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Lydia Brack: Professionalisierung im Gespräch

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Academic year: 2022

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forschung forschung

Professionalisierung im Gespräch

Subjektivierungen in Nachbesprechungen zum

Grundschulunterricht im Rahmen des Semesterpraktikums

Lydia Brack

978-3-7815-2325-8

9 783781 523258

Schulpraktika haben in der Lehrerbildung an Bedeutung gewonnen.

Nachbesprechungen von Unterricht sind darin ein wesentlicher Bestandteil der Professionalisierung angehender Lehrer*innen. Sie folgen auf das Beobachtet- und Beurteilt-Werden im Unterricht, das historisch in den Schulvisitationen verortet ist.Bisherige Forschungs- ergebnisse zeigen, dass Unterrichtsnachbesprechungen – konzeptionell konträr – keine Beratungsgespräche sind und in ihnen kaum Theorie- Praxis-Bezüge expliziert werden. Die vorliegende Untersuchung blickt demgegenüber unter kulturtheoretischer Perspektive auf die soziale Praxis der Professionalisierung in Unterrichtsnachbesprechungen.

Dazu wurden 14 Nachbesprechungen zwischen Hochschullehrenden, Praktikumslehrpersonen und Studierenden über den Deutschunterricht in der Grundschule rekonstruiert. Übereinstimmend zeigte sich, dass die Erstpositionierung der unterrichtenden Studierenden vorangestellt wird, was auf die Relevanz der Selbstaufsicht hinweist. Die diskursiven Praktiken zeigen u.a. paradoxe Figuren zwischen Vorbehalt und Gültig- keit in den Beurteilungen, die mitunter Anlässe für Beratungen bieten.

Die rekonstruierten Wissensordnungen verweisen auf handlungsleitende Theorie-Praxis-Verhältnisse. Die Subjektivierungen zeigen sich sowohl in Ein- wie auch Ausschlüssen im Rahmen der sozialen Praxis der Professionalisierung.

Die Autorin

Lydia Brack, Dr. phil., Jahrgang 1982, studier- te nach mehrjähriger Tätigkeit als Grund- und Hauptschullehrerin berufsbegleitend den Mas- terstudiengang Bildungsforschung. Seit 2012 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Pädagogik und Didaktik des Elementar- und Primarbereichs im Institut für Erziehungswissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Arbeits- und Lehrschwerpunkte: Professions- und Pro- fessionalisierungsforschung zum Lehrerberuf, Theorie und Empirie zur Interaktion im Unterricht, Forschung zur Leistungsbeurteilung in Schule und Unterricht, Subjektivierungsanalysen.

Ly dia Br ac k Pr of essionalisierung im Gespräc h

Studien zur Professionsforschung

und Lehrerbildung

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Studien zur Professionsforschung und Lehrerbildung

Herausgegeben von

Axel Gehrmann, Till-Sebastian Idel,

Manuela Keller-Schneider und Katharina Kunze

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Lydia Brack

Professionalisierung im Gespräch

Subjektivierungen in Nachbesprechungen zum Grundschulunterricht im Rahmen des Semesterpraktikums

Verlag Julius Klinkhardt

Bad Heilbrunn • 2019

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Dieser Titel wurde in das Programm des Verlages mittels eines Peer-Review-Verfahrens aufgenommen.

Für weitere Informationen siehe www.klinkhardt.de.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über http://dnb.d-nb.de.

2019.kg. © by Julius Klinkhardt.

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Satz: Kay Fretwurst, Spreeau.

Grafik Umschlagseite 1: © Markus Spiske/unsplash.

Druck und Bindung: AZ Druck und Datentechnik, Kempten.

Printed in Germany 2019.

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem alterungsbeständigem Papier.

ISBN 978-3-7815-2325-8

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2018 von der Fakultät für Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg als Dissertation angenommen.

Gutachter: Prof’in Dr. H. Deckert-Peaceman, Prof. Dr. G. Scholz.

Tag der Disputation: 12. Juni 2018.

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Zusammenfassung

Schulpraktika haben im Rahmen institutionalisierter Lehrerbildung an Bedeutung gewonnen.

Aktuell lässt sich u.a. eine Verlängerung von Praxisphasen erkennen. Nachbesprechungen von Unterricht sind ein wesentlicher Bestandteil schulpraktischer Professionalisierung angehender Lehrer*innen. Konzeptionell werden Unterrichtsnachbesprechungen als Beratungs- und Refle- xionsgespräche bestimmt, die u.a. mit Annahmen zu Theorie-Praxis-Verknüpfungen und mit Erwartungen an eine zunehmende Reflexivität bei den Studierenden verbunden werden. Empi- risch konnte hingegen u.a. aufgezeigt werden, dass kaum Theoriebezüge vorgenommen werden und Beurteilungen Beratungen verhindern. Historisch betrachtet entspringen Unterrichts- nachbesprechungen der Praxis der Schulvisitation, dem Beobachtet- und Beurteilt-Werden im Unterricht. Mit der Etablierung einer institutionalisierten Lehrerbildung wurde die panopti- sche Struktur in der Nachbesprechung dupliziert und bedingt seither auch dort die Selbstauf- sicht der Unterrichtenden. Unter kulturtheoretischer Betrachtung interessiert, wie und worin Studierende, die zuvor unterrichtet haben, in Unterrichtsnachbesprechungen professionalisiert werden resp. sich professionalisieren. Theoretisch liegt damit ein normativ entlastetes Professi- onalisierungsverständnis zugrunde, das seine Beschreibung aus den diskursiven Praktiken der Lehrerbildung gewinnt.

Erstmalig wurden für die vorgelegte Studie in-situ-Daten von Nachbesprechungen zwischen Hochschuldozierenden, Praktikumslehrpersonen und Studierenden verwendet. Sie wurden in 8 Praktika-Gruppen in 2014/2015 aufgenommen und anschließend transkribiert. Der Daten- korpus umfasst 14 Nachbesprechungen über den Deutschunterricht in der Grundschule. Die Gespräche wurden hinsichtlich ihres Ablaufs thematisch inventarisiert. Der Vergleich der Ver- läufe machte eine Grundstruktur sichtbar, in der die jeweiligen Strukturmomente variieren kön- nen. Nach einer Anmoderation durch die Hochschullehrkraft erfolgt eine Erstpositionierung der unterrichtenden Studierenden. Dass die Erstpositionierung übereinstimmend vorangestellt wird, verweist auf die Relevanz der Selbstaufsicht vor den anderen Gesprächsteilnehmenden.

Darauf folgen die Rückmeldungen der Kommiliton*innen und Lehrer*innen und zuletzt der Hochschullehrkraft. Je Strukturmoment wurden drei kontrastierende Fälle ausgewählt, die orientierend am Konzept der Adressierung hinsichtlich der hinterlegten Wissensordnungen, Adressierungen wie Positionierungen rekonstruiert wurden.

Der Vergleich der Rekonstruktionen macht Formen diskursiver Praktiken, Wissensordnungen und Subjektivierungen als Teile von Professionalisierungsprozessen in Unterrichtsnachbespre- chungen sichtbar. Die diskursiven Praktiken zeigten paradoxe Formen zwischen Fremd- und Selbstwahl im Sprecherwechsel, zwischen Vorbehalt und Gültigkeit in den Beurteilungen, zwi- schen Antizipation von Kritiken und Kritik-Begrenzung. Dabei zeigt sich, dass Beratung mitun- ter durch Beurteilung bedingt wird. Die rekonstruierten Wissensordnungen rekurrieren v.a. auf Zeitmanagement, Kindorientierung, Sachorientierung, Disziplinierung/Auftreten der Lehr- person sowie Unterrichtsplanung und Realisation. Sie ließen sich mit einer Orientierung an handlungsleitenden Theorie-Praxis-Verhältnissen erklären. Der Vergleich der Subjektivationen machte Sowohl-als-auch-Konstruktionen deutlich, die sich zwischen Anschluss und Bruch an vorangegangene Wissensordnungen, Fremd- und Selbstbestimmung sowie Ein- und Ausschluss von der sozialen Praxis der Professionalisierung bewegten. So verweisen die – methodologisch bedingt – unabgeschlossenen Befunde auf die Spezifik schulpraktischer Formate gegenüber einer universitären Lehrerbildung.

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Abstract

Practice becomes more important in institutionalised teacher education. Currently that can be shown in the extension of practice phases. Post-lesson discussions are an essential component of the professionalisation in practice phases for student teachers. Conceptually lesson discussions are normatively framed as consultation and reflection sessions, connected with the assumption about relations between pedagogical theory and practice as well as with the expectation that student teachers become more reflective people. Empirically it could be demonstrated that there is nearly no relationship to pedagogical theory as well as assessments preventing consulting in post-lesson discussions. Post-lesson discussions derive from the practice of historical school visi- tations, the practice of observation and assessment in class. With the installation of institution- alised teacher education, the panoptical structure has been duplicated in post-lesson discussions and determines since then the self-surveillance of the student teachers. Following a theoretical cultural approach, the study is focusing on how and in what students who have just given a lesson, are being professionalised, and are respectively professionalising themselves in post-lesson discussions.

The study is thereby based on a normatively relieving grasp of professionalisation which is deriv- ing its descriptions from the discursive practices in teacher education.

This study with in situ data of post-lesson discussions in which university supervisors, mentors in practice and students interact were analysed for the first time. They were recorded in eight student internship groups in 2014/2015 and afterwards transcribed. The data contains fourteen post-lesson discussions referring to German lessons in primary school. The discussions were the- matically inventoried with regard to their course. A comparison of the courses makes visible a general structure of the discussions, in which different structure elements vary: The introductory words of the university supervisor are followed by initial positioning statements of the student teacher. The first position of the initial positioning statements in all conferences shows the rele- vance of the self-surveillance of teaching students in front of the other participants. Responses given by fellow students and mentors in practice join the positioning statements. At last the university supervisor gives feedback. For each structural moment, three contrasting cases were selected, which were reconstructed according to the concept of addressing with regard to the knowledge systems, addressing and positioning.

The comparison of the reconstructions makes visible discursive practices, knowledge systems and forms of subjectivation as part of professionalisation processes in post-lesson discussions.

The discursive practices showed paradoxical forms between foreign and self-election in turn taking, between reservation and validity in assessments, between anticipation of criticism and critique limitation. It shows that sometimes consulting is structured by assessment. The recon- structed knowledge systems refer to time management, child and factual orientation, disciplin- ing/presence of the teacher as well as lesson planning and its implementation. They originate from a tacit knowledge about relations between theory and practice. The comparison of sub- jectivations revealed as-well-as constructions that moved between connection and break with previous knowledge systems, foreign and self-determination, and inclusion and exclusion from the social practice of professionalisation. Thus the - methodologically conditioned - uncom- pleted findings refer to the specific nature of practical school formats compared to university teacher education.

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Danksagungen

Ohne die vielfältige Unterstützung zahlreicher Menschen wäre die vorliegende Arbeit nicht möglich gewesen. An erster Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei ihnen bedanken.

Prof ’in Dr. Heike Deckert-Peaceman danke ich für ihre langjährige, umfassende Förderung sowie die anregende Begleitung des Dissertationsprojekts. Auch Prof. Dr. Gerold Scholz bin ich für seine inhaltlichen Anmerkungen sehr dankbar.

Karl-Heinz Aschenbrenner unterstützte kollegial meine Teilnahme an den Nachbesprechungen über den Deutschunterricht in der Grundschule. Darüber hinaus danke ich ihm für alle Impulse und das umsichtige Korrekturlesen meiner Arbeit. Auch Daniela Kopp danke ich für ihre sorg- samen, mit wissenschaftlicher Umsicht vorgenommenen Korrekturen. Esther Maus und Martha Schlichenmaier danke ich für ihre umfassenden und präzisen Korrekturarbeiten.

Rahel von Wroblewsky danke ich für das gründliche und aufmerksame Lektorat.

Allen Dozierenden der Abteilung Deutsch des Instituts für Sprachen an der PH Ludwigsburg danke ich ebenso wie den Studierenden, Ausbildungsberater*innen und Lehrer*innen für die Möglichkeit, die Unterrichtsnachbesprechungen im ISP an der Grundschule aufnehmen zu können sowie diese für Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen.

Der Forschungsförderung der PH Ludwigsburg danke ich für die finanzielle Unterstützung zur Erstellung der Transkriptionen. Daneben danke ich allen (ehemaligen) Studierenden, die mit der Erstellung und Überarbeitung der Transkripte beschäftigt waren.

Meinem Mann danke ich für seine Unterstützung, alle zeitlichen Entbehrungen sowie seine hilfreichen, pragmatischen Hinweise. Unserem Sohn Immanuel danke ich für sein Verständnis für meine zahlreichen Arbeitsstunden. Insbesondere danke ich allen Menschen, die mit Imma- nuel Zeit verbracht und dadurch das Fortkommen der Arbeit wesentlich ermöglicht haben.

Überaus dankbar bin ich meinen Eltern und Großeltern für ihr Gebet, ihr Vertrauen in mich und meine Arbeit, ihr stetes Interesse und ihre Diskussionsfreude.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung . . . 13

Teil I: Theoretische Fokussierung von Unterrichts nachbesprechungen 1 Professionalisierung zwischen Akademisierung und Praxis orientierung . . . 19

1.1 Zur Theorie-Praxis-Diskussion in der Lehrer*innenbildung . . . 20

1.1.1 Feldbestimmungen zu den Theorie- und Praxisbegriffen . . . 20

1.1.2 Verhältnisbestimmungen in der Theorie-Praxis-Diskussion . . . 22

1.2 Geschichte der Volks- und Grundschullehrer*innenbildung in (Baden-) Württemberg . . . 25

1.2.1 Nebentätigkeit, Schulmeisterlehre und „Schulmeisterschule“ . . . 26

1.2.2 Die seminaristische Lehrer- und Lehrerinnenbildung in Württemberg . . . 27

1.2.3 Lehrer*innenbildung an Pädagogischen Hochschulen und im Vorbereitungsdienst in Baden-Württemberg . . . 31

1.3 Schulpraktika im Spannungsfeld der Theorie-Praxis-Diskussion in der Lehrer*innenbildung . . . 37

1.3.1 Der Schulpraxisbezug in der Geschichte der Lehrer*innenbildung: Formen, Inhalte und Funktionen . . . 38

1.3.2 Studien zum Schulpraxisbezug in der Lehrer*innenbildung . . . 40

1.3.3 Theorie-Praxis- und Professionalisierungsverständnisse im Schul praxisbezug . . . 44

1.4 Unterrichtsnachbesprechungen zwischen Schulvisitation und Selbstaufsicht . . . . 45

1.4.1 Von der Schulvisitation und -aufsicht zur Schulinspektion . . . 47

1.4.2 Unterrichtsnachbesprechungen als Einübung in die Selbstaufsicht . . . . 52

2 Unterrichtsnachbesprechungen zwischen Konzepten und Befunden . . . 56

2.1 Konzepte von Unterrichtsbesprechungen . . . 58

2.1.1 Unterricht im Gespräch . . . 58

2.1.2 Beratung im Gespräch . . . 71

2.1.3 Reflexion im Gespräch . . . 79

2.2 Forschungsstand zu Unterrichtsnachbesprechungen . . . 88

2.2.1 Unterrichtsnachbesprechungen im Schulpraktikum . . . 90

2.2.2 Unterrichtsnachbesprechungen in der 2. Phase der Lehrer*innenbildung . . . 97

2.3 Unterrichtsnachbesprechungen zwischen Unterricht, Beratung und Reflexion . . . 102

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Inhaltsverzeichnis 3 Professionstheoretische Verortung:

Subjektivierung in Unterrichtsnachbesprechungen . . . 106

3.1 Thematisierungs- und Theorielinien von Professionalität und Professionalisierung im Lehrberuf . . . 106

3.2 Kulturtheoretische Betrachtungen zur Professionalisierung im Lehrberuf . . . . 108

3.2.1 Praktiken, Diskurse und diskursive Praktiken: Praxis-/Diskursformationen . . . 110

3.2.2 Subjekt – Subjektivierung – Adressierung – Positionierung . . . 114

3.3 Professionalisierung – kulturtheoretisch gewendet . . . 118

Teil II: Rekonstruktionen zu Subjektivierungen in Unterrichtsnachbesprechungen 4 Untersuchungsansatz und methodisches Vorgehen . . . 123

4.1 Fragen zur Professionalisierung in Unterrichtsnachbesprechungen . . . 123

4.2 Genese der Gesprächsdaten . . . 125

4.2.1 Zugang zum Feld – Unterrichtsnachbesprechungen im Fach Deutsch . . . . 125

4.2.2 Datenaufzeichnung . . . 127

4.2.3 Datensatz . . . 127

4.2.4 Inventarisierung der Gespräche und Fallauswahl . . . 128

4.3 Methoden der Rekonstruktion diskursiver Praktiken . . . 129

4.3.1 Sequenzierung .. . . 130

4.3.2 Rekonstruktion hinterlegter Wissensordnungen . . . 130

4.3.3 Adressierungen – Positionierungen – Subjektivierungen . . . 131

4.4 Komparative Methoden . . . 133

5 Rekonstruktionen von Unterrichtsnachbesprechungen . . . 135

5.1 Verläufe von Unterrichtsnachbesprechungen . . . 135

5.2 Ausgewählte Fälle zu den Strukturmomenten in Unterrichtsnach besprechungen . . . 141

5.2.1 Gesprächseröffnungen (G) . . . 141

5.2.2 Erstpositionierungen (E) . . . 146

5.2.3 Rückmeldungen der Kommilitoninnen (RK) . . . 161

5.2.4 Rückmeldungen der Lehrerinnen (RL) . . . 174

5.2.5 Rückmeldungen der Dozierenden (RD) . . . 186

5.2.6 Konstitution von Themengesprächen (T) . . . 198

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Inhaltsverzeichnis

6 Vergleich und Diskussion der Rekonstruktionen . . . 213

6.1 Formen diskursiver Praktiken in Unterrichtsnachbesprechungen . . . 213

6.1.1 Überblick zu den Formen diskursiver Praktiken in Unterrichtsnachbesprechungen . . . 214

6.1.2 Diskussion: Unterrichtsnachbesprechungen zwischen Unterricht, Beratung und Reflexion . . . 216

6.2 Wissensordnungen in Nachbesprechungen über den Deutschunterricht in der Grundschule . . . 218

6.2.1 Überblick zu den rekonstruierten Wissensordnungen in Unterrichtsnachbesprechungen . . . 219

6.2.2 Diskussion: Theorie-Praxis-Verhältnisse in Unterrichtsnachbesprechungen . . . 227

6.3 Subjektivierungen in Unterrichtsnachbesprechungen . . . 230

6.3.1 Überblick zu den Subjektivierungen in Unterrichtsnachbesprechungen . . . 230

6.3.2 Diskussion: Professionalisierung als Subjektivierung . . . 236

7 Professionalisierung im Gespräch: Fazit und Ausblick . . . 238

Verzeichnisse . . . 245

Literaturverzeichnis . . . 245

Abbildungsverzeichnis . . . 259

Tabellenverzeichnis . . . 259

Abkürzungsverzeichnis . . . 259

Anhang . . . 260

Transkriptkonventionen . . . 260

Transkripte der aufgenommenen Unterrichtsnachbesprechungen . . . 261

Übersicht zu den ausgewählten Eckfällen . . . 262

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Einleitung

S3: ja ich glAUb einfach au (.) dass ma noch (––) ja hoffentlich jetzt seminare auswählen kann (.) an der PH1 die (–) dann au eim wIrklich was bringen.

Die Passage [Gespräch 1, Z. 1552–1554] entstammt dem Ende einer letzten Unterrichtsnach- besprechung mit dem Dozenten der PH, der Ausbildungsberaterin und drei weiteren Kommili- toninnen im Rahmen des Integrierten Semesterpraktikums. Zwischen Gewissheit und Preka rität wird hier die Hoffnung formuliert, wissenschaftliches Wissen unter dem Anspruch der Brauchbarkeit für die pädagogische Handlungspraxis zu erwerben – so zeigt es auch der weitere Gesprächsverlauf. Dabei konstruiert sich die Sprecherin Studierende 3 als abhängig vom Lehr angebot der wissenschaftlichen Institution und delegiert gleichsam ihr Bildungsanliegen an dieselbe. Vergegenwärtigt man sich, dass der Ausspruch am Ende des Semesterpraktikums im vierten Studiensemester erfolgt, wird deutlich, dass der unterlegte Anspruch auch dann noch nicht als erfüllt angesehen wird.

Seit Bestehen einer staatlichen Institutionalisierung der Lehrer*innenbildung, intensi viert seit ihrer Akademisierung und der damit einhergehenden Etablierung der Pädagogik als Wissenschaft, wird versucht, den für die Handlungspraxis von Lehrer*innen relevanten theoretischen Betrach- tungen einen Rahmen zu geben. Erziehungswissenschaftliche Theorie changiert(e) dabei stets zwischen dem Anspruch handlungs(an)leitendes Wissen zur Verfü gung zu stellen und jenem, Handlungen retrospektiv zu rahmen und zu reflektieren. Neben oder gar mit den inhaltlichen Justierungen wurde die Statusaufwertung der Volksschul lehrer*innen bzw. die Angleichung an das Lehramt resp. die Lehrer*innenbildung für höhere Schulen/Gymnasien angestrebt. Die in den 1920er Jahren in Preußen eingerichteten, von Eduard Spranger entworfenen Pädagogischen Aka- demien waren als erste semi-akademische Institutionen der Volksschullehrer*innenbildung kon- zipiert. Zwar hielt Spranger eine akade mische Lehre für werdende Volksschullehrer*innen – im Sinne einer Informierung über Dis kussion und Forschungswissen – für notwendig, Forschungstä- tigkeiten der Hochschul lehrenden oder gar Studierenden und die damit einhergehende Teilnahme an der Diskussion um selbige hingegen nicht (vgl. Spranger 1920/1965). In der Bundesrepublik der 1950er Jahre wurden diese später so genannten Pädagogischen Hochschulen flächendeckend als Institu tionen der Lehrer*innenbildung etabliert – zuletzt 1962 in Baden-Württemberg.

Pädagogische Hochschulen sind seit jeher – in Anlehnung an die vorhergehende semina ristische Lehrer*innenbildung – mit einem umfangreichen pädagogischen resp. erziehungswissenschaft- lichen Studienanteil sowie einem ebenso umfangreichen, handlungs orientierten Praxisbezug (Einführungspraktikum, Tagespraktika, Blockpraktika) konzipiert (Meissner u.a. 2015) und anerkannt – insofern übernehmen sie die Anwaltschaft für die Schul praxis im wissenschaftlichen System. In Bezug auf die studierten (Schul-)Fächer waren lehrer*innenbildende Studiengänge an Pädagogischen Hochschulen im Vergleich zur gymnasialen Lehrer*innenbildung stets durch eine reduziertere fachwissenschaftliche Ausrichtung sowie eine verkürzte Studiendauer2 geprägt.

1 PH – Abkürzung für Pädagogische Hochschule

2 Seit 1967 bis zur Studienordnung von 1998 umfasste das Studium für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen in Baden-Württemberg lediglich 6 Semester. Danach erfolgten Erweiterungen und Angleichungen an die anderen Lehramt-Studiengänge. Die Prüfungsordnung von 2015 für das Grundschullehramt sieht – in Verbindung mit der Einführung einer Bachelor-/Master-Struktur – allerdings einen verkürzten, zweisemestrigen Master vor. Gemeinhin gehen Einschränkungen der Studiendauer im Grundschullehramt mit der Eingruppierung in eine niedrigere Besol- dungsgruppe im Vergleich mit anderen Lehrberufen durch die Schuladministration einher.

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Einleitung

Beides bot stets Anlass für Kritik an den Pädago gischen Hochschulen und war verbunden mit ihrer mangelnden Anerkennung unter den wissenschaftlichen Institu tionen. Die universitären Studiengänge des Gymnasiumlehramts hingegen wurden für ihre starke fachwissenschaftliche Ausrichtung gelobt, für die gering proportionierte pädagogische und im Wesentlichen pra- xisferne Ausrichtung jedoch kritisiert. Der Praxisbezug war hier seit jeher der 2. Phase, dem Referendariat vorbehalten. Die Volksschul lehrer*innenbildung an den Pädagogischen Hoch- schulen in Baden-Württemberg wurde trotz der praktischen Ausrichtung 1981 der gymnasialen Lehrer*innenbildung angeglichen: Die bisherige 2. Phase (Probezeit mit beglei tenden Fortbil- dungen und abschließender Prüfung) wurde zu einem institutionalisierten Vorberei tungsdienst umstrukturiert (vgl. Meissner u.a. 2015, S. 45). Bis 2001 wurde in allen Bundesländern die vormalige Volksschullehrer*innenbildung von den Pädagogischen Hochschulen an die Univer- sitäten verlegt. Für Baden-Württemberg gilt seither die Aufrechterhaltung der Pädagogischen Hochschulen als „Sonderweg“ (Scheuble 2007, S. 955).

Ab 2000 wurde für die gymnasiale Lehrer*innenbildung in der Bundesrepublik das Praxisse- mester eingeführt. Die Kultusministerkonferenz legte mit dem Quedlinburger Be schluss eine schulpraktische Ausbildung im Rahmen des Bachelorstudiums sowie eine Ver quickung der Zei- ten schulpraktischer Ausbildung während des Studiums zusammen mit denen in der 2. Phase auf mindestens eineinhalb Jahre fest (vgl. Rischke u.a. 2013, S. 4). An der Pädagogischen Hoch- schule Ludwigsburg begannen dann im Sommersemester 2005 die Vorbereitungen für ein Semester mit Praxisschwerpunkt, das eine Bündelung der bisheri gen Tages- und Blockpraktika vorsah, ebenso wie die Zusammenarbeit der Institutionen aus erster und zweiter Phase und die Verzahnung von Theorie und Praxis der Grund-, Haupt- und Realschullehrer*innenbildung in beiden Phasen (vgl. Fix 2008). Intendiert war die Aufwer tung des ohnehin stärkeren Praxisbe- zugs der Pädagogischen Hochschulen in Form einer Ver alltäglichung von Praxis und gleichsam die theoretische Fundierung praktischen Handelns. Einerseits sollten Studierende über längere Zeit mit innovativer Praxis in Kontakt gebracht und ihr schulbiografisches Wissen dadurch aufgebrochen werden, andererseits sollte den werdenden Lehrer*innen eine breitere theore- tische Ausbildungsgrundlage ermöglicht werden (vgl. ebd.). Mit den Studienordnungen von 2011 für Grund-, Haupt- und Realschul lehramt in Baden-Württemberg wurde das evaluierte und erprobte Semester mit Praxis schwerpunkt als Integriertes Semesterpraktikum (ISP) etabliert.

Auch in den Studien ordnungen von 2015 unter der Einführung einer Bachelor-/Master-Struk- tur in den lehrer*innenbildenden Studiengängen in Baden-Württemberg wurde das Praxisse- mester bei behalten. An den Schulen wurde dazu die Funktion der Ausbildungsberater*innen geschaffen, über die einzelnen Lehrer*innen die Koordination und Betreuung der Studieren- den im Semester praktikum wie die der Lehreranwärter*innen überantwortet wurde. Vor dem Hinter grund einer etablierten Praxis des Integrierten Semesterpraktikums lässt sich nun fragen, wie Theorie und Praxis in den diskursiven Praktiken im Rahmen des Integrierten Semester- praktikums moduliert werden.

Unterrichtsnachbesprechungen sind der institutionell organisierte Rahmen, für den bean- sprucht wird, Praxis und Theorie ins Verhältnis zu setzen (Schüpbach 2007). Unmittelbar geht der Besprechung eine von einer Studierenden3 geplante, vorbereitete und durchgeführte Unterrichtsstunde voraus, die im Anschluss besprochen wird. Unterrichtsnachbesprechungen

3 Wenn der Begriff ‚Studierende‘ in Einzahl in der vorliegenden Arbeit verwendet wird, dann deswegen in der weib- lichen Form, da alle teilnehmenden Studierenden der im Datenkorpus aufgenommenen Unterrichtsnachbespre- chungen weiblich waren. Gleichwohl bleibt dabei die Möglichkeit implizit, es könnte sich auch um anders-sexuelle Kommilitonen handeln.

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Einleitung

werden als Beratungs- und Reflexionsgespräche konzipiert, in denen mündige Subjekte Praxis und Theorie aufeinander beziehen. Bisher allerdings konnten selbst unterschiedlich methodo- logisch organisierte Studien weder ausgeprägte Theorie-Praxis-Verknüpfungen noch Beratungs- strukturen in Unterrichtsnachbesprechungen nachweisen (Gölitzer 1999, Schüpbach 2007, Schnebel 2009).

Neben der dargestellten intentionalen Argumentation in Bezug auf Theorie und Praxis und der inhaltlichen und thematischen Gestaltung von Unterrichtsnachbesprechungen werden die orga- nisatorischen und institutionengeschichtlichen Rahmenbedingungen von Unterrichtsnachbe- sprechungen allerdings allzu leicht übersehen. Studierende wie Lehrer anwärter*innen sind über ihren Unterricht als Probehandlung aufgefordert, sich als Person im Lehrberuf zu rechtfertigen und zu legitimieren. Institutionengeschichtlich muss hier auf die seit der Reformation nach und nach etablierte Schulvisitation verwiesen werden. Schul visitationen gingen auf der Grundlage von Beobachtungen im Unterricht, von Überprüfungen der Schüler*innen-Leistungen sowie von Erhebungen über den Unterricht hinaus mit der Verfassung eines Berichts einher, der den Schulmeister in den Blick nahm (Burkhardt 1879/1981). Auch Unterrichtsnachbesprechungen geht die Erfahrung des Beobachtet-Werdens voraus. Vor dem Hintergrund der Ausbildungs- wie Bewährungssituation im Schulpraktikum scheint in Unterrichtsnachbesprechungen nicht nur Unterricht im Spannungsfeld von Theorie und Praxis Gegenstand des Gesprächs zu sein, sondern ebenso die (Selbst-)Evaluierung der Person. Ein weiterer Fluchtpunkt der Unter- richtsnachbesprechung liegt demnach in der Begutachtung und damit einhergehenden Prü- fung der Praktikantin/des Praktikanten durch den/die Ausbildungsberater*in und den/die Dozent*in der Hochschule. Über das Urteil ‚bestanden/nicht bestanden‘ rückt die Eignungs- frage der/des Praktikanten in den Vordergrund. Dozierende und Ausbildungsberatende werden damit institutionenbezogen mit der Funktion der Selektion und Prüfung resp. Aufsicht betraut, wodurch die Reflexion der Praxis gerahmt oder gar überlagert wird und möglicher weise ins Ungleichgewicht gerät (vgl. Schüpbach 2007, Gölitzer 1999).

Daneben wird durch das Primat der Selbsteinschätzung (vgl. Kleinert u.a. 1952, S. 376) in Unterrichtsnachbesprechungen diese Aufsichtsfunktion den Studierenden als Selbstaufsicht überschrieben, die darüber hinaus aufgefordert sind, ihre unterrichtlichen Hand lungen und Selbsteinschätzungen inhaltlich zu begründen. Auf diese Weise werden Positio nierungen vor dem Hintergrund von Wissensbeständen eingefordert und selbst Gegenstand der Beurtei- lung von außen. Einerseits ist damit institutionell eine Struktur vorgegeben, die eher Assimi- lationsprozesse in die bestehenden Praktiken und an die zur Bewertung angelegten Konzepte im Praktikum nahelegt als das Treffen begründeter, autonomer Entscheidungen angehender Professioneller. Auf die Situation von Unterrichtsnachbesprechungen ange wendet, stünde demnach eher die Beurteilung auf der Grundlage von den oben aufgeführten Krite rien in hier- archisch organisierten Beziehungen im Vordergrund, und weniger die Erörterung theoretischer Bezugs rahmen unter autonomen, mündigen Subjekten. Im Rahmen des Schul praktikums ginge es demnach möglicherweise weniger um Praxis-Theorie-Bezüge und Refle xion vorangegange- ner Praxis als vielmehr um ein Bewährungsproblem (Gölitzer 1999). Andererseits werden die in Unterrichtsnachbesprechungen formulierten Bewertungen und inhaltlichen Normierungen interaktiv, d.h. auch von den Studierenden hervorgebracht. Inso fern sind Nachbetrachtungen von Unterricht als soziale Situationen zu verstehen. Die Studie renden werden als professionali- sierende Subjekte angerufen und bringen vor diesem Hinter grund Wissen und Wertungen über den durchgeführten Unterricht ein. Im Hinblick auf den Begrif ‚professio nalisieren‘ wird somit nicht ausschließlich betrachtet, worin sich die beteiligten Akteure resp. was sie professionalisie-

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Einleitung

ren, sondern auch die Frage, wie sich die unterrichtenden Studierenden dabei professio nalisieren resp. wie sie professionalisiert werden. Letzteres lässt sich im Begriff der beglei tenden Subjek- tivierungen unterrichtender Studierenden in den Unterrichtsnach besprechungen bündeln. Die Struktur von Unterrichtsnachbesprechungen wird damit im Spannungsfeld von Autonomie- zuspruch und Heteronomie betrachtet, wie es in einer von drei Linien der Foucault-Rezeption in der Erziehungswissenschaft formuliert wird (vgl. Balzer 2004). Diese Paradoxie von Selbst- und Fremdbestimmung, Autonomie und Heteronomie – bezogen auf die Professionalisierung von Studierenden in Unterrichtsnachbesprechungen – stößt auf die Artikulationsordnungen und -grenzen unserer Sprache, die für Verben kategorial den Aktiv vom Passiv unterscheidet.

Betrachtet man also die Professionalisierung von Studie renden in Unterrichtsnachbespre- chungen, die zuvor unterrichteten, als gemeinsame Herstellungsleistung zwischen Fremd- und Selbstbestimmung, muss die interessierende Frage ‚gedoppelt‘ werden: Worin und wie professio- nalisieren sich Studierende in Unterrichtsnach besprechungen? Worin und wie werden Studierende, die zuvor unterrichteten, in Unter richtsnachbesprechungen professionalisiert?

Auf der Grundlage einer kulturtheoretisch-praxeologischen Betrachtung des Lehr berufs und von Praktiken der Lehrer*innenbildung sind die Verständnisse von Profession und Professiona- lisierung insofern normativ befreit, als dass diese nicht begründet, sondern ob der historischen Genese des Lehrberufs und der Lehrer*innenbildung vorausgesetzt werden (Wrana 2012a, Ben- newitz 2014). Davon ausgehend werden über rekonstruktive Analysen die kulturellen, diskur- siven und sozialen Praktiken aus der konkreten Situation heraus zu bestimmen ersucht. Davon nimmt die vorliegende Arbeit die diskursiven Praktiken in Unter richtsnachbesprechungen in den Blick, die als Schnittstellen zwischen Praxis-/Diskursformationen (vgl. Reckwitz 2016, S. 61) gelten können. Zum einen können darüber die Wissens ordnungen rekonstruiert wer- den, die hinsichtlich der Art und Weise der intendierten Bezug nahme von Schulpraxis auf wissenschaftliche Theorie aufschlussreich sind. Zum anderen implizieren diskursive Praktiken stets Subjektivierungen: Sie bringen Subjekte hervor. Dar über lässt sich Professionalisierung als Subjektivierungsgeschehen von Studierenden in Unterrichtsnachbesprechungen beschreiben.

Eine kulturtheoretische Beschreibung des Lehrberufs steht noch in den Anfängen. Pate ste- hen hier allenfalls entsprechende Arbeiten der rekonstruktiven Unterrichtsforschung (vgl.

Bennewitz 2014). Neben dem Umstand, dass die Erforschung der Lehrer*innenbildung selbst ein „erstaunlich junger Tatbestand“ (Oelkers 2017, S. 3) ist, verwundert kaum, dass Rekon- struktionen zu den Praktiken der Lehrer*innenbildung bislang nur selten publiziert wurden (vgl. Bennewitz 2014, Wrana/Maier Reinhard 2012, Dzengel u.a. 2012, Dzengel 2016). Für Unterrichtsnachbesprechungen im Schulpraktikum liegt bislang keine Untersuchung zu den Subjektivierungen einschließlich der Rekonstruktion der begleitenden Wissensordnungen und Praktiken von in-situ-Daten im Rahmen der Schulpraxis vor. Daneben greift die vorlie- gende Arbeit ein weiteres Desiderat hinsichtlich der am Gespräch beteiligten Akteure auf: Der Datenkorpus umfasst 14 Gespräche, die zwischen der unterrichtenden Studierenden, einer/

einem Dozierenden der Pädagogischen Hochschule, einer Lehrerin4 der Praktikums schule und bis zu drei weiteren Kommilitoninnen in situ geführt wurden. Bislang sind empi risch lediglich solche Untersuchungen publiziert, in denen Gespräche untersucht und mitunter verglichen wurden, die entweder zwischen Praktikant*in und Mentor*in oder Universitäts a ngehöriger/

-angehörigem stattfanden. Auch, wenn die Theorie-Praxis-Diskussion über die personelle Syn-

4 Da im Datenkorpus ausschließlich Lehrerinnen an den Unterrichtsnachbesprechungen teilnahmen, wird in der vor- liegenden Arbeit bezogen auf die vorgelegte Studie von Lehrerinnen gesprochen. Dass auch Lehrer an Unterrichts- nachbesprechungen teilnehmen können, wird damit nicht ausgeschlossen.

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Einleitung

chronisation von Hochschulangehörigen einerseits und Lehrer*innen anderer seits simplifiziert wäre (vgl. Messmer 2011, S. 14), ist in diesem Zusammenhang interessant, inwieweit sich dis- kursive Praktiken, hinterlegte Wissensordnungen und Subjektivierungen vor dem Hintergrund eines erweiterten Personenkreises interpretieren lassen.

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei Teile:

Im ersten Kapitel wird zunächst auf die Theorie-Praxis-Diskussion sowie die damit verbun dene institutionelle Gestaltung der Lehrer*innenbildung mit dem Schwerpunkt (Baden-)Württem- berg geblickt. Näher wird dabei sowohl auf Schulpraktika, ihre Funktionen sowie Empirie als auch auf Unterrichtsnachbesprechungen als Orte der Schulpraxis eingegangen, deren Veran- kerung in der Kirchen- und Schulvisitation – und damit vor der Etablierung einer staatlichen Lehrer*innenbildung – begründet wird (1). Auf der Grundlage von – zum Teil em pirisch erhobenen und diskursiv beanspruchten – Konzepten (Unterricht, Beratung und Reflexion) – erfolgt im zweiten Kapitel die Diskussion des Forschungsstandes (2). Vor dem Hintergrund differenter Profession(alisierung)s-Begriffe erfolgt eine kulturtheoretische und praxeologische Verortung desselben, das auf die interessierenden diskursiven Praktiken, Wissensordnungen und Subjektivierungen hinweist, die im Fokus der Untersuchung stehen (3).

Auf dieser Grundlage wird im zweiten Teil die Untersuchung vorgestellt, indem das For- schungsinteresse differenziert, die Datengenese und die Forschungsmethoden aufge schlüsselt werden (4). Die Rekonstruktion der Subjektivierungen nimmt ihren Anfang in den Verlaufs- beschreibungen der Gespräche im Datenkorpus, die eine Grundstruktur anhand der Phasen Gesprächseröffnung, Erstpositionierung, Rückmeldungen der Kommilitoninnen, Lehrerinnen und Dozierenden sowie Konstituierung von Themengesprächen erkennen lässt. Für die ausge- machten Phasen werden alsdann ausgewählte Eckfälle rekonstruiert (5). Die rekonstruierten diskursiven Praktiken, Wissensordnungen und Subjektivierungen werden zuletzt gebündelt und auf der Grundlage der theoretischen Betrachtungen diskutiert (6). Das Fazit der Studie wird mit der Diskussion ihrer Relevanz und empirischen wie konzeptionellen Ausblicken ver- bunden (7).

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forschung forschung

Professionalisierung im Gespräch

Subjektivierungen in Nachbesprechungen zum

Grundschulunterricht im Rahmen des Semesterpraktikums

Lydia Brack

978-3-7815-2325-8

9 783781 523258

Schulpraktika haben in der Lehrerbildung an Bedeutung gewonnen.

Nachbesprechungen von Unterricht sind darin ein wesentlicher Bestandteil der Professionalisierung angehender Lehrer*innen. Sie folgen auf das Beobachtet- und Beurteilt-Werden im Unterricht, das historisch in den Schulvisitationen verortet ist.Bisherige Forschungs- ergebnisse zeigen, dass Unterrichtsnachbesprechungen – konzeptionell konträr – keine Beratungsgespräche sind und in ihnen kaum Theorie- Praxis-Bezüge expliziert werden. Die vorliegende Untersuchung blickt demgegenüber unter kulturtheoretischer Perspektive auf die soziale Praxis der Professionalisierung in Unterrichtsnachbesprechungen.

Dazu wurden 14 Nachbesprechungen zwischen Hochschullehrenden, Praktikumslehrpersonen und Studierenden über den Deutschunterricht in der Grundschule rekonstruiert. Übereinstimmend zeigte sich, dass die Erstpositionierung der unterrichtenden Studierenden vorangestellt wird, was auf die Relevanz der Selbstaufsicht hinweist. Die diskursiven Praktiken zeigen u.a. paradoxe Figuren zwischen Vorbehalt und Gültig- keit in den Beurteilungen, die mitunter Anlässe für Beratungen bieten.

Die rekonstruierten Wissensordnungen verweisen auf handlungsleitende Theorie-Praxis-Verhältnisse. Die Subjektivierungen zeigen sich sowohl in Ein- wie auch Ausschlüssen im Rahmen der sozialen Praxis der Professionalisierung.

Die Autorin

Lydia Brack, Dr. phil., Jahrgang 1982, studier- te nach mehrjähriger Tätigkeit als Grund- und Hauptschullehrerin berufsbegleitend den Mas- terstudiengang Bildungsforschung. Seit 2012 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Pädagogik und Didaktik des Elementar- und Primarbereichs im Institut für Erziehungswissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Arbeits- und Lehrschwerpunkte: Professions- und Pro- fessionalisierungsforschung zum Lehrerberuf, Theorie und Empirie zur Interaktion im Unterricht, Forschung zur Leistungsbeurteilung in Schule und Unterricht, Subjektivierungsanalysen.

Ly dia Br ac k Pr of essionalisierung im Gespräc h

Studien zur Professionsforschung

und Lehrerbildung

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