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Seite 20:

Landtagspräsidium zu Gesprächen beim Grossen Rat des Kantons Bern Seite 12:

Vor 25 Jahren wurde die Sächsische Verfassung beschlossen

Seite 7:

Sachsens Europapolitik in Zeiten wegweisender Entscheidungen

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Dr. Matthias Rößler

Präsident des Sächsischen Landtags

P L E N U M 54. Sitzung des Sächsischen Landtags Dem Volk aufs Maul schauen

CDU und SPD: Luther heute –

Kennen und Leben christlicher Werte in unserer Zeit? ... 4 54. Sitzung des Sächsischen Landtags

Soziale Gerechtigkeit im Osten

DIE LINKE: Wie steht es um die Absicherung

von Selbstständigen in Sachsen? ...6 55. Sitzung des Sächsischen Landtags

Unser Herz schlägt für Europa

CDU und SPD: Sächsische Europapolitik in

Zeiten wegweisender Entscheidungen ... 7 Hintergrundinformation

zur sächsischen Europapolitik ...9 55. Sitzung des Sächsischen Landtags

Solarindustrie – in Freiberg vor dem Absturz?

GRÜNE: Jetzt Kompetenzen für Sachsens Zukunft sichern ... 10

A K T U E L L E S

»Unsere freiheitliche Verfassung mit Leben erfüllen«

Feierstunde zum 25. Jubiläum der

Sächsischen Verfassung am 10. Mai 2017 in Dresden ...12

S O N D E R T H E M A Verfassungsänderungen in Sachsen –

nur auf den ersten Blick ein Sonderfall ...14

J U G E N D Politik und Debatte wollen gelernt sein Jugendliche üben im Sächsischen Landtag

das parlamentarische Handwerk ...18

A K T U E L L E S In Freundschaft verbunden

Der Grosse Rat des Kantons Bern

und der Sächsische Landtag ...20

G E S C H I C H T E

»Mit Schriften und mit Zungen den Wagen aus dem Dreck zu ziehn«

Eine Fraktionsfeier im Jahre 1926 ... 22

S E R V I C E

Weitere Informationen ... 24

500 Jahre Reformation Soziale Gerechtigkeit Sächsische Europapolitik

Titelfoto: S. Giersch

Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger,

Sachsen ist in guter Verfassung, denn Sachsen hat eine gute Verfas- sung. Das kam jüngst bei dem Festakt anlässlich des 25. Jahrestags unserer Sächsischen Verfassung zum Ausdruck. Am 26. Mai 1992 vom Landtag mit großer Mehrheit beschlossen, steht unsere Verfas- sung für einen demokratischen Aufbruch in der friedlichen Revolu- tion 1989 sowie für ein freiheitliches und rechtsstaatliches Staats- verständnis, wie es das nie zuvor in unserer Landesgeschichte gab.

Sie sichert Grund- und Bürgerrechte, Rechtsstaatlichkeit, demokra- tische Institutionen und Verfahren, setzt zugleich aber Schranken, etwa indem sie keine Freiheit zur Beseitigung der Freiheit bietet.

Mit ihren spezifischen Pflichten und Staatszielen enthält sie zudem Leitlinien für nachhaltige und soziale Politik in Sachsen.

Die Verfassung ist das integrative Moment unserer Demokratie.

Darauf habe ich bei dem Festakt hingewiesen und zu ihrem verant- wortlichen Gebrauch aufgerufen. Denn uns allen obliegt es, aus der geschriebenen eine gelebte Verfassung zu machen. Das gelingt dann am besten, wenn wir unser Gemeinwesen gemäß ihren Ideen gestalten, ihre Regeln einhalten und ihre Werte hochhalten.

Nicht nur Ideen, die seit Jahrhunderten die abendländische Ver- fassungstradition prägen, finden sich in der Sächsischen Verfassung wieder, auch christlichen Werten ist sie verpflichtet – Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung. Sie sind aktueller denn je. Um das Kennen und Leben christlicher Werte in unserer Zeit drehte sich deshalb auch eine Aktuelle Debatte im Sächsischen Landtag, die ganz im Zeichen des 500. Reformationsjubiläums stand.

Für Politiker heißt der verantwortliche Gebrauch der Verfassung vor allem, verantwortlich mit der Verfassung selbst umzugehen und politische Herausforderungen anzugehen. Der Landtag hat beides in seinen letzten Sitzungen getan. So widmeten sich die Abgeordneten im Plenum der sozialen Absicherung von Selbstständigen ebenso, wie sie die sächsische Solarindustrie zum Gegenstand der Debatte machten. Vor allem aber bewiesen sie mit der Wahl der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes, welche höchste Bedeutung der Landtag der zentralen Schutzinstanz unserer Verfassung und damit der Verfassung selbst beimisst.

2 LANDTAGSKURIER Ausgabe 4˚2017 Ausgabe 4˚2017 LANDTAGSKURIER 3

// Unter dem Thema »Dem Volk aufs Maul schauen« wurde in der Aktuellen Stunde der 54. Sitzung des Landtags am 17. Mai 2017 über christliche Werte in unserer Zeit diskutiert. Außerdem debattierten die Abgeordneten über die soziale Absicherung von Selbstständigen in Sachsen. In der 55. Sitzung am 18. Mai 2017 stand die sächsische Europapolitik anlässlich der Europawoche auf der Tagesordnung. Und es wurde eine Aktuelle Debatte zur Krise der hiesigen Solarindustrie abgehalten. //

Foto: S. Giersch

P L E N U M E D I T O R I A L

Foto: S. Giersch

I N H A LT

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4 LANDTAGSKURIER Ausgabe 4˚2017 Ausgabe 4˚2017 LANDTAGSKURIER 5

P L E N U M P L E N U M

Dem Volk aufs Maul schauen

CDU und SPD: Luther heute – Kennen und Leben christlicher Werte in unserer Zeit?

// Der erste Beitrag zur Aktuellen Stunde der 54. Sitzung des

Landtags am 17. Mai 2017 befasste sich vor dem Hintergrund des Luther- bzw. Reformationsjubiläums mit dem Kennen und Leben christlicher Werte in unserer Zeit. CDU und SPD stellten sie unter dem Thema »Dem Volk aufs Maul schauen«

und nahmen damit einen Anspruch des Reformators und Bibelübersetzers auf. //

Uwe Nösner

Politiker, so Martin Modschiedler, CDU, sollten nicht über den Bür- ger, sondern mit den Bürgern reden, ihnen zuhören, sich in- formieren und aus dem, was sie sagten, Schlüsse für das politi- sche Handeln ziehen. Sie soll- ten dem Volk aber nicht einfach nach dem Munde reden und durch populistische Forderun- gen immer wieder ohne jeden Grund Ängste schüren und Feindbilder pflegen. Das sei ein Irrweg. Politiker müssten statt- dessen innerhalb des politischen

Gemeinwesens Zusammenhalt fördern und den demokratischen Staat mit seinen Freiheits- und Mitbestimmungsrechten wieder mehr in den Vordergrund stel- len. Das seien die in der christ- lichen Tradition stehenden Grundpfeiler der Gesellschaft.

Luther und die Reformation seien ein willkommener Anlass, sich auf diese christlichen Tra- ditionen und Werte zu besinnen.

Glaube und Politik stünden nicht isoliert voneinander.

Gegen Populisten

Nach Auffassung von Iris Raether-Lordieck, SPD, hätten Luthers Gedanken die mittel- alterliche Kirche in ihren Grund- festen erschüttert. Dieser Auf- bruch habe die Reformation und damit den Übergang vom Mittel- alter zur Neuzeit ausgelöst, die Gestalt der Kirche erneuert und die deutsche Kultur in den Wur- zeln geprägt. Sie schlug einen Bogen zum Thema Freiheit und verwies auf die Rolle der Kirche während der friedlichen Revo- lution. Kirche habe Orientie- rung gegeben. Heute würden wiederum zeitgemäße Orientie- rungsmodelle gebraucht. Die Menschen seien anfällig für Populisten, die vorgäben, dem Volk aufs Maul zu schauen, sie aber für ihre Zwecke instrumen-

talisierten. Hanka Kliese, eben- falls SPD, plädierte in diesem Zusammenhang nachdrücklich für eine bessere Debattenkultur.

Es gehe um eine Kultur der Ge- genrede, die den Gegner achte, aber eine klare Haltung beziehe und nicht aus Angst vor Popu- listen selbst populistisch werde.

Historische Leistung

Toleranz und Menschenrecht, so René Jalaß, DIE LINKE, hätten in der Geschichte zuerst und sehr häufig vor allem gegen das Christentum erkämpft und ver- teidigt werden müssen. Er brau- che keinen religiösen Unterbau für Frieden und Solidarität, we- der Kreuze in Klassenzimmern noch Konfession bei Sozialein- richtungen oder Jugendhilfeträ-

gern. Das sage er als Sozialar- beiter bei aller Achtung vor der historischen Leistung der Kirche im Sozialbereich. Es genüge vollkommen, ein säkulares Wer- te profil mit einer praktischen Vernunft zu verbinden. Seine Fraktionskollegin Sarah Budde- berg räumte die Wichtigkeit ei- ner Debatte um humanistische Werte ein, stellte aber die Un- termauerung der politischen Diskussion mit dem Wort Gottes infrage.

Neues Menschenbild

Dr. Kirsten Muster, AfD, bezeich- nete Luthers Menschenbild als neu. Es habe darin keine Rang- ordnung und keine Gesellschafts- schichten mehr gegeben. Luther habe eine Bildungsoffensive ge- startet. Alle Menschen sollten lesen lernen. Sie frage sich, was er wohl zum neuen Sächsi- schen Schulgesetz und seinem langen Entstehungsprozess

sagen würde, in dem die Kultus- ministerin Lehrer und Eltern aufgefordert habe, Gesetzes- änderungen vorzuschlagen, die 660 Änderungswünsche jedoch nicht umgesetzt habe. Was hät- te Luther zur inneren Sicherheit und der rapide an gestiegenen Kriminalität im CDU-regierten Sachsen gesagt? Auf jeden Fall, so die Politikerin, hätte er den Ministerpräsidenten ermahnt, ein guter Fürst zu sein, und Er- gebnisse eingefordert.

Frage der Interpretation

Franziska Schubert, GRÜNE, er- innerte daran, dass Luther in Be- zug auf die Gegenwart im Laufe der Geschichte immer wieder anders interpretiert worden sei, wenn man zum Beispiel an die Zeiten des Wilhelminismus oder des Nationalsozialismus denke.

Erich Honecker habe den Sozia- lismus als Vorsitzender des Martin-Luther-Komitees der DDR als die Vollendung des hu- manistischen Vermächtnisses

von Martin Luther verstanden.

Das spotte den realsozialisti- schen Auswüchsen, die heut- zutage unter anderem in der Gedenkstätte Bautzen II nach- zuvollziehen seien. So habe jede Zeit ihren eigenen Luther auf den Sockel gestellt. Sie halte es übrigens für bedenk- lich, wenn es sich Politik im säkularen Staat zur Aufgabe mache, christliche Werte zu postulieren. Staatsreligionen neigten dazu, politisch instru- mentalisiert zu werden.

Bekenntnis zu Grundwerten

Der heutige Wertekanon, so Brunhild Kurth, Staatsministerin für Kultus, abschließend, lasse sich aus den antiken Kardinal- tugenden wie Gerechtigkeit, Tapferkeit, Klugheit und Mäßi- gung und aus der christlichen Botschaft Glaube, Liebe und Hoffnung ableiten. Die Sächsi- sche Verfassung enthalte im Artikel 101 ein ganz klares Be- kenntnis zu den Grundwerten und Erziehungszielen. Auch im neuen Sächsischen Schulgesetz sei ein ganz klarer Bildungs- und Erziehungsauftrag formuliert.

Für sie, so die Ministerin, sei Bildung untrennbar mit christ- lichen Werten verbunden. Aber auch für die politische und ge- sellschaftliche Debatte sei ein Kennen und Leben christlicher Werte in unserer Zeit der richtige Kompass.

Die Sächsische Verfassung enthält im Artikel 101 ein ganz klares Bekenntnis zu den Grundwerten und Erziehungszielen.

// Brunhild Kurth

54. Sitzung des Sächsischen Landtags

// Martin Modschiedler // Iris Raether-Lordieck // René Jalaß // Dr. Kirsten Muster // Franziska Schubert

Fotos: S. Giersch

www.landtag.sachsen.de

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Foto: S. Giersch Fotos: R. Deutscher Foto: S. Giersch

6 LANDTAGSKURIER Ausgabe 4˚2017 Ausgabe 4˚2017 LANDTAGSKURIER 7

P L E N U M P L E N U M

Soziale Gerechtigkeit im Osten

Unser Herz schlägt für Europa

DIE LINKE: Wie steht es um die Absicherung von Selbstständigen in Sachsen?

CDU und SPD: Sächsische Europapolitik in Zeiten wegweisender Entscheidungen

//

Die 2. Aktuelle Debatte zur 54. Sitzung am 17. Mai 2017 wurde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE auf die Tagesordnung gesetzt. Sie stand unter dem Titel »So- ziale Gerechtigkeit im Osten – Wie steht es um die soziale Absicherung von Selbst-

ständigen in Sachsen?«. //

// In der 55. Sitzung am 18. Mai 2017 diskutierten die Abge-

ordneten auf Antrag der Fraktionen CDU und SPD über Euro- pa. Die Aktuelle Debatte stand unter dem Titel »Unser Herz schlägt für Europa – sächsische Europapolitik in Zeiten weg- weisender Entscheidungen«. Anlass war die Europawoche und der EU-Projekttag an den Schulen am 22. Mai 2017 in ganz Deutschland. Lesen Sie auch die Hintergrundinforma- tion auf Seite 9. //

Uwe Nösner

Uwe Nösner

Wie Louise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE, feststellte, reife zunehmend die Erkenntnis, dass Selbstständigkeit und Armut häufig zu- sammenhingen. Sie erinnerte an den Beitrag des ARD-Magazins »Plusminus«, der am 3. Mai 2017 unter dem Titel »Selbstständig in Armut« gesendet worden sei. Die Kran- kenkassen beklagten steigende Beitrags- schulden gerade bei den Selbstständigen.

Deshalb fordere ihre Fraktion, die Höhe des Beitrags nach dem tatsächlichen Einkom- men zu bemessen. Anschließend betonte Alexander Krauß, CDU, dass die Gesellschaft ohne die Selbstständigen als Leistungsträger nicht funktionieren würde. Trotzdem seien viele von ihnen im Alter auf die Grundsiche- rung angewiesen, weil keine Pflichtversi- cherung bestehe und keine Altersvorsorge getroffen worden sei. Heute sei es ein par- teienübergreifender Konsens, dass für alle Selbstständigen eine verpflichtende Alters- vorsorge gebraucht werde. Eine entspre- chende Regelung müsse vom Bundestag umgesetzt werden.

Zugang erleichtern

Jörg Vieweg, SPD, ging ebenfalls auf die Risikoabsicherung ein. Selbstständige brauchten einen erleichterten Zugang zur sozialversicherungspflichtigen Kranken- versicherung genauso wie zur Rentenver- sicherung und zur Arbeitslosenversicherung.

Auch wenn die Herausforderungen gleicher- maßen auf Ost und West zuträfen, müssten seitens des Landtags und der Staatsregie- rung insbesondere die sächsischen Interes- sen auf Bundesebene artikuliert werden.

Dem hielt Karin Wilke, AfD, entgegen, dass es sich bei Selbstständigen um die auf eigenen Füßen stehenden Akteure des Wirtschaftslebens handle. Deren soziale Absicherung sei also nicht Sache der Poli- tik. Sie liege in deren eigener Verantwor- tung. Dort sollte sie auch bleiben. In der Realität allerdings habe jeder zweite Kleinstunternehmer keine ausreichende Alters sicherung. Auch wenn dies Risiken berge, halte sie eine von der Bundesregie- rung geplante Zwangsversiche rung nicht für den richtigen Weg.

Systeme überholt

Volkmar Zschocke, GRÜNE, gab zu beden- ken, dass die Sicherungssysteme längst nicht mehr zu der gewandelten Arbeitswelt und den neuen Erwerbsbiografien passten.

Bei der Krankenversicherung zeige sich am deutlichsten, wie das überkommene Verständnis von Selbstständigkeit den Gesundheitsschutz bedrohen und zu unan- gemessen hohen Beiträgen führen könne.

Kleinen Selbstständigen werde ein Mindest- einkommen unterstellt, welches sie gar nicht erzielten. Abschließend bezeichnete Martin Dulig, Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, die Frage der sozialen Gerechtigkeit und Absicherung auch für Selbstständige als eine gesamtpolitische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich nicht in Ost und West unterteilen las- se. Das Problem der Altersarmut könne auf dem Wege zu einer Solidarrente gelöst werden. Diese Solidarrente müsse für ab- hängig Beschäftigte genauso gelten wie für Selbstständige, wenn sie ihr Leben lang gearbeitet hätten.

Wenn er an Europa denke, so Marko Schiemann, CDU, dann vermisse er die Leidenschaft in der Debatte. Gehe es doch heu- te um nichts Geringeres als um die Zukunft aller Europäer. Die Europäische Union sei Garant für Frieden. Freiheit und Demo- kratie seien nur durch Sicher- heit und mehr Gerechtigkeit in ganz Europa zu garantieren.

Die Europäische Union müsse Antworten auf die brennenden Fragen der Bürger finden. Nach Ansicht Schiemanns beginne Europa mit guter Nachbarschaft.

Die Partnerschaft mit der Tsche- chischen Republik und der Re- publik Polen müsse gepflegt

werde, dann sei das mit der Grundrechte-Charta, die Polen unterzeichnet habe, nicht ver- einbar. Wenn Polen, Ungarn und die Slowakei sich weiger- ten, Flüchtlinge aufzunehmen, dann stehe dies im Widerspruch sowohl zu Artikel 18 der Grund- rechte-Charta als auch zu deren und ausgebaut werden. Unsere

Länder seien in Geschichte und Kultur eng miteinander verbun- den. Der Freistaat Sachsen müsse außerdem stärker als Mittler für die Staaten der Vise- grád-Gruppe auftreten, zu de- nen auch die Slowakei und Un- garn zählten.

Soziale Schieflage

Harald Baumann-Hasske, SPD, sah die EU und ihre Rechtsord- nung stärker bedroht denn je.

Wenn in Polen die Unabhängig- keit der Justiz infrage stehe und die Pressefreiheit beschränkt

eigenen Verfassungen. Derartige Missachtungen des Rechts könnten auf Dauer nicht hin- genommen werden. An den Lösungen der Probleme müss- ten auch diejenigen mitwirken, die sich vom EU-Beitritt ledig- lich Fördermittel versprochen hätten. Europa sei aber noch 55. Sitzung des Sächsischen Landtags

54. Sitzung des Sächsischen Landtags

// Marko Schiemann // Harald Baumann-Hasske // Enrico Stange // André Barth // Dr. Claudia Maicher

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Hintergrundinformation zur sächsischen Europapolitik

Der Freistaat setzt Schwerpunkte in seiner Europapolitik, wobei Sachsen gemeinsam mit ande- ren europäischen Regionen die regionale Ebene in der EU stärken will. Europa lebt von kultureller Vielfalt und vom Wettbewerb der Regionen. Eine starke Stellung der Regionen ist ein Garant für Bürgernähe und eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz der EU.

Schwerpunktthemen

Forschung, Entwicklung und Innovation

• Erhaltung und Stärkung des Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsstandortes Sachsen in Europa

• Stärkung der Wettbewerbs- fähigkeit des Standortes Sachsen im globalen Wett- bewerb und Entwicklung Sachsens zu einer in Wissen- schaft und Wirtschaft führen- den europäischen Region Ausbau der digitalen Infrastrukturen und des digitalen Marktes

• Im Einklang mit den strategi- schen Zielen von »Sachsen Digital« Unterstützung der EU-Initiativen für einen digitalen Binnenmarkt für Europa

• Unterstützung der Bundes- regierung bei der Weiterent- wicklung der im Juni 2015 durch die Europäische Kommission genehmigten Rahmenregelungen des Bundes zur Förderung des Ausbaus von Hochgeschwin- digkeitsbreitbandnetzen EU-Förderung nach 2020

• Vorbereitung und Einwerbung einer bestmöglichen Mittel- aus stattung insbesondere der Europäischen Investitions- und Strukturfonds für Sach- sen für den Förderzeitraum

• Ausrichtung der Struktur- fondsförderung auf nachhal- tige und besonders wirksame Bereiche und Projekte, die den dann relevanten Entwick- lungsbedarfen für Sachsen entsprechen

EU-Migrationspolitik und Sicherung des Fachkräfte- bedarfs

• Gesteuerte Zuwanderung (europäische Strategie erforderlich)

• Nachhaltige Sicherung des Fachkräftebedarfs

Energie, Umwelt und Verkehr

• Einsatz für die Erhaltung der heimischen Braunkohle als Energieträger und als Roh- stoff für die (chemische) Industrie

• Fortsetzung der Bemühungen um die Verbesserung der Luftqualität

Um die Ziele der sächsischen Europapolitik zu erreichen, kann der Freistaat verschiedene Wege nutzen: über den Bundes- rat, die Europaministerkonfe- renz, die sächsischen Abgeord- neten im EU-Parlament, den Ausschuss der Regionen und das Verbindungsbüro des Frei- staates Sachsen in Brüssel.

Weitere Informationen:

www.europa.sachsen.de/

schwerpunktthemen

Quelle:

www.europa.sachsen.de/

positionen-saechsi- scher-europapolitik

55 . Sitzung des Sächsischen Landtags

// Sachsen und seine Bürger sind von vielen Entscheidungen über die Weiterentwicklung der

EU betroffen. Auch die Reformen einzelner Politikbereiche wie der Agrarpolitik oder der Regional- und Strukturpolitik haben spürbare Auswirkungen auf Sachsen. Deshalb ist es für den Freistaat wichtig, seiner Stimme im Diskussionsprozess um anstehende Reformen Gehör zu verschaffen und frühzeitig auf Entscheidungen Einfluss zu nehmen. //

Foto: S. Giersch

Fotos: R. Deutscher

8 LANDTAGSKURIER Ausgabe 4˚2017 Ausgabe 4˚2017 LANDTAGSKURIER 9

P L E N U M P L E N U M

Die europäische Idee braucht aber auch gegenwärtig ein hohes Maß an

Empathie.

// Dr. Fritz Jaeckel

55. Sitzung des Sächsischen Landtags zusätzlich bedroht durch eine

soziale Schieflage, die aus einer mangelnden oder ungleichen Wirtschaftsleistung der Mit- gliedsstaaten resultiere. Das sei für die betroffenen Staaten verheerend und bereite Rechts- populisten das Feld.

Für breitere Mitsprache

Enrico Stange, DIE LINKE, vertrat die Auffassung, dass in Sachsen ein über den Landtag hinaus- gehender Diskussionsprozess über Europa gebraucht werde.

Er müsse mit den Bürgerinnen und Bürgern und mit den Ver- bänden auf kommunaler Ebene geführt werden, um eine Willens- und Meinungsbildung und einen öffentlichen politischen Dialog über die weitere Gestaltung Europas herbeizuführen. Das Misstrauen gegenüber der EU resultiere aus dem Gefühl man- gelnder Beteiligung und Mit- sprache, wenn es um europa- politische Entscheidungen und deren Umsetzung gehe. Es gelte sich in allen Fragen zu positio- nieren, die die sächsische Be- völkerung aus der regionalen Perspektive heraus mit Blick auf Europa tatsächlich beweg- ten. Um diesen Prozess zu initi- ieren, schlage er Europa-Foren vor, um seitens des Landtags

und der Regierung mit den Bür- gerinnen und Bürgern über die sächsische Europapolitik ins Gespräch zu kommen.

Europa der Vaterländer

Auch das Herz seiner Fraktion, so André Barth, AfD, schlage für Europa, aber für ein Europa der Vaterländer. Die von CDU und SPD forcierte Entwicklung zu ei- nem zentralistischen EU-Super- staat, verbunden mit einer Aus- höhlung nationaler Rechte und einer gemeinsamen Haftungs- und Schuldenunion, sei zum Scheitern verurteilt. Der Euro habe sich als gefährliche Fehl- konstruktion erwiesen, der die wirtschaftlich schwachen Länder Südeuropas in Verarmung und Arbeitslosigkeit stürze und den deutschen Steuerzahlern und Sparern immer neue Lasten aufbürde. Es sei fragwürdig, wenn Sachsen in Brüssel nach Fördergeldern betteln müsse, da Deutschland als größter EU-Nettozahler bereits viele Milliarden an dieses Bürokratie- monster überweise. Zudem sei die EU durch den Wegfall der Ländergrenzen bei einer gleich- zeitig ungesicherten Außen- grenze für das europäische Asylchaos verantwortlich.

Zukunft Europa

Europa, so Dr. Claudia Maicher, GRÜNE, sei unsere Zukunft. Denn im Vergleich zu anderen Konti- nenten und Regionen habe Eu- ropa den Mehrwert von enger Zusammenarbeit verstanden und in den letzten Jahrzehnten deutlich gespürt. Sie sei fest davon überzeugt, dass eine Mehrheit in Europa dies genau- so sehe. Fast 80 Prozent der Deutschen wollten eine stärkere Zusammenarbeit auf bestimmten Politikfeldern. Das reiche vom Kampf gegen den Klimawandel bis hin zum Schutz der Presse- freiheit. Die europäischen Er- rungenschaften müssten vor Demagogen, Europafeinden und Nationalisten geschützt werden. Ihnen müsse der politi- sche Einsatz für die Stärkung der europäischen Demokratie und mehr Mitwirkungsrechte für die Bürgerinnen und Bürger an europäischen Entscheidun- gen entgegengestellt werden.

Europa als Einheit

Abschließend erinnerte Dr. Fritz Jaeckel, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegen- heiten, daran, dass im März dieses Jahres das 60-jährige Jubiläum der Römischen Verträge gefeiert und die Wertegemein- schaft der EU auch im Landtag behandelt worden sei. Damals sei ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ge- schaffen worden. Die europäi- sche Idee brauche aber auch gegenwärtig ein hohes Maß an Empathie. Diese Empathie müsse alle Regionen Europas und alle Bevölkerungsgruppen umfassen. Das gelte insbeson- dere für die Jugend lichen, die im Süden unserer europäischen Regionen unter hoher Arbeitslo- sigkeit litten und wo die EU mit Maßnahmen und Programmen Hilfe leiste. Er halte es für eben- so wichtig, heute dafür zu sor- gen, dass die Menschen Europa tatsächlich als Einheit empfinden könnten: mit seinen Regionen und Hauptstädten, seinen Men- schen und seiner Kultur. Dann sei ihm um Europa nicht bange.

(6)

Foto: S. Giersch

10 LANDTAGSKURIER Ausgabe 4˚2017

// BU

// BU

P L E N U M

// Anlässlich des 25. Jubiläums der Verabschiedung der Sächsischen Verfassung am 26. Mai 1992 lud Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler am 10. Mai 2017 zu einer feierlichen Veranstaltung in den Plenarsaal des Sächsischen Landtags. //

Feierstunde 25 Jahre Sächsische Verfassung

A K T U E L L E S

Solarindustrie –

in Freiberg vor dem Absturz?

GRÜNE: Jetzt Kompetenzen für Sachsens Zukunft sichern

// Nach dem Insolvenzantrag des Solarherstellers SolarWorld

am 12. Mai 2017 beantragte die Fraktion GRÜNE eine Aktuelle Debatte. Sie stand unter dem Titel »Solarindustrie: weltweit im Steigflug, in Freiberg vor dem Absturz?« am 18. Mai 2017 auf der Tagesordnung der 55. Sitzung des Sächsischen Land- tags. Am Produktionsstandort Freiberg – wo vorerst weiter produziert wird – sind rund 1 200 Mitarbeiter beschäftigt. //

Uwe Nösner

Bereits vor Monaten, so Dr. Gerd Lippold, GRÜNE, hätten die Krisenzeichen bei Solar- World deutlich an der Wand gestanden.

Spätestens dann wäre für den Wirtschafts- minister der richtige Zeitpunkt gewesen, sich in Diskussionen mit dem Management, mit Eigentümern und Partnern über Risiken und Chancen informieren zu lassen. Auf die- se Weise wäre nicht wie jetzt ein Autopsie- bericht anzufordern gewesen, sondern man hätte sich um eine Diagnose kümmern kön- nen, solange der Patient noch lebe. Der Freistaat, so Lars Rohwer, CDU, habe jetzt die Aufgabe, den Insolvenzverwalter, der schon mehrere Unternehmen erfolgreich aus der Insolvenz herausgeführt habe, zu begleiten.

Das könne eine zielgerichtete Förderung mit Landesmitteln durchaus einschließen. Ge- nerell sei man allerdings gut beraten, die Kriterien des Marktes wirken zu lassen. Es müsse gelingen, mit den erneuerbaren Energien und der Produktion von Anlagen in diesem Bereich konkurrenzfähig am Markt zu bestehen.

Alleinstellungsmerkmal

Der Hersteller SolarWorld, so Dr. Jana Pinka, DIE LINKE, sei ein Unternehmen, das die gesamte Wertschöpfungskette entlang der Modulproduktion bis zum Recycling, zur Forschung und zum Vertrieb in Freiberg aus- führe. Das sei und bleibe ein Alleinstel- lungsmerkmal in Sachsen, wo ansonsten verlängerte Werkbänke vorherrschten. Daher müsse alles getan werden, diese Innovation in Freiberg zu erhalten. In erster Linie, so auch Henning Homann, SPD, gehe es jetzt um die persönliche Perspektive der Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer sowie deren Familien. Die Schuldfrage im Zusammenhang mit der Insolvenz sollte nicht im Mittelpunkt der Debatte stehen. Ziel müsse es sein, so viele Arbeitsplätze wie möglich in Freiberg zu erhalten. Es sei Aufgabe des Insolvenz- verwalters, gemeinsam mit den betroffenen Beschäftigten einen Plan für die Zukunft des Unternehmens zu entwickeln.

Paradebeispiel

Nach Auffassung von Jörg Urban, AfD, stehe SolarWorld als Paradebeispiel für eine Bran- che, der es nur durch massive Subventionen gelungen sei, sich über Wasser zu halten.

Fotovoltaik sei noch nie ein wirtschaftliches Produkt gewesen. Ohne die indirekte Finan- zierung durch eine Umlage auf Basis des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hätte es ei- nen größeren Bedarf nach ihr nie gegeben.

Nun platze mit der Insolvenz von SolarWorld eine der letzten großen Blasen der Sonnen- strom-Politik.

Abschließend warnte Wirtschaftsminister Martin Dulig vor politischem Aktionismus.

Es dürfe keine parteipolitische Profilierung auf dem Rücken der Beschäftigten geben. Er räumte ein, dass ihn der Insolvenzantrag kalt erwischt habe. Bis zuletzt seien Restruktu- rierungspläne begleitet worden. Allerdings könne Insolvenz auch eine Chance bilden.

Jedenfalls werde der Freistaat Sachsen eine für die Zukunft tragfähige Lösung tatkräftig unterstützen.

55. Sitzung des Sächsischen Landtags

Foto: S. Giersch

LANDTAGSKURIER

Ausgabe 4˚2017 11

(7)

12 Ausgabe 4˚2017 LANDTAGSKURIER 13

A K T U E L L E S A K T U E L L E S

»Unsere freiheitliche Verfassung mit Leben erfüllen«

Feierstunde zum 25. Jubiläum der Sächsischen Verfassung am 10. Mai 2017 in Dresden

25

// Am 26. Mai 1992 verabschiedete der Sächsische Landtag als

erstes der ostdeutschen Parlamente eine Landesverfassung.

Über zwei Jahre intensiver Diskussionen und Beratungen lagen hinter den Abgeordneten, als sie mit einer Mehrheit von 87,4 Prozent das Verfassungswerk beschlossen. Der Land- tag würdigte das 25. Jubiläum der Sächsischen Verfassung mit einer feierlichen Veranstaltung im Plenarsaal. //

Dr. Thomas Schubert

Rechnung trügen. Im Falle der Sächsischen Verfassung von 1992 sei dies »geradezu beispielhaft« gegeben, hätten doch die Leitideen von Freiheit und Gleichheit, von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, von Menschenwürde, die in der friedlichen Revolution so wichtig gewesen seien, die Verfassungsgebung geprägt. Die Sächsische Verfassung atme zudem »den Geist europäischer Kultur- und Ver- fassungsgeschichte«. Der Verfassungsgeber habe diese Traditions- linien bewusst wieder aufgenommen, sie mit den gesellschaftlichen Grundüberzeugungen der Zeit verbunden und meisterhaft in ein

»eigenständiges landesverfassungsrechtliches Profil« gewandelt.

»die neu gewonnene politische Freiheit zu nutzen, um auch soziale, kulturelle und ökologische Ziele zu verwirk lichen«, dies alles mache die Sächsische Verfassung zu »etwas Besonderem«. Generationen von jungen Menschen im Osten Deutschlands und Europas konnten nicht die Grundrechte einer freiheitlichen Verfassung in Anspruch nehmen. Entsprechend bedeutsam sei es, den Nachgeborenen auf- zuzeigen, dass Freiheit und Demokratie »immer wieder aufs Neue bewahrt und verteidigt werden« müssten.

In seiner Eröffnungsansprache erinnerte Sachsens Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler an das historische Datum, an dem der Sächsi- sche Landtag als verfassungsgebende Versammlung das Funda- ment für »das Zusammenleben in einem der Demokratie und dem Recht verpflichteten Freistaat« beschloss. Viele Bürgerinnen und Bürger hätten an der Sächsischen Verfassung ihren Anteil, ange- fangen bei den Menschen, die 1989 gegen die DDR-Diktatur auf- standen, über jene, welche die Verfassung ausarbeiteten und in Kraft setzten, bis hin zu all denen, »die jeden Tag unsere Verfassung verantwortungsvoll leben«. Die Verfassung, so der Landtagspräsi- dent, sei ein »integratives Moment der Demokratie«. Ihre Werte müssten von allen Bürgerinnen und Bürgern gelebt, ihre Freiheits- rechte klug gebraucht werden, solle die Demokratie gelingen. In diesem Kontext wies er auf »die begrenzende Rolle der Verfassung«

hin. Sie schütze nicht nur die Demokratie vor ungezügelter Herr- schaft, sie sorge auch dafür, dass Freiheitsrechte Schranken hätten

Freiheit und Demokratie sind nicht selbstverständlich

Als »Ausweise der Eigenstaatlichkeit« bezeichnete Birgit Munz, die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes, die Landesverfassungen.

Sie förderten »das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein der Menschen als Bürger ihres Landes«. Auch die Sächsische Ver- fassung habe sich »als solides Fundament für den Freistaat und das Zusammenleben seiner Bürger erwiesen«. Jedoch, gab Munz zu be- denken, existiere in Teilen der Bürgerschaft »ein grundsätzliches Miss- trauen sowohl gegen den Staat und seine Institutionen als auch gegen den gesellschaftlichen Konsens von Freiheit und Pluralismus«.

Nähmen solche Einstellungen überhand, gefährde dies die Demo- kratie. »Notwendiger denn je« sei es deshalb, »für die Werte dieser Verfassung und für ihre Akzeptanz bei den Menschen zu werben«.

Verfassung als sichtbare und erlebbare Verankerung vor Ort

Die Festrede hielt Prof. Dr. Arndt Uhle. Der Staatsrechtslehrer von der TU Dresden hatte seinen Vortrag mit »Entstehen und Gelingen einer freiheitlichen Verfassung« überschrieben. Freiheitliche Ver- fassungen entstünden nur, so Uhle, wenn sie »in den historisch ge- wachsenen Überzeugungen einer Gesellschaft« gründeten und den

»mehrheitlich geteilten Anschauungen und Verhaltensweisen«

Rückkehr zur europäischen Geistes- und Verfassungstradition

Eine solche »Anknüpfung des Verfassungsgebers an Bestehendes«

entscheide mit darüber, ob die Verfassung lebensfähig sei. Vor allem aber seien es gegenwarts- und zukunftsbezogene Aspekte, die das Gelingen einer Verfassung beeinflussten, so Uhle. »Denn um lebendig zu sein, genügt es nicht, dass eine Verfassung einmal in Kraft ge- setzt worden ist. Vielmehr wird sie auf Dauer nur mit Leben erfüllt, wenn sie von den Bürgerinnen und Bürgern in Freiheit angenommen wird.« Eine zentrale »Gelingensbedingung« sei dabei die erleb- und nachvollziehbare »Erfüllung der dem Staat obliegenden Pflichten«, eine andere die Annahme der »verfassungsrechtlich verbürgten Freiheitsangebote« durch die Bürgerinnen und Bürger. Hier schloss der Festredner den Kreis zu den einleitenden Worten des Landtags- präsidenten, indem er ausführte, wie wichtig eine Kultur ist, die ei- ne »dem Gemeinwohl dienende Freiheitsausübung anstößt«. Ohne diese Kultur, ob nun bei Berufs-, Eigentums-, Kunst- oder Meinungs- freiheit, könne eine freiheitliche Verfassungsordnung auf Dauer nicht gelingen und das sächsische Gemeinwesen nicht gedeihen.

Die Redebeiträge der Feierstunde erscheinen als Heft im Rahmen der FESTAKT-Reihe für Sie zum Nachlesen.

und stets mit anderen Grundrechten abzuwägen seien. So ende etwa die Meinungsfreiheit dort, »wo gegen Menschen gehetzt und aufge- hetzt« werde. Denn mit Freiheiten sei es wie mit der Verfassung: Ihr Wert entstünde erst durch ihren verantwortungsvollen Gebrauch.

Verfassung als integratives Moment der Demokratie

Sebastian Gemkow, Staatsminister der Justiz, erinnerte an die »Zeit des Aufbruchs und des Neubeginns« 1989/90. Die damals geäußer- ten Werte und Ideen hätten die Sächsische Verfassung geprägt.

Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte, Demokratie und die Möglichkeit,

// Festredner Prof. Dr. Arndt Uhle // Fotos: S. Giersch // Dr. Matthias Rößler // Sebastian Gemkow // Birgit Munz

(8)

// Der Sächsische Landtag beschließt am 11. Juli 2013 mit großer Mehrheit die erste Änderung der Sächsischen Verfassung //

Foto: R. Deutscher

14 LANDTAGSKURIER Ausgabe 4˚2017 Ausgabe 4˚2017 LANDTAGSKURIER 15

S O N D E R T H E M A S O N D E R T H E M A

Verfassungsänderungen in Sachsen – nur auf den

ersten Blick ein Sonderfall

// Der Landtagskurier legt 2017

das Sonderthema »25 Jahre Sächsische Verfassung« auf, in dem aus verschiedenen Perspektiven das Verhältnis von Verfassung und Demo- kratie beleuchtet wird. Bei- träge zur Verfassungsgebung und -funk tion oder zum Wan- del der Verfassung in Sach- sen und in den ostdeutschen Ländern finden hier ebenso Platz wie Texte zur Rolle der deutschen Landesverfassun- gen in Europa. //

Prof. Dr. Astrid Lorenz

Ein wichtiger Grund dafür, wa- rum Menschen sich auf Regel- bindungen einlassen, ist die Aussicht darauf, diese bei Bedarf ändern zu können.

Vieles ist seit der Verabschie- dung der sächsischen Verfas- sung vor 25 Jahren geschehen.

Wie steht es also um Verfas- sungsänderungen?1

Verfassungs- änderungen als demokratischer Alltag

Obwohl Verfassungen für sich ewige Gültig- keit beanspruchen und oft nur durch qua- lifizierte Mehrheiten geändert werden kön-

nen, gehören Verfassungsände- rungen in Demokratien zum All- tag, besonders in Föderalstaaten mit vielen Parteien im Parla- ment. So wird das Grundgesetz im Durchschnitt jedes Jahr mo- difiziert – trotz der nötigen Zweidrittelmehrheiten im Bun- destag und im Bundesrat. Da- nach folgen zentral organisierte Staaten, während Föderal- staaten mit Zweiparteienstruk- tur im Bundesparlament selten ihre Verfassung ändern. Auch

1 Zum Nachlesen: Astrid Lorenz: Politische Institutionen: Die ostdeutschen Landes- verfassungen als dynamische Integrations- stifter, in: Dies. (Hrsg.): Ostdeutschland und die Sozialwissenschaften, Leverkusen 2011, S. 75–98; Werner Reutter: Sächsi- sche Verfassungspolitik, in: Jahrbuch des Föderalismus 2014, Baden-Baden 2014, S. 255–268.

Änderungshäufigkeit und -intensität der ostdeutschen Landesverfassungen im Vergleich

Brandenburg Sachsen-Anhalt

Sachsen Mecklenburg-Vorpommern

1994106 45,8 65,7

1992122 125 32,5 1992101

212,5 1413,9

1992117 83,1 1916,2 199480

54,6 1316,3

Thüringen

Stand: 13. März 2017

unterhalb der nationalen Ebene finden häufig Verfassungsände- rungen statt – in den alten Bundesländern seit der deut- schen Einheit durchschnittlich alle 3,2 Jahre. Mit den Verfas- sungsänderungen reagieren die politischen Akteure folglich auf veränderte Rahmenbedin- gungen und gesellschaftliche Erwartungen oder korrigieren Fehler.

Auffallend wenig

Verfassungsänderungen in Sachsen

Bei genauerer Betrachtung gibt es auch innerhalb der genannten Gruppen gewisse Unterschiede.

Das zeigt sich beispielsweise bei den ostdeutschen Ländern, die alle dasselbe Änderungsver- fahren – die Annahme mit zwei Dritteln der Abgeordne ten – vor sehen (teils neben direkt- demokratischen Varianten).

In Brandenburg wurde die Ver- fassung sehr häufig geändert.

Mit deutlichem Abstand folgen Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sieht heute mittlerweile beinahe ein Fünftel der Artikel nicht mehr so aus wie einst bei der Verabschiedung.

In Sachsen wurde die Verfassung

Jahr des Inkrafttretens Artikel bei Inkrafttreten

mit einem Änderungsgesetz und drei geänderten Artikeln am wenigsten angetastet.

Parlament und Finanzen als typische Themen

Zwar zielten einige Verfassungs - änderungen in den neuen Ländern auf Staatsziele: In Sachsen-Anhalt wurden Kinder- rechte, in Mecklenburg-Vor- pommern u. a. der Schutz älterer Menschen, von Menschen mit Behinderung und von Minder- jährigen festgeschrieben. Die meisten Änderungen betrafen aber die Wahl des Parlaments, seine Funktionen und seine in-

terne Organisation. So wurde in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt die Legislatur- periode auf fünf Jahre verlängert.

In Brandenburg ging es um die Wahl des Ministerpräsidenten bei einer gescheiterten Vertrau- ensfrage, um die Rekrutierung, Wiederwahl und Altersgrenzen von Verfassungsrichtern, um die Integration mit Berlin oder die Wahl des Datenschutzbe- auftragten. In Sachsen-Anhalt wurden die Wahlfunktionen des Landtags und seines Präsi- denten erweitert sowie das Fraktionsquorum und die Immunität der Abgeordneten neu geregelt. In Mecklenburg- Vorpommern kamen Regelungen

zum EU-Ausschuss des Parla- ments hinzu und der Thüringer Landtag korrigierte die Diäten- regelung, da die Berechnungs- grundlage zu unerwarteten Effekten geführt hatte. Auch die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen und die Einführung einer Schulden- bremse waren in drei von fünf Ländern Thema: in Mecklen- burg-Vorpommern, Branden- burg und Sachsen.

Beteiligungsrechte als weiterer Dauerbrenner

Darüber hinaus senkten alle ostdeutschen Länder außer Sachsen die Quoren der direkt- demokratischen Verfahren (Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid), Sachsen- Anhalt und Brandenburg sogar mehrfach. Die nach 1990 einge- führten Hürden für die Nutzung plebiszitärer Elemente wurden in der Praxis oft als zu hoch in- terpretiert – gerade im Kontext schrumpfender Bevölkerungs- zahlen. Besonders die Vorgabe absoluter Zahlen an nötigen Unterstützern führte angesichts des demografischen Wandels

www.landtag.sachsen.de

Anzahl der Änderungsgesetze Alle … Jahre eine Änderung

Anzahl geänderter Artikel gesamt * Anteil geänderter Artikel in Prozent

* inklusive Ergänzungen; Mehrfachänderungen desselben Artikels sind nur einmal erfasst

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// Ausfertigung der Verfassungsänderung durch Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler und Ministerpräsident Stanislaw Tillich //

Foto: S. Giersch

16 LANDTAGSKURIER Ausgabe 4˚2017

// BU

// BU

S O N D E R T H E M A

17

// Jedes Jahr finden im Sächsischen Landtag zahlreiche Veranstaltungen für Schülerinnen und Schüler statt. Hier haben sie die Möglichkeit, die Arbeit des Parlaments näher kennenzulernen, ihre rhetorischen und politischen Talente zu präsentieren oder sich mit aktuellen politischen Fragestellungen zu beschäftigen. //

Veranstaltungen für Jugendliche im Sächsischen Landtag

J U G E N D

Prof. Dr. Astrid Lorenz

Prof. Dr. Astrid Lorenz, geboren 1975 in Rostock, studierte an der Freien Universität Berlin Politikwissenschaft und Osteuropastudien.

Für ihre Habilitationsschrift mit dem Titel »Verfassungsänderungen in etablierten Demokratien. Motivlagen und Aushandlungsmuster«

erhielt sie 2009 den Wissenschaftspreis der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft. Seit 2011 ist sie Professorin für das Politische System der Bundesrepublik Deutschland/Politik in Europa an der Universität Leipzig. Zudem ist sie Vorsitzende des Sächsi- schen Kompetenzzentrums Landes- und Kommunalpolitik e. V.

de facto zu einer Verschärfung der Auflagen. In Brandenburg wurde außerdem per Verfas- sungsänderung das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre gesenkt.

Das Land folgte damit einem Trend in SPD-regierten Ländern.

Ähnlichkeiten Sachsens beim Initiativverhalten

Initiativen für Verfassungsände- rungen kommen typischerweise aus dem Parlament und dort von Oppositionsfraktionen.

In dieser Hinsicht ist Sachsen kein Sonderfall. Von den 29 bis Ende 2013 eingebrachten Vor- schlägen stammten 18 von der PDS/Die Linke, drei von Bünd- nis 90/Die Grünen und drei von der NPD; einer erging via Volks- antrag. Hinzu kamen zwei Initi- ativen von der FDP und eine von der SPD – wohlgemerkt in Zeiten, als diese nicht mitre- gierten. Die angesprochenen Themen entsprachen jeweils deutlich dem Aktivitätsprofil

der jeweiligen Partei auch in anderen Ländern. Ebenfalls typisch ist, dass die einzige interfraktionell eingebrachte Initiative (von CDU, SPD, FDP und Grünen) tatsächlich ange- nommen wurde.

Ähnlichkeiten

auch bei den Inhalten

Ebenso entspricht der Inhalt dieser im Juli 2013 im Freistaat Sachsen beschlossenen Verfas- sungsänderung durchaus dem Muster der anderen Länder.

Sie schrieb eine Schuldenbrem- se fest, verbunden mit der Ver- pflichtung des Staates, den sozialen Ausgleich bei der Auf- stellung und Ausführung des Haushaltsplans zu berücksichti- gen sowie den Kommunen die notwendigen Mittel für die Auf- gabenerfüllung bereitzustellen.

Anlass war die Einfügung der Schuldenbremse ins Grundge- setz. Da sie auf die Länder durch- griff, war eine Änderung der Landesverfassung nicht not-

wendig; andere Länder verzich- teten darauf. Die Kombination aus Schuldenbremse, sozialem Ausgleich und ausreichenden Kommunalfinanzen sollte aber offensichtlich den landespoliti- schen Konsens zur Ausgestal- tung der Politik unterstreichen.

Das Konnexitätsprinzip war im Grundgesetz schon 1998 gestärkt worden. Auch diese eigenstän- dige Reaktion der Landesverfas- sungspolitik auf Bundes trends ist nicht untypisch.

Indes waren manche Verfas- sungsänderungen anderer Län- der in Sachsen schlicht nicht nötig, weil die Entscheidungen schon bei der Verfassungsge- bung getroffen worden waren (etwa für eine fünfjährige Legis- laturperiode für das Parlament) oder ein Wandel unterhalb der Verfassungsebene vollzogen werden konnte. Auffällig ist daher insgesamt vor allem, dass die hohen Hürden für die Direktdemokratie nicht gesenkt wurden.

Künftiger

Diskussionsbedarf

Wie sich zeigt, weicht Sachsen nur in Sachen Häufigkeit der Verfassungsänderungen und der Direktdemokratie stark von den anderen Ländern ab. Das Initiativ- und Annahmeverhal- ten und die Themen ähneln hin- gegen den anderen Ländern.

Dies kann als Zeichen eines le- bendigen Föderalismus gewertet werden, der nicht zu einer uni- formen »Normalität« führt, sondern Spielräume für indivi- duelle Landespolitiken lässt.

Grundsätzlich ist zu überle- gen, ob 25 Jahre nach der Ver- abschiedung der Sächsischen Verfassung von einer Debatte über die Ausgestaltung unserer Demokratie ein positives Signal ausgehen könnte. Im Landtag ist eine neue Generation Abge- ordneter vertreten, die die Verfassung nicht selbst mitge- staltete und die ihre eigenen Vor stellungen von einer guten parlamentarischen Demokratie hat. In der Gesellschaft wachsen neue Ideen und manche propa- gieren anscheinend einfache Lösungen für komplexe Proble- me. Der Bruch zwischen den Le- bensbedingungen und Bedürf- nissen der Stadtbevölkerung und denen der Menschen in ländlichen Kommunen wächst.

Eine Verfassungsdebatte im Parlament könnte diese Stim- mungen aufgreifen – verant- wortlich und komplexitätsange- messen. Sie würde bewusst machen, was geteilte Werte und Erwartungen sind und wie der Interessenausgleich weiter gelingen kann.

Foto: T. Schlorke

LANDTAGSKURIER Ausgabe 4˚2017

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18 LANDTAGSKURIER Ausgabe 4˚2017 Ausgabe 4˚2017 LANDTAGSKURIER 19 J U G E N D

// Im Sächsischen Landtag finden jedes Jahr

Veranstaltungen statt, in denen die Jugend im Mittelpunkt steht. Sie bieten den Schülerin- nen und Schülern die Möglichkeit, nicht nur ihre Talente vorzustellen, sondern auch ihr Landesparlament näher kennenzulernen. //

Hans Leonhardt

Der Sächsische Landtag ist ein Ort, an dem Demokratie greifbar wird. Hier entscheiden die Ab- geordneten u. a. über Gesetze und Maßnahmen, die das Zu- sammenleben der Menschen im Freistaat regeln. Gleichzeitig ist er auch ein Ort, an dem Demo- kratie geübt werden kann. Denn natürlich ist unser freiheitliches System kein Selbstläufer. Es lebt von Diskussionen über gesellschaftliche Themen und davon, dass Kompromisse ge- funden werden. Dazu gehört al- lerdings auch, dass man sich mit relevanten Themen be- schäftigt und Interesse für Poli- tik zeigt. Hier gilt es anzusetzen und vor allem Jugendliche und junge Erwachsene einzubinden.

Mit Abgeordneten ins Gespräch kommen

Ganz wichtig bei alldem sind natürlich Gespräche mit Politi- kern. Sie helfen herauszufinden, wie bestimmte Entscheidungen zustande kommen und wie viel Arbeit Politik eigentlich macht.

Deshalb gab es beim »Europäi- schen Jugendforum« im An- schluss an die interessanten Diskussionen im Plenum auch die Möglichkeit, mit Landtags- und Europaabgeordneten ins Gespräch zu kommen. Dabei wurden unterschiedliche Sicht- weisen ausgetauscht, denn als Außenstehender hat man doch häufig einen ganz anderen Blick- winkel auf den Politikbetrieb.

Natürlich kann man als Jugend licher auch außerhalb solcher Veranstaltungen mit Abgeordneten des Sächsischen Landtags ins Gespräch kom- men. Im Anschluss an Führun- gen durch das Gebäude besteht häufig die Möglichkeit, Abge- ordnete mit Fragen zu löchern.

ständig fanden sich neue Lücken in den geplanten Vorhaben. Auch Finanzierungsfragen blieben nicht unberücksichtigt, wobei allerdings in der Kürze der Zeit nicht alle Aspekte vollständig beleuchtet werden konnten.

Diskussion und Rhetorik beim Jugend-Redeforum

Im Sächsischen Landtag ge- schieht so etwas jedes Jahr:

beim »Jugend-Redeforum«.

Dabei debattieren Schüler aus ganz Mitteldeutschland über Themen, die sie erst unmittel- bar vor Beginn erfahren. Bear- beitet werden dann die unter- schiedlichsten Sachgebiete – von Bildung über Sicherheit bis hin zu kulturellen Fragen.

Für viele ist dieser Wettbewerb Motivation und Ansporn, sich künftig intensiver mit gesell- schaftlichen Fragen auseinan- derzusetzen. Und genau das

Politik und

Debatte wollen gelernt sein

Jugendliche üben im Sächsischen Landtag das parlamentarische Handwerk

Veranstaltungen des Landtags für Jugendliche

• Jugend-Redeforum am 4.11.2017

• Jugendgeschichtstage am 23./24.11.2017

• Planspiele

• Landtagsbesuche

Und man kann selbst in die Rolle des Abgeordneten schlüp- fen. So werden im Landtag regelmäßig Rollenspiele veran- staltet, bei denen Schüler als Politiker zweier Landtagsfrak- tionen versuchen, Gesetze zu verabschieden. Hier zeigt sich ganz oft, dass das ständige Rin- gen um politische Kompromisse gar nicht so einfach ist. Zudem wird im Plenarsaal diskutiert, sodass die Jugendlichen einen authentischen Einblick in die Arbeit der Abgeordneten er- halten. All diese Möglichkeiten zeigen, dass im Sächsischen Landtag vieles getan wird, da- mit auch junge Menschen ihr Interesse für Politik entdecken.

Denn Politik geht alle etwas an – Jung und Alt.

Keine normale Sitzung

Der Plenarsaal war gut gefüllt, aufmerksam blickten die An- wesenden zum Rednerpult.

Spätestens dort fiel auf, dass hier keine normale Sitzung des Sächsischen Landtags statt- fand. Denn gleich zwei Redner standen an den Mikrofonen und präsentierten Vorschläge zum Schutz der Umwelt. Doch es waren nicht Abgeordnete, son- dern Schüler, die sich hier am 24. März zum »Europäischen Jugendforum« des Informati- onsbüros des Europäischen Parlaments versammelt hatten.

Vier sächsische Schulen nah- men an dieser Veranstaltung teil, in der es darum ging, drei

braucht unsere heutige Gesell- schaft: junge Menschen mit dem Willen und den Voraussetzun- gen dafür, etwas zu verändern.

Ähnlich läuft es beim Wett- bewerb »Jugend debattiert«, den das Kultusministerium zusammen mit dem Landtag veranstaltet. Das Landesfinale, das am 22. März im Plenar - saal stattfand, bot Debatten auf höchstem Niveau. Andrea Dombois, Vizepräsidentin des Sächsischen Landtags, begrüß- te die Jugendlichen und betonte die Wichtigkeit politischer Dis- kussionen, vor allem im Wahl- jahr 2017. Die Kultur des De- battierens müsse dabei immer erhalten bleiben, egal, wie ge- gensätzlich die Positionen auch seien. Keine selbstverständli- che Forderung in Zeiten von Hate Speech und Co. Doch lösten die insgesamt acht Fina- listen, jeweils vier aus den Sekundarstufen 1 und 2, diese Aufgabe mit Bravour. Zu vorge- gebenen Themen gab es je zwei Redner für die Pro- und die Contra-Seite. Jede Seite brachte gute Argumente vor, ging aller- dings auch auf die Gegenseite ein. So entstand eine Debatte, die sowohl fachlich als auch sprachlich beeindruckte und für die Zuschauer Stoff zum Nach- denken bot. Kultusministerin Brunhild Kurth lobte die Teil- nehmer und stellte fest, dass das politische Interesse der Jugend wieder zugenommen habe. Dies sei auch ein Ver- dienst des Landtags, der politische Bildung vermittle.

europäische Problemfelder zu bearbeiten. Vom digitalen Binnenmarkt über den nach- haltigen Umweltschutz bis hin zur Lebensmittelsicherheit erstreckten sich die Themen.

Wie im tatsächlichen Parla- mentsbetrieb wurden drei Aus- schüsse gebildet, in denen die Schüler konkrete Vorhaben

erarbeiteten. Dabei handelte es sich vor allem um den Nutzen und die Umsetzbarkeit der Maßnah- men, denn schließlich warteten später im Plenum die kritischen Mitschüler. Es galt also, über- zeugend zu argumentieren und Kritikpunkte zu entkräften. Da- zu wurde in den Ausschüssen bereits kräftig diskutiert, denn

Schülerkalender 2017/2018

• am Schuljahr von Sachsen ausgerichteter Kalender und Schuljahresplaner für Schülerinnen und Schüler

• enthält Erklärungen parlamen- tarischer Begriffe und weitere Informationen über den Sächsischen Landtag

• Vorbestellung möglich

• vorerst nur für Schülerinnen und Schüler sowie Institutionen aus Sachsen

• lieferbar ab Juni 2017 Fotos: S. Füssel

Grafik: ©Designed by Freepik

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// Stadt Thun im Berner Oberland // Foto: djama - fotolia.com // Gespräch zum Thema »Integration« im Haus der Kantone Bern // Fotos: SLT/I. Klatte

// Besuch im KWO Grimselstrom

// Besuch bei der Rychiger AG

20 LANDTAGSKURIER Ausgabe 4˚2017 Ausgabe 4˚2017 LANDTAGSKURIER 21

A K T U E L L E S A K T U E L L E S

In Freundschaft verbunden

Der Grosse Rat des Kantons Bern und der Sächsische Landtag

// Seit 1996 besteht zwischen den Parlamenten des Kantons Bern in der Schweiz und des

Freistaates Sachsen eine Partnerschaft. Höhepunkte der Zusammenarbeit sind die alle zwei Jahre stattfindenden Delegationsbesuche, bei denen neben fachthematischen Gesprächen auch der sogenannte »Blick über den Tellerrand« der eigenen politischen Arbeit einen we- sentlichen Bestandteil bildet. Unvergesslich ist aber auch die ganz konkrete Hilfe, die vonsei- ten der Berner dem Freistaat zuteilwurde. So überbrachte im Jahr 2010 der damalige Gross- ratspräsident Gerhard Fischer den Sachsen einen Scheck in Höhe von 100 000 Schweizer Franken für die Opfer der damaligen Hochwasserkatastrophe. //

Ivo Klatte

Vom 1. bis 4. Mai 2017 weilte auf Einladung der Berner Kollegen wiederum eine zehnköpfige De- legation, bestehend aus Abge- ordneten aller Fraktionen, unter Leitung von Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler im Kanton Bern. Regionaler Gastgeber war die Stadt Thun im Berner Oberland, deren Stadtpräsi - dent Raphael Lanz die Gäste aus Sachsen im Rahmen eines Empfangs herzlich willkommen hieß.

»Energiestrategie 2050«

Inhaltlich startete das Besuchs- programm mit einem »Themen- tag Energie«. Dabei stellte das Mitglied des Schweizer Ständerates (Zweite Kammer des Schweizer Nationalparla- ments) Werner Luginbühl den sächsischen Abgeordneten die Schweizer Energiepolitik vor.

Kernstück dieser Politik ist die

»Energiestrategie 2050«, mit der die von der Schweiz im Rahmen des internationalen

Klimaabkommens übernom- menen Verpflichtungen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes erreicht werden sollen. Ein wei- terer wichtiger Faktor ist der vom Schweizer Bundesrat und Bundesparlament beschlossene schrittweise Ausstieg aus der Atomenergie. Zur Erreichung der ehrgeizigen Ziele setzt die Schweiz auf die Steigerung der Energieeffizienz sowie die ver- stärkte Nutzung der erneuer- baren Energien. In einer ersten Etappe sollen bis 2035 der Energieverbrauch pro Kopf um 43 Prozent und der Stromver- brauch um 13 Prozent gesenkt werden. Ein zentrales Problem der Schweizer Energiewirtschaft stellt derzeit die Tatsache dar, dass der aus dem Ausland importierte Strom aus Atom- kraftwerken und fossilen Brenn- stoffen billiger ist als der ein- heimische aus erneuerbaren Energien erzeugte. Damit kolli- diert der politisch gewollte Aus- bau der Nutzung umweltfreund- licher Energiequellen mit dem Anspruch der Schweiz auf eine Unabhängigkeit vom internatio- nalen Strommarkt sowie den ökonomischen Rahmenbedin- gungen.

Die Stromerzeugung in der Schweiz fußt derzeit zu 36 Pro- zent auf Kernkraft, zu 58 Prozent auf Wasserkraft und zu 6 Prozent auf anderen erneuerbaren Quellen (z. B. Wind, Biomasse, Solarenergie). Im Bereich der Stromerzeugung durch Wasser- kraft ist eines der größten Unter- nehmen der Schweiz im Kanton Bern zu Hause: die im Jahr 1925 gegründete Kraftwerke Ober- hasli AG. In den zehn Kraftwerken des Unternehmens wird mit

durchschnittlich 2350 Gigawatt- stunden pro Jahr genug Strom für rund 1,2 Millionen Menschen produziert. Bei einem Vor-Ort- Termin in den Kraftwerken Handeck 1 bis 3 konnten sich die Abgeordneten des Sächsi- schen Landtags einen Eindruck von den Bemühungen um den Ausbau der erneuerbaren Energien verschaffen.

Integration von Ausländern als Chance

Als Gesprächspartner für das Thema »Integration von Aus- ländern: Chancen – Risiken – Herausforderungen« stand den sächsischen Abgeordneten mit Herrn Manuel Haas der Leiter der zuständigen Abteilung der Gesundheits- und Fürsorgedi- rektion des Kantons Bern zur Verfügung. Er beschrieb an- schaulich die Bemühungen des Kantons um die Integration der jährlich ca. 140 000 Zuwanderer nach dem Grundsatz von Fördern und Fordern. Gute Erfahrungen habe der Kanton dabei mit dem sogenannten »Berner Modell«

gemacht. Dabei erfolgt die Be- treuung der Zuwanderer grund- sätzlich durch die zuständige Gemeinde in Form einer Erstin- formation. Bei Bedarf folgt darauf eine vertiefte Beratung durch eine zentrale »Ansprech- stelle Integration«. Sollte auch dies nicht ausreichend sein, steht als verbindlichste Maß- nahme zur Integration eine zwi- schen dem Einwanderer und der Migrationsbehörde des Kantons abgeschlossene Integrations- vereinbarung mit genau definier- ten Rechten und Pflichten parat.

Die Schweiz und die EU – derzeit ein kompli- ziertes Verhältnis

Die Gespräche der Abgeordne- ten zum Thema »Europäische Union« waren von der momen- tan schwierigen Situation zwi- schen der EU und dem Nicht- EU-Mitglied Schweiz geprägt.

Der Volksinitiative »Gegen Masseneinwanderung« war es 2014 gelungen, einen Artikel zur »Steuerung der Zuwande- rung« in die Verfassung einzu- fügen. Dieser Passus ist jedoch nicht mit dem bilateralen Frei- zügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU verein- bar. Da auch alle anderen bila- teralen Verträge untrennbar mit diesem Abkommen verknüpft sind, würde eine Kündigung des Freizügigkeitsabkommens das Gesamtpaket der Beziehun-

gen zwischen der EU und der Schweiz zur Disposition stellen.

Die derzeit dazu zwischen der EU und der Eidgenossenschaft laufenden Gespräche werden auch dadurch erschwert, dass die EU mit Blick auf die Aus- trittsverhandlungen mit Groß- britannien keinen Präzedenzfall schaffen will.

Neben den intensiven fach- politischen Gesprächen zwischen den Abgeordneten des Grossen Rates des Kantons Bern und des Sächsischen Landtags standen auch Besuche der Firma Rychi- ger AG, eines weltweit führenden Herstellers von Verpackungs- ma schinen, und der Geigenbau- schule in Brienz sowie ein Gedankenaustausch mit dem Geschäftsführer des größten Tourismusunternehmens des Kantons, der Jungfraubahn Hol- ding AG, auf dem Programm.

www.landtag.sachsen.de

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22 LANDTAGSKURIER Ausgabe 4˚2017 Ausgabe 4˚2017 LANDTAGSKURIER 23 G E S C H I C H T E

G E S C H I C H T E

Janosch Pastewka

»Mit Schriften und mit Zungen

den Wagen aus dem Dreck zu ziehn«

// Der Sächsische Landtag fördert zurzeit ein Forschungspro-

jekt der TU Dresden, in dem die Geschichte der sächsischen Landtage vom Mittelalter bis heute erforscht wird. Bei den Arbeiten kommen immer wieder interessante Quellen zum Vorschein. Der Landtagskurier stellt diese als Fundstücke aus der Geschichte der sächsischen Landtage vor. //

// Das Hotel Bellevue Mitte der 1920er- Jahre, im Hintergrund das Ständehaus. //

Copyright: SLUB / Deutsche Fotothek / Hahn, Walter

// Dr. Konrad Niethammer um 1930. //

Copyright: Papier aus Kriebstein, Darmstadt 1956, Bildteil.

Eine Fraktionsfeier im Jahre 1926

Dem sächsischen Landtag der Weimarer Republik haftet mit Blick auf seine Vorgänger der Nimbus des pragmatisch-nüchternen Arbeitsparlamentes an. Dass ei- nige Abgeordnete hingegen auch in den 1920er-Jahren durchaus zu feiern wussten, zeigen eine Menükarte und ein Gedicht aus dem Nachlass des Abgeordne- ten Konrad Niethammer.

Für den 9. November 1926, also ausgerechnet für den ach- ten Jahrestag der im zeitgenös- sischen Bürgertum ungeliebten Revolution in Deutschland, lud die sächsische Landtags- fraktion der Deutschen Volks- partei (DVP) – die Partei Gustav

Stresemanns – zu einem Ab- schiedsessen in das Restaurant des Hotels Bellevue in Dresden.

Das Hotel lag nur wenige Geh- minuten entfernt vom damaligen Sitz des Landtags, dem soge- nannten Ständehaus am Schloss- platz. Rund eine Woche zuvor hatten zum vierten Mal seit dem Ende des Ersten Weltkrieges Landtagswahlen stattgefunden.

In der DVP-Fraktion kam es zu einem Generationswechsel.

Unter den altgedienten Abge- ordneten, die sich nicht wieder aufstellen ließen oder die nicht wiedergewählt wurden, befand sich auch der Papierfabrikant Konrad Niethammer.

Ein Festessen zum Abschluss

Niethammer wurde beauftragt, zum Abschluss der Legislatur- periode ein Festessen für die Fraktion im Bellevue zu organi- sieren. Noch einmal wollten die alten Parlamentarier, die sich zum größten Teil bereits aus der Zweiten Kammer des königlich- sächsischen Landtags kannten, in Dresden zusammenkommen.

Der Landtag selbst veranstaltete derlei Feierlichkeiten inzwischen nicht mehr. Die Küchenleitung des Hotels hatte dem Abgeord- neten einige Vorschläge ge- macht, was aus diesem Anlass an Speisen und Getränken gereicht werden könnte. Die schweren Jahre der Weimarer Republik zwischen 1918 und 1923 waren offensichtlich vorbei, denn es fanden sich wieder er- lesene Produkte auf den Spei- sekarten und wohl auch auf den Tellern der Gäste. Niethammer

wählte für das Ereignis eine Menüfolge aus, die dem edel- schlichten Kochstil der Zeit folgte. Zunächst gab es einen Helgoländer Hummer, warm, mit geschlagener Butter und einem rosa Sekt aus dem Rheingau von der Sektkellerei Schultz- Grünlack zu 10 Reichsmark die Flasche plus 1,75 Mark Sekt- steuer. Danach eine klare Och- senschweifsuppe sowie einen 1922er Bernkastel-Kueser Wei- senstein. Als Hauptgang reichte man Rehrücken mit verschiede- nen Gemüsen, Salzkartoffeln und Preiselbeeren. Dazu gab es einen 1919er Medoc – kein be- sonders herausragender Jahr- gang. Zum Nachtisch servierte man auf Niethammers Wunsch hin halbgefrorenes Fürst-Pückler- Eis sowie einen Feist Cabinet Hochgewächs, ebenfalls zuzüg- lich 1,75 Mark Sektsteuer. Ab- gerundet wurde das Menü mit einer Käseplatte sowie Mokka und Likören. Zigarren und andere

Rauchwaren waren von den Gästen selbst mitzubringen.

Auf besonderen Wunsch hin gab es anschließend noch Pils- ner Urquell aus dem Syphon.

Insgesamt mussten die Teil- nehmer elf Reichsmark für das Essen bezahlen, das entsprach in etwa dem Tageslohn eines Arbeiters. Es ist leider nicht überliefert, wie lange sich die Abgeordneten im Restaurant aufgehalten haben. Jedenfalls muss es sich um eine »schöne Abschiedsfeier« gehandelt haben, wenn man dem Freund Niet- hammers, dem Abgeordneten Gotthold Anders, Glauben schenken darf, der dafür be- kannt war, gerne bis zum Morgen- grauen mit Freunden zu feiern.

Lyrischer

Rück- und Ausblick

Im Nachlass des Abgeordneten Niethammer findet sich auch ein handschriftlich abgefasstes Gedicht, das er anlässlich des Festessens wohl vorgetragen hat. Ob es tatsächlich aus Niet- hammers Feder stammt, ist nicht zweifelsfrei festzustellen, auf jeden Fall wurde es auf sei- ner Schreibmaschine abgetippt.

In dem kurzen Gedicht blickt der Abgeordnete der Volkspar- tei auf eine bewegte Legislatur- periode zurück, schaut aber auch recht hoffnungsfroh in die Zukunft. Nach der Selbstrefle- xion der ersten Strophe bläst der Autor in der zweiten Strophe noch einmal zum Angriff gegen den politischen Hauptgegner jener Jahre: die linken Sozialde- mokraten. Der Karren, den die

»Genossen« mit Stumpfsinn, Leichtsinn oder »Wahnesinn«

in den Dreck gestoßen hätten, war nichts anderes als der Frei- staat Sachsen. Denn von 1918 bis Ende 1923 hatten die Sozial- demokraten, und unter ihnen zu- nehmend der mit den Kommu- nisten sympathisierende linke Flügel, die Macht im Land. Sie setzten nicht nur einige grund- legende Reformen durch, wie

Rechtsliberalen – in den Dreck gefahren worden.

Wenige Wochen nach der Reichsexekution hatte in Sach- sen eine Große Koalition ihre Arbeit aufgenommen, an der neben dem koalitionsbereiten Flügel der Sozialdemokraten auch die DVP beteiligt war.

Nun galt es aus Sicht der rechtsliberalen Fraktion, die Politik »positiv«, wie es in dem Gedicht heißt, auszurichten.

Die bekanntesten Köpfe der sächsischen DVP waren neben Niethammer der Dresdner Ober- bürgermeister Bernhard Blüher, der neue Kultusminister Fritz Kaiser und der Jurist und spätere Ministerpräsident Wilhelm Bünger. Allerdings wurde es in das allgemeine und gleiche

Wahlrecht, eine Trennung von Kirche und Staat und eine Bil- dungsreform, sondern auch eine Beamten- und eine Gemeinde- reform, die den Anhängern der Volkspartei überhaupt nicht gefiel. Zudem machte man die Regierung des Ministerpräsi- denten Erich Zeigner für die wirtschaftliche Misere der An- fangsjahre der Republik verant- wortlich und vor allem für das Einschreiten der Reichsregie- rung und des Militärs, als sich Zeigner im Oktober 1923 zu lange geweigert hatte, die Kom- munisten, die er in seine Regie- rung aufgenommen hatte, wieder hinauszuwerfen. Damit war der Karren – aus Sicht der

Teilen der bürgerlichen Wähler- schaft nicht gerne gesehen, dass die DVP mit der SPD eine Koalition einging. Daher war man in diesen Kreisen durchaus

»verschnupft«, wie der Autor schreibt. Doch, so legt es das Gedicht nahe, die Abgeordneten der DVP hatten mit sich gerungen und in den Jahren seit der letz- ten Wahl (also auch schon wäh- rend der sogenannten »Zeigner- Jahre«) »Mit Tinte, Feder und Papier, mit Schriften und mit Zungen« im Landtag versucht, konstruktive Arbeit zu leisten, was sich anhand der überliefer- ten Quellen durchaus belegen lässt.

In der letzten Strophe schließ- lich nahm der Autor Bezug auf die dritte Strophe des Deutsch- landliedes, das seit 1922 auch offiziell die Nationalhymne der Weimarer Republik war. Im Ge- dicht fehlt jeder Bezug auf die Monarchie oder die »gute alte Zeit«. Offensichtlich hatten sich die Abgeordneten um Konrad Niethammer inzwischen im neu- en System eingerichtet. Auch wenn ihnen die »Genossen«

noch immer suspekt schienen, konnte man immerhin im Belle- vue noch so gut feiern wie einst

»zu Kaisers Zeiten«.

Im Strom der Zeiten fliegt dahin Des Volkes und dein Leben, Und ob für Deutschland es Gewinn,

Was du ihm hast gegeben:

Das weißt Du nicht, das siehst du nicht, Das wird sich erst erfüllen, Wenn vor der Zukunft Angesicht

Die Dinge sich enthüllen.

Vier lange Jahre haben wir Gemüht uns und gerungen Mit Tinte, Feder und Papier, Mit Schriften und mit Zungen, Den Wagen aus dem Dreck zu ziehn,

In den ihn die Genossen Mit Stumpfsinn, Leichtsinn, Wahnesinn

Vorher hineingestoßen.

Im Lande zwar war man verschnupft ob der Koalition

Und hat geschmäht und uns gerupft, Es war oft gar nicht ohne.

Wir aber haben positiv Den ganzen Kram gefingert Mit dem dreifachen Komp’rativ

Mit Blüher, Kaiser, Bünger.

Noch einmal laßt uns froh vereint Den vollen Becher schwingen:

Obs regnet, ob die Sonne scheint, Wir wolln’s zu Ende bringen, Das Freiheit, Recht und Einigkeit

Im deutschen Land regiere Und unser Volk für alle Zeit

Zur Höhe wieder führe.

Referenzen

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