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ALTERNATIVAUFKLÄRUNG BEIM ZAHNARZT

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ALTERNATIVAUFKLÄRUNG BEIM ZAHNARZT

OLG Hamm, Urteil vom 19.4.2016 — Aktenzeichen: 26 U 199/15 Sachverhalt

Im Juli 2013 führte der Beklagte beim Kläger wegen starker Schmerzen eine Neuverplombung zweier Zähne im Unterkiefer durch. Zur Betäubung des Klägers setzte der Beklagte eine Leitungsanästhesie ein.

Der Kläger machte geltend, der Beklagte habe durch das Setzen der Spritze den nervus lingualis verletzt, was zu erheblichen Zungengefühlsstörungen in Form permanenter Gefühllosigkeit des Zungenbereichs geführt habe; über ein solches Risiko sei er nicht aufgeklärt worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es keinen Behandlungsfehler feststellen konnte.

Entscheidung

Das OLG Hamm hat das Urteil abgeändert und dem Kläger ein Schmerzensgeld zugesprochen.

Grundlage hierfür waren jedoch nicht die Behandlungsfehlervorwürfe des Klägers, die sich nicht bestätigt hatten, sondern die Feststellung, dass die gesamte

Behandlung mangels wirksamer Einwilligung des Klägers rechtswidrig gewesen sei.

Unabhängig davon, ob der Kläger über das Risiko einer Nervverletzung aufgeklärt worden ist, haftet der Beklagte nach Auffassung des OLG Hamm schon deshalb, weil er über eine echte Behandlungsalternative nicht aufgeklärt hat.

Nach Auffassung des OLG Hamm standen sich im vorliegenden Fall zwei

Behandlungsmethoden mit unterschiedlichen Chancen und Risiken gegenüber.

Die Leitungsanästhesie habe den Vorteil, dass sie vergleichsweise schnell

durchgeführt werden könne, wobei sich als gravierender Nachteil die Gefahr von (wenn auch sehr seltenen) Nervenverletzungen zeige; darüber hinaus bestehe die Möglichkeit eines verzögerten Wirkungseintritts von zwei Minuten und länger, eines von ein bis zu vier Stunden anhaltenden Taubheitsgefühls, das Risiko selbst beigebrachter Bissverletzungen und eine Versagerquote von bis zu 20 % für den Unterkiefer.

Dem gegenüber habe die ligamentäre Anästhesie den Vorteil, dass es unmöglich sei, hierbei eine Nervverletzung zu verursachen, und dass ein Taubheitsgefühl

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schon nach 30-45 Minuten wieder nachlasse. Der Nachteil der ligamentären Anästhesie liege jedoch darin, dass es zu einer Aufbissempfindlichkeit des betäubten Zahnes bis zu 24 Stunden, Schleimhautnekrose und zu Nekrosen der Interdentalpapille kommen könne.

Das OLG hielt fest, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Behandlung die ligamentäre Anästhesie soweit in der ambulanten medizinischen Praxis angekommen war, dass sie zum medizinischen Standard gehörte. Infolgedessen war sie

aufklärungspflichtig; zwar sei die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes. Diese Wahl ist allerdings eingeschränkt, wenn sich mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte Behandlungsmethoden gegenüberstehen, die wesentliche Unterschiede und Risiken und Erfolgschancen aufweisen.

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§ 110 SGB VII UND OBJEKTIVER VERSTOSS GEGEN UNFALLVERHÜTUNGSVORSCHRIFTEN

OLG Thüringen, Urteil vom 15.3.2016 — Aktenzeichen: 5 U 37/15 Schwere Baustellenunfälle passieren dann, wenn der Unternehmer den Arbeitsschutz nicht ausreichend beachtet. Nicht selten missachten aber auch Arbeitnehmer die Anweisungen des Arbeitgebers und kommt es deshalb zum Unfall, z.B. dann, wenn sich die Mitarbeiter entgegen der Vorgabe des Arbeitgebers in ungesicherten Bereichen aufhalten. Dann steht nicht nur die grobe

Fahrlässigkeit in Frage, sondern ob überhaupt objektiv gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoßen wurde.

Sachverhalt

Die Beklagten waren damit befasst, eine Giebelwand eines mehrstöckigen Gebäudes zu erneuern. Dazu musste die alte Giebelwand abgebrochen und eine neue Giebelwand gemauert werden. Nach Abbruch der alten Wand lief ein Mitarbeiter der Beklagten in das oberste Stockwerk, um von dort ein Lot nach unten zu lassen; dadurch wollte er die genaue Position des Gerüstes, von welchem aus gemauert werden sollte, bestimmen Auf der oberste Etage brach der

Mitarbeiter durch den Boden und fiel eine Etage tiefer an der offenen Giebelwand bis auf den Erdboden. Eine Absturzsicherung gab es noch nicht.

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Streitig war, ob die Beklagten das Loten angewiesen haben oder ob sich der Mitarbeiter der Beklagten, der Vorarbeiterfunktion hatte, dazu selbst entschlossen hatte. Die Beklagten verteidigten sich damit, das Loten sei gar nicht Aufgabe der Beklagten gewesen, sondern allenfalls des Gerüstbauers, der aber bauseits beauftragt worden war. Jedenfalls liege keine grobe Fahrlässigkeit auf Seiten der Beklagten vor.

Entscheidung

Die Klage wurde abgewiesen. Das OLG Thüringen hat schon eine Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften verneint.

Nach § 11 BGV C22, der eine Regelung für „nicht begehbare Bauteile“ enthält, müssten für Arbeiten auf Bauteilen, die vom Auflager abrutschen oder beim Begehen brechen können, besondere Arbeitsplätze und Verkehrswege geschaffen werden. Diese Regelung hielt der Senat deshalb nicht für einschlägig, weil es sich bei der eingebrochenen Geschossdecke nicht um einen Arbeitsplatz oder einen Verkehrsweg gehandelt habe, welchen der Geschädigte in Ausübung von ihm gegen der Beklagten geschuldeten Arbeiten nutzen musste. Dann hätten die Beklagten insoweit auch keine besonderen Vorrichtungen zur Arbeitsausführung schaffen müssen.

Gleiches gelte — so der Senat — für § 12 BGV C22; auch die Verpflichtung zur Schaffung von Absturzsicherungen bezöge sich nur auf Arbeitsplätze und Verkehrswege. Nur für die von ihren Arbeitern im Rahmen der von ihr

geschuldeten Leistungen aufzusuchenden Arbeitsplätze und Verkehrswege zu diesen könne eine Pflicht zur Anbringung von Absturzsicherungen angenommen werden. Hierzu zählten die Geschossdecken nicht; denn dort habe von Mitarbeitern der Beklagten, die lediglich die Giebelmauer von einem bauseitigen Gerüst aus hochmauern sollten, nicht arbeiten sollen.

Fazit

Arbeitsplatz und Verkehrsweg sind diejenigen Bereiche, die der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern vorgibt. Bewegt sich ein Arbeitnehmer außerhalb dieser Bereiche muss sorgsam geschaut werden, ob überhaupt eine Verstoß gegen

Unfallverhütungsvorschriften vorliegt, die explizit an den Arbeitsplatz und Verkehrsweg anknüpfen.

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HAFTUNGSPRIVILEG NACH SGB VII–AUCH BEI

GEFAHRENTRÄCHTIGER NECKEREI?

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LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.4.2016 — Aktenzeichen: 1 Sa 247/15

Das Haftungsprivileg nach dem SGB VII greift bei betrieblicher Tätigkeit. Nun geht es auf Arbeitsstätten nicht selten „lustig“ zu. Geschieht dabei ein Unfall, stellt sich die Frage der Abgrenzung der Neckerei von betrieblicher Tätigkeit. Darum ging es in der Entscheidung des LAG Schleswig.

Leitsatz

1. Ein Arbeitnehmer haftet seinem Arbeitskollegen auf Schmerzensgeld, wenn der Personenschaden nicht anlässlich einer betrieblichen Tätigkeit eingetreten ist, sondern nur anlässlich einer solchen Tätigkeit.

2. Ein Haftungsausschluss nach § 105 SGB VII kommt namentlich bei einer

„Neckerei“ unter Arbeitskollegen nicht in Betracht.

3. Eine solche Neckerei liegt vor, wenn der Schädiger mit einem Gabelstapel auf einen Arbeitskollegen zurollt, um ihm „in die Brust zu zwicken“, auch wenn der Schädiger beabsichtigt, den Wagen anschließend in der Lagerhalle abzustellen.

Sachverhalt

Kläger und Beklagter waren beide bei der Fa. B beschäftigt. Der Kläger entlud mit weiteren Kollegen einen Pritschenwagen. Der Beklagte fuhr mit einem Gabelstapler an den Kläger heran, „um diesen in die Brust zu zwicken“ (!). Dabei fuhr er mit dem linken Hinterrad des Gabelstaplers zweimal über den Fuß des Klägers.

Der Kläger verlangte Schmerzensgeld und behauptet, der Beklagte sei ohne betriebliche Veranlassung auf ihn zugefahren. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Entscheidung

Die Entscheidung überzeugt nicht. Man kann den Eindruck gewinnen, als hätten die Parteien den Vortrag bewusst so gewählt, um dem Kläger ein Schmerzensgeld zu ermöglichen. Bezeichnenderweise hatte man der Haftpflichtversicherung des Beklagten, die wegen des Haftungsausschlusses nicht reguliert hat, den Streit verkündet. Das Gericht mutet dem Leser dieser Entscheidung viel zu, wenn es das Zufahren mit einem Gabelstapler, um den Kläger „zu zwicken“, als Neckerei

charakterisiert.

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GEMEINSAME BETRIEBSSTÄTTE:

VERLADETÄTIGKEIT AUF EINER RAMPE

LG Duisburg, Urteil vom 23.5.2016 — Aktenzeichen: 4 O 5/15 Leitsatz

Für eine wechselseitige Gefahrenlage im Sinne des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII ist es nicht erforderlich, dass die Unfallbeteiligten beide in gleichem Maße gefährdet waren. Es reicht aus, wenn insbesondere der Schädiger nur abstrakt gefährdet war. So verhält es sich etwa in dem Fall, in dem ein Lkw-Fahrer in seinem Führerhaus sitzend rückwärts eine schmale Rampe hochfahren muss, um gemeinsam mit dem später Geschädigten und für das Abkippen der Ware Verantwortlichen zusammenwirken.

Sachverhalt

Unfall auf dem Hafenbetriebsgelände des Arbeitgebers des Klägers: Aufgabe des Klägers war es, die Ladepapiere der anliefernden Lkw entgegenzunehmen, die anschließende Beladung der zu versorgenden Schiffe über eine von den Lkw genutzte Rampe zu überwachen und mit den Schiffsführern die verladenen Mengen anhand der Wiegescheine der Lkw abzustimmen. Weiteres Personal speziell für eine Einweisung der Lkw wurde nicht vorgehalten. Die Verladerampe bestand aus einer etwa 20 Meter langen und leicht auf eine Höhe von ein Meter ansteigenden Rampe, die von den anliefernden Fahrzeugen rückwärts befahren wurde. Am oberen Ende der Rampe war die Rückwärtsfahrt bis zu einem

Eisenanschlag möglich und erforderlich, um von dort den Kies ordnungsgemäß nach hinten in einen Trichter kippen zu können. Besagte Trichteröffnung konnte von Fußgängern außer über die Rampe über zwei seitlich angebrachte Treppen erreicht werden, die über eine Zugangssperre verfügten.

Zum Unfallzeitpunkt begab sich der Kläger über die genannte Treppe zu dem Trichter, um dort größere Mengen Kies, die im Ladetrichter wegen der niedrigen Temperaturen hängengeblieben waren, zu lockern. Der Kläger aktivierte zuvor weder eine an der Rampe vorhandenes, ausladbares Stoppschild, noch spannte er zu seiner Sicherung eine ebenfalls vorhandene Kette über die Rampe. Er wandte den Rücken der Rampe zu. Er hörte nicht, dass sich der Beklagte zu 1) mit seiner Seilzugmaschine bei einer Geschwindigkeit von ca. 5 km/h rückwärts über die Rampe näherte. Umgekehrt konnte dieser den Kläger optisch nicht wahrnehmen.

Bim Kontakt zwischen Lkw und dem Kläger erlitt dieser schwere Verletzungen, für die er nun Schadensersatz vom Beklagten und dessen Haftpflichtversicherer

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verlangt.

Entscheidung

Das Landgericht hat eine Haftung verneint, weil es zum Unfallzeitpunkt eine

gemeinsame Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII annimmt. Die Tätigkeiten des Beklagten zu 1) – das Abkippen von Kies in die Trichteranlage zum Zweck der Beladung eines Schiffs – und des Klägers – Entgegennahme der

Ladepapiere und Wiegekarten und Organisation einer gleichmäßigen und vollständigen Beladung des Schiffes, wozu auch das Lösen von Kiesresten im Trichter gehörte – standen in der konkreten Unfallsituation nicht beziehungslos nebeneinander, sondern waren aufeinander bezogen und griffen mehrfach ineinander. Wenn auch der Kläger mit der mechanischen Ausführung des

Abkippvorgangs nichts zu tun hatte, so hatte er doch darauf zu achten, dass das Schiff nicht ungleichmäßig belastet wurde. Insofern war es seine Aufgabe,

zusammen mit dem Schiffsführer dafür zu sorgen, dass der von dem Beklagten zu 1) angelieferte Kies ordnungsgemäß verstaut wurde. Er durfte es nicht dahin kommen lassen, dass durch unkontrolliertes Nachkippen eine einseitige Belastung des Schiffs entstand. Dabei orientierte sich der Kläger an den Wiegepapieren, die ihm wiederum von dem Beklagten zu 1) zu genau diesem Zweck übergeben worden waren. Zum anderen hatte der Kläger abgekippte, aber im Trichter

steckengebliebene Kiesreste zu lösen und damit den Abkippvorgang nachträglich zum Abschluss zu bringen. In diesem Sinne wirkten er und der Beklagte bei der Beladung zusammen und kamen sich so ablaufbedingt in die Quere.

Der Annahme einer gemeinsamen Betriebsstätte stünde auch nicht entgegen, dass es an einer Gefahrengemeinschaft in dem Sinne gefehlt hätte. So führt das

Landgericht aus, dass die Rechtsprechung mit dem Kriterium der

Gefahrengemeinschaft keine Symmetrie der gegenseitigen potenziellen

Gefährdungen verlange, sondern abstrakt voraussetze, dass jeder, der in enger Berührung miteinander tätigen sowohl zum Schädiger als auch zum Geschädigten werden könne. Es reiche demnach aus, dass eine gegenseitige Gefährdung nicht völlig ausgeschlossen sei. So verhielte es sich hier. Eine Gefährdung des Beklagten zu 1) erscheint zwar nicht unbedingt naheliegend, aber schon deshalb nicht

ausgeschlossen, weil der Beklagte zu 1) bei dem Abkippvorgang rückwärts eine schmale Rampe zu befahren hatte, bei der es zudem durch Sonneneinstrahlung zu starken Blendeffekten kommen konnte. Da spezifisches Einweisungspersonal nicht vorhanden war und der Kläger ggf. auch mit anderen Aufgaben innerhalb und außerhalb des Containers betraut war, war nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte zu 1) etwaige Hindernisse übersah, die insbesondere angesichts des Gewichts der Zugmaschine und der Abschüssigkeit zu einer Gefährdung seiner Fahrt durch unkontrolliertes Rutschen führen konnten.

Mit Fantasie und gutem Vortrag kann man also Gerichte selbst in Situationen, in denen eine gemeinsame Betriebsstätte nicht unbedingt ins Auge springt, vom Vorliegen eines Haftungsausschlusses überzeugen.

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GEMEINSAME BETRIEBSSTÄTTE:

KRANVERLADEUNFALL

LG München I, Urteil vom 20.1.2016 — Aktenzeichen: 6 O 3208/15 (nicht rechtskräftig)

Leitsatz

Ist für das Verladen eines Containers das Zusammenwirken zwischen dem für die Anlieferung des Containers verantwortlichen Lkw-Fahrer und dem Bediener des für das Anheben des Containers eingesetzten Krans erforderlich (hier: Handzeichen nach Lösen des Containers vom Lkw zur Freigabe), liegt während des als Einheit zu betrachtenden Verladevorganges eine gemeinsame Betriebsstätte nach § 106 Abs.

3, 3. Alt. SGB VII vor.

Sachverhalt

Die Beklagte zu 2) betriebt einen Kranungsterminal am Containerbahnhof

München. Der Beklagte zu 1) ist dort als Kranfahrer angestellt. Der betriebsfremde Versicherte der klagenden Berufsgenossenschaft (BG) sollte einen mit einem Container beladenen Lkw auf der Ladestraße des auf einer Schienentrasse

fahrenden Krans bereit stellen, der anschließend vom Beklagten zu 1) abgeladen werden sollte. Hierzu musste — wie üblich — der Versicherte zunächst den

Container von den Haltevorrichtungen des Lkw lösen und dann dem auf ihn wartenden Kranfahrer im Führerhaus durch Handzeichen signalisieren, dass der Container angehoben werden konnte. Irrtümlicher Weise nahm der Beklagte zu 1) an, der Entkopplungsvorgang sei schon beendet gewesen und der Versicherte der Klägerin aus dem Gefahrenbereich herausgetreten, als er das Anhängegeschirr des Krans auf den Container herabfahren ließ und ihn anhob. Der Versicherte war jedoch noch dabei, eine festsitzende Haltevorrichtung am Lkw zu lösen und wurde deshalb beim Anheben mit der Hand zwischen Container und Haltevorrichtung eingeklemmt.

Entscheidung

Das LG hat eine gemeinsame Betriebsstätte gem. § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII bejaht. Dies trotz heftigen Gegenwinds der klagenden BG, die weder ein

Zusammenwirken noch eine wechselseitige Gefährdungslage erkennen wollte.

Die Entkranung konnte hier nur durchgeführt werden, wenn der Fahrer des LKW

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zuvor die Verbindung zwischen dem Container und seinem LKW gelöst hatte. Der Beklagte zu 1) musste genau dies abwarten und zwar auf ein Handzeichen zur Freigabe durch den Lkw-Fahrer. Dies war so in der Hausordnung vorgegeben und allen Beteiligten bekannt. Es fandet demnach nichts neben- oder nacheinander statt, sondern im Rahmen eines gemeinsam ablaufenden Arbeitsprozesses, den die Klägerin künstlich aufspalten wollte. Gerade nach dem Vortrag der Klägerin war das Freigeben oder Lösen der Verbindung des Containers mit dem LKW durch ihren Versicherten noch nicht erledigt und dieser gerade damit beschäftigt, als der Kran anhob – konkrete Unfallsituation.

Auch die wechselseitige Gefährdung wurde vom LG bejaht, obwohl der Beklagte zu 1) ca. 10 m über dem Lkw in einem Führerhaus saß. Der Vortag über ein mögliches Auslaufen von Gefahrstoffen, die eingeatmet oder über die Haut aufgenommen werden könnten, genügte dem LG ebenso wie die durch Zeugen bestätigte Gefahr für den Beklagten zu 1), dass im Falle einer noch bestehenden Verbindung

zwischen Container und Lkw im Zeitpunkt des Anhebens die Seile des Krans reißen und umherfliegen könnten. Zudem drohte das Abreißen des Führerhauses. Somit war eine Gefährdung des Kranfahrers nicht vollständig ausgeschlossen, wie es zur Verneinung einer gemeinsamen Betriebsstätte erforderlich gewesen wäre.

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HAFTPFLICHTGESETZ–INNENREGRESS ZWEIER BAHNBETRIEBSUNTERNEHMEN

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken , Urteil vom 17.12.2015 — Aktenzeichen: 4 U 39/15

Leitsatz

Zur Haftungsabwägung bei Zusammenstoß einer ferngesteuerten Rangierabteilung und einer geschobenen Rangierabteilung.

Sachverhalt

Die Klägerin und der Beklagten zu 1) betreiben jeweils ein zugelassenes

Eisenbahnverkehrsunternehmen. Die Beklagte zu 2) erbringt Dienstleistungen im Bereich Eisenbahnverkehr für andere Eisenbahnunternehmen, unter anderem stellt sie Fahrpersonal zur Verfügung. Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) besteht ein Dienstleistungsvertrag auf Grund dessen die Beklagte zu 2) der

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Klägerin Triebfahrzeugführer zur Durchführung von Transportleistungen in bis einschließlich Bahnhof überlässt.

Am 14.10.2008 gegen 5.15 Uhr befuhr ein Zug der Klägerin, bestehend aus vier mit Flüssigstahl beladenen Waggons, von denen mindestens einer im Eigentum der AG stand, auf dem Betriebsgelände der Firma das Gleis kommend. Zeuge C., ein Mitarbeiter der Beklagten zu 2), steuerte diesen Zug mit der Funkfernbedienung und ließ ihn an der stehend an sich vorbeifahren. Aus der Gegenrichtung kam auf dem Gleis der Rangierzug der Beklagten zu 1) mit dem Zeugen D. als

Lokomotivführer am Ende des Zuges und dem Zeugen W., der sich an der Spitze der Rangierabteilung befand. Im Teilbereich des zwischen den kam es zum Zusammenstoß, bei dem Rollmaterial der Firma und der Klägerin beschädigt wurde.

Die Klägerin begehrt nun von den Beklagten Schadensersatz nach §§ 1, 13 HaftPflG.

Entscheidung

Die wesentlichen Aussagen der Entscheidung lauten:

Stoßen zwei Züge auf dem Betriebsgelände eines Dritten zusammen, ist die

Haftung der beteiligten Bahnunternehmen untereinander nach §§ 1, 13 HaftPflG zu beurteilen.

Zur Haftungsabwägung bei Zusammenstoß einer ferngesteuerten Rangierabteilung und einer geschobenen Rangierabteilung führt das OLG aus: Beim Zusammenstoß einer ferngesteuerten Rangierabteilung, bestehend aus einer Lokomotive und vier mit Flüssigstahl beladenen Waggons mit einer Masse von 1.408 t, und einer

geschobenen Rangierabteilung, bestehend aus einer Lokomotive mit zehn beladenen Wagen mit einer Gesamtmasse von 700 t, ist die in erster Linie zu berücksichtigende Betriebsgefahr bei der schwereren, Flüssigstahl

transportierenden Rangiereinheit deutlich höher zu gewichten, doch wirkt sich auch die von der an der Spitze unbeleuchteten, geschobenen Rangiereinheit mit insgesamt zehn Waggons ausgehende Betriebsgefahr gerade auf Grund schlechter Sichtverhältnisse wegen Dunkelheit zur Unfallzeit in erheblicher Weise aus. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass beide Lokomotivrangierführer klar

vorschriftswidrig handelten und es an der gebotenen Kommunikation haben fehlen lassen, wobei der Verstoß des Lokomotivrangierführers der geschobenen

Rangierabteilung, der in ein für ihn erkennbar belegtes Gleis eingefahren ist, höher zu gewichten ist als das Verschulden des vorschriftswidrig positionierten

Lokomotivrangierführers der ferngesteuerten Rangierabteilung, der sein Gleis immerhin nicht verlassen hat.

Im Ergebnis ist von einer Haftungsquote zu Lasten der geschobenen Rangierabteilung von 1/3 auszugehen.

Die Entscheidung verdeutlicht recht anschaulich die Abwägungskriterien nach dem Haftpflichtgesetz — hier zwischen Gesamtschuldnern im Innenverhältnis.

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REGRESS DES SVT–VERJÄHRUNG WEGEN GROB FAHRLÄSSIGER UNKENNTNIS

OLG Hamm, Urteil vom 11.3.2016 — Aktenzeichen: 9 U 40/15 Leitsatz

1. Die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadenersatzansprüche beginnt bei Behörden und öffentlichen Körperschaften erst zu laufen, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde, d.h. der Behörde, der die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von

Schadenersatzansprüchen zukommt, Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt. Sind in einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig, nämlich die

Leistungsabteilung und die Regressabteilung, kommt es grundsätzlich für den Beginn der Verjährung von Regressansprüchen auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung an.(Rn.12)

2. An die Darlegungslast des sich auf Verjährung berufenden verklagten

Regressschuldners sind regelmäßig nur geringe Anforderungen zu stellen, so dass es nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast regelmäßig Sache des klagenden Trägers der Sozialversicherung sein wird, Einzelheiten der internen Organisation und der internen Abläufe darzulegen.

3. Aus den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast besteht keine Vorlagepflicht.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung ihrer Versicherten Frau M. Diese erlitt am 09.11.1983 als Sozia einen Verkehrsunfall, bei dem sie schwere Verletzungen erlitt, die zu einem Grad der Behinderung von 100 % führten. Nach Erlangung des Hauptschulabschlusses und Besuch eines Förderlehrgangs im Bürobereich absolvierte sie 1991 mit Erfolg die vom

Arbeitsamt geförderte Ausbildung zur Bürofachkraft. Während der Ausbildungszeit führte das Arbeitsamt Rentenversicherungsbeiträge an die Klägerin ab. Im

Anschluss war Frau M ab dem 01.12.1998 im Umfang von 18 Wochenstunden im Büro eines Autohauses tätig. Mit der Insolvenz des Autohauses im Jahre 2008

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wurde Frau M arbeitslos. Am 08.09.2009 stellte Frau M bei dem Versicherungsamt der Stadt P einen Antrag auf Bewilligung von Erwerbsminderungsrente. Ziff. 10.6 dieses Antrags enthielt einen Hinweis darauf, dass die zum Rentenantrag führende Erwerbsminderung Folge des Verkehrsunfalls vom 09.11.1983 sei, für den die Q, der damalige Krafthaftpflichtversicherer des Beklagten, eintrittspflichtig sei. Die Leistungsabteilung der Klägerin verfügte nach Eingang des Rentenantrags aufgrund der internen Geschäftsanweisung vom 27.09.1988 die Abgabe an die Regressabteilung, in der der Antrag am 28.09.2009 einging. Seit dem 01.09.2009 bezieht Frau M volle Erwerbsminderungsrente.

Mit Schreiben vom 18.01.2011 meldete die Klägerin gegenüber der Q ihre Ersatzansprüche an und hat diese im vorliegenden Verfahren, neben einem materiellen Vorbehalt für gem. §§ 116, 119 SGB X übergegangene zukünftige Leistungen, mit insgesamt 119.997,21 EUR geltend gemacht. Der Beklagte hat gegenüber den Ansprüchen, soweit dies für das Berufungsverfahren noch von Belang ist, die Einrede der Verjährung erhoben. Die Leistungsabteilung der Klägerin, so hat der Beklagte behauptet, habe vor dem 31.12.2001 über

Mitteilungen des Krankenversicherers der Frau M, der R, und des A Kenntnis über bestehende Regressansprüche erhalten. Wenn die Leistungsabteilung entgegen der Geschäftsanweisung den Vorgang nicht an die Regressabteilung

weitergegeben habe, liege insoweit jedenfalls eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von Schaden und Schädiger vor.

Entscheidung

Das OLG Hamm wiederholt, dass bei Behörden und öffentlichen Körperschaften die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche erst zu laufen

beginnt, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt.

Verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von

Schadensersatzansprüchen zukommt, wobei die behördliche

Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist. Sind in einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig — nämlich die Leistungsabteilung hinsichtlich der Einstandspflicht gegenüber dem Verletzten und die Regressabteilung bezüglich der Geltendmachung von

Schadensersatz- oder Regressansprüchen gegenüber Dritten -, kommt es für den Beginn der Verjährung von Regressansprüchen grundsätzlich auf den

Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung an. Das Wissen der

Bediensteten der Leistungsabteilung ist demgegenüber regelmäßig unmaßgeblich und zwar auch dann, wenn die Mitarbeiter dieser Abteilung aufgrund einer

behördeninternen Anordnung gehalten sind, die Schadensakte an die Regressabteilung weiterzuleiten, sofern sich im Zuge der Sachbearbeitung

Anhaltspunkte für eine schuldhafte Verursachung des Schadens durch Dritte oder eine Gefährdungshaftung ergeben.

Ohne Erfolg berief sich der Beklagte auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs v. 26.06.2014, — IX ZR 200/12 -. Dieser Entscheidung lag aus Sicht des OLG ein nicht zu vergleichender Sachverhalt zugrunde, insoweit, als dass es um die

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Wissenszurechnung im Bereich der Finanzverwaltung ging und um die Zurechnung des Wissens einer anderen Behörde desselben Rechtsträgers. Für die

Kenntniserlangung im Bereich der auf einen Sozialversicherungsträger nach SGB X übergegangenen Ansprüche eines Geschädigten hat der für diesen Bereich

zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs unmissverständlich Stellung bezogen (vgl. BGH, U.v. 17.04.2012, — VI ZR 108/11). Auch mit Blick auf die von dem Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs v. 01.07.2014, — VI ZR 391/13 -, sei eine andere Bewertung nicht angezeigt. Dieser Entscheidung lag der hier ebenfalls nicht vergleichbare Sachverhalt zugrunde, wonach ein Wechsel des Sozialversicherungsträgers (dort: der Krankenkasse) erfolgt war.

Allerdings komme grundsätzlich der Einwand der grob fahrlässigen Unkenntnis in Betracht: Der Regressabteilung ist die Durchsetzung der nach den §§ 116, 119 SGB X übergegangenen Schadensersatzansprüche übertragen. Sie hat diese Ansprüche im Anschluss an die Leistungen, die der Träger der Sozialversicherung dem

geschädigten Versicherten gewährt hat, zügig zu verfolgen. Dazu hat sie

insbesondere ihr zugegangene Vorgänge der Leistungsabteilung sorgfältig darauf zu prüfen, ob sie Anlass geben, Regressansprüche gegen einen Schädiger zu verfolgen. Ferner ist es Sache der Regressabteilung, behördenintern in geeigneter Weise zu sichern, dass sie frühzeitig von Schadensfällen Kenntnis erlangt, die einen Regress begründen könnten. Erhält die Regressabteilung aufgrund einer nachlässigen Handhabung der vorbeschriebenen Obliegenheiten nicht in

angemessener Zeit Kenntnis von einer Regressmöglichkeit, kann das im Einzelfall als eine dem Träger der Sozialversicherung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB zuzurechnende grob fahrlässige Unkenntnis zu werten sein. Die Klägerin hat jedoch nach Ansicht des OLG durch eine Geschäftsanweisung in geeigneter Weise sichergestellt, dass bei in der Leistungsabteilung neu eingehenden

Rentenanträgen eine Abgabe an die Regressabteilung zu erfolgen hat, sofern sich im den eingereichten Unterlagen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass

Regressierungsmöglichkeiten wegen nach §§ 116 ff SGB X übergegangener Ansprüche bestehen. Der Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, die die tatsächliche Feststellung tragen, die Regressabteilung habe konkrete Hinweise darauf gehabt, dass die interne Geschäftsanweisung von den Mitarbeitern der Leistungsabteilung gerade in Bezug auf die dort nach der Behauptung des Beklagten vorliegenden Mitteilungen der R bzw. des A unzureichend beachtet worden sei.

Verjährung also nein.

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STURZ WEGEN GLÄTTE NACH ENDE DES

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STREUPFLICHTIGEN ZEITRAUMS

Landgericht Braunschweig, Urteil vom 20.5.2016 — Aktenzeichen: 2 O 173/15 Leitsatz

Mit dem Ende der Streupflicht endet grundsätzlich die haftungsrechtliche

Verantwortung. Dafür, dass gegen die Streupflicht schon vor ihrem zeitlichen Ende verstoßen wurde, ist der Anspruchsteller beweisbelastet. Bei alternativ — ohne Pflichtverletzung — denkbaren Ursachen für Glätte scheidet eine Haftung aus.

Sachverhalt

Die Klägerin behauptete, gegen 21.15 Uhr auf dem Bürgersteig vor dem

Hausgrundstück der Beklagten wegen sich dort befindlicher Glätte unter Schnee gestürzt zu sein. Als Nachweis hatte sie sich auf das Zeugnis einer sie beim schadenstiftenden Spaziergang begleitenden Freundin berufen. Diese bestätigte zwar keinen Schnee an der Unfallstelle, wohl aber ein glattes Pflaster, ohne das sie sicher angeben konnte, dass es sich um Eis gehandelt habe. Für die Zeugin lag überfrierende Nässe vor. Als man gegen 20 Uhr den Spaziergang begonnen habe, sei es trocken gewesen. Später habe es dann genieselt.

Entscheidung

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Gutachtens zu der Frage, ob es ausgeschlossen sei, dass eine Glätte an der Unfallstelle auch erst nach 20.00 Uhr — dem Ende der Räumpflicht in der Stadt des Unfalls — eingetreten sein könnte, abgewiesen. Der Sturz erfolgte unstreitig außerhalb der Streupflicht der Anleger/Beklagten. Die Klägerin hatte deshalb im Prozessverlauf behauptet, die Glätte sei schon vor 20.00 Uhr vorhanden gewesen, so dass die Beklagte noch die Pflicht und Möglichkeit hatte, ihr entgegenzuwirken. Da jedoch das Gutachten eine spätere Glättebildung nicht ausschließen konnte und die eigene Zeugin von

überfrierender Nässe sprach, gegen die der Verkehr in der Regel nicht gesichert werden kann, drang die Klägerin hiermit nicht durch.

Interessant sind die Ausführungen des Landgerichts dazu, dass was alles als Alternativursachen für eine Glättebildung nach 20.00 Uhr in Betracht käme.

Genannt werden jede Art von Flüssigkeit, Feuchtigkeit unter den Schuhen vorhergehender Passanten und freilich leichter Schneefall. Durch die vom Haus abgehende Wärme und ein morgendliches Streuen könnte dieser Schneefall ab 20.00 Uhr kurzfristig zur Eisschicht geworden sein.

Zusammenfassend: Mit dem Ende der Streupflicht endet grundsätzlich die haftungsrechtliche Verantwortung. Dafür, dass gegen die Streupflicht schon vor

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ihrem zeitlichen Ende verstoßen wurde, ist der Anspruchsteller beweisbelastet. Bei alternativ — ohne Pflichtverletzung — denkbaren Ursachen für Glätte scheidet eine Haftung aus.

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ANWALT HAFTET NICHT FÜR KREATIVE RECHTSFORTBILDUNG

BGH, Urteil vom 17.3.2016 — Aktenzeichen: IX ZR 142/14 Sachverhalt

Der Kläger beauftragte den Beklagten mit der Durchsetzung eines

Versäumnisurteils über etwa 220.000,00 € gegenüber seinem Schuldner. Dem Schuldner gehörte mit einem anderen Gesellschafter zusammen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der ihrerseits eine Eigentumswohnung gehörte. Der Beklagte ließ den Gesellschaftsanteil pfänden, kündigte den Gesellschaftsvertrag und beantragte eine Teilungsversteigerung, die mit Beschluss vom 12.10.2005

angeordnet wurde. Die Teilungsversteigerung wurde dann nicht weiter betrieben.

Am 03.06.2006 trat der weitere Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil an den Schuldner ab. Am 03.04.2006 wurde eine Gesamtgrundschuld in Höhe von 250.000,00 € zu Gunsten einer Sparkasse in das Wohnungsgrundbuch

eingetragen. Das Teilungsversteigerungsverfahren wurde mit Beschluss vom 14.02.2008 aufgehoben, nachdem der Beklagte keinen Fortsetzungsantrag gestellt hatte. Bei einer auf Antrag der Sparkasse betriebenen Zwangsversteigerung wurde ein Erlös von 40.100,00 € erzielt – allerdings erst im Jahr 2010. Der Kläger klagte dann vergeblich gegen die Sparkasse auf Auskehr des Versteigerungserlöses.

Im Anwaltshaftungsverfahren, welches auf Schadenersatz gerichtet war, hat das Landgericht Stade die Klage abgewiesen, das OLG Celle den Beklagten verurteilt.

Entscheidung

Der BGH hat das Urteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Das Berufungsgericht hatte angenommen, der Beklagte habe den Kläger unzutreffend beraten; er hätte einen Fortsetzungsantrag stellen und den Kläger darauf

hinweisen müssen, dass er sonst seine Rechtsposition verlieren würde; denn die Übertragung des Gesellschaftsanteils auf den Schuldner sei im Verhältnis zum Kläger unwirksam gewesen, sie hätte eine Fortsetzung der Teilungsversteigerung

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nicht gehindert.

Nach Auffassung des BGH hat der Rechtsanwalt seine Pflichten nicht durch

unzutreffende Belehrung verletzt. Nach Auffassung des BGH kann der Mandant von einem Anwalt die Kenntnis der einschlägigen Rechtsnorm erwarten, bei deren Auslegung er sich grundsätzlich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu orientieren hat. Fehle dagegen eine höchstrichterliche Rechtsprechung, kann der Anwalt sich die erforderlichen Erkenntnisse auch durch Einsichtnahme in die

einschlägigen Kommentierungen verschaffen. Ungewöhnliche Fallgestaltungen, die weder Gegenstand einer höchstrichterlichen noch einer instanzgerichtlichen

Entscheidung waren, noch in einem der gängigen Kommentare oder Lehrbücher behandelt werden, hat er auf der Grundlage eigener, juristisch begründeter Überlegungen zu bearbeiten.

Im vorliegenden Fall war eine solche Konstellation gegeben. Denn der Beklagte hatte in der gegebenen Situation angenommen, dass eine Teilungsversteigerung nicht mehr in Betracht komme und sich das Pfandrecht am Gesellschaftsanteil an dem Anspruch auf Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens fortgesetzt habe, weshalb er dann schließlich auch (vergeblich) die Sparkasse auf Auskehrung des Versteigerungserlöses in Anspruch genommen habe. Lösungsversuchen zu der aufgeworfenen Problematik ist nämlich gemeinsam, dass es sich bei ihnen allen um Rechtsfortbildungslösungen handelte, die weder aus Gesetz, Rechtsprechung noch Literatur erfolgten und deshalb nicht vom Beklagten einzusehen gewesen wären.

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