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außer Acht lässt und nicht der Gesichtspunkt ist, der die Höhe einer angemessenen Lizenz bestimmt.

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4iP Council EU AISBL hat mich um ein schriftliches Interview zu folgenden Fragen betreffend den Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts gebeten:

1. Welche Probleme sollen mit der vorgeschlagenen Einführung eines ausdrücklichen Verhältnismäßigkeitsvorbehalts in § 139 Patentgesetz adressiert werden?

Bestehen diese Probleme tatsächlich?

Nach der Gesetzesbegründung steht offenbar im Vordergrund, dass bei Verletzung eines einzelnen Patents, das nur eine Detailfunktionalität einer Teilkomponente betrifft, der Patentinhaber eine Unterlassung des gesamten Produkts verlangen könne. Damit drohten im Einzelfall hohe Schäden bis zur Einstellung des Betriebs eines Netzwerks oder jedenfalls die Unmöglichkeit des Verkaufs schon fertig hergestellter komplexer Produkte, obwohl der Wert der Erfindung in keinem Verhältnis zu diesen nachteiligen Folgen stehe (Schlagwort: Kleine Erfindung - großer Schaden). Jedenfalls mit dem ersten Punkt ist ein Sachverhalt angesprochen, der tatsächlich nicht nur ausnahmsweise, sondern in durchaus beachtlicher Anzahl bei der patentrechtlichen Auseinandersetzung in Deutschland zu beobachten ist. Bzgl. der Gefahr, ganze Geschäftszweige einstellen zu müssen, sehe ich die Sachlage nicht so eindeutig. Bei einem lizenzunwilligen Patentinhaber kann in aller Regel Gefahren durch Ausweichen auf eine am Markt erhältliche Alternativtechnik begegnet werden, so dass auch insoweit schon eine zeitlich begrenzte, vorübergehende Aussetzung der Verurteilung zur Unterlassung regelmäßig Abhilfe schaffen sollte. Bei standardessentiellen Patenten, bei denen ein tatsächlicher Zwang zur Benutzung besteht, kann der Verletzer ohnehin bei Beachtung zumutbarer Regeln eine Lizenz zu angemessenen Bedingungen beanspruchen. Anders als die Gesetzesbegründung möglicherweise verstanden wird, steht außerdem in den betreffenden Fällen keinesfalls immer fest, dass den betreffenden Patenten nur geringe erfinderische Qualität zukommt. Wenn nicht ohnehin eine Aussetzung des Verletzungsprozesses erfolgt, um über die Schutzwürdigkeit des Patents im Verfahren um dessen Bestandskraft Klarheit zu erlangen, ist der Grad der erfinderischen Qualität kein Gesichtspunkt, der die Verletzungsfrage bestimmt. Wenn in der Gesetzesbegründung vom Wert der

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Erfindung die Rede ist, kann dies deshalb eigentlich nur das Verhältnis des Werts der Detailfunktionalität bzw. Komponente zu dem Wert des betroffenen Gesamtprodukts bzw. zur Höhe des zu befürchtenden Schadens betreffen.

Jedenfalls wenn die patentgeschützte Komponente für das Gesamtprodukt gar unwesentlich ist, wird gerade davon auszugehen sein, dass es problemlos weggelassen werden kann, so dass eine Unterlassungspflicht nur für die Umstellungszeit und bezüglich des Absatzes bereits produzierter Gesamtprodukte störend sein kann.

Die Gesetzesbegründung sieht ein weiteres Problem in Fällen, in denen der Patentinhaber selbst keine entsprechenden Produkte beziehungsweise Teilkomponenten herstellt oder herstellen lässt, die mit dem patentverletzenden Produkt in direktem Wettbewerb stehen, weil dann insbes.

Patentverwertungsgesellschaften unter Ausnutzung des Drucks, den ein drohendes Verbot ermögliche, eindeutig überzogene Lizenzforderungen durchsetzen könnten. Die bloße Gefahr, sich solchen Forderungen ausgesetzt zu sehen, kann jedoch kaum als nicht mehr hinnehmbar eingestuft werden. Am Schluss der mündlichen Verhandlung im Verletzungsprozess müsste schon feststehen, dass der Patentinhaber tatsächlich auf den Abschluss eines Lizenzvertrags mit überzogenen Bedingungen gedrungen hat. Dazu, inwieweit dies in der Praxis vorkommt und ob ein solches Gebaren sogar üblich ist, kann ich aus eigener Erfahrung nichts Verlässliches sagen. Auch der Gesetzesbegründung lässt sich hierzu Nachprüfbares nicht entnehmen. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Antwort auf die Frage der Angemessenheit oder Unangemessenheit eines Lizenzverlangens nur schwer zu geben ist. Denn meist hat die Angemessenheit eine große Bandbreite. Das mindert die Gefahr, dass im Einzelfall deren oberer Wert überschritten wird. Es verwundert deshalb nicht, dass die Gesetzesbegründung keine Fälle aufzeigt, aus denen sich eine Praxis von Patentverwertungsgesellschaften ableiten ließe, deutlich mehr an Lizenz zu verlangen, als es ein produzierender Patentinhaber getan haben würde, der natürlich auch bemüht sein wird, jedenfalls die mögliche Bandbreite auszuschöpfen. Soweit die Gesetzesbegründung mit der Absicherung der eigenen Entwicklungs- und Produktionstätigkeit bei einem „normalen“ Patentinhaber argumentiert, ist noch darauf hinzuweisen, dass dies das Nachfrageinteresse

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außer Acht lässt und nicht der Gesichtspunkt ist, der die Höhe einer angemessenen Lizenz bestimmt.

Die Gesetzesbegründung erwähnt ferner Fälle, in denen zu dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs bereits umfangreiche Investitionen in die Entwicklung und Herstellung eines Produkts getätigt worden seien und die sich hieraus ergebenden außergewöhnlichen Schadensfolgen völlig außer Verhältnis zu dem Wert des verletzten Patents stünden. Dies könne insbesondere bei langen Forschungs- und Entwicklungszeiträumen der Fall sein. Zunächst ist hieran interessant, dass die Gesetzesbegründung hier und auch an anderen Stellen nicht etwa die Existenz des gesetzlichen Verbots, also den Anspruch auf Unterlassung als subjektives materielles Recht des Patentinhabers für die beschriebenen Konsequenzen verantwortlich macht, sondern dessen gerichtliche Geltendmachung durch den Patentinhaber, worauf ich noch zurückkommen werde.

In der Tat kann die rechtliche Beurteilung des gerichtlichen Vorgehens des Patentinhabers davon abhängen, wann dieser gegenüber dem Verletzer mit seinem Begehren nach Unterlassung hervorgetreten ist. Wenn er hierzu so lange abgewartet hat, bis davon auszugehen ist, dass der Verletzer bereits signifikante Aufwendungen sachlicher und/oder finanzieller Art gemacht hat, die sich dann als unnütz erweisen werden, kann natürlich in der Klageerhebung ein nicht mehr hinnehmbares Verhalten des Patentinhabers gesehen werden, das als missbräuchliches Prozessieren zurückgewiesen werden kann. Ansonsten ist darauf hinzuweisen, dass umfangreiche Investitionen oder Forschungstätigkeiten von einem besonnenen Unternehmen nur nach sorgfältiger Prüfung der Rahmenbedingungen aufgenommen zu werden pflegen, zu denen auch die Patentlage gehört. Jedenfalls bei Beachtung der Sorgfalt gegen sich selbst, zu der eigentlich jeder Anlass hat, wenn nicht gar verpflichtet ist, sollten deshalb die hier von der Gesetzesbegründung angesprochenen Fälle – abgesehen von dem vorstehend von mir erwähnten Beispiel später Klage und dem im Folgenden angesprochenen Sachverhalt – nicht häufig Bedeutung erlangen.

Wie die Gesetzesbegründung zu Recht erwähnt, stellt es beispielsweise im Telekommunikationsbereich, in dem mittlerweile in hoher Fertigungstiefe und unter Hinzuziehung verschiedener Teileproduzenten hergestellt wird, für Verletzer ein

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Problem dar, dass eine zunächst kaum überschaubare Anzahl von Patenten ganz verschiedener Patentinhaber zu berücksichtigen sein kann. Es kommt hinzu, dass neben dem Lieferanten der Endgeräte, z.B. von Mobilfunkgeräten, jedes an deren Produktion beteiligte Unternehmen zur Unterlassung verpflichtet sein kann. Nach meiner Kenntnis hat sich allerdings in den letzten Jahren die Praxis herausgebildet, in Deutschland nur den Lieferanten der Endgeräte auf Unterlassung zu verklagen.

Ein Grund mag darin liegen, dass die Teilehersteller und -lieferanten im Ausland in verschiedenen Ländern sitzen und die Endgeräte auch dort montiert werden.

Betroffen von der Vielzahl zu beachtender Patente ist deshalb häufig nur das Unternehmen, das für den Vertrieb der Endgeräte im Inland verantwortlich ist. Auch bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt bei der Beobachtung und Feststellung der Patentlage besteht für solche Unternehmen die Gefahr, nicht alle einschlägigen Patente rechtzeitig zu erkennen und eine Patentverletzung nicht zu vermeiden.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Es kann durchaus, wenn auch nur ausgesprochen wenige Fälle geben, in denen es nicht sachgerecht erscheinen kann, dass eine zu Recht vor Gericht beanstandete Patentverletzung automatisch ein sofort wirkendes gerichtliches Verbot nach sich zieht. Die geltende Rechtslage in Deutschland ist aber auch nicht durch einen solchen Zwang gekennzeichnet. So ist – wie die Gesetzesbegründung selbst angibt – der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Zivilrecht und damit auch im Patentrecht zu berücksichtigen. Soweit es in der Gesetzesbegründung heißt, dass es sich bei der vorgeschlagenen Ergänzung (deshalb?) um eine gesetzgeberische Klarstellung handele, kann ich dem jedoch nicht beitreten. Nach meinem Rechtsverständnis vom bisher geltenden Patentrecht lässt der Einwand, der Patentinhaber verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das gesetzliche Verbot der Patentverletzung und den materiellen Unterlassungsanspruch des Patentinhabers unberührt. Dieser Einwand richtet sich nur gegen die gerichtliche Geltendmachung des im Falle einer Patentverletzung gegebenen Unterlassungsanspruchs und den Versuch des Patentinhabers, diesen auf diese Weise durchzusetzen. Die auch in der Gesetzesbegründung herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit dem Stichwort „Wärmetauscher“ besagt nichts anderes, sondern bestätigt das.

Denn dort ist nur gesagt, dass die sofortige Durchsetzung des

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Unterlassungsanspruchs des Patentinhabers im Einzelfall eine unverhältnismäßige, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigte Härte darstellen und daher treuwidrig sein könne. Es ist also das mit dem Ziel der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs vorgenommene und hierzu führende Handeln des Patentinhabers, das aus Gründen der Verhältnismäßigkeit beanstandet werden kann. Das subjektive Recht des Patentinhabers selbst, das – wie auch die Gesetzesbegründung anerkennt – vor allem durch den materiellen Unterlassungsanspruch repräsentiert wird, bleibt hingegen unangetastet. Meines Erachtens ist das für das Patentrecht auch allein sachgerecht. Denn anders als beispielsweise beim Eigentum an Sachen rechtfertigt sich das patentrechtliche Ausschließlichkeitsrecht gerade wegen der Leistung, die der Anmelder durch die Offenbarung der erfinderischen Lehre zum technischen Handeln der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt hat. Das wiederum rechtfertigt die uneingeschränkte Geltung jedenfalls des materiellen Unterlassungsanspruchs. Dem trägt die Formulierung des Gesetzentwurfes, nämlich, „Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit …“ nicht Rechnung.

2. Verfügt das deutsche Recht derzeit nicht über ausreichende Mittel auf materiell- und vollstreckungsrechtlicher Ebene, um Verhältnismäßigkeitserwägungen im Zusammenhang mit dem Unterlassungsanspruch zum Tragen zu bringen? Besteht Reformbedarf diesbezüglich?

Aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich, dass das deutsche Recht für den Verletzer eines Patents bereits die Möglichkeit bietet, im Verletzungsprozess mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen, dass eine Verurteilung, die zu sofortiger Unterlassung nötigt, unverhältnismäßig ist. Die Gesetzesbegründung gibt selbst an, auch die beteiligten Kreise stimmten im Wesentlichen darin überein, dass eine Berücksichtigung von Verhältnismäßigkeitserwägungen beim

patentrechtlichen Unterlassungsanspruch bereits auf der Grundlage des geltenden Rechts möglich sei. Besagte Verhältnismäßigkeitserwägungen betreffen – wie von mir ebenfalls bereits ausgeführt – zwar nicht das aus dem Patent folgende materielle Recht selbst, sondern den Versuch des

Patentinhabers, dieses subjektive Recht trotzdem durchzusetzen. Die

Verhältnismäßigkeitserwägungen können aber bereits bisher greifen, wenn zu

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der Erhebung der Unterlassungsklage ein Verhalten des Patentinhabers

hinzutritt, das selbst nur als missbräuchlich eingestuft werden kann und deshalb auch die Klage missbräuchlich sein lässt. Das kann etwa in Fällen zu bejahen sein, in denen der Patentinhaber eigentlich prozessfremde Zwecke verfolgt oder den Zeitpunkt seiner Unterlassungsklage gerade danach ausgerichtet hat, wann der Verletzer mit seiner Produktion wirklich in Gang gekommen ist. Der das gesamte Zivilrecht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben kann andererseits auch ohne ein solches missbräuchliches Taktieren des

Patentinhabers schon dann greifen, wenn auf Seiten des Verletzers für den Patentinhaber erkennbar Auswirkungen drohen, die unzumutbar sind, deren Verhinderung dem Patentinhaber aber ohne weiteres zuzumuten ist, etwa weil er nach seiner Interessenlage die Verletzung für eine Zeit lang hinnehmen kann, wenn gesichert ist, dass er hierfür eine ausreichende Entschädigung erhält. Ich vermag deshalb einen Reformbedarf nicht zu erkennen, schon gar nicht die Notwendigkeit einer Klarstellung der geltenden Rechtslage. Dies gilt vor allem auch vor dem Hintergrund, dass seit Mitte 2016 mit der Entscheidung

„Wärmetauscher“ ein Urteil des für das Patentrecht zuständigen Senats des Bundesgerichtshofs existiert, das ausdrücklich darauf hinweist, dass die sofortige Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs des Patentinhabers im Einzelfall eine unverhältnismäßige Härte darstellen und daher treuwidrig sein könne.

Was den vollstreckungsrechtlichen Teil der Frage anbelangt, so besteht in Deutschland für den Fall der Verurteilung zur Unterlassung die zivilprozessuale Möglichkeit, die Vollstreckung des Unterlassungstitels durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden (sog. Vollstreckungsschutz), wenn die

Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Vollstreckungsschutz wird von den in Patentsachen berufenen

Verletzungsgerichten bisher allerdings allenfalls ganz ausnahmsweise gewährt.

Häufig wird wohl deshalb ein Antrag auf Vollstreckungsschutz auch erst gar nicht gestellt. Einen Reformbedarf insoweit sehe ich jedoch ebenfalls nicht, eben weil – wie der Bundesgerichtshof auch entschieden hat – der Verletzer bereits im eigentlichen Prozess die Möglichkeit hat, sich auf eine unzumutbare Härte einer Verurteilung zu berufen.

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3. Es wird behauptet, dass die Instanzgerichte Verhältnismäßigkeitserwägungen nicht bzw. nur zurückhaltend berücksichtigen. Trifft dies Ihrer Meinung nach zu?

Falls ja, könnte die vorgeschlagene Änderung dem entgegenwirken, oder würden Sie andere Lösungen, wie z.B. Fortbildungsangebote für die Richterschaft, empfehlen?

Mir scheint es sinnvoll, bzgl. dieser Frage zwischen der Zeit vor dem Erlass des Urteils „Wärmetauscher“ und der Zeit danach zu unterscheiden. Mir ist aus meiner Tätigkeit als Richter und nunmehr als Gutachter für die Zeit davor keine Gerichtsentscheidung erinnerlich, in der seit dem Fall, der 1980 zur

Entscheidung „Heuwerbungsmaschine II“ geführt hat, ein Unterlassungsurteil wegen Patentverletzung deshalb abgelehnt oder nur eingeschränkt erlassen worden sei, weil dessen Durchsetzung als unverhältnismäßig erachtet wurde.

Dabei ist allerdings zu bedenken, dass aus zivilprozessualen Gründen eine derartige Zurückweisung einer Unterlassungsklage nur in Betracht kommt, wenn der als Verletzer Beklagte mit seinem Abweisungsantrag dem

Unterlassungsbegehen den Einwand der Unverhältnismäßigkeit unter Darlegung seiner Gründe hierfür entgegen hält. Das ist regelmäßig nicht geschehen. So weist die juristische Datenbank „Juris“ für die besagte Zeit vor Erlass des Urteils

„Wärmetauscher“ nur drei eine Aufbrauchs- oder Umstellungsfrist betreffende Fälle aus, in denen hierüber zu entscheiden war. Das übliche Mittel war vielmehr, wegen nicht zu ersetzender Nachteile Vollstreckungsschutz zu beantragen. Wie bereits erwähnt, war das jedoch meist ohne Erfolg.

Mit dem Erlass des Urteils „Wärmetauscher“ hat sich meines Erachtens eine neue Situation ergeben. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Fall den hier gegenüber der Klage erhobenen Einwand der Unverhältnismäßigkeit zwar nach Abwägung der konkreten Parteiinteressen nicht durchgreifen lassen. Er hat aber mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass dieser Einwand auch im Patentrecht mit Aussicht auf Erfolg vorgebracht werden kann. Dieses Urteil ist – wenn man es mit der geschilderten bisherigen Praxis vergleicht - eine

Leitentscheidung des insoweit letztinstanzlichen deutschen Gerichts. Eine solche Entscheidung wird von den Land- und Oberlandesgerichten, die über

Patentverletzungen zu entscheiden haben, zur Kenntnis genommen und

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regelmäßig als solche der eigenen zukünftigen Rechtsprechung zu Grunde gelegt. Für die rechtskundigen Rechtsunterworfenen gilt meines Erachtens Entsprechendes. Ich gehe deshalb davon aus, dass sich die Praxis dahin ändern wird, dass an Stelle oder neben dem Antrag auf Vollstreckungsschutz der

Einwand der Unverhältnismäßigkeit bereits zum Gegenstand des eigentlichen gerichtlichen Verfahrens gemacht wird, wenn es auch nur ansatzweise möglich erscheint, die Grundsätze des Urteils „Wärmetauscher“ heranzuziehen. Aus meiner derzeitigen gutachterlichen Tätigkeit kenne ich bereits solche Fälle. Auch die Datenbank „Juris“ weist bereits acht eine Aufbrauchs- oder Umstellungsfrist betreffende Fälle aus. Das heißt zugleich, dass die Verletzungsgerichte sich mit der Frage, ob und wann eine Unverhältnismäßigkeit der Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs auf der vom Bundesgerichtshof vorgegebenen

Grundlage gegeben ist, werden befassen müssen. Erfahrungsgemäß führt eine solche Befassung mit der Zeit zur Entwicklung von Fallgruppen, in denen von einem missbräuchlichen oder unverhältnismäßigen Vorgehen eines

Patentinhabers auszugehen ist. Dies führt zur Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Ich frage mich auch von daher, warum man nunmehr noch eine gesetzliche Regelung für notwendig erachtet. Da diese angesichts der Vielzahl der Möglichkeiten zu Recht auf eine Aufzählung der erfassten Sachverhalte verzichtet, wird es auch nach Erlass des Gesetzes darauf ankommen, dass die Rechtsprechung nach und nach einheitliche Grundsätze entwickelt, wie solche Sachverhalte zu beurteilen sind.

Was die Frage nach Fortbildungsangeboten für die Richterschaft anbelangt, kann ich eigentlich nur lapidar sagen, dass Fortbildung immer stattfinden sollte.

Für die Patentrichter besagter Land- und Oberlandesgerichte sehe ich insoweit jedoch kein Defizit. Denn die Deutsche Richterakademie veranstaltet regelmäßig Patentrichtertagungen, auf denen regelmäßig auch Mitglieder des Patentsenats des Bundesgerichtshofs referieren und/oder zur Diskussion über Fragen der neueren Rechtsprechung zur Verfügung stehen. Hierdurch sollte sichergestellt sein, dass den Teilnehmern von den Landgerichten und Oberlandesgerichten die Leitentscheidungen nähergebracht werden.

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4. Der Gesetzentwurf ermöglicht auch einen dauerhaften Ausschluss des Unterlassungsanspruchs und sieht zudem die Berücksichtigung von Drittinteressen bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. Werden dadurch Einschränkungen eingeführt, die über den aktuell geltenden Rahmen hinausgehen? Falls ja, erscheint es verhältnismäßig, Drittinteresse durch einen dauerhaften Ausschluss des Rechts auf Unterlassung Rechnung zu tragen?

Obwohl es in der Gesetzesbegründung heißt, durch den Wortlaut „soweit“ werde klargestellt, dass auch die Möglichkeit eines Teilausschlusses des Unterlassungsanspruchs bestehe, lese ich die Formulierung des Gesetzentwurfs

„Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde“ im Sinne eines „ist nur insoweit ausgeschlossen, als…“. Der Entwurf besagt daher meines Erachtens in zeitlicher Hinsicht in erster Linie, dass lediglich beispielsweise ein sofortiges gerichtliches Verbot nicht in Betracht kommt, wie es der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung „Wärmetauscher“ in Erwägung gezogen hat. An anderer Stelle des Gesetzesentwurfs heißt es nämlich auch, dass die vorgeschlagene Klarstellung nur den Unterlassungsanspruch in Einzelfällen (zeitweise) ausschließen könne. Freilich eröffnet die Formulierung des Entwurfs auch die Möglichkeit eines dauerhaften Ausschlusses eines gerichtlichen Verbots. Nach der rechtlichen Grundlage des Einwands der Unverhältnismäßigkeit, die freilich in der Praxis vor dem Erlass des Urteils „Wärmetauscher“ – wie ausgeführt – kaum angewendet wurde, wäre diese Möglichkeit aber ebenfalls schon gegeben gewesen. Aus dem Urteil „Wärmetauscher“ kann nichts anderes entnommen werden. Denn der Bundesgerichtshof hatte angesichts des von dem Verletzer gestellten Antrags nur über die Gewährung einer Aufbrauchsfrist zu entscheiden. Ich sehe die nach geltender Rechtslage bereits eröffnete Möglichkeit einer dauerhaften Versagung jedoch als in der Praxis nur im Prinzip gegeben an.

Denn ich kann mir bei einem Patent mit „normaler“ Restlaufzeit schwerlich einen Fall vorstellen, in dem die vorzunehmende Abwägung so zum Nachteil des Patentinhabers gereicht, dass ihm zuzumuten ist, sozusagen auf immer die Patentverletzung hinzunehmen, die in der Benutzung der Lehre des Patents durch den Beklagten besteht. Allenfalls bei sehr kurzer Restlaufzeit könnte etwas anderes

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gelten, wenn nicht vom Tatsächlichen her anzunehmen ist, dass der Patentinhaber erst in dieser Zeit den Nutzen aus dem Schutzrecht ziehen kann bzw. muss. Ein Ausschluss käme dann aber wohl häufig einem nur zeitweisen gleich. Ich sehe daher die vom Wortlaut des Gesetzesentwurfs eingeschlossene Möglichkeit auch eines dauerhaften Ausschlusses des Anspruchs ebenfalls eher als theoretisch an.

Ich erwarte, dass sie keine praktische Bedeutung erlangen wird.

Etwas anderes gilt für die vorgesehene Möglichkeit, auch die Interessen Dritter zu berücksichtigen. Der Entwurf ermöglicht seinem Wortlaut nach nicht nur, bei Dritten eintretende Nachteile dann zu berücksichtigen, wenn diese sich auf den Verletzer auswirken und (auch) bei diesem zu einer unzumutbaren Härte führen, sondern besagt einschränkungslos, dass zukünftig jedwede nachhaltige Beeinträchtigung bei jedem beliebigen Dritten zur Versagung des durch den Unterlassungsanspruch gewährten gesetzlichen Patentschutzes führen kann. Das ist für das Patentrecht etwas Neues, das sich auch aus der Entscheidung „Wärmetauscher“ nicht herleiten lässt, und keine Klarstellung des insoweit derzeit geltenden Rechtszustands. Durch die Patentverletzung entsteht nur zwischen dem Patentinhaber und dem Verletzer ein gesetzliches Schuldverhältnis, das Grundlage für die Heranziehung von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ist. Für die Abwägung sind deshalb die Aufwendungen und Nachteile maßgeblich, die der Verletzer wird tragen müssen.

Eine einschränkungslose Berücksichtigung von Drittinteressen, geht weit darüber hinaus und hat meines Erachtens nichts mit dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu tun. Soweit die Gesetzesbegründung erläutert, dass es nur um die Wahrung von Grundrechten anderer gehe, kommt dies im vorgeschlagenen Gesetzestext nicht zum Ausdruck. Das anschließende Beispiel, dass die Versorgung von Patienten mit lebenswichtigen Produkten des Verletzers nicht mehr gewährleistet werden könne oder wichtige Infrastrukturen erheblich beeinträchtigt würden, kann auch kaum als Begründung dafür dienen, dass der Anspruch auf Unterlassung oder dessen Durchsetzung aus Gründen des Grundrechtsschutzes für Dritte ausgeschlossen sein müsse. Denn es ist nichts dafür dargetan, dass diese Fälle nicht mit Hilfe der bereits existierenden gesetzlichen Regelung zur Zwangslizenz sachgerecht erfasst werden könnten. So weist der Patentrechtskommentar „Benkard“ mehrere höchstrichterliche Entscheidungen aus, wonach durch eine Zwangslizenz sowohl für die Versorgung

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der Bevölkerung im medizinischen Bereich, als auch zur Wahrung sozialpolitischer oder wirtschaftlicher Belange gesorgt werden kann, die im Interesse der Allgemeinheit liegen, wozu auch der Grundrechtsschutz gehört. Soweit die Gesetzesbegründung anführt, eine Einschränkung des Unterlassungsanspruchs könne je nach der Ausgestaltung im Einzelfall weniger intensiv als eine Zwangslizenz wirken und damit insbesondere durch eine zeitlich beschränkte Aufbrauchs- oder Umstellungsfrist eine differenzierte Entscheidung bei der Berücksichtigung von Drittinteressen ermöglichen, kann ich nur auf Folgendes verweisen: Die bereits existierende Vorschrift zur Zwangslizenz beinhaltet ausdrücklich, dass auch diese eingeschränkt erteilt und von Bedingungen abhängig gemacht werden kann; Umfang und Dauer der durch eine Zwangslizenz zu gestattenden Benutzung sind ausdrücklich auf den Zweck zu begrenzen.

Erlauben Sie mir, dass ich als Resümee deshalb nur Unverständnis über die beabsichtigte Einbeziehung von Drittinteressen zum Ausdruck bringen kann.

Angesichts der vorstehend wiedergegeben Gesetzesbegründung, wofür der vorgesehene Ausschluss im Vergleich zur Zwangslizenz gedacht sei, sollte es aber keinesfalls angehen, wegen Drittinteressen einen dauerhaften Ausschluss des Rechts auf Unterlassung bzw. dessen Durchsetzung bejahen zu können.

5. Besteht die Gefahr, dass durch die vorgeschlagene Reform die herausragende Rolle Deutschlands als Innovationsstandort und Standort für den Schutz geistigen Eigentums in Frage gestellt wird? Welche Auswirkungen könnte die angeregte Reform haben, auch mit Blick auf die künftige Praxis des Einheitlichen Patentgerichts?

Das sog. Trennungssystem in Deutschland hatte in der bisherigen Handhabung für alle Beteiligten (Kläger, Beklagter, Verletzungsgericht) den jedenfalls jeweils in gewisser Hinsicht beachtlichen Vorteil, dass im Vergleich zu anderen

Jurisdiktionen eine schnelle Klärung der Verletzungsfrage möglich war. Die

Verletzungsgerichte konnten sich meist hierauf konzentrieren. Eine zeitaufwendige Beweiserhebung hat sich vielfach erübrigt, weil die Beschaffenheit der

angegriffenen Ausführung unstreitig und ansonsten nur eine Rechtsfrage zu beantworten war. Dies hat sich meines Erachtens aber bereits mit der

Entscheidung „Wärmetauscher“ geändert. Seitdem ist damit zu rechnen, dass bei

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Bejahung der Patentverletzung häufig zusätzlich der Frage nach der

Verhältnismäßigkeit der sich eigentlich ergebenden Rechtsfolge nachgegangen werden muss. Wie auch die Gesetzesbegründung annimmt, wird sich zwar nur in ganz wenigen Ausnahmefällen feststellen lassen, dass der Patentinhaber mit seinem Verlangen nach Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs

missbräuchlich handelt oder gegen Treu und Glauben verstößt. Schon aus anwaltlicher Vorsicht, zu der die in Verletzungsprozessen notwendigen

Rechtsanwälte ihren Mandanten gegenüber verpflichtet sind, ist aber – wie bereits erwähnt – damit zu rechnen, dass der Einwand der Unverhältnismäßigkeit

gleichwohl in einer beträchtlichen Anzahl der Fälle erhoben wird. Das kann und wird meiner Auffassung nach aufwendige Beweisaufnahmen notwendig machen, weil jedenfalls der Beklagte hierzu umfangreich im Tatsächlichen vortragen muss, um dem Gericht die notwendige Gesamtabwägung zu ermöglichen, und der

Kläger diese Tatsachen häufig in zulässiger Weise mit Nichtwissen wird bestreiten dürfen. Solche Beweiserhebung wiederum verlängert nicht nur den betreffenden Verletzungsprozess, sondern hat auch Einfluss auf die Zeit, in der die Gerichte andere Verletzungsprozesse entscheiden können. Der Gerichtsstandort

Deutschland wird daher für Kläger, die in Patentsachen meistens insoweit eine Wahl haben, voraussichtlich unattraktiver. Soweit die Reform nur das umsetzt, was der Bundesgerichtshof in „Wärmetauscher“ geurteilt hat, ist dies freilich nicht erst dem Reformvorschlag, sondern schon dem Umstand zuzuschreiben, dass der Bundesgerichtshof höchstrichterlich und mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck

gebracht hat, dass der Einwand der Unverhältnismäßigkeit auch im Patentrecht mit Aussicht auf Erfolg vorgebracht werden kann. Wenn die Möglichkeit der Berücksichtigung von Drittinteressen Gesetz wird, ist allerdings zu befürchten, dass der Bedarf an tatsächlicher Darlegung und der Aufklärungsbedarf sowie die damit verbundenen Schwierigkeiten das bereits erörterte Maß bei weitem

übersteigen können.

Was die Rolle Deutschlands als Innovationsstandort anbelangt, sehe ich eigentlich keine gravierenden Folgen. Der Patentinhaber wird sich zwar im Prozess vermehrt mit dem Einwand der Unverhältnismäßigkeit „herumschlagen“ müssen; da eine Beschränkung der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs nur in besonderen Ausnahmefällen eingreifen soll, wird er aber bei einer Verletzung seines Patents

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im Normalfall den Unterlassungstitel erhalten. Deshalb sollte das Interesse, auch weiter zu forschen und sich die Ergebnisse patentieren zu lassen, nicht leiden.

Zur Auswirkung der angeregten Reform auf die künftige Praxis des Einheitlichen Patentgerichts kann ich nichts Verlässliches sagen. Insoweit eine Praxis zu entwickeln, liegt in den Händen der zukünftigen Richter dieses Gerichts, die aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlicher Rechtstradition stammen. Wie diese sich entscheiden werden, entzieht sich deshalb meiner Kenntnis.

6. Wie wahrscheinlich ist es, dass die aktuellen Vorschläge als Gesetz verabschiedet werden? Wann wäre ggf. damit zu rechnen?

Eine Prognose, ob der aktuelle Vorschlag zum Unterlassungsanspruch Gesetz werden wird, fällt mir ebenfalls schwer. Da die Arbeit an dem Entwurf bereits fortgeschritten ist, könnte jedoch mit dem Erlass eines Gesetzes zu rechnen sein, das die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkts ausdrücklich festschreibt. Allerdings halte ich es für durchaus möglich, dass der Vorschlag, hierbei auch Drittinteressen zu berücksichtigen, sich nicht durchsetzen wird. Wann das Gesetzgebungsverfahren positiv oder negativ abgeschlossen sein wird, ist gerade in Pandemiezeiten ebenfalls kaum zuverlässig einzuschätzen. Beim Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs hat dies vom Gesetzentwurf der Bundesregierung an mehr als ein Jahr gedauert.

Die Antworten geben ausschließlich meine persönliche Auffassung wieder.

Düsseldorf, den 19. November 2020

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof i.R.

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