problemen, eine angemessene Daseinsfürsorge- Infrastruktur zu erhalten. Begleitet ist diese Entwicklung von dem land
läufigen starken Anstieg des Durch
schnittsalters.
Die Zielgruppe des Projekts Jugend
Mobil waren Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren mit einem Schwer
punkt auf die 14- bis 18-jährigen, die allesamt weiterführende Schulen besuchten.
Analyse des Handlungsbedarfs und Schlussfolgerungen
Ausgehend von der Analyse, dass die Mobilitätssituation für Jugendliche im ländlichen Raum des Landes Brandenburg unzureichend ist, und wegen der weiter sinkenden Bevöl
kerungszahlen wird der Prozess der Reduzierung und Konzentration der Standorte der Daseinsfürsorge weitergeführt. Die Bevölkerung muss künftig weitere Wege und länge
re Fahrzeiten zum Erreichen der notwendigen Infrastruktureinrich
tungen in Kauf nehmen. Vor diesem Hintergrund wurden folgende vier schwerwiegendste Probleme als Kernhandlungsfelder identifiziert:
• die erheblichen Angebotslücken des ÖPNV in den Abend- und Nachtstunden und am Wochen- ende,
• die Angebotslücke (niedrige Takt
dichte) in Ortsteilen mit geringer Einwohnerzahl,
• die mangelnde Verzahnung von ÖPNV und Individualverkehr sowie
• Kommunikations und Beteili
gungsdefizite zwischen Verkehrs
anbietern und Jugendlichen.
über eine Integration mit dem ÖPNV die Mobilitätssituation mit dem Ziel verbessern, dass insbesondere für die bestehenden Angebotslücken des ÖPNV private Verkehre als Alternati
ve genutzt werden können. Über die Mitfahrsysteme soll die Erreichbar
keit der Einrichtungen der Daseins
fürsorge in den Mittelzentren und mittelbereichsangehörigen Kom
munen deutlich verbessert werden;
insbesondere sollen die Angebots- lücken des ÖPNV über die Mitnahme in privaten PKW geschlossen werden.
Entsprechend dem analysierten Handlungsbedarf sollten für die bei
den Projektregionen Mitfahrsysteme entwickelt und realisiert werden, die
Die Etablierung regionaler Mobili
tätsnetzwerke ermöglicht es, Betrof
fene in die Erarbeitung von bedarfs
gerechteren Lösungen einzubinden sowie das Thema Mobilität als Quer
schnittsthema der Daseinsfürsorge dauerhaft zu etablieren.
Projektergebnisse: „Spontan- mitfahrsystem“ und „Dynamische Fahrgemeinschaften“
Unter Mitwirkung der jugendlichen Beteiligten am Projekt JugendMobil wurde für beide Regionen je ein spe
zifisch strukturiertes Mitfahrsystem, das ab 2012 verwirklicht werden soll, entwickelt – das „Spontanmitfahr
system“ in der „Kleeblattregion“ und die „Dynamischen Fahrgemeinschaf
ten“ in der „Sängerstadtregion“.
Hinter dem „Spontanmitfahrsystem“
steckt die Idee, mit Hilfe der Weiter
entwicklung des klassischen „Tram
pens“ die Angebotslücke des ÖPNV zu ergänzen, allerdings unter nahezu vollständiger Eliminierung negativer beziehungsweise unsicherer Risiko
faktoren. Vorbilder für derartige Mit
fahrsysteme wurden in der Schweiz und Österreich gefunden.
Ab 2012 sollen in der „Kleeblattre
gion“ an zu ermittelnden geeigneten Standorten Kästen mit einem Display angebracht werden, die als „Tram
per-Haltestellen“ fungieren sollen.
Der Kontakt zwischen Mitfahr- und
Mitnahmewilligen erfolgt über eine SMS, über die das gewünschte Fahrziel auf das Display des Mitnah
mewilligen übertragen wird. Mit der Bestätigungs-SMS, die die Telefon
nummer des Mitfahrers und das Autokennzeichen des Fahrers enthält, wird automatisch eine Insassenver
sicherung abgeschlossen. Aufgrund der Identifikation von Fahrer und Mitfahrer wird etwaigen Sicherheits
bedenken Rechnung getragen. Die Fahrtkosten werden individuell unter Fahrer und Mitfahrer vereinbart.
Das Prinzip des Modells der „Dy
namischen Fahrgemeinschaften“
in der „Sängerstadtregion“ basiert auf der Grundlage der „klassischen Mitfahrzentrale“: Eine Person sendet vor einer gewünschten Fahrt eine SMS mit Start, Ziel und Zeitfenster und lässt sich von einem ohnehin fahrenden PKW mit vergleichbarem Fahrziel mitnehmen. Auf die Region und kürzere Strecken adaptiert ist dies deutlich flexibler und kurzfristi
ger einsetzbar als die althergebrach
te Mitfahrgelegenheit. Der Server gleicht Angebot und Nachfrage ab und sendet bei Übereinstimmungen eine SMS an Anbieter und Nachfra
ger. Nach der erfolgten Fahrt wird eine Bestätigung der Ankunft am Zielort an den Server gesendet.
Die „Dynamischen Fahrgemein
schaften“ könnten nicht nur in Brandenburg den Grundstein für ein mittel- bis langfristig aufzubauendes
„intermodales Mobilitätskonzept“
legen, sondern auch in anderen Regionen unterschiedlicher Größe, die dünn besiedelt sind und derzeit ungenutzte Potenziale des Individu
alverkehrs stärker für die Mobilität der Allgemeinheit nutzen wollen und müssen.
gemeinschaftlich getragenen, dauer
haften Strukturen: Verantwortungs
gemeinschaften, die interdisziplinär zusammenarbeiten, um den An
forderungen, die durch den demo
grafischen Wandel gestellt werden, gerecht zu werden. Daher werden
in einem ersten Schritt in beiden Modellregionen „Mobilitätsnetzwer
ke“ installiert, zusammengesetzt aus Bürgermeistern und Amtsdirektoren, Vertretern des Landkreises und des ÖPNV sowie Jugendlichen, die sich bereits in der Planungsphase enga
giert haben, und weiteren Vertretern der jungen Generation.
Voraussetzung für die Verbesserung der Mobilitätssituation und somit auch der Lebensqualität der jungen Menschen ist die Schaffung von
Die Etablierung regio- naler Mobilitätsnetz- werke ermöglicht, das Thema Mobilität als Querschnittsthema der Daseinsfürsorge dauer- haft zu etablieren.
Ausblick
Mit der Umsetzung der „Dynamischen Fahrgemeinschaften“
soll im Januar 2012 begonnen werden. Bis Mitte des Jahres 2012 sollen der Bekanntheitsgrad und die Teilnehmerzahl so groß ge- worden sein, dass das System online gehen kann. Die geplante Testphase erstreckt sich über den Zeitraum von einem Jahr. Mitte 2013 könnte das Modell in den Dauerbetrieb gehen.
Für das „Spontanmitfahrsystem“ ist eine Testphase von 24 Mo- naten vorgesehen. Die längere Testlaufzeit beruht auf in der Schweiz gemachten Erfahrungen mit einem Vorgängermodell, dass die Bevölkerung eine gewisse Zeit benötigt, um die Standor- te der Rufsäulen zu realisieren und in ihren mobilen Alltag aufzu- nehmen. Am Ende der Testlaufzeit soll entschieden werden, ob das Projekt weitergeführt wird und ob andere oder zusätzliche Standorte für die Säulen nötig sind. Mitte 2014 könnte es in den Dauerbetrieb gehen. Die Netzwerke Mobilität sollen auch nach Ablauf der Testphase erhalten werden und unmittelbar in die Verantwortung der Mittelbereiche übergehen.
24 | KITAMOBIL
SACHSEN-ANHALT
5. KitaMobil
Systemwechsel bei der Finanzierung der Kindertagesstätten der Verbandsgemeinde Beetzendorf-Diesdorf.
Rahmenbedingungen des Projekts
Die Verbandsgemeinde Beetzendorf- Diesdorf im Altmarkkreis Salzwedel im Norden von Sachsen-Anhalt be
steht aus acht Mitgliedsgemeinden.
Im Gemeindegebiet leben derzeit rund 14.000 Einwohner. Mit einer Bevölkerungsdichte von 26 Einwoh
nern pro Quadratkilometer gehört die Verbandsgemeinde zu den be
sonders dünn besiedelten Räumen in Deutschland.
ge an den demografischen Wandel Aspekte der Kostenminimierung mit Aspekten der Qualitätssicherung und
steigerung sinnvoll miteinander verbunden werden können.
Die Verbandsgemeinde ist Träger von insgesamt 16 Kindertagesstätten im Gemeindegebiet und als solche für die Sicherung der Daseinsvorsorge auf dem Gebiet der Kinderbetreuung verantwortlich. Die demografischen Entwicklungstendenzen stellen die Verbandsgemeinde allerdings vor große Herausforderungen bei der Er
füllung dieser Aufgabe. Das Projekt KitaMobil zeigt auf, wie hinsichtlich des „Modellvorhabens 2030“ bei der Anpassung der Daseinsvorsor
Bei der Analyse der demografischen Rahmenbedingungen und der demo
grafischen Entwicklungen sowie bei der Abschätzung der Nachfrage nach Einrichtungen der sozialen Infra
struktur wurde ein Bevölkerungs
verlust von 41 Prozent bis 2050 für das Gemeindegebiet ermittelt. Nach dieser Prognose werde dabei die Zahl der Kinder, die für eine Betreuung in einer Kinderkrippe oder in einem Kindergarten in Frage kommen, bis 2030 um über 40 Prozent zurückge
hen. Auf die Nachfrage werde sich der Rückgang der Kinderanzahl so auswirken, dass 20 Prozent aller be
stehenden Plätze nicht mehr benötigt würden und 375 Plätze langfristig reduziert werden könnten.
Zentrale Zielsetzung des Projekts Hauptziel des Projekts ist es, inner
halb von zwei Jahren strukturelle Veränderungen und einen System
wechsel bei der Entwicklung und der Umsetzung neuer Finanzierungs
modelle für die Kindertagesstätten zu vollziehen. Gleichzeitig sollen päd
agogische Konzepte gestärkt werden und die Qualität der Leistungsange
bote verbessert werden. Alternative Mobilitätsangebote runden das Pro
jekt KitaMobil ab und tragen so zu einer Stärkung der Kinderbetreuung und damit zu Sicherung der Daseins
vorsorge im ländlichen Raum bei.
Projektbaustein Finanzierung und Ehrenamt
Finanzwirtschaftlich werden sich die Folgen des demografischen Wan
dels in erster Linie durch sinkende Elternbeiträge und sinkende Landes
zuschüsse bemerkbar machen. Dage
gen nehmen die für den Erhalt und die Verwaltung der Einrichtungen bestehenden Fixkosten (insbeson
Ein Projekt für alle: KitaMobil richtet sich an Kinder, Erzieher und Eltern, aber auch zukünftige Mütter und Väter, Vereine und Unternehmen.
26 | KITAMOBIL
Da der ÖPNV Kinder von 0 bis 6 Jahren nicht transportiert, werden andere Beförderungsangebote geschaffen.
KitaMobil zielt darauf ab, Raumgestaltung und Materialangebot in den Kitas stärker auf den Bildungsfort- schritt der Kinder aus- zurichten.
dere Gebäudekosten wie Reinigung, Energie, Instandhaltung und Werte
verlust) nicht in demselben Maße ab und müssen weiterhin refinanziert werden.
Zentraler Hebel zur Erreichung eines Systemwechsels ist erstens die der
zeitige Finanzierung der Kinderta
gesstätten von einer Defizit- zu einer mittelfristigen Pauschalfinanzierung durch die Bereitstellung von Budgets und zweitens die Umstellung einer bisher ausschließlich öffentlichen Fi
nanzierung auf alternative Finanzie
rungsformen in öffentlich-privaten Partnerschaften.
kaum inhaltliche und wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven. Mit Hilfe der Bereitstellung pauschaler Bud
gets sollen insbesondere finanzielle Gestaltungsspielräume geschaffen und durch die eigenverantwortliche Bewirtschaftung Anreize zur Kosten
reduktion geschaffen werden.
Diese Kerninstrumente sollen dazu beitragen, die Einrichtungen zukünf
tig stärker als bisher nach wirtschaft
lichen Kriterien auszurichten. Das derzeitige Finanzierungssystem im Sinne eines Defizitausgleichs bietet
Ergänzend werden gezielt finanzielle Mittel aus Spenden, Sponsoring und ehrenamtlicher Betätigung eingewor
ben, um weitere finanzielle Hand
lungsspielräume für die pädagogi
sche Arbeit zu eröffnen.
Projektbaustein Pädagogik Weiterer zentraler Projektbaustein ist die Verbesserung der pädagogi
schen Qualität der Betreuungsange
bote. Eine Analyse der bestehenden pädagogischen Konzepte hat erge
ben, dass diese in weiten Teilen nicht den heutigen Anforderungen an eine
frühkindliche Bildung entsprechen.
Die bestehenden Strukturen sollen zukünftig modernen pädagogischen Anforderungen gerecht werden.
Das Projekt KitaMobil zielt beispiels
weise darauf ab, Raumgestaltung und Materialangebot in den Kitas stär
ker auf den Bildungsfortschritt der Kinder auszurichten. Dabei sollen auch Eltern und weitere erwachsene Bezugspersonen stärker in die päd
agogische Arbeit einbezogen werden, indem sie beispielsweise„Erziehungs- patenschaften“ übernehmen.
Zur Deckung eines hochwertigen und flexiblen Betreuungsbedarfs ist es notwendig, stärker miteinander vernetzte Kindertagesbetreuungsan
gebote zu schaffen. Mit einer Kombi
nation von verschiedenen Angeboten kann für jeden Kita-Standort ein ver
netztes Betreuungsangebot aufgebaut werden, dass den Bedürfnissen der Familien stärker entspricht und auch leistungsfähiger ist als das bisherige Angebot.
Zusätzlich ist eine qualitative Verbes
serung der Einrichtungen notwendig, um den Bildungsauftrag erfüllen zu können. Tragende Säule hierfür sind gut ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher und qualifizierte Einrich
tungsleitungen. Über entsprechende Aus- und Fortbildungsangebote soll der Qualifizierungsbedarf sicherge
stellt werden.
Grundidee ist es, die Kitas zukünftig zu sozialen Zentren ausrichten. Im Vordergrund steht dabei der Ge
danke, Mehrgenerationenhäuser zu schaffen und mehrere Funktionen der Daseinsvorsorge in diesen Häu
sern integrativ zusammenzufassen.
Damit übernehmen die Kitas zentrale generationenübergreifende und neue Funktionen im ländlichen Raum.
Projektbaustein Mobilität
Durch die flächenhafte Ausdehnung der Verbandsgemeinde haben bereits heute viele Eltern weite Anfahrtswe
ge zu den bestehenden 16 Einrichtun
gen. Eine weitere Reduzierung der Einrichtungen im Verbandsgebiet würde diese Situation unzumutbar verschärfen. Insofern sind Lösungs
möglichkeiten zur Steigerung des Organisationsgrades der Mobilität erforderlich. Das Projekt knüpft dabei an eine stärkere Anbindung der Beförderungsleistungen für Kin
dertagesstätten in das neue ÖPNV
System im Altmarkkreis Salzwedel an. Die 16 Einrichtungen sollen so in das ÖPNV-System einbezogen wer
den, dass sich die Bedienungsgebiete und Beförderungszeiten an der Be
darfssituation der Kitas ausrichten.
Dabei soll das bestehende ÖPNV- System um eine Rufbus-Komponente weiterentwickelt werden.
Neben einer Ausrichtung des ÖPNV an den Kita-Öffnungszeiten soll ein Begleitservice (Kitalotsen) eingerich
tet werden. Für eine sichere Beförde
rung der Kinder sorgen Kleinbusse, die mit entsprechenden Rückhaltesy
stemen ausgestattet sind.
Im Vordergrund steht der Gedanke, Mehrge- nerationenhäuser zu schaffen und mehrere Funktionen der Da-
seinsvorsorge in diesen Häusern integrativ zu- sammenzufassen.
Übergreifende Projektbausteine und Ausblick
Damit der Systemwechsel gelingen kann, setzt das Projekt bei einer aktiven Prozessgestaltung an. Gemeinsam mit den Menschen vor Ort und den unmittelbar Betroffenen sollen die Chancen von Veränderungen identifiziert und genutzt werden.
KitaMobil setzt aktiv innovative Impulse für einen breit angeleg- ten Veränderungsprozess, der eine nachhaltige Entwicklung der Verbandsgemeinde gewährleistet und auf diese Weise dazu beiträgt, das Leben auf dem Land attraktiv und zukunftsfähig zu gestalten.
Der Schwerpunkt der erforderlichen Veränderungen liegt da r in, entsprechende Rahmenbedingungen zu einer optimierten Steuerung der Kitas zu schaffen.
28 | PARTNER_STADT
SACHSEN
6. Partner_Stadt
Organisierte und institutionalisierte Aktivierung und Einbindung von Senioren ab 65 Jahren in zentrale Daseinsvorsorgebereiche.
Rahmenbedingungen des Projekts
Die vier interkommunalen Part
ner der Modellregion Oelsnitz/
Erzgebirge, Lugau, Hohndorf und Erlbach-Kirchberg stehen vor der Herausforderung, dem generellen Bevölkerungsrückgang und dabei der gleichzeitigen Überalterung der Be
völkerung mit innovativen Lösungs
ansätzen entgegenzutreten.
Die Modellregion wird zukünftig von den Folgen des demografischen Wan
dels voraussichtlich in einer Art und Weise betroffen sein, dass der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung bis zum Jahr 2030 sukzessive sinken wird, während der Seniorenanteil in der Region deutlich steigt. Dies geht einher mit einer drohenden Ver
schlechterung allgemeiner Daseins
vorsorgeleistungen im Modellgebiet.
lichen Leben ausgeschlossen sein werden. Rückläufige Renteneinkünf
te lassen zudem Lösungsansätze zur Bekämpfung drohender Altersarmut notwendig werden.
Weiter ist mit einer Nachfragestei
gerung in den Bereichen der Alten- und Krankenpflege und im öffentli
chen Personen und Nahverkehr zu rechnen. Es besteht die Gefahr, dass gerade ältere Personen im ländlichen Raum perspektivisch vom öffent
Zentrale Zielsetzung des Projekts Infolge des demografischen Wandels und schrumpfender kommunaler Haushaltseinnahmen sind Kürzun
gen der Daseinsvorsorgeleistungen unvermeidlich, wenn nicht frühzeitig wesentliche Veränderungen in der bisherigen Leistungsstruktur der Da
seinsvorsorge angestrebt werden.
Unter dem Gesichtspunkt der „Ge
nerationengerechtigkeit“ zielt das Projekt Partner_Stadt darauf, die bestehenden Erfahrungen und das Wissen der Menschen im sogenann
ten dritten Lebensalter, also der 65- bis 80-Jährigen, vom Eintritt in die Ruhestandsphase an aktiv und bewusst zu nutzen, um die demogra
fisch bedingten Schrumpfungspro
zesse insbesondere im ländlichen Raum zu bewältigen. Hierdurch soll die Lebensqualität für die Bevölke
rung im ländlichen Raum langfristig erhalten und verbessert werden.
Die Grundidee des Modellprojekts Partner_Stadt ist es, Senioren aktiv in unterschiedlichen Bereichen der Daseinsvorsorge wie Bildung, Kultur, Gesundheitswesen, Kinderbetreuung und soziale Infrastruktur einzubezie
hen und so in das gesellschaftliche Leben umfassend zu integrieren. Die Senioren erbringen generationen
übergreifende Leistungen für das Kleinkind bis zum alten Pflegebe
dürftigen im Bereich der Daseinsvor
soge.
Zudem sollen für die Senioren Anreize in Form von Aufwandsent
schädigungen geschaffen werden, um hierdurch zielgerichtet freiwillige eh
renamtliche Tätigkeiten und bürger
schaftliches Engagement zu fördern und gleichzeitig einen adäquaten Anerkennungsbeitrag zu vermitteln.
So können über eine Aktivierung der Senioren für das gesellschaftliche Le
ben zusätzliche Einkünfte neben den Renteneinkünften geschaffen wer
den, die der drohenden Altersarmut mit einem geeigneten Instrumentari
um entgegenwirken.
Über eine Aktivierung der Senioren für das gesellschaftliche Leben können zusätz- liche Einkünfte neben den Renteneinkünften geschaffen werden.
Alle gewinnen: Partner_Stadt hilft Senioren, unterstützt Institutionen und entlastet die Haushalte.