£ angehörigen in der Türkei unter besonderer Berücksichtigung des Liegenschaftsrechts.
iCO
Inaugural-Dissertation
zur
Erlangung der Juristi sehen Doktorwürde
der Hohen Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Königlichen Universität Greifswald
vorgelegt von
Carl Ernst Brehmer,
Referendar im Bezirk des Kammergerichts.
0Q
Greifswald 1916.
Druck
von Julius AbelReferent: Professor Dr.
Hub
rieh.Seite
Einleitung: Die Kapitulationen, eine durchdas islamische Recht ge-
botene Notwendigkeit 7
I. Diepreußisch-türkischen Beziehungen unterFriedrichdemGroßen bis zumAbschluß der preußischen Kapitulation 11 II. Religiöse, persönliche und wirtschaftliche Rechte, die sich aus
der Kapitulation für die deutschen Staatsangehörigen ergeben . 18 III. Das Recht der Jurisdiktionsgewalt der deutschen Konsuln und
die gemischten Streitigkeiten 26
IV. Rechte der Deutschen in handelspolitischer Hinsicht nach den im 19. Jahrhundert abgeschlossenen Verträgen 41 V. DieStellung der Deutschen im türkischen Liegenschaftsrecht im
Anschluß an das Gesetz vom 7.Sefer 1284 (16.Juni 1867) . . 55
Schluß: Deutschland und die Türkei in ihren jüngsten Beziehungen . 66
Die Kapitulationen, eine durch das islamische Recht gebotene
Notwendigkeit
Bei allen die Türkei betreffenden rechtlichen
und
politischen
Dingen
dürfen wir nie vergessen, daß die Staats- religion, der Islam,und
derKörper
des Staates selbst ein unzertrennbaresGanzes
bilden.So
ergibt sich auch die Stellung derFremden
in der Türkei ausdem
religiösen Charakter des osmanischen Staates.Von dem
fanatischenSchwärmer Mohamed —
überdieReiheder Kalifenhinweg —
bis zurZeitder
Eroberung
KonstantinopelsdurchdieOsmanen
finden wir die ganze äußere Politik des türkischen Staates einzig
und
alleinvon einem Gedanken
beherrscht,den Mohamed im Koran
zur Richtschnur seinerAnhänger und
Nachfolgergemacht
hat.Er
sagt in der II. Sure Vers 189:„Und bekämpfet
sie, bis die Verführung aufgehört hatund
derGlaube
an Allah da ist."Er predigt also
Kampf gegen
alle, die nichtdem
Islam angehören. Ein Waffenstillstand in diesemKampfe
soll nurdann
möglich sein,wenn
dieTürken
es selbst für dasGegebene
haltenund
die Unterlegenen sind (s.Koran
Sure 43 Vers 37).—
8—
Dieser Grundsatz konnte rücksichtslos durchgeführt werden, solange die
Osmanen
das wilde, rauhe Steppenvolk waren,dem Mohamed
seine Religion gab. Mit zwingender Notwendigkeitmußte
er aberzum
wenigsten gemildert werden, als dieOsmanen zum Meere
vordrangenund
endlich inEuropa
inBerührung
mit denjenigen Völkernkamen,
die durch ihrenHandel
damals dieMeere
be- herrschten.Den
islamischen Kaufleutenwar
es nach Koranrecht nicht gestattet, das türkische Reich, denDar
ul Islam, zu verlassen. Sie
mußten
also die Vermittelung der christlichen Kaufleute anrufen; auch ihnen lag ja daran, ein größeres Absatzgebiet für ihreWaren
zu gewinnen.So wurde denn
zunächstim Anfang
des 12. Jahrhunderts italienischen Kaufleuten von den damaligen türkischen Macht- habern gestattet, Handelsfaktoreien in der Türkei anzulegen.Was
die Rechtsstellung dieser Kaufleuteim
islamischen Reiche anbetraf, so herrschte zunächst ein völlig unklarer Zustand.Im
großenund
ganzenwaren
diekühnen
Kauf- leutevon
Pisa,Genua und
Venedig, die in derHauptsache
damals diese Geschäfte wagten, der Willkür der jeweilig in der Türkei herrschenden Sultane preisgegeben. Je nach derenLaune wurden
sie behandelt, bald freundlichund
zuvorkommend,
baldgrausam
hart. Ein fortwährender Kleinkrieg an Repressalien bestand zwischeneben
diesen Republikenund
der Türkei. Es ist klar, daß die pisanischen, venezianischenund
genuesischen Kaufleute unter der völligen Unklarheit ihrer Stellung sehr zu leiden hatten. Es gingdenn
auch ihr eigenes, sowie auch das ganzeDenken und
Dichten ihres Heimatstaates darauf aus, Verträge von der Pforte zu erlangen, durch die sie wenigstens in etwasgegen
die Willkür der osmanischen Herrscher geschützt würden.
So
entstanddenn im
13.und
14. Jahrhundert eine Reihe vonAbkommen
zwischen den italienischen Republikenund
der Pforte, die dieStellung derKaufleute wenigstensindenHaupt;sachen sicherten.
Man
nannte diese Verträge Kapitulationen.Einige wollen heute dieses
Wort
von capitulatio herleitenund
es als Übersetzung des türkischenWortes
sulch—
der Friede auffassen. Sie wollen alsoden
Sinn dieser Verträge ineinem vom
Sultan bewilligten Waffen-stillstand erblicken. Eine solche Ansicht ist aber nach
dem
Vorhergesagten unhaltbar. Ein Waffenstillstand mitUn-
gläubigen sollte nur abgeschlossen werden, falls dieTürken
die
Schwächeren
waren.Zu
jener Zeit waren aber die Sultane völlig Herren der Situation. Ja, die Kapitulationen sind vielmehr, wie wirim
folgenden, insbesondere auch aus der Entstehungsgeschichteder ersten preußischen Kapitulation ersehen werden, als große Gunst-und Gnadenbeweise
der osmanischen Herrscher aufgefaßt worden. Richtiger leitet sich dasWort wohl vom
italienischen capitulazio her. SeineBedeutung wäre demnach
gleich Kapitel.Die wichtigste aller Kapitulationen, die in ihrer
Ab-
fassung dieGrundlage
für alle in der späteren Zeitvon
der Pforte gewährten Verträge bildete,kam im
Jahre 1535 zwischen Soliman II.und dem
französischenKönige
Franz I.zustande.
Einem
geschickten französischen Unterhändler, dessenName
eswohl
verdient, hier erwähnt zu werden, Jean de la Foret,war
es gelungen, den Sultan dahin zu bringen, diese Kapitulation den Franzosen zu gewähren.Sie
gab
den Franzosen die weitgehenden Rechte, auf die in ihrenAnfangsgründen
die ganze gewaltige Stellung be-I
—
10—
ruht, die sich Frankreich in der Folgezeit an der Pforte zu verschaffen wußte. Erst durch den Verlauf des jetzigen Weltkrieges
wurde
der französische Einfluß auf die Pforte in seihen Grundfesten erschüttertund
wirdnun
hoffentlich für alle Zeitendem
deutschen Einfluß weichen müssen.An
sich stellt der
Abschluß
dieser Kapitulation eine Ungeheuer- lichkeit dar, bildet siedoch
ein Bündnis zwischendem
allerchristlichsten
König und dem
Erzfeind alles Christen- tums,dem
Sultan. Siewar
aber politisch für Franz I. not-wendig geworden
durch den Zwist mitdem Habsburger
Karl V.Nach
Pavia durfte Franz selbst voreinem
solchen Mittel nicht zurückschrecken,wenn
esihm
nur die Möglich- keit bot,Habsburg
zu schädigen.In den nächsten Jahren gelang es Frankreich, durch elf einzelne Verträge die Kapitulation auszubauen
und
endlich dieZusammenfassung
aller dieserÄnderungen
in der Kapi- tulationvom
28.Mai
1740 zu erlangen.Mit
dem
Inhalt der Verträgeim
einzelnen brauchen wir uns hier nicht zu beschäftigen, da wir beiBesprechung
der preußischen Kapitulationvon
1760 zugleichden
Inhalt aller anderen kennen lernen werden.Nachdem
Frankreich 1535 in so glücklicherWeise
denAnfang
derAbkommen
mit der Pfortegemacht
hatte, trieb die Handelseifersucht auch die anderenGroßmächte
der damaligen Zeit dazu, ähnliche Verträgevon
der Pforte zu erlangen.England
folgte bereits 1580, die Niederlande 1612, Österreich 1615,Schweden
1737,Dänemark
1756,und
end- lich gelang es 1761auch dem
preußischen Staat, eine Kapi- tulation mit der Pforte abzuschließen.I.
Die preußisch-türkischen Beziehungen unter Friedrich
dem
Großen bis
zum
Abschluß der preußischen Kapitulation.Friedrich
dem Großen war
es vorbehalten, die erstenBande
zwischen der Pforteund
Preußen zu knüpfen.Zwar war
schon 1718 die Pforte an denKönig
FriedrichWilhelm
I. mitdem
Plan eines Bündnisses herangetreten, infolge PreußensWeigerung war
jedoch dieser Plan zu nichte geworden. In der nächsten Zeitmachen
sichdann noch
einige
Male
preußische Einflüsse bei der Pforte bemerkbar.Es handelt sich hier aber stets nur
um
die vorübergehendeAnwesenheit
preußischer Staatsangehöriger in der Türkei.Der
Plan eines preußisch-türkischen Bündnisses tauchte in Friedrichzum
erstenMale
auf, als er 1740 mit Schwerinund
Podewils beratschlagte, auf welcheWeise
er sicham
besten in den Besitz des von
ihm
geforderten Schlesiens setzen könnte.Damals
faßte er einen Angriff der Preußenin Schlesien
und
einen gleichzeitigen Einfall derTürken
inUngarn
ins Auge,um
so Österreich doppelt zu packen.Nach
der Schlacht bei Mollwitz 1741wurde ihm von
französischer Seite ein ähnlicher Plan nahegelegt.Der
fran- zösische Marschall Belle-Isle schlugihm im
Auftrage seiner Regierung vor, eine französisch-preußisch-türkisch-tartarische Allianz mit der Spitzegegen
Österreich zu bilden.Friedrich ging jedoch, hauptsächlich mit Rücksicht auf Rußland, auf den Vorschlag des Franzosen nicht ein
und
unternahm
auch in der Folgezeit keine entscheidenden Schritte,um
sich mit der Pforte inVerbindung
zu setzen.—
12—
In Konstantinopel selbst tauchten zwar auch damals wieder einige Abenteurer auf, die sich für
geheime
preußische Bevollmächtigte halten ließen, Friedrich aber überließ die Vertretung seiner Interessen dort vollständigdem
fran- zösischen Gesandten Desalleurs.Wie
sehr er aber zu aller Zeit eine türkisch-preußischeAnnäherung
vorAugen
hatteund
wie sehr ihn ein solcher Planimmer
beschäftigt hat, zeigt er in seinem politischenTestament von
1750.Er
sagt hierdem
Sinne nach, ein Soliman aufdem Throne
der Türkeiund
Preußen mitihm im
Bündnis könnten allerWelt
trotzen.Zu einem
entscheidenden Schritte führte erst das Jahr 1755.Ende
1754 verstarb in Konstantinopel der französische Gesandte Desalleurs,und
einige Zeit darauf der SultanMahmud
I. Friedrich der Große, der die Schatten des siebenjährigen Krieges voraussahund
wußte, daß er inEuropa
nur aufgeringeSympathien
zu rechnen hatte, drängteden
französischen Hof, so schnell wie möglich einen neuen tüchtigen Gesandten zu ernennen. Ja, er entschloß sichnun
selbst, einen Unterhändler nach Konstantinopel zu senden.
Er
wählte hierzu den Leutnantund
Flügeladjutanten Haude.Haude war
in Hischberg in Schlesien geboren,war sodann
als Handlungsgehilfe eines Breslauer Handels- hauses nach der Türkeigegangen und
dort Leiter einer Filiale seinerFirma
in Pera geworden. Später trat er in österreichische Militärdienste,machte
als Kornett den Türken- krieg mitund kam
als Gefangenernochmals
nach der Türkei.Als Schlesien preußisch wurde, kehrte
Haude
in seineHeimat
zurück.Er
trat in preußische Dienste,wurde
Leutnantund
Flügeladjutant des Königs. r ihWenn
wir dieGründe
betrachten, die Friedrich zu seinerWahl bewogen,
sohaben
wir siewohl
hauptsächlich in der sehr großen Kenntnis der türkischen Angelegenheiten, dieHaude während
seiner Anwesenheit dort sicherworben haben
wollte, zu suchen. In Wirklichkeit scheint es jedoch nachdem
Urteil der meisten Zeitgenossen vor allem mitHaudes
türkischer Sprachkenntnis nicht allzuweit hergewesen
zu sein. AlsDiplomat
erwies er sich infolge seines rauhen Auftretens auch nicht allzu geschickt,zum
großenBedauern
des schwedischen Gesandten Celsing, der ihn in Konstanti- nopel unter seine Fittichenehmen
mußte.Haudes
Instruktion,vom Könige
'persönlich verfaßt, verlangtvon ihm
zunächst einmal völligeGeheimhaltung
seiner Mission. In keiner
Weise
soll er dieihm
mitge-gebenen
Pläne Friedrichs auch nur ahnen lassen. Unter falschemNamen,
als königlicherKommerzialrat
KarlAdolf von
Rexin, geht er als völliger Privatmann nach Konstanti- nopel. AlsGrund
für seine Reise soll erim
Notfall an- geben, er sei auf derSuche
nacheinem
neuenAbsatzmarkt
für die schlesische Leinewand, deren Einfuhr Maria Theresia
als kleinliche
Rache
für den Verlust Schlesiens damals geradein all ihren
Ländern
verboten hatte.Seine
geheime
Instruktion bestand in zweivom König
selbst geschriebenen Entwürfen.
Der
eine enthält ,,Points de traite decommerce",
der andere, weitergehend ,,Points principaux pour faire un traite d'amitie et d'alliance defen- sive".Haudes Hauptaufgabe
soll darin bestehen, dieLage
an der Pforteim
allgemeinen zu erforschen. Er soll ins-besondere die Gesinnung des Sultans
und
der einflußreichsten Minister studieren. Bestechungen darf er in keinerWeise
—
14—
sparen. Ja, er wird geradezu aufgefordert, anzugeben,
„ob und was
vor Corruptiones zumachen
sein; auch, worin solche bestehenmüssen und
was solche kosten würden".Zum
Abschluß der Verträge selbst hat er jedoch keine Berechtigung.Wenn
er der Ansicht ist, daß derAbschluß nahe
bevorstände, soll er unverzüglichdem Könige
Nach- richt geben; dieser wirddann
sofort einenzum
Abschluß bevollmächtigten Gesandten senden. SeineEmpfehlungs-
briefe lauten an den schwedischen Gesandten Celsing.
Reichlich mit Geldmitteln versehen, trat Rexin in aller Stille, nur
von
zwei Feldjägern begleitet, Januar 1755 die Reise anund
gelangte glücklich nach Konstantinopel. Hierwurde
ervon
Celsing,dem
er allerdings nur seine In- struktionen in betreff des Handelsvertrages mitteilte, in jederWeise
unterstützt. Französische Hilfe fehlte ihm, da der Gesandtschaftspostennoch immer
unbesetztwar und
Friedrich in Anbetracht der Wichtigkeit seiner Missionihm
ausdrücklich untersagt hatte, sich an den Botschaftssekretär zu wenden. Ein sehr glücklicher Zufallwar
es jedoch, daß gerade damals Ali Pascha, derDoktorsohn
genannt, Groß- vesir war. Aliwar
ein hochgebildeterMann und
ein auf- richtiger Verehrer Friedrichs des Großen.So
schienen dieDinge
fürRexin
sehr günstig zu liegen, als Ali Pascha durch eine Serailintrigue gestürzt wurde.Seiner Einwirkung aber
war
esnoch
zu danken, daß der Sultan in äußerst höflicherForm
Rexin mitteilen ließ, zur- zeitwäre
er nicht in der Lage, einen Bündnisvertrag abzu- schließen.Er
sei abervon
der aufrichtigen Gesinnung Preußens für dasOsmanentum
überzeugt, er betrachte sogar Preußen als zweitenFreund
der Pforte.Auf
Celsings Ratund
da der fortwährendeWechsel
der Großvesire unterdem
neuen SultanOsman — sie
wechselten fünfmal in
einem
Jahre—
ein gedeihliches Verhandeln unmöglich zumachen
schien, trat Rexin die Heimreise anund
trafim November
1755 wieder inPotsdam
ein.1756 sandte der
König
Rexinzum
zweitenmal nach Konstantinopel. Infolge der inzwischen abgeschlossenen Konventionvon
Westminstermußte
diesernun
seinen Rückhalt nichtmehr
andem
französischen, sondern andem
britischen Gesandten suchen.Hier aber fand er nicht die Unterstützung, die er
wohl von dem Verbündeten
seines Königs hätte erwarten können.Dem
englischen Handelsinteresse in Rußlandwaren
seine• Pläne nichtgenehm.
EinVorgehen
der Tartaren oder gar derTürken
selbst gegen Rußland hätte notwendigerweiseden Handel
diesesLandes
unterbinden müssen.Das
gewaltige Absatzgebiet wollten dieLondoner
Kaufleute aber nicht missen.So
unterstützte die englische Regierung nur äußerlich Friedrichs Interesse bei der Pforte. In Wirk- lichkeit jedoch stand sie seinen Plänen feindlich gegenüberund
leistete, sobald es definitivzum
Abschluß eines Bündnis- vertrageskommen
sollte, passivenWiderstand.Auch
Friedrichs eindringlichstes Bitten konnte diesen nicht überwinden.Dies erkennen wir besonders deutlich
im
Jahre 1760.Es war Rexin
gelungen, den GroßvesirRaghub Muhamed
Pascha, ,,den letzten großen Vesir des Osmanenreiches",
dem
Plan eines Bündnisses geneigt zu machen. EnglandsBeitritt
wurde von
derhohen
Pforte gefordertund
auch vonEngland
zugesagt.Der
Bündnisvertrag lagdem Divan
—
16—
zur endgültigen Unterzeichnung vor.
Ende
1759 gelangten jedoch Gerüchte nach Konstantinopel, die einer gewissen Grundlage nicht entbehrten, daß Friedrichund England
Frieden schließen wollten.Raghub
verlangtenun
Januar 1760von
Friedrichund vom König von England
vorsichtiger- weise die schriftliche Bestätigung, daß sie den Krieg weiter- führen würden. Sofort nach Eintreffen dieses Schreibenssollte der Allianzvertrag
von
der Pforte unterzeichnetwerden.Friedrich sandte
umgehend
seine Versicherung.Von
Seiten Englands geschah dies jedoch nicht,und
der Vertragkam
nicht zustande.
Einen Erfolg sollten jedoch Friedrichs ununterbrochene
Bemühungen dennoch
zeitigen.Die
Pforte trat diesmal an Friedrich heran.Ende
1759wandte
sichRaghub
an Rexinund
schlugihm
vor, das Allianzbündnis zunächst völlig auf sich beruhen zu lassen, jedoch einen Freundschafts-und
Handelsvertrag zwischen Preußenund
der Türkei abzuschließen.Es
ist hierwohl
zu beachten, daß die Pforte es war, die den ersten Schritt tat. Trotz der nach den verschiedensten Urteilen nicht sehr wertvollen Figur des Rexin, trotz des überall entgegenarbeitenden Interesses der bereits bei der Pforte vertretenenMächte
hatte Friedrichs Auftretenund
das in seinenGrundzügen
nur vonihm bestimmte Handeln
seines Bevollmächtigten es soweit gebracht, daß die Pforte einen Vertrag mit Friedrich abzuschließen suchte. Es
war
dies eben die Pforte, die sich gerade zu jener Zeit völlig gleichgültig allen politischen Plänen gegenüber verhielt.
Rexin
nahm
den Vorschlag sofort an,und am
2. April 1761 erfolgte in feierlicher Audienz Rexinsbeim
Groß-vesir der
Abschluß
des preußisch-türkischen Freundschafts- vertrages.Aus
Friedrichs damaligerLage
ergibt sich notwendig, daß er selbst diesen Vertrag nicht allzuhoch
schätzte.Von
Feinden umringt, hatte er, der Freigeist, sich
doch
erst nach Zögern mitdem
Plan einer Allianz mitdem Türkentum
vertraut gemacht.Es war
jetzt aber auch all seinDenken und
Trachten daraufgerichtet, einen tatkräftigenVerbündeten neben
sich zu wissen, derihm
aufdem
Schlachtfelde einen Teil seiner gewaltigen Lastabnehmen
könnte.So
fand er zwar den Vertragsabschluß ,,an sich ganz gut", drängte aber Rexin vor allem dazu,nun
auch den Bündnisvertrag zu- stande zu bringen.Zum
Abschluß eines Bündnisvertrages zwischen Friedrichund
der Pforte sollte es jedoch in der Folgezeit nichtmehr kommen.
Ein wirklich dauerhaftes Bündnis zwischen zwei Staaten fordert stets ein für beide Teile bindendes, gleich- mäßiges Interesse,und
ein solcheswar
für die Türkei, die sich damalsnoch immer
einerhohen
Blüte erfreute, nicht gegeben. Erst über 150 Jahre späterwurden
Friedrichs Pläne verwirklicht.Heute kämpfen Türken und Deutsche
nebeneinander, an ihrer Seite aber als treuerKamerad
diejenige Macht,
gegen
die sich alle Bündnispläne Friedrichs richteten, Österreich-Ungarn.Diss. Brehmer. 2
—
18—
II.
Religiöse,persönlicheundwirtschaftliche Rechte, die sich aus der Kapitulation fürdiedeutschen Staatsangehörigen ergeben.
Die
preußisch-türkische Kapitulationvom
22.März
1761istdie Grundlage der Stellungderdeutschen Staatsangehörigen
in derTürkei bis zur
Aufhebung
der Kapitulationen.Durch
die preußisch-türkischen Handelsverträge von 1840
und
1862wurde
ihr Inhaltzunächst aufalleAngehörigen
des deutsehen Zollvereinsund
indem
Freundschafts-Handels-und
SchirT- fahrtsvertragvom
26.August
1890 zwischendem
Reichund
der Türkei auch auf alle deutschen Staatsangehörigen aus- gedehnt.Wir können
alsoim
folgenden stetsvon
Rechten derDeutschen
sprechen,wenn
auch die aus der Kapitulation an- geführten Stellen nurvon
Preußen reden.Hier sei
noch
erwähnt, daßauch
die Hansestädte 1839 mit derTürkei eineKapitulationund
1862 einenVertrag abge- schlossen haben. Beide sind durch dieAufnahme
der Städte in den Zollverband des Reichs jedoch heute bedeutungslos geworden.Mit ihren 8 Artikeln ist die preußische die kürzeste aller Kapitulationen.
Die
Meistbegünstigungsklauselistdem
Sinnenach
in ihr enthalten. Alle durch andere Verträge fremden Staatsangehörigen bis dahin gewährten Vorteile gelten heute also auch für die Deutschen.Um
nun die diesen zustehenden Rechtefestzustellen,müssen
wirdieSumme
derBestimmungen
aller Kapitulationen zu der preußischen hinzunehmen.
Nur
so ist daher dieKürze
der preußischen zu verstehen. Zähltdoch
die umfassende französische Kapitulation von 1740 nicht weniger als 80 Artikel.Wenn
wir also in der Folge dieSumme
der denDeutschen
verliehenen Rechte betrachten, sohaben
wir uns zu vergegenwärtigen, daß nur ein sehr geringer Teilvon
ihnen in der den Preußen direkt verliehenen Kapi- tulation ausdrücklich angeführt ist.Von
größterBedeutung
ist zunächst die Gewährleistung der Kultusfreiheit.Der
starre Islam gibt hier nachund
er- laubtden fremdenChristeninden unterihm
stehendenLändern
freie Religionsübung.
Dann
wird weiter schon in den ältesten Kapitulationen den Christen freiePilgerfahrt nach Jerusalemund
freier Aufenthalt an den heiligen Stätten gewährleistet.Schutz ihrer Gotteshäuser wird ihnen zugesagt.
Ein
Mißbrauch
wird ausdrücklich abgeschafft.Der Koran
verbietet, Ausbesserungen an christlichen Kirchen vorzuneh-
men. Die
türkischenBeamten
benutzten diesnun
unterdem Vorwand,
siehättenim Geheimen
Ausbesserungen an denKir- chenvorgenommen, Geldsummen von
denFremden
zu er- pressen. Dieswird ihnen strengstens untersagt. Ja, ihnenselbst wird,um
jede Belästigungwährend
des Gottesdienstes tun- lichst zu vermeiden, nur einmalim
Jahre Zutritt zu den Kirchen gestattet.—
Ausführliche
Bestimmungen
finden sich namentlich über den Übertrittvon Christenzum
Islam. Ein genaues Verfahren wird hier festgesetzt. Ein solcher Übertritt soll durch eine Erklärung vordem
türkischen Kadi erfolgen. Die Erklärungist jedoch nur gültig,
wenn
sie inGegenwart
des deutschenDragomans abgegeben
wird. Ausdrücklich hat der in Fragekommende
Deutschenoch
zu erklären, daß keinerleiZwang von
Seiten derTürken
ihnzum
Übertrittbewogen
hat.2*
—
20—
Weiter wird nachKapitulationsrechtden deutschenStaats- angehörigen zugesichert die Freiheit der Niederlassung
im
ganzen osmanischen Reiche, die Freiheit der Personund
des Eigentums. Endlich wird einjeder Eingriff, der dieVerletzung derWohnung
einesDeutschen
zur Folge hat, strengstens verboten.Kein Deutscher darf
von
den türkischenBehörden
aus irgendwelchem Grunde
ins Gefängnis geworfen werden.Er
darf nichtzum
Sklavengemacht
werden. Ja, die preu- ßische Kapitulation gehtim
Artikel 6noch
bedeutend weiter.Solltenämlichin KriegszeiteneinPreußeunterden
Gefangenen
sein, die die
Türken von
ihren Feindengemacht
haben, so soll er nur, falls er miteigenem
freien Willengegendie Türkei zu denWaffen
gegriffen hat, Sklave werden. Stellt es sich aber heraus, daß er sich unter den feindlichenTruppen
be- fand, „parimprudence
ou de, quelque semblable maniere", so soll er in Freiheit gesetzt werden, sobald er als Preuße erkanntund
als solcher zurückgefordert wird.— Auch
ist es nach Kapitulationsrecht ausdrücklich verboten, deutsche Staatsangehörige unter irgendwelchenVorwänden
zuDiensten zu pressen.Aus dem
Schutz der persönlichen Freiheit folgt weiter, daß auch nur der einzelne Deutsche für seinTun
verant- wortlichgemacht werden
kann.Es
ist darüberim
Artikel 5 der Kapitulation gesagt: „et si quelque autre Prussien endette ou coupable prenait la fuite, un autre Prussien qui n'estpas coupabledu
delit ne sera pas saisi ni moleste".Es
darfalso keineswegs, wie es häufig früher der Fall war, die Tat eines einzelnen an irgend einem anderen oder gar an der Ge- samtheit seiner Landsleute gerächt werden.Die völlige Freiheit des
Eigentums
wird gewährleistet.Es
ist nichtmehr
zulässig, das sogenannte ius albinagii auszuübenfd. h. inZukunft ist der türkische Fiskus nichtmehr
der
Erbe
des Nachlasses eines in der Türkei gestorbenen Preußen.Vielmehr
soll in Zukunft der Nachlaß in dieHand
des preußischen Konsuls gelegt werden: ,,pour etre restitue ä leurs heritiers". Findet sich kein
Erbe
vor, so soll einer der Landsleute die Sachen an sichnehmen.
Er darfhierbei in keinerWeise
von den türkischenBeamten
gehindert werden.Nur wenn
überhaupt kein preußischer Staatsan- gehörigeram
Orte ist,können
die türkischenBehörden
eingreifen. In diesem Falle hat der türkische Ortsrichter ein genaues Verzeichnis der Hinterlassenschaft aufzu- stellen
und
es versiegeltdem
nächstenKonsul
einzureichen.Dem
mit derAbholung
des Nachlasses beauftragten Boten hat er anstandslos alle Güter des Verstorbenen auszu- händigen.Auch
bei Schiffbrüchen soll preußischesEigentum
in jederWeise
geschützt werden. In derartigen Fällenhaben
die türkischen
Behörden
sichjeder Feindlichkeit zu enthalten.Falls das Schiffstrandet
und
die ganze Mannschaft dasLeben
verliert, soll auch hier ein Verzeichnis der geretteten
Sachen
unverzüglichdem
nächsten preußischen Konsul eingereicht werden. Für ihreMühe
sollen die türkischenBehörden
nichtmehr nehmen,
,,que lepayement
ordinaire pourceux
qui ont servi ä les sauver et les Transporter". Geschieht es aber dennoch, daß einzelneSachen
entwendet werden, sowerden
die türkischen
Behörden
alles versuchen,um
sie aufzufindenund dem Konsul
auszuliefern. Die Schuldigen sind streng- stens zu bestrafen.-
22—
Ausdrücklich wird
im
Artikel 3 die Requisition preußi- scher Schiffe für kriegerische Zwecke, als da ist ,,transporter des troupes, canons, munitions de guerre et autres choses semblables" verboten.Die
Unverletzlichkeit derWohnung
wird bereits in der französischen Kapitulationvon
1535 garantiert.Nur
in Be- gleitung des Konsuls darf ein türkischerBeamter
dieWoh- nung
eines Deutschen betreten. Die Pforte hat später diesen Grundsatznoch
einmal anerkannt,indem
sie in den Artikel 2 des Gesetzesvon
1867, das dieFremden
bei Immobiliarsachen unter türkischeGerichtsbarkeitstellte, ausdrücklich hinzufügte:,,Mais sous la reserve des immunites attaches ä leur per- sonne
aux
termes des traites."Im
Artikel 1 der Kapitulation wird den Preußen voll- ständige Verkehrsfreiheitim
ganzen Gebiet der Pforte zuge- sichert. Es heißt dort: ,,il sera permisaux
sujets et habi- tansdedeux
cötes de trafiquer librementtant parmer que
par terre." Preußen, die miteinem Paß
versehen sind, sollen in keiner, auch nur denkbarenWeise
belästigt werden, sei es nun bei ihrer Ankunft,während
ihres Aufenthaltes oder bei ihrer Abfahrt.Ganz
besonders ausführlich sind bei derKürze
der preußischen KapitulationendieBestimmungen
überdieFreiheit der Schiffahrt.Es
liegt dies an der auch in der Einleitung zur Kapitulation erwähnten weiten Entfernung, die die beiden Nationen trennteund
die ihre Beziehungenwohl
in derHauptsache
aufdem Wege
der Schiffahrt beruhen ließ.Es ist preußischen
und
damit deutschen Schiffen, freivon jeder Belästigung, gestattet, jeden beliebigen Hafen-
platz der Türkei anzulaufen. Bei etwaigen Beschädigungen
müssen
ihnen dieBehörden
in jederWeise entgegenkommen.
Alle Hilfsmittel sollen ihnen geboten werden, urq ihre
Schäden
auszubessern. Es wird ihnen weiter ausdrücklich gestattet, zu ihrer Verproviantierung Lebensmittel zu kaufen, falls sie sie mit Gelde in ihrerWährung
be-zahlen.
Beim
Einlaufen in die Dardanellen oder in irgend einen anderenHafen
darfvon
ihnen auch nur der gewöhnliche Zollund
nichts darüber erhoben werden.Schon oben haben
wir erwähnt, daß bei Schifibrüchen die türkischenBehörden
helfen wollen.Im
Artikel 3 finden wir ferner ausführliche Be-stimmungen
darüber, daß die „courtoisie enmer"
zwischen beiden Staaten ausgeübtwerden
soll. Mit Rücksicht auf frühere Zeiten wird hiernoch
einmal ausdrücklich hinsichtlich derBegegnung
mit preußischen Schiffen hervorgehoben,„on ne les
empechera
point dans leurvoyage
et nedemandera
et ne prendra rien d'eux avec violence."
Ein besonderes Gebiet der Seeschifffahrt, das
von
der Türkeinoch
indem Rahmen
der Kapitulation geregelt wird, ist das Recht, alles nur Mögliche zur Unterdrückung, der Seeräubereien der Barbareskenstaaten in Tunisund
Algier zu unternehmen. Die Pforte gibt hier, wie wir sehen werden, ihre Landsleuteund
ihre Glaubensgenossen den christlichen Staaten preis.1535 heißt es bereits, die Seeräuber seien, falls sie an Ort
und
Stelle ergriffen würden, als Friedensstörer zu behandeln.Die
Sklaven anBord
ihrer Schiffe sind unver- züglich freizulassen. Entfliehen die Räuber, sowerden
sieverbannt
und
ihre Güter konfisziert, ausdem
Erlöse sind die Geschädigten abzufinden. In einer späteren Kapitulationmacht
die türkische Regierung, falls sich Frankreich wieder über Seeräubereien zu beklagen hat, sogar die Vizekönigeund Gouverneure
der in Betrachtkommenden
Gebiete ver- antwortlich.Noch
später wird den Korsaren jede Zuflucht in türkischenHäfen
verboten. Endlich wird 1640 fest- gesetzt, daß Frankreich jedesauch noch
so weitgehende Mittel zurUnterdrückung
derSeeräubereien gestattet sein soll,ohne
daß dadurch der Vertrag mit der Türkei verletzt wird.Über
die Handelsfreiheit heißt esim
Artikel 1 unserer Kapitulation: ,,quant äl'achat et la vente de toutes sortes des biens et marchandises,on
leur accordera, ainsi qu'auxmarchands
prussiens en general lememe
traitement qui s'observe envers les autres Puissances amies." Es ist also auch den Preußen in jeder Hinsicht völlige Freiheit des Handelsim
ganzen osmanischen Reich gestattet.Weder
die Zahl
noch
die Art der einzuführenden oder auszufü- renden Güter ist in irgend einerWeise
beschränkt.Es
darf vor allem kein Schiffmehr gezwungen
werden, seine Güter auszuladen.Es
darf nicht gehindert werden, sie an einen anderen Ort zu bringen. Ja, es stehtihm
auch frei, einen Teil derLadung
auszuladenund den
anderen Teil weiter- zutransportieren.In
den
französischen Kapitulationen von 1740, 1745, 1767 finden wirnoch
einige besondereBestimmungen
über denHandel
mitLebensmitteln.Es
isthierausdrücklichgesagt, daßim
Fall eines Krieges Lebensmittel niemals als Kontre-bande
angesehenwerden
sollen.Uber
die für Preußen geltendenZollbestimmungen
rinden wir im Artikel 2 der Kapitulation: ,,quant a tous les points qui concernent les douanes, le traitement qui s'observe vis- a-vis des autres Puissances amies aura lieu aussi envers les Prussiens."Zu
beachten ist zunächst, daß die Ausländerim
all-gemeinen
alle für dieOsmanen
geltendenAbgaben
zu zahlenhaben
und nurvon
den in den Kapitulationen ausführlich erwähntenAbgaben
frei sein sollen.Befreit
waren
vor allem dieEuropäer
von der Zahlung des nach islamischem Recht vonjedem Nichtmuselman
zu fordernden charady, einer Steuer, die für den einzelnenKopf
erhoben wurde.Ausdrücklich hervorgehoben wird in der preußischen Kapitulation die Befreiung
von
der Cassabeie-Steuer.Es
ist dies eine Steuer, unter der
man
nach der herrschenden Ansicht eineAbgabe
versteht, die dazu diente, den Lebens- unterhalt der Jannitscharen zu bestreiten.Zu
zahlenwaren
in derHauptsache
,,trois pour cent de droits deDouane
enmonnaie
courante pour les biens et marschandises, qu'ils importeront et exporteront", d. h. also, 3°/ Einfuhr-und
3°/ Aufuhrzoll. Es wird verboten, dieWaren beim Erheben
dieses Zolles zuhoch
einzu- schätzen. Sollte dies nach der Ansicht der preußischen Kautieutedennoch
geschehen sein, so sind sie berechtigt, dieAbgabe
statt in bar miteinem
Teil ihrerLadung
zu zahlen.Sodann
ist festgesetzt, daß der Zoll nur einmal zu zahlen ist.Waren,
die ineinem
türkischenHafen
aus-—
26—
geschifft sind
und von
dortnach einem
anderen gebracht werden, dürfen nichtnoch
einmal verzollt werden.Bestehen bleibt als Steuer vor allem
noch
die ,,selametlik-resmi, salvo arrivo„Abgabe
der guten Reise"genannt, die jedes Schiff bei seiner Ankunft in
einem
tür- kischenHafen
zu zahlen hat. Sie darf jedoch nicht 300 Aspern, das sind 25 Taler, überschreiten.Weitere ausführliche Zollbestimmungen finden sich in
den später zu betrachtenden deutsch-türkischen Verträgen
von
1840, 1862und
189O.III.
Das
Recht der Jurisdiktionsgewalt der deutschen Konsuln und die gemischten Streitigkeiten.Im
Artikel 4 der Kapitulation wird zunächst den Preußen dasRecht
gewährt, einen Gesandten bei der Pforte zu halten, der in jeder Beziehung den Gesandten der anderen Großmächte, auchwas
Ehrenrechte etc. anbelangt, gleich- gestellt wird. Weiter heißt es: „dans toute la jurisdiction de la Sublime Porte danschaque
echelle, port et isle oüil se trouve des Consuls, Vice-Consuls et
Dragomans
de la part des autres Puissances amies, les Ministres Prussiens pourront aussi envoyer des Consuls, Viceconsuls et Drago- mans, les congedier et en constituer d'autres a leur place.uEs wird also hiermit Preußen freie
Ernennung von Konsuln
gestattet an
jedem
Orte der Türkei, andem
bereits irgend eine andereMacht
einen Konsul unterhält.Einige Zeilen weiter steht hier bereits: ,.les Consuls, Vice-Consuls,
Dragomans
et Passagers, les Negociants et les autres sujets de leur Nation, jouiront de lameme
immunite, dont jouissent les sujets des autres Puissances amies."Die preußischen
Konsuln
genießen also die Vorrechte derKonsuln
der anderen Staaten. Siehaben
wie die Ge- sandten das Recht der Exterritorialität für sich, für ihre Familieund
ihr Personal. Ihnen ist damit garantiert die persönliche Unantastbarkeit, die Befreiung von der türkischen Gerichtsbarkeit, die sogenannte „franchise d'hötel"d. h. Unantastbarkeit der
Wohnung,
die Befreiung von Steuernund
uneingeschränkterVerkehr
mit ihrem Heimatstaat.Unsere Kapitulation sagt über ihre Sonderstellung
im
Artikel 5: „Les Consuls qui resideront dans le Terri- toireOttoman
ne seront pas mis aux arrets, et tous les proces qu'ils auront se decideront dans la residence Impe-riale par le secours de leurs Ministres. Leurs maisons seront
exemptees
de scelle, de recherche et de visite."Im
Artikel 5 finden wir sodann die ausdrücklicheAnerkennung
desvornehmsten
Rechts, das den preußischenKonsuln
in der Türkei zusteht: des Rechtes der Gerichts- barkeit. Bei der Wichtigkeit dieser Gerichtsbarkeit für die allgemeine Stellung der Deutschen in der Türkei wollen wir daher auch die Stelle, die in der Kapitulation in derHauptsache von
ihr handelt, hier anführen. Sie lautet: „S'il arrivoit quelque dispute entre les Prussiens et leurs sujets, le Ministreou
les Consuls Prussiens decideront—
28—
l'affaire d'apres leurs loix et tant que les Prussiens ne de-
mandent
paseux-memes
äetre juges par laJusticeOttomane,les Juges et Gouverneurs de la
Sublime
Porte ne pourront s'ingerer par force ä vouloir les juger."Bei Streitigkeiten unter seinen Landsleuten in der Türkei
erteilt also der preußische Konsul Recht nach preußischem Gesetz.
Von
der Wirkungslosigkeit der Klausel: „tant queles Prussiens ne
demandent
paseux-memes
ä etre juges par la JusticeOttomane" werden
wirnoch
zu sprechen haben.Über
die Streitigkeiten zwischenTürken und
Preußen istAusführliches gesagt.
Vor
allem sollen bei diesen die otto-manischen
Gerichte zuständig sein. Stetsmuß
aberim
Beisein desDragomans
verhandelt werden.Des
weiteren soll bei Streitigkeiten über Verkaufs-, Kaufs-, Gelddarlehns- Geschäfte vor allenDingen
Beweis durch eine Schuld-urkunde
oder andere Schriftstücke gefordert werden. Falls solche fehlen, sollen ottomanische Zeugen, mitdenen man
sehr schlechte Erfahrungengemacht
hatte, nicht gehört werden.Die ersten
Anfänge
der Konsular-Jurisdiktion finden wir zur Zeit der Kreuzzüge. Die kleinen pisanischen, genue- sischenund
venezianischen Faktoreien, die sich zu jener Zeit an der türkischen Küste bildeten, bedurften eines festen inneren Zusammenschlusses,um
sich gegen die feindlichumdrängenden
Scharen derMoslim
halten zu können. Diese,von
denMoslim
späterer Zeiten so verachtungsvoll genannten„raajat", d. h. Herde,
mußten
vor allenDingen
dafür sorgen,daß
innerhalb ihres kleinen Vereines Einigkeit herrschte,und
dazu bedurften sie eines mit den nötigen Machtmitteln ausgestatteten Hirten.Ein Institut, das diesen
Ansprüchen
gerecht wurde, besaßen die italienischen Republiken bereits damals.Auf
ihren Handelsschiffen befand sich zu jener Zeit
während
jeder Reise ein consul sur mer. Ein solcher hatte die Gerichts- barkeit aufdem
Schiffeund
hatte alle Streitigkeiten der Mannschaft zu schlichten.Eben
diese Stellungwurde nun
indenFaktoreien, die gewiß in ihren
Anfängen
aus einersolchen anLand gegangenen
Schiffsmannschaft bestanden, geschaffen.Der nunmehrige
einfache Konsulwurde
von seinen Lands- leuten frei gewählt. Er hatte nachdem
in derHeimat
geltenden Recht ihre Streitigkeiten zu schlichtenund
besaßalle richterlichen Funktionen, die der Richter in der
Heimat
innehatte. Er
war
«-zunächst völligunabhängig
von seinem Heimatsstaat. Diese Artvon
Konsul erkannte die Pforte inden ersten Kapitulationen an.
Die sogenannte Munizipialperiode der Konsuln
mußte
aber verschwinden, als die Souveränität der Fürsten der einzelnenLänder
erstarkte. Diese wolltennunmehr
ihren Einflußauch
auf ihre Untertanen jenseits desWassers
aus- üben.So
ist derKonsul im
16. Jahrhundert nichtmehr
der
von
seinen Landsleuten freigewählte Vertrauensmann, sondern ein amtlicher Vertreter seines Staates. Er wird von diesem ernannt, vonihm
erhält er seine Instruktionen, welche er zu befolgen hat.Erkennbar ist dieser
Umschwung
bereitsim Texte
der Kapitulationvon
1535. Sie weist ausdrücklich auf dieMonarchen von
Frankreichund
der Türkei hin. Zwischenihnen allein wird der Vertrag geschlossen, er wird sogar in seiner
Dauer von
ihrer Lebenszeit abhängig gemacht.Die
Konsuln, die Preußenim
Artikel 4 der Kapitulationvon
1761 gewährt werden, sind solche Vertreter ihresHeimat-staates.
Wir
wollenim
folgenden sehen, welchenRahmen
heute das Deutsche Reich ihnen für ihre Jurisdiktionsgewalt
gegeben
hat.Die
dem Konsul
zugestandene Jurisdiktionsgewalt legt selbstverständlichdem
betreffenden Heimatsstaate eine große Verpflichtung auf. Diese Gewalt ist jagegeben
worden, weil die Heimatsgerichte des Residenzstaates nach Ansicht des Absendestaates keineGewähr
für eine sichereund
sorg-fältige Justiz liefern.
Der
Absendestaatmuß
nun aber auch seinerseits alles tun, eine wahrhaft mustergültige Gerichts- barkeit insLeben
zu rufen.Er muß dem
Residenzstaate ein Beispiel bieten für eine Justiz, wie er sie ausgeübthaben
will.
Ob
diesnun im
einzelnen den in der Türkei juris- diktionsberechtigten Staaten gelungen ist, sei dahingestellt.Das
eine ist aber nachweisbar, daß insbesondere die Groß-mächte
sich durchaus nicht einheitlich über die beste Art ihrer Gerichtsorganisationim
klaren waren.So haben
sichdenn
in der Folgezeit nicht weniger als dreiSysteme von
Gerichtsverfassungen innerhalb der Konsularjurisdiktions- gewalt herausgebildet.Zunächst das französische System. Es basiert auf der Marineordonnanz
vom
Jahre 1681.Mehrmals wurde
esim
Laufe der Jahre abgeändert,zum
Schluß durch das Dekretvom
Jahre 1835.Erste Instanz für Zivil-
und
Handelssachen ist nachihm
*der Konsul.
Zweite Instanz ist das Konsulargericht, das sich zu-
sammensetzt
ausdem
Konsulund
zwei aus denam
Orte ansässigen Franzosen gewählten Beisitzern.Dritte Instanz endlich ist der Gerichtshof zu
Aix
in Südfrankreich.Über
ihn hinaus sind noch Kassationsklagenbeim
Pariser Kassationshof anzubringen.Im
Strafrecht ist als erste Instanz der Konsul zuständigfür Polizeiübertretungen (contraventions).
Die
zweite Instanz, das Konsulargericht, ist zuständig fürVergehen
(Delits)und
fürBeschwerde gegen
Urteil der ersten Instanz.Bei
Verbrechen
(crimes) endlich ist der Konsul nur Untersuchungsrichter. Als Ankläger funktioniert hier das Konsulargericht. Die Entscheidung fälltjedoch der Gerichts- hof zu Aix.Das
zweite bekannteSystem
ist das englische System.Der
Hauptunterschied gegen das französischeSystem
besteht beiihm
darin, daß die letzte Instanz nichtim
Heimatlande entscheidet, sdndern indem
Staate selbst, indem
dieKon-
sularjurisdiktion ausgeübt wird.
Es
ist hierin ein großer Vorteil zu erblicken,denn
esist klar, daß es Schwierigkeiten
machen
muß, dieRichter
im Heimatlande
mit den besonderenGewohnheiten und
der besonderenLage
indem
fremden Staate bekannt-$
zumachen. Andrerseits
können
natürlich Richter, dieim
Lande
selbstwohnen und
mit dessen Sittenund Gewohn-
heiten vertraut sind, ein viel vernünftigeresund dem
ein- zelnen Falle entsprechenderes Urteil abgeben.—
32—
Bei
dem
englischenSystem
fungiert als erste Instanz das Bezirkskonsulargericht, indem
derKonsul
den Vorsitz führt.Ihm
beigeordnet sind in Zivilsachen 2—
4 Beisitzer,in Strafsachen eine
dem
englischen Gerichtssystem ent- sprechende Jury aus 5 Geschworenen. Appellations-und
letzte Instanz ist der
„Supreme
Consular court for theDominions
ofthe sublimeOttoman
Port", der seine Residenzin Konstantinopel hat.
Er
ist zuständig als letzte Instanz sowohl für Zivil- als auch in Strafsachen.Das
dritte russischeSystem
finden wir vollständig aus- geprägt nur in Persien.Erste Instanz ist auch hier das Konsulargericht unter
dem
Vorsitz des Konsuls
und
mit Hinzuziehungvon
2 Beisitzern.Zweite
und
letzte Instanz ist das Gesandtschaftsgericht.In
ihm
führt den Vorsitz der älteste Botschaftssekretär.Die
Mitglieder des Gerichtswerden vom Chef
der Mission direkt ernannt.Wir
Deutschen sind,obwohl
eine starkeStrömung
für das gewiss sehr vernünftige englische System bestand, den-noch
bis jetztdem
französischenSystem
gefolgt.Nach dem
Konsulargerichtsbarkeitsgesetz
vom
7. April 1900haben
wir folgenden Instanzenweg.Erste Instanz ist der Konsul. Er ist zuständig für alle
durch das Gerichtsverfassungsgesetz, die Prozeßordnung
und
die
Konkurrenzordnung
den Amtsgerichten zugewiesenen Sachen. Weiterhin unterstehenihm
natürlich—
wie ja auch den nicht mit Jurisdictionsgewalt versehenen Konsuln—
alle durch Reichsgesetze oder durch in Preußen geltende allgemeine Landesgesetze den Amtsgerichten übertragenen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
In Strafsachen hat der
Konsul
als I. Instanz ebenfallsim
allgemeinen die Verrichtungen des Amtsrichters auszu- üben. Bei Sitzungen des Konsulargerichtsnimmt
er abernoch
die Stellung des Vorsitzenden derStrafkammer
ein (siehe § 52, 53, 55, 56KGG.).
Zweite Instanz ist das Konsulargericht. In
ihm
führt der Konsul den Vorsitz,neben ihm haben
wir in Zivilsachen zweiund
in Strafsachen vier Beisitzer. Sollte es nichtmög-
lich sein, diese zwei oder vier Beisitzer an
dem
betreffenden Orte ausfindig zumachen,
so wirddem Konsul nach
§ 9KGG.
das Recht gegeben, in Zivilsachen alleinund
in Straf-sachenunterHinzuziehung
von
nur2Beisitzernzuentscheiden.Das
Konsulargericht ist zuständig für den Landgerichtenin erster Instanz, sowie den Schöffengerichten zugewiesene Sachen, weiterhin für die Entscheidung
von Beschwerden
gegen die Entscheidungen des Konsuls in Strafsachen.Letzte Instanz in
Sachen
der Konsulargerichtsbarkeitist das Reichsgericht (§ 14
KGG.). Es
ist Berufungs- instanz für dievorm
Konsul odervorm
Konsulargericht ver- handelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, weiter Instanz für dieBeschwerde und
Berufunggegen
Entscheidungen des Konsulargerichts in Strafsachen. Endlich hat es die Ent- scheidung über die Beschwerde, die in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegen den Entscheid des Konsuls eingelegt wird.Über
den Personenkreis, der der Konsulargerichtsbar- keit unterworfen ist, gibt uns § 2KGG.
Auskunft.Der
Konsulargerichtsbarkeit unterstehen alle deutschen Staats- angehörigenund
die sogenannten Schutzgenossen.Den Deutschen
gleichgeachtetwerden
Handelsgesellschaften, ein-Diss.Brehmer. 3
—
34—
getragene Genossenschaften
und
juristische Personen, dieim
Reichsgebiet oder ineinem
deutschen Schutzgebiet ihren Sitz haben.Dazu kommen noch
offene Handelsgesellschaftenund
Kommanditgesellschaften, die ineinem
Konsulargerichts- bezirk residieren. Hier ist jedoch Bedingung, daß sämtliche persönlich haftenden Gesellschafter Deutsche sind.Ueber
den BegriffderSchutzgenossen gibt dieInstruktionvom
I.Mai
1872 nähere Auskunft.
Aus dem Obengesagten
ergibt sich, daß dieim
Artikel 5 unserer preußischen Kapitulation von 1761von
Seiten der Türkei eingefügte Klausel „tant que les Prussiens ne de-mandent
paseux-memes
ä etrejuges par laJusticeOttomane"
heute gegenstandslos ist.
Es
ist nach Reichsrecht, wie der vorerwähnte § 2KGG.
ergibt, denDeutschen
nur möglich,Recht
vor ihren Konsulargerichten zunehmen. Das
Recht, durch Parteivereinbarung auch türkische Gerichte für zu- ständig zu erklären, ist ihnen reichsgesetzlich nicht zuge- standen.Innerhalb der
oben
skizzierten Gerichtsverfassung spielt sich das Verfahren bei Streitigkeitenvon
Deutschen in der Türkei ab. Zunächst einmal gehören hierher alle Strei- tigkeitenvon Deutschen
untereinander.Wir haben
uns nun abernoch
mit der Frage zu beschäftigen, wiewerden
Streitigkeiten zwischenDeutschen und Türken und
endlich wiewerden
Streitigkeiten zwischen Deutschenund
anderenauch
unter Kapitulationsrecht stehenden Ausländern geschlichtet.Bei Zivilstreitigkeiten zwischen
Türken und
Deutschenmuß
der Kläger, falls erTürke
ist, sich sein Rechtbeim
deut-sehen Konsulargericht holen. Ausdrücklich ist dies gesagt in der österreichischen Kapitulation
vom
25.Mai
1747.Kraft der Meistbegünstigung gilt es also auch für uns.
Ist
umgekehrt
der Deutsche Kläger, so hat er in Zivil-sachen
vom
osmanischen Gericht Recht zunehmen.
Jedochmuß
derKonsul
oderDragoman
der Gerichtssitzung bei- wohnen.Ohne
ihn ist die Entscheidung des Gerichts nicht verbindlich.Es
kannniemand gezwungen
werden, sich vor den türkischenBehörden
inAbwesenheit
desDragomans
zu verantworten.Während
derVerhandlung
spielt jedoch derDragoman
keineswegs die Rolle eines stillen Zuhörers. Er darf jederzeit, falls er esim
Interesse seiner Partei oder seines Staates findet, in dieVerhandlungen
eingreifen.Ja, er kann,
wenn
er glaubt, daß. esihm
auf diesemWege
nicht gelingen wird, eineÄnderung
des Gerichtsbe- schlusses durchzusetzen, durch sein bloßesWeggehen
kurz vor der Urteilsverkündigung ein entscheidendes Verhandeln einfach unmöglichmachen.
Er hat also die Rolle eines Kontrollorgans im ausgedehntesten Sinne des Wortes.Die Türkei hat diese
Bevormundung
stets sehr drückendempfunden und
auf jedeWeise
versucht, sie zu zerstören.Die Magna
Charta der Türkei, der Hatt-i-scherifvon Gülhane, regte daher die Einrichtung von gemischten Handelsgerichten an. 1860 brachte derAnhang zum
Türkischen Handels- gesetzbuch ihre endgültige Organisation.Vor
diesenHandels- gerichten sollte das alte, heilige türkische Scheriatrecht nichtmehr
gelten, für sie sollte neues,modernes
Recht geschaffen werden. Dies geschah,wenn
auch nach europäischen Be- griffen sehrunvollkommen,
durch die türkische Justizreform von 1879.3*
—
36—
Heute
sind für Zivilstreitigkeiten, in denen der Kläger Deutscher ist, die sogenannten„Mahkeme
Tidjared Muhtelit Medschlissi" zuständig.Vor
ihnenmuß
derWert
des Pro- zesses jedoch mindestens IOOOPiaster betragen. UnterdiesemWert
entscheidennoch
die alten türkischen Gerichte. Die neuenHandelsgerichtesetzensichzusammen
aus 3Türken,von denen
der eine den Vorsitz führt,und
aus zweivom
Konsulat des Klägers zu ernennenden Beisitzern. Diefremden
Bei- sitzerhabenvollständigrichterlicheFunktionen,d. h.siehaben
nicht nur beratende, sondernauch
entscheidende Stimme.Ein
Moment
jedoch, das diehohe
Pfortegeradedurchdie Einrichtungdieser Gerichteauszumerzen
suchte, istgeblieben:die Assistenz des
Dragomans.
Trotz allerBemühungen
der Türkei ist derDragoman
auch hier der entscheidende Faktor.Durch
die Ueberlegenheit der dreiTürken
den zweiFrem-
dengegenüber wäre
anund
für sich eine Rechtsprechungin türkischem Sinne zu erwarten.
Die
Rolle desDragomans macht
aber dies illusorisch,und
so ist eigentlich allesbeim
Alten geblieben.Appellation über diese Gerichte hinaus ist nur möglich,
wenn
der Prozesswert 5000Piaster überschreitet. In solchem Fallekann
dieSache
vor das gemischte Handelsgericht von Konstantinopel gebracht werden.Von
der Zuständigkeit dergemischtentürkischenHandels- gerichte sindjedoch verschiedeneAusnahmen gemacht
worden.Zunächst ist bei allen Angelegenheiten
von
Handelsgesell- schaften, die ausTürken und
ausFremden
bestehen,dem
türkischen Einfluß konzessioniert, daßhier dieHandelsgerichte
ohne
die fremden Beisitzer urteilen.Der Dragoman muss
jedoch hinzugezogen werden.Beim Konkurs
einesTürken
sind einzigund
allein die türkischen Gerichte zuständig. Es ist völlig gleichgültig,ob
hier etwa sehr viele der Gläubiger fremde Staatsangehörige sind.
Auch
derDragoman
scheidet in diesem Falle aus.Rechtsstreitigkeiten an
einem
Orte, der über 9Weg-
stundenvon einem
Konsulatssitz entfernt liegt,können ohne Anwesenheit
desDragomans vom
türkischenGemeinderat
odervon dem
Kreisgericht (Kasa) entschieden werden.Endlich
können Fremde — ohne
daßDragomanats-
assistenz nötig
wäre —
innerhalb des Zuständigkeitsrahmens, den die türkische Gerichtsverfassungdem Gemeinderat und dem
Kreisgerichtgewährt,von
diesen GerichtenRecht
neh-men.
Siemüssen
jedoch eine schriftliche Konsenserklärung abgeben.Auch
in diesen beiden letzten Fällen aberhaben
sich die Europäer zu sichern verstanden.Während
nämlich fürTürken
bei Sachen, die vor denGemeinderat
oder vor das Kreisgericht gehören, keine Appellation an eine höhere In- stanz möglich ist, istden Fremden
eine solche gewährt,(s. Protokoll
zum
Gesetzvom
7. Sefer 1284.) Diese Appel- lation geht an das Sandschakgericht. Bei einer Sitzung des Sandschakgerichtsmuß
aber der Konsul oder derDragoman
des in Frage
kommenden fremden
Staates hinzugezogen werden.So
ist also auch hiernoch dem
betreffenden Staate eine Kontrollmöglichkeit geboten.Ueber
dieKriminal-Jurisdiktionbei Streitigkeiten zwischenTürken und Deutschen
finden wir in der Kapitulationvon
1761 kein Wort. Es liegt dieswohl
daran, daß nach türkischem Rechte ein Strafanspruchgenau
so wie ein Zivil-anspruch verfolgt wird, also eine besondere