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Theorie. der. Gesell. Suhrkamp

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Academic year: 2022

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Gesell der

Theorie

luhmann niklas

suhrkamp

schafT

sysTem

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SV

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EineEditiondesNiklasLuhmann-Archivs derUniversitätBielefeldinKooperationmitdem

CologneCenterforeHumanities

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Niklas Luhmann

Systemtheorie der Gesellschaft

Herausgegebenvon

JohannesF.K.SchmidtundAndréKieserling

UnterMitarbeitvonChristophGesigora

Suhrkamp

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N. Luhmann : ST Ges 58705 — Druck — 2018-1-12 — S. 4

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http ://dnb.d-nb.de abrufbar.

2. Auflage 2018 Erste Auf lage 2017

© Suhrkamp Verlag Berlin 2017 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags

sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Satz : le-tex, Leipzig

Druck und Bindung : Pustet, Regensburg Printed in Germany

ISBN 978-3-518-58705-8

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Inhalt

Einführung ... 7

Teil1 SozialeSysteme :Interaktion,Organisation,Gesellschaft 19 KapitelI GrundbegriffederSystemtheorie ... 25

KapitelII KonstitutionsozialerSysteme ... 90

KapitelIII EbenenderSystembildung ... 170

KapitelIV Ebenendifferenzierung ... 201

Teil2 GesellschaftlicheEvolution ... 259

KapitelI Evolutionstheorie ... 267

KapitelII MechanismensoziokulturellerEvolution .. 311

KapitelIII Gesellschaftsformationen ... 386

Teil3 Kommunikationsmedien ... 451

KapitelI GrundlagenderMedienbildung ... 456

KapitelII MedientypenundMedienprobleme ... 476

KapitelIII LebensweltundTechnik ... 600

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Teil4

GesellschaftalsSystem ... 621

KapitelI IntersubjektiveKonstitutionderWelt ... 627

KapitelII AusdifferenzierungdesGesellschafts- systems ... 675

KapitelIII InnendifferenzierungdesGesellschafts- systems ... 770

KapitelIV DieGrößenverhältnisseunddieStrukturen desSystemsderWeltgesellschaft ... 864

Teil5 Reflexion ... 911

KapitelI Selbstthematisierung ... 913

KapitelII GesellschaftstheoriealsWissenschaft ... 983

KapitelIII Rationalität ... 1061

Anhang ... 1103

EditorischeNotiz ... 1105

Sachregister ... 1117

AusführlichesInhaltsverzeichnis ... 1127

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Einf ü hrung

DerBegriffGesellschaftsollhiernichtnuralsSammelbezeich- nungfürdieTotalitätsozialerBeziehungendienen,sondern alsBezeichnungeinessozialenSystemsunteranderen.Inder TraditiondiesesBegriffswardieseAlternativeoffengeblieben.

DiealteuropäischeTraditionderpolitischenGesellschaft(so- cietas civilis)hatte ihren Gesellschaftsbegriffzunächst allge- meingefaßt(koinonía,communitas,societas)alsjedeArtGe- meinschaftumgemeinsamerVorteilewillen,hatte ihnaber fürdenbesonderenFalldesumfassendenGesellschaftssystems durcheineneinschränkendenZusatzdefiniert :alscivitassive societascivilis.InderneuzeitlichenTraditionderwirtschaft- lichenGesellschaft(bürgerlichenGesellschaft)bliebeinAn- spruchaufTotalitäterhalten.Gleichwohlwurdenauchhier begrifflicheElemente,diemannichteinordnenkonnte,aus- gestoßenundalseinGegenüberfixiert–soinderUnterschei- dungvonGesellschaftundStaatoderinderUnterscheidung vonGesellschaftundGemeinschaft.OderdieEinschränkun- genwurdenzurKritikdergegenwärtigenGesellschaftalsei- nerKlassengesellschaftbenutztundderAnspruchaufTota- litätindieZukunfteinerklassenlosenGesellschaftverlagert, dasheißt :derWiderspruchvonGanzemundTeilindieZeit- dimensionverlegtundalsÜbergangbegriffen.WelchenLö- sungsansatzmanauchwählte–unddavonhingallesWeitere ab–,derGesellschaftsbegriffbliebdoppeldeutig,indemerzu- gleichdasGanzeundeinenTeildesGanzenvertretenmußte.

In diePrämissender Gesellschaftstheorie war demnach eine logische Unbestimmbarkeit eingebaut gewesen (ohne

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daßmandiesenNervjemalsgezieltangebohrthätte).Diese Unbestimmbarkeitistnurzurechtfertigen,wennmaninihr ein strukturelles Erfordernis der Gesellschaft selbst sieht – undnicht einfachnureinenTheoriefehler.InderTatmuß dieGesellschaftparadox konstituiertsein,weil essonstUn- wahrheitgarnichtgäbe.DerlogischeSchematismusistselbst ersteinProduktdergesellschaftlichenEntwicklung.Obman geradeihmjemalsdieIdentifikationdesGesellschaftssystems imganzenwirdüberlassenkönnen–sowieeinstderPolitik und dann der Wirtschaft –,dürfte letztlich eine Frage der zunehmenden Konvergenz von gesellschaftlicher und wis- senschaftlicher Entwicklung sein. Der Gesellschaftstheorie kommtdafürdieFunktioneinesKatalysatorszu.

Auf Aspekte dieser Unbestimmbarkeitsproblematik, die inderbürgerlichenGesellschaftimneuartigen Primatihrer WirtschaftundvoralleminderFormihrerpolitischenRevo- lutionundInstabilitätsichtbar gewordenwar, hattebereits HegelreagiertdurchEinbaudesPrinzipsderReflexionindie Gesellschaftstheorie.DieUnbestimmbarkeitwurdedamitals Selbstbestimmungreformuliert und alshistorischer Prozeß begriffen.DieEinheitvonGesellschaftundGesellschaftstheo- riewar noch metaphysisch garantiert, aber zugleich schon, wie im vorigen Absatz angedeutet, ein Entwicklungspro- blem.SomußtediepolitischeRevolutionletztlichdieLogik revolutionieren oder zumindest auf diese Konsequenz hin zuEndegedachtwerden.VerzeitlichtwirddasProblemder Unbestimmtheit (von Gesellschaftund Gesellschaftstheorie zugleich),weilesfürandereDarstellungsformenzukomplex gewordenist.SeitdemmußmanGesellschaftalsAspektder SelbstselektiondesSeins begreifen.MetaphysischeTitelwie

»Vernunft«oder»Materie«dienen,wieimmeradaptiert,eine ZeitlangnochalsGarantenderEinheitvonDenkenundSein (oder marxistisch :von Theorieund Praxis) undverdecken

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damit zugleichdie nichtvoll begriffenen Strukturprobleme dieser Selbstselektion. Hinterdiesen Gedanken der im Ge- sellschaftssystem zur Reflexion gebrachten Verzeitlichung kann keine Theorie der Gesellschaft zurückfallen, die der Komplexität ihres Gegenstandes gerecht werden will. Die wissenschaftlichenEntwicklungsmöglichkeitenliegenimbe- grifflichenMaterial,mitdemdiesesPrinzipzurDarstellung kommt–odergenauergesagt :alssichselbstdarstellendbe- griffenwird. Undes istdieserbegrifflicheAnsatz,derüber HegelundMarxhinausabstrahiertwerdenmuß.

Hegel hatte sich an die im 18. Jahrhundert eingeführte Dichotomie vonNatur und Freiheitgehalten, under hatte begriffen,daßsowohlNaturalsauchFreiheitfürdieneueGe- sellschaftBegriffederSelbstdistanzierungvonderTradition waren.1 Um dieser Entzweiung (und zugleich dem Primat derÖkonomieundderNichtrestaurierbarkeitderPolitikim ethisch-institutionellenSinne)Rechnungzutragen,hatte er dieGesellschaftaufdiemenschlicheBedürfnisnaturgegrün- detund gerade darin, daßsienurdiessei, eine Bedingung der Freiheit gesehen. Damit bezeichnete der Gesellschafts- begriffdie Gesellschaftindesnurnoch alseinMomentdes konkreten Ganzen ; ihre Abstraktion war gerade nicht die Leitstruktur der Selbstselektion des Seins, sondern mußte in derkonkreten Sittlichkeit aufgehoben werden.Im Wett- kampfdermetaphysischenTitelkonntedieGesellschaftdann auchnicht alsvernünftig behauptetwerden–undmansah jaauch,daßsiees nichtwar –,sondernebennuralsmate- riell. Da aber Vernunft und Materie letztlich nur Chiffren für jene Unbestimmbarkeit sind, in der Gesellschaft und Gesellschaftstheorie konvergieren, blieb ein Streit auf die-

1 DaranerinnertJoachimRitter,HegelunddiefranzösischeRevolution, Köln,Opladen1957.

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ser Ebene ohne Bezug zum Problem. Nachdem Hegel nur den Ausweg gesehenhatte, jenseits aller Konstruktionspro- blemedespolitischenSystemsderbürgerlichenGesellschaft im Staatsbegriff einen sozusagen revolutionsfreien Primat derpolitischen Ethikzuerneuern,2 undMarxdemnurdie Verabsolutierungeinesprimärökonomischbegriffenen Ge- sellschaftssystemsentgegensetzen konnte,3 istesnotwendig geworden, die Gesellschaftstheorie neu zu begründen. Die marxistisch konservierten Restbestände bieten dafür wenig Anregungen, wohl aber Mindestforderungen an Blickweite und Reflexionsvermögen, die nicht unterschritten werden sollten.

Aufgenommen und kombiniert werden müssen, wenn manüberhauptWertdarauflegt,anbisherigesDenkenüber Gesellschaftanzuschließen,4diefolgendenMomente :(1)das traditionelle Problem der Einheit des Gesellschaftssystems, dasalsumfassendeszugleichnureinSozialsystemunteran-

2 ZumAnachronismusdesdarananschließendenspezifischdeutschen Staats-undPolitikverständnissesvgl.ManfredRiedel,»DerStaatsbe- griffderdeutschenGeschichtsschreibungdes19.Jahrhundertsinsei- nemVerhältniszurklassisch-politischenPhilosophie«,in :DerStaat2 (1963),S.41-63.

3 In bezugdaraufkannmandannauchmitJoachimRitter(ineiner DiskussionsbemerkungvonErnst-WolfgangBöckenförde,Dieverfas- sungstheoretischeUnterscheidungvonStaatundGesellschaftalsBedin- gung derindividuellenFreiheit,Opladen1973,S.60)voneiner»hy- pertrophischenVerwendungdesBegriffsderGesellschaft«sprechen.

Diese Hypertrophie istaber, gemessen andemAnspruchder Um- fassendheit,derdieTraditionmitdemGesellschaftsbegriffverbindet, nichts,waszurückzunehmenwäre,sondernnurdaserstnocheinzulö- sendeVersprecheneinerGesellschaftstheorie.

4 DaßmandaraufWertzulegenhat,ergibtsichausderCharakterisie- rungderWissenschaftalseinerselbstsubstitutivenOrdnung,unddiese Charakterisierungergibtsichdaraus,daßdieWissenschaftselbstTeil- systemderGesellschaftist.Dazunäherunten,Teil5,Kap.I I.

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derenist,und(2)diemoderne(bürgerliche)Fassungdieses Problems alsNotwendigkeit derSelbstselektion desGesell- schaftssystems, die (a) Reflexivität der Selbstbestimmung impliziertalsBedingungderMöglichkeitdesWechselsder- jenigen Teilsysteme, die durch Realisierung eines funktio- nalen Primats eine Pars-pro-toto-Funktion übernehmen, und (b) eine Verzeitlichung von Komplexität erfordert in dem genauen Sinne, daß durch Einbau von »historischem Bewußtsein« in die Gesellschaftsstruktur Unbestimmtheit derMöglichkeitenundBestimmtheitderRealisierungenim Nacheinanderkompatibelwerden.

AnalysiertmanausgrößererDistanz,dannzeigtsich,daß jene Begriffsbildungsprobleme der Gesellschaftstheorie un- lösbarwarenausmehrfachenGründen,diesichwechselseitig stabilisieren.Man hatte sich(1)aus plausiblenGründenzu derAuffassungbekannt,dasGanzeseimehralsdieSumme der Teile,obwohl Gesellschaftstheorien derskizzierten Art eherAnlaßgegebenhätten,dieGegentheseanzunehmenund zusagen,dasGanzeseiwenigeralsdieSummederTeile,essei OrdnungalsReduktionsleistung.Manhatte,wieinbestimm- ten evolutionären Lagen von faszinierender Neuartigkeit verständlich,(2)dieGesellschaftalsGanzesdurchMerkmale ihresjeweilswichtigstenTeilsystemscharakterisiertundihren Begriffdadurchkonkretisiert–zunächstalspolitische,dann alswirtschaftlicheGesellschaft.DadurchbliebdasGanzemit Merkmaleninfiziert,dienichtfürdieGesamtheitderunter ihm zusammengefaßten Elemente repräsentativ sein konn- ten.Mansah(3)diezweiwertigeLogiknichtnuralsbegrenzt funktionsadäquaten Schematismus, sondern als Abbild ei- nes wirklichen Unterschiedes von Sein und Nichtsein und konnte infolgedessen (4) weder selbstreferentielle Prozesse nochIntersubjektivität,nochSystememitstrukturimmanen- tem Umweltbezug,noch Systememitstrukturimmanentem

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Zeitbezugdenken.Undmanhatte(5)zwischenverschiedenen Systembildungsebenen, vor allem zwischen Gesellschaftssy- stem und organisierten Sozialsystemen, nicht ausreichend unterschiedenundinfolgedesseneinePars-pro-toto-Technik, dieinOrganisationenohneweiteresmöglichist,aufdasals KorporationvorgestellteGesellschaftssystemübertragen.All dieseOptionensindausdenhistorischenLagenunddenevo- lutionären Perspektiven vergangener Gesellschaftssysteme heraus verständlich. In all diesen Hinsichten könnte man heuteandersurteilen.

Die Hauptdifferenz, die uns vonden Anfängen der So- ziologieundvondenGesellschaftstheorien des19. Jahrhun- derts,alsoauchvonderMarxschenTheorietrennt,liegtim systemtheoretischen Ansatz. Dieser ist nicht nur eine be- stimmte, konkurrierende Fassung der Gesellschaftstheorie.

GehtmanvoneinerTheoriesozialerSystemeaus,analysiert manvoneinerBegriffsebeneaus,diehöheraggregiertistals dieTheoriederGesellschaft.Soziologieistdannnichtmehr nurGesellschaftstheorie(bzw.,wieimOstblock,empirische HilfswissenschaftderGesellschaftstheorie).DieTheoriedes umfassendenSystemsdersozialenWirklichkeitistfürsienur eineTeiltheorie.MitanderenWorten :DieSoziologiebraucht zurIntegration ihrerErkenntnisse eine andere, abstraktere Sinnebene,alsdieGesellschaftsiebrauchtzurIntegrationih- rerselbst.Manmußdaher,wiedieSkizzeverdeutlichensoll, zwischen der theoretischen (analytischen) und den gesell- schaftlichen(realen)Inklusionsverhältnissenunterscheiden– unddies,obwohldieSoziologiesichselbstalsTeilsystemder Gesellschaftbegreifenkann.

Nursokönnendie»Totalisationen«dergesellschaftlichen RealitätinderTheorienochmalsüberbotenwerden,kritisiert werden,relativiertwerdenundaufVariationsmöglichkeiten hingewiesenwerden.

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Theorie sozialer Systeme

Gesellschaftstheorie Organisationstheorie Interaktionstheorie Gesellschaft Organsisation Interaktion

Interaktion

Eine weitere Implikation verdient besondere Hervorhe- bung : Dem (für die Soziologie) höchsten Gegenstandsbe- griff entspricht kein einheitlicher Gegenstand mehr.5 Die systemtheoretischeSoziologiesetztkeineihren analytischen Bedürfnissen entsprechende Realsynthese in der sozialen Wirklichkeit voraus. Sie kann, muß aber nicht notwendig ihreAussagenmitBezugaufdieSystemreferenzformulieren, die in der sozialen Wirklichkeit zur umfassenden Verein- heitlichung dient. Das heißt nicht, daß der soziologischen Synthesis im Begriff des sozialen Systems ein Gegenstand überhaupt fehle, es fehlt nur die entsprechende Totalsyn- these. Die allgemeine Theorie sozialerSysteme bietet nicht nurein(wohlmöglichesnormatives)Ideal.Siestelltbegriffli- cheMinimalmittelfürdieAnalyseeinesjedenSozialsystems bereit. Siekanninfolgedessenauchhypothetischformuliert werden :ImmerwennsichsozialeSystemebilden,kommtes zurReduktionaufHandlung, zurBildungvonErwartungs- strukturen,zurKommunikation,zurOrientierunganInnen/

Außen-Differenzenusw.

AllerdingssinddiedazunotwendigenanalytischenInstru- mente Stück für Stück umstritten, undumstritten ist auch,

5 AmBeispielderSystemtheorievonTalcottParsonskannmanbeobach- ten,wieeinquasineukantianischerAusgangspunkthierweitereFra- genabschneidet.ParsonsbegnügtsichmitderFeststellung,daßseiner allgemeinenTheoriedesHandlungssystemsein»analytischesSystem«

entspreche.

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obundmitwelchemRechtsieunterdemGesichtspunktdes Systemszusammengefaßtwerdenkönnen.DieseSchwierig- keitengehennichtzuletztaufGründezurück,dieinderGe- schichtedesSystembegriffswurzeln.

EinerseitsgibteseineaufdenAnfangdes17.Jahrhunderts zurückreichende Tendenz, den Systembegriff auf Erkennt- nisseundErkenntnisdarstellungen (zumBeispielLehrbuch- einteilungen) zu beziehen und ihn in dieser Funktion zu idealisieren.6Die GründedafürscheinenteilsinKrisen der Theologie, insbesondere in der Unlösbarkeit des Problems der Glaubensgewißheit und der anschließenden Problema- tisierung von Gewißheit schlechthin, teils in Verselbstän- digungstendenzen anderer Fächer gelegen zu haben. Auf dieser Linie findet sich, wie schon angedeutet, noch heute der »analytische« Systembegriff von Talcott Parsons,7 der

6 Vgl.dazuOttoRitschl,SystemundsystematischeMethodeinderGe- schichte des wissenschaftlichenSprachgebrauchs und der philosophi- schenMethodologie,Bonn1906 ;AloisvonderStein,»DerSystembe- griffinseinergeschichtlichenEntwicklung«,in :AlwinDiemer(Hg.), SystemundKlassifikationinWissenschaftundDokumentation,Mei- senheimamGlan1968,S.1-13 ;MarioG.Losano,Sistemaestruttura nel diritto,Bd. I,Turin1968 ; HansErichTroje,»Wissenschaftlich- keitundSysteminderJurisprudenzdes16.Jahrhunderts«,in :Jürgen Blühdorn,JoachimRitter (Hg.),PhilosophieundRechtswissenschaft : ZumProblemihrerBeziehungenim19.Jahrhundert,Frankfurt/M.1969, S.63-88 ;FriedrichKambartel,»›System‹und›Begründung‹alswissen- schaftlicheundphilosophischeOrdnungsbegriffebeiundvorKant«, in :Blühdorn,Ritter(Hg.),PhilosophieundRechtswissenschaft,S.99- 113.BemerkenswertauchErwinFahlbusch,»Konfessionalismus«,in : EvangelischesKirchenlexikon,Bd.I I,Göttingen1958,Sp.880-884,für SystematisierungstendenzeninderTheologienachDifferenzierungder GlaubensbekenntnissedurchdieReformation.

7 Vgl.insb.CharlesAckerman,TalcottParsons,»TheConceptof›Social System‹asaTheoreticalDevice«,in :GordonJ.DiRenzo(Hg.),Con- cepts,TheoryandExplanationintheBehavioralSciences,NewYork 1966,S.19-40.

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in neukantianischer Manier Gegenstand und Erkenntnis identifiziert und, dann konsequent, die systemtheoretische AnalysederGesellschaftaufdieThesestützt,daßdieseein analytischesSystemsei.DieseKonzeptionbleibtaberaneine bestimmte erkenntnistheoretische Position gebunden, die vonmanchen,etwavonMarxisten, schonauf dieserEbene bestrittenwird.

Andere Vorbehalte lassen sich zusammenfassen unter derThese, daßnie die Totalität, also auchnicht diegesell- schaftlicheTotalitätmenschlicherInteressen,sondernimmer nureinTeilalsSystembegriffen werdenkönnte.Soformu- liert Hobbes : »By Systems ; I understand any numbers of men joyned in one Interest ; or one Business«.8 Nach Fu- sionmitdererkenntnistheoretisch-idealisierendenStrömung liegt es heute nahe, diesen Systembegriff als Kategorie für TeileoderAspekte desgesellschaftlichen GanzenaufIdeen oderauf Instrumentezubeschränken und für dieTotalität desmenschlichenLebens,dieGesellschaftimVollsinneoder diebegrifflicheArtikulationdesMündigkeitsinteressesoder derSubjektheitderIndividuenandereAusdrucksformenzu suchen.9

8 Vgl.Leviathan,TeilI I,Kap.22,zit.nachderAusgabederEveryman’s Library,London,NewYork1953,S.117.

9 Soformuliert z. B. ein einflußreichesLehrbuch, Ralph Linton,The StudyofMan :AnIntroduction,NewYork1936,S.253,kurzundbün- dig :»Asocietyisanorganizationofindividuals ;asocialsystem is anorganizationofideas.«AuchJürgenHabermas,»TheoriederGe- sellschaftoderSozialtechnologie ?EineAuseinandersetzungmitNik- lasLuhmann«,hatmiteinerfürvieleSozialphilosophenbezeichnen- denGleichsetzungvonIndividuumundSubjektsolchenVorbehalten gegendieAuffassungderGesellschaftalsSystemAusdruckgegeben imDiskussionsbandJürgenHabermas,NiklasLuhmann,Theorieder GesellschaftoderSozialtechnologieWasleistetdieSystemforschung ?, Frankfurt/M.1971,S.142-290.

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IndiesenVorbehaltengegendieSystemtheoriefindetdie bereits analysierte Unbestimmbarkeitsproblematik erneut Ausdruck,undeswiederholtsichauchdieNeigung»bürger- licher« Denker, das Problem durch Dichotomisierung und Dialektisierungzulösen.Sowieeinstder»Staat«unddanndie

»Gemeinschaft«scheintheutedas»System«daserforderliche Gegenüber derGesellschaftzusein ;zumindestformulieren diejenigenesso, diezurSystemkritikoderzurSystemüber- windungaufrufen.Dabeibleibtdunkleralsjezuvor,wasdenn Gesellschaftsei,wennnichtSystem.DieseFragewird–und wiederum haben wir ein bürgerliches Denkmotiv und bür- gerlicheReflexivitätvoruns–ineinZeitverhältnisaufgelöst : DasSystemistdieGesellschaftinihrer(kapitalistischen)Ge- genwart, die eigentliche Gesellschaft ist das, was nach der Systemüberwindungkommt.

FüreinpolitischesInteresseandieserDebattemagdieEr- läuterunggenügen,daßdieGesellschaftderZukunftdasvon denSystemüberwindernbeherrschteSystemseinwird.Dann giltes,Parteizuergreifen.FüreinwissenschaftlichesInteresse istdie Fragevorrangig,obdasanalytischePotentialderSy- stemtheoriemitdieserKontrastierungadäquatbenutzt–oder nichtvielmehrverschenktwird.

DieThesederfolgendenAbhandlungist,daßgeradeder SystembegriffsichzurLösungjenesUnbestimmbarkeitspro- blems eignet. Er postuliert – als Systembegriff –, daß die Gesellschaft die Lösung ihres eigenen Unbestimmbarkeits- problemsleistet,dadurchdaßsiesichalsSystemkonstituiert ; dadurchdaßsiedurchGrenzziehungeinefürsieunbestimm- bare Komplexität reduziert und, im Wissenschaftsbereich zumBeispiel, unter demGesichtspunkt von Wahrheit/Un- wahrheitschematisiert.DieSystemtheoriegeht,mitanderen Worten, davon aus, daß ihre Gegenstände sich selbst als Systemeorganisieren,sichselbstinihren Möglichkeitener-

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möglichenund einschränken ; und daßsie nurdeshalb als Systemebegreifbarsind.

Wirersetzen fürdie Zweckedieser AnalysejeneDicho- tomien der früh-, anti- oder sonstwie bürgerlichen Gesell- schaftstheorie durch die abstraktere, demSystembegriff in- härente Dichotomie vonSystem und Umwelt.Durch diese Differenz wird Komplexität konstituiert, die zugleich als letzterBezugs-undIntegrationspunktfürfunktionaleAnaly- sendient. ImFallesozialerSystemehaben wiresmiteiner besonderen Form der Verarbeitung von System/Umwelt- Differenzen zutun,nämlichmitSinn. AufSinnberuhtdie Möglichkeit, Komplexität als unbestimmte Bestimmbarkeit zubegreifen –ebenjenes Problem,dasderTraditiondurch Metaphysik verdecktvorausliegtunddasexplizitindieGe- sellschaftstheorieeinzuführenist.

AndiesescheinbareinfachenAusgangspunkte10läßtsich eineReihevonFolgetheorienanknüpfen,derenInterdepen- denzeneineziemlichkomplexeGesellschaftstheorieergeben.

Jeder derfolgenden Teilegeht voneinerdirekten Anknüp- fungan dieDifferenzvonSystemundUmwelt ausundbe- handeltsiezunächstinevolutionstheoretischer(Teil2)undin kommunikations-undmotivationstheoretischerPerspektive (Teil3),schließlichunterdemGesichtspunktderKomplexi- tätssteigerungdurchAusdifferenzierungunddurchInnendif- ferenzierung(Teil4)undderdadurchermöglichtenReflexion und RationalisierungdesGesellschaftssystems (Teil5). Erst imletztenTeilkönnenwiraufwissenschaftstheoretischePro- blemezurückkommen. Bevorwirindiese Untersuchungen eintreten,diesichspeziellaufdasGesellschaftssystembezie- hen,müssenwirjedochverschiedeneEbenenderSystembil-

10 SiehedazuTeil1,Kap.IundI I. 17

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dung analytischauseinanderziehen.11Auchdasgeschiehtin AnknüpfungandieDifferenzvonSystemundUmwelt,denn dieEbenenderSystembildungunterscheidensichdurchdie ArtderBehandlungderDifferenzvonSystemundUmwelt.

EinesolcheEbenenunterscheidunggibtunszugleichdieMög- lichkeit,verschiedeneTypensozialerSystemezuunterschei- denundzubegründen,wieeinesvonihnen,dieGesellschaft, zugleichdasGanzeseinkann.

11 Vgl.Teil1,Kap.I I IundI V.

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Teil 1

Soziale Systeme:

Interaktion, Organisation, Gesellschaft

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