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Spannungsfeld: Bestmögliches Interesse des Kunden (IDD) und marktwirtschaftliche Ziele des Versicherungsmaklers

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Academic year: 2022

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(1)

Sigrid Irregger

Spannungsfeld: Bestmögliches Interesse des Kunden (IDD) und marktwirtschaftliche Ziele

des Versicherungsmaklers

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Business Administration Insurance

im Rahmen des Universitätslehrganges Versicherungswirtschaft (MBA Insurance)

Wissenschaftlicher Begutachter: Prof. Dr. Matthias Beenken

Karl-Franzens-Universität Graz und UNI for LIFE

Eppenstein, im August 2019

(2)

I

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländi- schen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffent- licht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Eppenstein, im August 2019

Sigrid Irregger

(3)

II

Gleichheitsgrundsatz

Um die Lesbarkeit der Arbeit zu vereinfachen wurde auf die zusätzliche Ausformulie- rung der weiblichen Form verzichtet. Ich möchte darauf hinweisen, dass die aus- schließliche Verwendung der männlichen Form explizit als geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.

Eppenstein, im August 2019

Sigrid Irregger

(4)

III Meiner Familie gewidmet

(5)

IV „Wenn der Wind der Veränderung weht,

bauen die einen Windmühlen und die anderen Mauern.“ (aus China)

Der Markt der Versicherungsvermittlung ist im Umbruch. Die Herausforderungen für den Versicherungsmakler sind – nicht nur aufgrund der veränderten rechtlichen Be- dingungen – eine Herausforderung. Die Herausforderung ist nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine betriebliche. Eine härtere Wettbewerbssituation und immer besser informierte Kunden verlangen dem Versicherungsmakler viel ab. Es genügt nicht mehr nur Versicherungsprodukte zu verkaufen, sondern gelebtes Unternehmertum ist ge- fragt.

Die IDD gibt die Rahmenrichtlinie für den Verbraucherschutz vor. Zukunftsorientiert und verbraucherfreundlich soll der Vertrieb sein; dem Versicherungsmakler, gemäß MaklerG per se Konsumentenschützer, werden Pflichten auferlegt. Er muss im best- möglichen Interesse des Kunden agieren. Andererseits ist er auch Unternehmer und an marktwirtschaftlichen Zielen interessiert. Jeder österreichische Versicherungsmak- ler ist mit dieser Problemstellung vertraut und sucht nach Lösungen aus dieser schein- bar schwierigen Lage.

Im Rahmen dieser Arbeit wird erörtert, wie die rechtlichen Leitlinien der IDD die tägli- che Arbeit des Versicherungsmaklers beeinflussen, wie er die Vorgaben in seinem Unternehmen umsetzt und sich seine Arbeitsweise auf die marktwirtschaftlichen Ziele auswirkt. Die Vorgabe der IDD wird als Chance gesehen um die Kundenbindung zu verstärken und Cross-Selling-Potentiale zu erhöhen. Diese Wertschöpfung im Betrieb des Versicherungsmaklers wird anhand der Wertschöpfungskette Kundenberatungs- prozess thematisiert.

Für eine richtungsweisende Diskussion werden drei Hypothesen in Form einer quali- tativen Expertenbefragung überprüft. Diese Experteninterviews zeigen inwieweit die Versicherungsmakler die Vorgaben der IDD für das bestmögliche Interesse des Kun- den umsetzen, wie sie ihre marktwirtschaftlichen Ziele definieren und ihre Zukunft am Markt der Versicherungsvermittlung sehen.

(6)

V

Abstract

"When the winds of change blow, some people build walls, others build wind- mills." (Chinese proverb)

The insurance brokerage market is undergoing change. Not only changes in legal con- ditions lead to challenges for the insurance broker – the challenge is both a legal and an operational one. A tougher competitive situation and better-informed customers de- mand a lot from the insurance broker. It is no longer enough to sell insurance products;

instead, active entrepreneurship is required.

The IDD sets the guidelines for consumer protection. Sales should be future-oriented and consumer-friendly; duties are imposed on the insurance broker, or consumer pro- tector according to the Austrian Brokers Act (MaklerG). He has to act in the customer's best interest. On the other hand, he is also an entrepreneur and interested in market- based goals. Every Austrian insurance broker is familiar with this problem and is look- ing for solutions in this situation that seems so difficult.

This paper discusses how the IDD's legal guidelines affect the insurance broker's day- to-day work, how he implements the requirements within his company and how his working method affects the market-based goals. The IDD requirement is seen as an opportunity to increase customer loyalty and cross-selling potential. This value added in the business operation of the insurance broker is discussed on the basis of the value chain advisory process of customers.

For a trend-setting debate, three hypotheses are examined in form of a qualitative ex- pert survey. These expert interviews show to what extent insurance brokers implement the requirements of the IDD for the best possible interest of the customer, how they define their market-based goals and how they see their future in the insurance broker- age market.

(7)

VI Ehrenwörtliche Erklärung ... I Gleichheitsgrundsatz ... II Abstract ... IV Abstract ... V Abbildungsverzeichnis ... VIII Abkürzungen ... IX

1. Einleitung ... 1

1.1 Problemstellung der Arbeit – Anlass für die Auswahl des Themas ... 1

1.2 Ziel der Arbeit ... 2

1.3 Methodisches Vorgehen ... 2

2. IDD (Insurance Distribution Directive): Definition bestmögliches Interesse des Kunden ... 4

2.1 Europäische Richtlinie, Historie, Europäische Rahmenbedingungen ... 4

2.2 Umsetzung der IDD in Österreich ... 6

2.3 Definition bestmögliches Interesse des Kunden im Rahmen der IDD ... 8

2.3.1 Die Erwägungsgründe der IDD ... 8

2.3.2 Die Richtlinie ... 10

2.4 Bestmögliches Interesse des Kunden in der österreichischen Gesetzeslage und Rechtsprechung ... 11

2.4.1 Anforderungen an den Versicherungsmakler ... 13

2.4.2 Anforderungen an den Versicherungsvertrieb ... 18

2.4.2.1 Naming and Shaming ... 20

2.5 Betrachtung des bestmöglichen Interesses des Kunden unter ökonomischen Gesichtspunkten... 22

2.5.1 Ökonomische Modelle ... 24

2.5.1.1 Das neoklassische Marktmodell ... 27

2.5.1.1.1 Behavioral Finance ... 30

2.5.1.1.2 Institutionenökonomik – Neue Institutionenökonomik ... 36

2.5.1.1.3 Informationsökonomik ... 39

3. Marktwirtschaft im Versicherungsmaklerbetrieb; der Versicherungsmakler als Unternehmer ... 43

3.1 Strategien im Versicherungsmaklerbetrieb ... 45

3.1.1 Unternehmensziele ... 45

3.1.2 Kundengewinnung – Kundenbindung – Kundenrückgewinnung ... 47

(8)

VII

Wertschöpfung ... 55

3.2.1 Der Pflichtenkatalog ... 55

3.2.1.1 Risikoanalyse, Deckungskonzept, Informationspflicht; § 28 Z 1 MaklerG ... 55

3.2.1.2 Solvenzbeurteilung des Versicherers; § 28 Z 2 MaklerG ... 57

3.2.1.3 „Best Advice“; § 28 Z 3 MaklerG ... 57

3.2.1.4 Informations- und Ausfolgungspflichten; § 28 Z 4 MaklerG ... 57

3.2.1.5 Überprüfung der Polizze; § 28 Z 5 MaklerG ... 58

3.2.1.6 Unterstützung des Versicherungskunden im Versicherungsfall; § 28 Z 6 MaklerG ... 58

3.2.1.7 Laufende Überprüfung der bestehenden Versicherungsverträge; § 28 Z 7 MaklerG ... 59

3.3 Wertschöpfungskette am Beispiel Kundenberatungsprozess ... 59

3.3.1 Erster Abschnitt: Vorbereitung ... 61

3.3.2 Zweiter Abschnitt: Vorstellung, Erstgespräch ... 64

3.3.3 Dritter Abschnitt: Kundengespräch ... 66

3.3.4 Vierter Abschnitt: Nachberatung ... 68

3.3.5 Dokumentation ... 70

4. Experteninterviews, qualitative Forschungsmethode ... 72

4.1 Forschungshypothesen ... 72

4.2 Methodik ... 73

4.3 Stichprobenbeschreibung ... 74

4.4 Ergebnisse und Überprüfung der Hypothesen ... 76

4.4.1 Verbraucherschutz und Informationsüberflutung des Kunden ... 76

4.4.2 Bestmögliches Interesse und marktwirtschaftliche Ziele ... 81

4.4.3 Zukunft als EPU oder als Mitglied einer Maklergemeinschaft ... 85

4.5 Würdigung (Hypothesenüberprüfung) und Handlungsempfehlungen ... 89

5. Zusammenfassung und Ausblick ... 92

6. Literaturverzeichnis ... 95

6.1 Internetquellen ... 97

6.2 Gesetze/Verordnungen ... 99

6.3 Zeitschriften/Newsletter/Workshop ... 100

7. Anhang: Fragebogen ... 101

(9)

VIII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ein ökonomisches Modell in einer modifizierten Sichtweise ... 26

Abbildung 2: Übersicht über die drei verschiedenen Typen von Marktteilnehmern .. 35

Abbildung 3: Wirkungskette der Kundenbindung ... 48

Abbildung 4: Kundenberatungsprozess ... 61

Abbildung 5: Stichprobenbeschreibung Experteninterviews: Vermittlertyp ... 74

Abbildung 6: Stichprobenbeschreibung Experteninterview: Altersverteilung ... 75

Abbildung 7: Stichprobenbeschreibung Experteninterviews: Tätigkeitsdauer ... 76

Abbildung 8: Auswertung Frage 3.B (2.Frage) der Experteninterviews ... 77

Abbildung 9: Auswertung Frage 4 der Experteninterviews ... 80

Abbildung 10: Auswertung Frage 5 der Experteninterviews ... 80

Abbildung 11: Auswertung Frage 1 der Experteninterviews ... 81

Abbildung 12: Auswertung Frage 2 der Experteninterviews ... 82

Abbildung 13: Auswertung Frage 3 (3.a) der Experteninterviews ... 82

Abbildung 14: Auswertung Frage 3.b (Frage 1 und 3) der Experteninterviews ... 83

Abbildung 15: Auswertung Frage 6 (4. Frage) der Experteninterviews ... 84

Abbildung 16: Auswertung Frage 6 (1, 2, 3, 5, 6. Frage) des Experteninterviews .... 86

Abbildung 17: Auswertung Frage 7 des Experteninterviews ... 87

(10)

IX ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch

Abs Absatz

Art Artikel

BGBl Bundesgesetzblatt

bzw beziehungsweise

DSGVO Datenschutzgrundverordnung

EG Europäische Gemeinschaft

EG Erwägungsgründe (IDD)

EIOPA Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge

EL Erläuterungen

EPU Ein-Personen-Unternehmen

FernFinG Fern-Finanzdienstleistungsbehördengesetz FMA Finanzmarktaufsicht

FMABG Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz

GewO Gewerbeordnung

GISA Gewerbeinformationssystem Austria HVertG Handelsvertretergesetz

IDD Insurance Distribution Directive (Versicherungsvertriebsrichtlinie) IMD Insurance Mediation Directive (Europäische Vermittlerrichtlinie)

iSd im Sinne des

leg cit legis citate MaklerG Maklergesetz

Nr Nummer

OGH Oberster Gerichtshof

PRIIP-VO Verordnung (EU) Nr. 1286/2014, Verordnung über Basisinforma- tionsblätter für verpackte Analageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte

RIS Rechtsinformationssystem des Bundes

RL Richtlinie

(11)

X heiten

RV Regierungsvorlage

Solva-Quote Solvabilitätsquote

Standesregeln-VO Verordnung „Standesregeln für Versicherungsvermittlung“ des Wirtschaftsministeriums, BGBl. II Nr. 162/2019

UGB Unternehmensgesetzbuch

USP Uniqe Selling Proposition, Alleinstellungsmerkmal VAG Versicherungsaufsichtsgesetz

VersVertrRÄG Versicherungsvertriebsrechts-Änderungsgesetz VersVG Versicherungsvertragsgesetz

WKO Wirtschaftskammer Österreich

(12)

1

1. Einleitung

In diesem Kapitel wird die Problemstellung der Arbeit und der Anlass für die Auswahl des Themas erörtert, das Ziel der Arbeit und das methodische Vorgehen erläutert.

1.1 Problemstellung der Arbeit – Anlass für die Auswahl des The- mas

Die IDD gibt die Rahmenrichtlinie für den Verbraucherschutz vor; eine wesentliche Zielsetzung ist es, das Kundeninteresse in den Vordergrund zu stellen. Die Informati- onen für den Kunden werden aber nicht weniger oder übersichtlicher, sondern es ist mit einer weiteren Verschärfung und Informationsüberflutung zu rechnen.

Zukunftsorientiert und verbraucherfreundlich soll der Vertrieb sein; der Versicherungs- makler ist ja gemäß MaklerG per se Konsumentenschützer und ist daher zum best- möglichen Interesse des Kunden verpflichtet.

Auf der einen Seite werden dem Versicherungsmakler Pflichten auferlegt. Im Rahmen des Beratungs- und Vermittlungsprozesses muss er Informationspflichten, Aushändi- gungspflichten und Dokumentationspflichten erfüllen.

Andererseits ist der Versicherungsmakler sehr wohl an marktwirtschaftlichen Zielen interessiert: denn das wichtigste Unternehmensziel jedes Versicherungsmaklers als Unternehmer ist Wirtschaftlichkeit und im Besonderen die Erzielung von Gewinn.

Jeder österreichische Versicherungsmakler ist mit der Problemstellung vertraut und sucht nach Lösungen aus dieser scheinbar schwierigen Lage. Durch die Vorgabe des Gesetzgebers sieht sich der Versicherungsmakler in seiner Tätigkeit eingeengt und bevormundet, mit wenig Spielraum für seine eigenständige Tätigkeit. Nur sehr verein- zelt sehen Versicherungsmakler in diesen Vorgaben eine Grundlage und Chance für marktwirtschaftliches Wachstum ihres Betriebes.

(13)

2

1.2 Ziel der Arbeit

Im Rahmen dieser Arbeit soll dargelegt werden, dass die durch die IDD vorgegebenen Richtlinien und Bedingungen kein Spannungsfeld zwischen bestmöglichem Interesse des Kunden und marktwirtschaftlichen Zielen des Versicherungsmaklers erzeugen.

Vielmehr sollen die Vorgaben als Chance gesehen werden die Kundenbindung zu ver- stärken und die Cross-Selling-Potenziale zu erhöhen. Durch diese Verstärkung der Kundenbindung entsteht eine Wertschöpfungskette, die den ökonomischen Erfolg des Versicherungsmaklers sichert.

Erörtert wird die Beeinflussung der rechtlichen Leitlinie auf die tägliche Arbeit des Ver- sicherungsmaklers, wie er die Vorgaben in seinem Unternehmen umsetzt und wie sich seine Arbeitsweise auf die marktwirtschaftlichen Ziele auswirkt.

Ein Hauptaugenmerk ist der Findung von einem gemeinsamen Konsens zwischen bestmöglichem Interesse des Kunden und den marktwirtschaftlichen Zielen des Versi- cherungsmaklers. Durch diese Arbeit soll die Vereinbarkeit erörtert und Lösungsvor- schläge aufgezeigt werden.

1.3 Methodisches Vorgehen

Das erste Kapitel ist der Problembeschreibung, dem Ziel der Arbeit und der methodi- schen Vorgangsweise gewidmet. Anschließend folgt in Kapitel zwei die Definition vom bestmöglichen Interesse des Kunden im Sinne der IDD. Die Umsetzung in die Öster- reichische Gesetzeslage und Rechtsprechung wird erörtert; das bestmögliche Inte- resse des Kunden unter ökonomischen Gesichtspunkten, speziell in Bezug auf das neoklassische Marktmodell hin untersucht. Das dritte Kapitel ist der Marktwirtschaft im Versicherungsmaklerbetrieb gewidmet. Es werden Strategien, der Pflichtenkatalog des Versicherungsmaklers als Grundlage der Wertschöpfung, und die Wertschöp- fungskette als Kundenberatungsprozesses erläutert.

(14)

3 Das vierte Kapitel stellt die Grundlage für eine richtungsweisende Diskussion dieser Arbeit dar. Im Rahmen einer empirischen Untersuchung in Form einer qualitativen Ex- pertenbefragung werden folgende Hypothesen überprüft:

H1: Bestmögliches Interesse des Kunden im Sinne der IDD bedeutet auch einen ver- schärften Verbraucherschutz und somit eine Informationsüberflutung des Kunden. Der Kunde wäre ausgezeichnet informiert – ist aber überfordert.

H2: Bestmögliches Interesse des Kunden und marktwirtschaftliche Ziele des Versi- cherungsmaklers sind nur gemeinsam erreichbar.

H3: Um die marktwirtschaftlichen Ziele zu erreichen, wird es den Versicherungsmakler als EPU in Zukunft nicht mehr geben. Er kann nur mehr in einer Maklervereinigung bzw. Maklergruppe erfolgreich tätig sein

.

Die Experteninterviews werden zeigen inwieweit die Versicherungsmakler die Vorga- ben der IDD für das bestmögliche Interesse des Kunden umsetzen, wie sie ihre markt- wirtschaftlichen Ziele definieren und ihre Zukunft am Markt der Versicherungsvermitt- lung sehen.

Die gewonnenen Ergebnisse werden im vierten Kapitel bewertet und daraus Hand- lungsempfehlungen abgeleitet.

Im fünften Kapitel erfolgen eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und ein Ausblick auf die Umsetzung der Handlungsempfehlungen.

(15)

4

2. IDD (Insurance Distribution Directive): Definition best- mögliches Interesse des Kunden

Nationale Gesetze und Europäische Richtlinien bestimmen die Arbeit des Versiche- rungsmaklers in Österreich. Die Novelle zur Umsetzung der Versicherungsvertriebs- richtlinie (IDD) bringt Neuerungen, die die Berufsausübung betreffen – im Folgenden werden die Historie der Richtlinie und die Umsetzung in die österreichische Gesetzge- bung dargestellt. Das bestmögliche Interesse des Kunden im Rahmen der IDD und der österreichischen Gesetzeslage und Rechtsprechung wird definiert und unter öko- nomischen Gesichtspunkten betrachtet, um in weiterer Folge die Auswirkung auf die Wertschöpfung im Versicherungsmaklerbetrieb ermitteln zu können.

2.1 Europäische Richtlinie, Historie, Europäische Rahmenbedingun- gen

Eine wesentliche Grundlage auf europäischer Ebene stellt die EU-Versicherungsver- mittlungsrichtlinie (IMD)1 des Jahres 2002 dar. Diese Richtlinie erleichtert grenzüber- schreitende Tätigkeiten der Versicherungsvermittler, stellt die fachliche Ausbildung der Versicherungsvermittler und den Schutz der Kunden sicher. Es sollte damit keine ein- heitliche und vollständige Vereinheitlichung des europäischen Versicherungsvermitt- lerrechts erreicht werden, sondern die nationalen Gesetzgeber hatten einen relativ gro- ßen Spielraum für die Umsetzung in das jeweilige nationale Recht.2

1RL 2002/92/EG,ABL L 9 v 15.01.2003, in weiterer Folge kurz IMD (VersicherungsvermittlungsRL bzw. Insurance Mediation Directive).

2 Vgl. Gisch/Kronsteiner/Riedlsperger (Hrsg.), Versicherungsvermittlung in Österreich (2013), 15, 16.

(16)

5 Die VersicherungsvermittlungsRL gliedert sich in folgende Kapitel:

• Berufsrechtliche Anforderungen an den Versicherungsvermittler

• Freier Dienstleistungsverkehr und Niederlassungsfreiheit

• Zuständige Behörden

• Sanktionen, Informationsaustausch, Beschwerden, Streitbeilegung

• Informationsverpflichtung für Versicherungsvermittler3

Rechtsnachfolger für die IMD wurde die Richtlinie für den Versicherungsvertrieb (IDD)4. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen diese Richtlinie seit 01.10.2018 umsetzen. Die große Herausforderung ist, dass sich diese Richtlinie nicht nur an den Versicherungsvertrieb (wie die IMD), sondern auch an die Versicherer wen- det.

Konkret betrachtet zielt die IDD auf vier Handlungsfelder ab: erstens den Beratungs- prozess (genaue Dokumentation des Beratungsprozesses für alle Vertriebswege, transparente Information des Kunden über die Beratungsleistung, Wünsche- und Be- dürfnistest anhand der vom Kunden stammenden Angaben, handeln im besten Inte- resse des Kunden), zweitens die Vergütung (die Vergütung darf sowohl das Kunden- interesse als auch das Vermittlerinteresse nicht beeinflussen, Vermeidung von Inte- ressenskonflikten), drittens die Qualifikation (der Versicherungsvermittler muss ange- messene Kenntnisse und Fertigkeiten aufweisen, Weiterbildungspflicht von 15 Stun- den pro Jahr) und viertens der Produktentwicklungsprozess (genaue Dokumentation, Zielmarktdefinition).

In ihrer Gesamtheit betrachtet, zielt die IDD auf eine Verbesserung der Transparenz bei der Produktauswahl und auf eine Stärkung des Kundenschutzes ab. Der Kunde, der Verbraucher soll in Zukunft vor dem Kauf eines Versicherungsproduktes besser informiert und mit Wahlmöglichkeiten ausgestattet sein. Das Vertrauen des Kunden soll gestärkt, der Vertrieb von Versicherungsprodukten soll einheitlicher gestaltet wer- den, damit EU-weit ein angemessener Kundenschutz besteht. Die Standards für

3 Vgl. Gisch/Kronsteiner/Riedlsperger (Hrsg.), Versicherungsvermittlung in Österreich (2013), 15, 16.

4 RL 2016/97/EU vom 02.02.2016, in weiterer Folge kurz IDD (Richtlinie über den Versicherungsver- trieb, Insurance Distribution Directive).

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6 den Kundenschutz wurden vereinheitlicht und im gesamten EU-Raum soll sicherge- stellt sein, dass das gleiche Verbraucherschutzniveau gilt.5

2.2 Umsetzung der IDD in Österreich

Eine wesentliche Grundlage für die österreichische Gesetzgebung stellt die EU-Versi- cherungsvermittlungsrichtlinie (IMD)6 des Jahres 2002 und deren Umsetzung ins nati- onale Recht per 15.01.2005 dar.

Die Umsetzung der VersicherungsvermittlungsRL (IMD) in die österreichische Gesetz- gebung erfolgte nicht in einem separatem (Versicherungsvermittler-) Gesetz; sondern es wurden verschiedene Gesetze wie das MaklerG, das VersVG, das VAG und die GewO geändert.7

Die Richtlinie über den Versicherungsvertrieb (IDD) vom 02. Februar 2016 sollte bis zum 23. Februar 2018 in das nationale Recht umgesetzt werden. Die Umsetzungsfrist wurde auf den 01. Juli 2018 verschoben und der Geltungsbeginn mit 01. Oktober 2018 festgelegt.8

Für die Umsetzung der IDD in Österreich wurden folgende nationale Gesetze ange- passt: GewO, MaklerG, HVertG, VAG, VersVG, FernFinG und FMABG.9

5Vgl. RL 2016/97/EU vom 02.02.2016, in weiterer Folge kurz IDD (Richtlinie über den Versicherungs- vertrieb, Insurance Distribution Directive).

6 RL 2002/92/EG,ABL L 9 v 15.01.2003, in weiterer Folge kurz IMD (VersicherungsvermittlungsRL bzw. Insurance Mediation Directive).

7Vgl. Gisch, Die rechtlichen Grundlagen der Versicherungsvermittlung in Österreich, in Gisch/Kron- steiner/Riedlsperger (Hrsg.), Versicherungsvermittlung in Österreich (2013), 20.

8Vgl. Stadler in Fenyves/Koban/Perner/Riedler (Hrsg.), Die Umsetzung der IDD in das österreichische Recht (2019), 3.

9Vgl. AFPA,IDD Umsetzung in Österreich, Factsheet Nr. 4, URL: https://www.afpa.at/cms12/arbeits- programm-flyer.html, [Zugriff am 15.02.2019].

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7 Die neuen Vorschriften, die Versicherer betreffend, wurden von der nationalen Gesetz- gebung mit 01.10.2018 im VAG umgesetzt (Versicherungsvertriebsrechts-Änderungs- gesetz 2018 – VersVertRÄG, BGBL 2019/16).10

Auf gesetzlicher Ebene ist die IDD per 28. Jänner 2019 in das nationale Recht umge- setzt worden – einzig die berufsrechtlichen Regeln, die sogenannten Standesregeln für die Versicherungsvermittler waren noch ausständig. Erlassen wurden diese Stan- desregeln vom Wirtschaftsministerium in Form einer Verordnung. Der Entwurf dieser Verordnung11 lag bereits seit Monaten vor und der Zeitpunkt des Inkrafttretens war der 18. Juni 2019.12

Die in den früheren §§ 137f bis 137h GewO angeführten Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten sind ja aufgrund der Versicherungsvermittlungsnovelle außer Kraft getreten – an deren Stelle ist die Verordnung des Wirtschaftsministeriums über die Standesregeln getreten. Die Begutachtungsfrist ist am 11. Jänner 2019 abgelau- fen;13 am Montag, 17. Juni 2019, ist die lange Zeit noch ausständige Verordnung im Bundesgesetzblatt (BGBl II Nr. 162/2019) kundgemacht worden.

Auch das nach der IDD-Novelle geltende und bis dato lückenhafte MaklerG ist jetzt vollständig. Damit hat ein weiteres Kapitel der nationalen IDD-Umsetzung ihren Ab- schluss gefunden: die lange erwartete Verordnung setzt nun wesentliche Bestandteile der IDD ins nationale Recht um, die in der „Versicherungsvermittlungsnovelle 2018“

noch ungeregelt geblieben waren.14

10 Vgl. Fenyves/Koban/Perner/Riedler (Hrsg.), Die Umsetzung der IDD in das österreichische Recht (2019), 5.

11Vgl. URL: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente.wxe?&Abfrage=Begut&Dokumentennummer=BE- GUT_COO_2026_100_2_1589234 [Zugriff am 08.02.2019].

12 Vgl. VersicherungsJournal.at, URL: http://www.versicherungsjournal.at/markt-und-politik/die-stan- desregeln-fuer-versicherungsvermittler-sind-da-19493.php?vc=newsletter&vk=19493. [Zugriff am 18.06.2019].

13Vgl. VersicherungsJournal.at, URL: http://vjournal.at/-19152, [Zugriff am 13.02.2019].

14 Vgl. VersicherungsJournal.at, URL: http://www.versicherungsjournal.at/markt-und-politik/die-stan- desregeln-fuer-versicherungsvermittler-sind-da-19493.php?vc=newsletter&vk=19493. [Zugriff am 18.06.2019].

(19)

8

2.3 Definition bestmögliches Interesse des Kunden im Rahmen der IDD

Im Art. 17 Abs 1 IDD wird vom „bestmöglichem“ Interesse des Kunden gesprochen; im Art. 20 Abs 1 und Abs 3, sowie Art 29 Abs 2 S 1 lit b IDD jedoch vom „besten“ Interesse.

Es wird bereits darüber diskutiert, ob mit diesen verschiedenen Begriffen wirklich Un- terschiedliches gemeint ist. Ein Argument für eine Gleichstellung der beiden Begriffe liefert allerdings die deutschsprachige Fassung. Mit der Formulierung des Art 29 Abs 2 S1 lit b soll offensichtlich ein Zusammenhang zu Art 17 Abs 1 hergestellt werden, der besagt, dass bestmögliches Interesse also mit dem besten Interesse gleichgestellt ist.15

2.3.1 Die Erwägungsgründe der IDD

Die Erwägungsgründe (EG) der IDD beschreiben an mehreren Stellen die Handlungs- weisen für das bestmögliche Interesse des Kunden im Rahmen der IDD.

EG 10 spricht von einem wirksamen Verbraucherschutz in allen Finanzbereichen, von einer Vertrauensstärkung der Kunden und der einheitlichen Regelung des Vertriebes von Versicherungsprodukten, damit EU-weit ein angemessenes Maß an Kunden- schutz besteht. Das Verbraucherschutzniveau soll erhöht, die Mindeststandards für Vorschriften für den Vertrieb angehoben, und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Versicherungsanlageprodukte geschaffen werden.

Nach EG 16 soll sichergestellt werden, dass das gleiche Verbraucherschutzniveau gilt und dass alle Verbraucher in den Genuss vergleichbarer Standards kommen können.

15 Vgl.Fenyves, Der Best-Interest-Ansatz als Leitprinzip der IDD in Fenyves/Koban/Perner/Riedler (Hrsg.), Die Umsetzung der IDD in das österreichische Recht (2019), 23-24.

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9 In EG 21 wird von der Sicherstellung hoher Dienstleistungsqualität und wirksamen Verbraucherschutz gesprochen.

EG 39 stellt fest, dass ein zunehmend größeres Spektrum von Tätigkeiten, die Versi- cherungsvermittler und –unternehmen gleichzeitig ausüben, das Potenzial für Interes- senskonflikte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten und dem Kundeninteresse er- höht. Es ist daher erforderlich Bestimmungen vorzusehen, die sicherstellen, dass sol- che Interessenskonflikte die Interessen der Kunden nicht beeinträchtigen.

Nach EG 33 sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass alle Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Endkunden bezüglich Versicherungsanlagepro- dukte beraten und verkaufen, über ein angemessenes Maß an Kenntnissen und Fä- higkeiten in Bezug auf die angebotenen Produkte verfügen. Da der Kauf eines Versi- cherungsanlageproduktes Risiken birgt, sollen sich die Anleger auf die Informationen und die Qualität der gebotenen Bewertungen verlassen können.

EG 43 stellt fest, dass die Richtlinie auf eine Verbesserung des Verbraucherschutzes abzielt, und somit einige Bestimmungen nur im Verhältnis zwischen Unternehmen und Verbraucher Anwendung finden. Dies gilt insbesondere für die Bestimmungen hin- sichtlich der Wohlverhaltensregeln für Versicherungsvermittler und andere Vertreiber von Versicherungsprodukten.

Laut EG 44 soll, damit der Kunde kein für ihn nicht geeignetes Produkt erwirbt, vorab ein Wunsch- und Bedürfnistest gemeinsam mit dem Kunden durchgeführt werden. Je- des dem Kunden angebotene Versicherungsprodukt sollte stets den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden entsprechen und in einer verständlichen Form präsentiert werden.

In EG 45 ist die Beratungspflicht geregelt: zusätzlich zu den Wünschen und Bedürfnis- sen des Kunden ist eine persönliche Empfehlung an den Kunden zu richten, in der erklärt wird, warum ein bestimmtes Produkt am besten entspricht.

Nach EG 46 sollten die Mitgliedsstaaten vorschreiben, dass die Vergütungspolitik von Versicherungsvertreibern in Bezug auf ihre Angestellten oder Vertreter nicht die

(21)

10 Möglichkeit ausschließt, im Einklang mit dem besten Interesse der Kunden zu handeln, oder sie daran hindert, eine geeignete Empfehlung abzugeben oder Informationen in einer Form zur Verfügung zu stellen, die redlich, eindeutig und nicht irreführend ist.

Eine auf Verkaufsziele gestützte Vergütung sollte keinen Anreiz dafür bieten, dem Kunden ein bestimmtes Produkt zu empfehlen.

EG 48 regelt, dass vor Abschluss eines Vertrages der Kunde ein standardisiertes In- formationsblatt über Versicherungsprodukte, die keine Lebensversicherungsprodukte sind, erhält. Und in EG 55 ist die Zielmarktdefinition geregelt; das heißt, dass Versi- cherungsprodukte dem Bedarf des Zielmarktes zu entsprechen haben.

2.3.2 Die Richtlinie

In den Kapiteln V (Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln, Art 17 bis 25) und VI (Zusätzliche Anforderungen im Zusammenhang mit Versicherungsanlageproduk- ten, Art 26 bis 30) der IDD werden Vorschriften für das bestmögliche Interesse des Kunden angeführt.

Im Art 17, der den „Allgemeinen Grundsatz“ für die Informationspflichten und Wohlver- haltensregeln beschreibt, ist im Abs 1 genau angeführt, dass die Mitgliedstaaten si- cherstellen müssen, dass Versicherungsvertreiber bei ihrer Versicherungsvertriebstä- tigkeit gegenüber ihren Kunden stets ehrlich, redlich und professionell in deren best- möglichen Interesse zu handeln haben. Diese Vorschrift ist wie eine Generalklausel zu verstehen, die die Grundlage für die Kapitel V und VI bildet.16

Die Mitgliedstaaten müssen laut Art 17 Abs 3 auch sicherstellen, dass Versicherungs- vertreiber nicht in einer Weise vergütet werden oder die Leistung ihrer Angestellten nicht in einer Weise vergüten oder bewerten, die mit ihrer Pflicht, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu handeln, kollidiert. Auch darf es keine Anreize oder Ver- kaufsziele geben, durch die Anreize geschaffen werden könnten, einem

16 Vgl. Fenyves, Der Best-Interest-Ansatz als Leitprinzip der IDD in Fenyves/Koban/Perner/Riedler (Hrsg.), Die Umsetzung der IDD in das österreichische Recht (2019), 12-13.

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11 Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu empfehlen, obwohl der Versiche- rungsvertreiber ein anderes, den Bedürfnissen des Kunden besser entsprechendes Versicherungsprodukt anbieten könnte.

In den Art 27 und Art 28 ist genau festgelegt, wie Interessenskonflikte definiert und wie diese zu vermeiden sind.

2.4 Bestmögliches Interesse des Kunden in der österreichischen Gesetzeslage und Rechtsprechung

Österreich trat am 01. Jänner 1995 der Europäischen Union (damals Europäische Ge- meinschaft, EG) bei. Aufgrund dieses Beitritts stand der Berufsstand der Versiche- rungsmakler vor einer großen Herausforderung17, denn der Maklervertrag war im ös- terreichischen Recht bis 1996 nicht geregelt. Es gab verschiedene Regelungen für Zivilmakler und Handelsmakler. Für den Versicherungsmakler – als Sonderform des Handelsmaklers – gab es keine privatrechtlichen Regelungen. Im MaklerG 1996 wur- den die Rechte und Pflichten des Versicherungsmaklers schließlich normiert.18

Als Grundlage für das MaklerG wurde von Österreich die auf dem Kontinent vorherr- schende Art der Versicherungsregulierung betrachtet und verglichen. Dabei wurde festgestellt, dass England und Österreich eine strenge Finanzkontrolle praktizieren, aber ansonsten gegensätzliche Aufsichtsphilosophien vertreten. In England wurden, im Gegensatz zu Österreich, die Prämien und die garantierten Leistungen durch die Unternehmen festgesetzt (Verantwortung der Manager).

Die Grenzen setze nur die Konkurrenz und das Unternehmen kann frei kalkulieren.

Damit aber der Wettbewerb funktioniert, wurden in England strenge Informationspflich- ten verordnet. Die Vermittler mussten nach dem strengen Prinzip der besten

Beratung tätig sein und hafteten für mangelhafte beziehungsweise schlechte Bera- tung. Die Vermittler in England mussten die Bedürfnisse des Kunden, das Risiko und

17 Vgl. Koban, Maklergesetz 1996 (1996), 5.

18 Vgl. RV MaklerG 1996.

(23)

12 finanzielle Lage in die Beratung und die Vermittlung einfließen lassen. In Österreich hingegen haftete der Vermittler nur für schuldhafte Beratungsfehler.

Eine Pflicht zur Vermittlung des besten Versicherungsschutzes gab es in Österreich allerdings nicht.19

In der Regierungsvorlage für das MaklerG 1996 wurde die Haftung des Versicherungs- maklers „best advice“ aus der englischen Vorgabe übernommen. Der Versicherungs- makler sei ein Fachmann auf dem Gebiet der Versicherungsvermittlung und somit ver- pflichtet, dem Klienten mit Hilfe seiner Kenntnisse und Fähigkeiten bestmöglichen Ver- sicherungsschutz zu verschaffen. Der Versicherungsmakler, aus der Stellung als Bun- desgenosse des Versicherungskunden, darf sich bei seiner Beratung auch keinesfalls nach der Höhe der Provisionserwartungen beeinflussen lassen.20

Unter „best advice“ – diese englische Definition ist wortwörtlich in den Erläuterungen der Regierungsvorlage angeführt - wird verstanden, dass dem Versicherungskunden der bestmögliche Versicherungsschutz angeboten werden soll. Es wird in diesem Fall nicht vom günstigsten, sondern ausdrücklich vom bestmöglichen Versicherungsschutz gesprochen. Auch dürfen bei der Beurteilung des bestmöglichen Versicherungsschut- zes weder die Vorliebe für eine bestimmte Versicherung noch das Verdienstinteresse des Vermittlers im Vordergrund stehen.21

Die Aufzählung der Pflichten, auch als Kernpflichten des Versicherungsmaklers be- zeichnet, sind im § 28 MaklerG Z 1 bis Z 3 demonstrativ aufgezählt und werden im

§ 32 MaklerG 1996 zwingend gestellt.

19 Vgl. Finsinger, Best-Advice Beratung und Schutzsystem für den Verbraucher? in Fenyves/Koban (Hrsg.), Die Haftung des Versicherungsmaklers (1993), 86-88.

20 Vgl. EL RV MaklerG 1996.

21 Vgl. EL RV MaklerG 1996.

(24)

13 2.4.1 Anforderungen an den Versicherungsmakler

Versicherungskunden haben nach Abschluss eines Vertrages eine gewisse Erwar- tungshaltung, und wenn die Erwartungen und Ansprüche nicht eintreffen, wird nach einem Schuldigen gesucht. Aus diesem Grund wird eruiert, ob die Beratung durch den Versicherungsmakler mangelhaft war, ob eine Fehlberatung erfolgt ist oder ob dem Kunden nicht der bestmögliche Versicherungsschutz vermittelt wurde.22

Der Versicherungsmakler steht aufgrund des Maklervertrages in einem vertragsmäßi- gen Verhältnis zu seinem Kunden; und eben diese vertragliche Beziehung ist die Grundlage für eine deliktische Haftung. Der Versicherungsmakler ist bei Abschluss eines Maklervertrages – es ist nicht relevant, in welcher Rechtsform er sein Unterneh- men betreibt – Unternehmer im Sinne des § 1 Abs 1 UGB. Somit trifft ihm die strenge Sorgfaltspflicht des ordentlichen Unternehmers nach § 347 UGB.23

Darüber hinaus haftet der Versicherungsmakler neben der allgemeinen Haftung des

§ 1297 ABGB nach der Sachverständigenhaftung des § 1299 ABGB. Aus diesem Grund wird ein objektiver Sorgfaltsmaßstab angewendet: nicht nur die subjektiven Fä- higkeiten des Versicherungsmakler gelten als Maßstab, sondern wie ein vergleichba- rer Unternehmer (Versicherungsmakler) in der bestimmten Situation reagiert bezie- hungsweise sich verhalten hätte. Wenn also dem Versicherungsmakler aufgrund sei- ner subjektiven Fähigkeiten kein Vorwurf gemacht werden kann, trifft ihm die „Sach- verständigenhaftung“.

Für den Versicherungsmakler bedeutet dies, dass er aufgrund seines Wissens, seiner Fähigkeiten und seiner Erfahrungen seinen Kunden den bestmöglichen Versiche- rungsschutz zu verschaffen hat 24, und er nach § 1299 ABGB die Kenntnisse und

22 Vgl. Gisch, Die rechtlichen Grundlagen der Versicherungsvermittlung in Österreich in Gisch/Kron- steiner/Riedlsperger (Hrsg.), Versicherungsvermittlung in Österreich (2013), 69.

23 Vgl. Aichinger, Die Haftung des Versicherungsmaklers in Koban/Funk-Leisch/Aichinger (Hrsg.), Rechte & Pflichten des Versicherungsmaklers (2012), 63.

24 Vgl. OGH vom 21.4.2004, 7 Ob 315/03 d.

(25)

14 Fähigkeiten eines Berufskollegen anwenden muss.25

In der österreichischen Judikatur hat der OGH bis dato kaum Entscheidungen zur Haf- tung des Versicherungsmaklers fällen müssen. Bei einigen Fällen jedoch dürfte es sich um eine Pflichtverletzung des Versicherungsmaklers gehandelt haben; diese Rechts- streitigkeiten wurden dann aber zwischen dem Versicherer und dem Kunden geführt und in der Regel außergerichtlich abgeschlossen.26

Bei den Fällen, die zur Haftung des Versicherungsmaklers gegenüber des Versiche- rungskunden führten, sind zwei Rechtssätze als Grundlage für die OGH-Entscheidun- gen anzuführen: RIS-Justiz RS006125427 vom 27.11.1985 und RIS-Justiz RS011889328 vom 31.03.2004.

RIS-Justiz RS0061254 besagt, dass sich aus dem Treueverhältnis zwischen Auftrag- geber und Makler für den Makler Schutzpflichten, Sorgfaltspflichten und Beratungs- pflichten ergeben, im Besonderen dann, wenn es sich beim Auftraggeber um eine ge- schäftliche unerfahrene Person handelt. Diese Pflichten ergeben sich auch, wenn Ver- einbarungen eine über die eigentliche Vermittlungstätigkeit hinausgehende Tätigkeit des Maklers getroffen werden.

RIS-Justiz RS0118893 sagt aus, dass es die Hauptaufgabe des Versicherungsmak- lers, der als Fachmann auf dem Gebiet des Versicherungswesens gilt, ist, dem Klien- ten mithilfe seiner Erfahrung und seiner Kenntnisse den bestmöglichen, den Bedürf- nissen und Notwendigkeiten entsprechenden Versicherungsschutz zu verschaffen. Er hat auch im Einzelfall für seine Kunden ein erfolgreiches Risk-Management durchzu- führen und dies bei möglichst günstiger Deckung.

25Vgl. Gisch, Die rechtlichen Grundlagen der Versicherungsvermittlung in Österreich in Gisch/Kron- steiner/Riedlsperger (Hrsg.), Versicherungsvermittlung in Österreich (2013), 69.

26Vgl. Koban/Funk-Leisch/Aichinger (Hrsg.), Rechte & Pflichten des Versicherungsmaklers (2012), 72.

27Abrufbar unter URL: https://www.ris.bka-gv.at [Zugriff am 25.02.2019].

28Abrufbar unter URL: https://www.ris.bka-gv.at [Zugriff am 25.02.2019].

(26)

15 Dass der Versicherungsmakler auch nach Vertragsabschluss immer im bestmöglichen Interesse des Kunden zu handeln hat, hat der OGH am 22.03.2016

entschieden (OGH 5 Ob 252/15t29).

In dieser Entscheidung führt der OGH aus, dass der Versicherungsmakler auch nach Vertragsabschluss die Informations- und Beratungspflichten zu erfüllen habe. Der Ver- sicherungsmakler muss sich laufend über die veröffentlichen Gerichtsentscheidungen informieren. Wenn Gerichtsentscheidungen zu Risikoerhöhung bei seinem Kunden führen könnten, muss er den Kunden sofort informieren und über etwaige Konsequen- zen verständigen.

In der Entscheidung OGH 7 Ob 134/ 99 b30 vom 26.07.2000 hatte der OGH zu ent- scheiden, ob falsches bzw. unvollständiges Ausfüllen eines Versicherungsantragfor- mulars im besten Interesse des Kunden erfolgt sei.

Am 23. Februar 2016 hatte der OGH über folgenden Sachverhalt zu urteilen: der Ver- sicherungsnehmer wurde mehrmals informiert, dass die Frist für die Feststellung einer eventuellen Dauerinvaliditätsleistung im Rahmen einer Unfallversicherung ablaufe.

Der Kunde gab dem Versicherungsmakler mehrmals zu Antwort, dass keine Dauerfol- gen zu erwarten seien. Nach Ablauf der Frist klagte der Versicherungskunde die Ver- sicherung auf Leistung der Versicherungsentschädigung; die Klage wurde rechtskräf- tig abgewiesen. Auch die Klage gegen den Makler wegen Verletzung der aus dem Maklervertrag abzuleitenden Schutz- und Sorgfaltspflichten wurde abgewiesen.

Der Makler habe im Interesse seines Kunden gehandelt und ihm auf die Frist mehr- mals aufmerksam gemacht. Eine Nachforschungspflicht des Maklers in Bezug auf wei- tere medizinische Unterlagen wurde verneint, denn ohne die Mitwirkung des Kunden selbst hätte er diese gar nicht einholen können (OGH 4 Ob 245/15 f31).

29 Abrufbar unter URL: https://www.ris.bka-gv.at [Zugriff am 01.03.2019].

30 Abrufbar unter URL: https://www.ris.bka-gv.at [Zugriff am 02.03.2019].

31 Abrufbar unter URL: https://www.ris.bka-gv.at [Zugriff am 01.03.2019].

(27)

16 Die OGH-Entscheidung 7 Ob 156/14 p32 vom 10.12.2014 urteilt über die Nachfor- schungspflicht des Versicherungsmaklers im Sinne des besten Interesses des Kun- den. Der Kunde hatte vor Gericht behauptet, dass die Versicherungsmaklerin ihre Pflicht verletzt und nicht überprüft habe, welches Ausmaß die verbaute Fläche auf der Liegenschaft des Kunden aufweist. Es hatte sich nämlich später herausgestellt, dass das Gebäude unterversichert war (die Anzahl der Quadratmeter war um 300 zu gering angegeben). Der OGH entschied, dass die Versicherungsmaklerin keine Nachfor- schungspflicht in Form einer Vermessung der Gebäude habe. Sie habe dazu keine Veranlassung gehabt an der Richtigkeit der ihr vom Kunden übergebenen Unterlagen zu zweifeln.

Als Begründung für seine Entscheidung hat der OGH in den entsprechenden Urteilen angeführt (wie auch in OGH 7 Ob 183/18 i33): „Hauptaufgabe des Versicherungsmak- lers als Fachmann auf dem Gebiet des Versicherungswesens ist es, dem Klienten mit Hilfe seiner Kenntnisse und Erfahrung bestmöglichen, den jeweiligen Bedürfnissen und Notwendigkeiten entsprechenden Versicherungsschutz zu verschaffen. Er hat für seinen Kunden ein erfolgreiches Risk-Management bei bestmöglich günstiger De- ckung im Einzelfall durchzuführen (RIS-Justiz RS0118893) […] Aus dem Treueverhält- nis zwischen dem Auftraggeber und dem Makler ergeben sich für den letzteren Schutz-, Sorgfalts- und Beratungspflichten (RIS-Justiz RS0061254).“

Als weitere Entscheidungen im Sinne des besten beziehungsweise bestmöglichen In- teresses des Kunden seien noch OGH 7Ob 314/99 y,

OGH 7Ob 315/03 d, OGH 7Ob 284/03 w, OGH 4 Ob 165/11 k,

OGH 7 Ob 33/15 a, OGH 8 Ob A10/06 p, und OGH 10 Ob 89/04 t angeführt.34

32Abrufbar unter URL: https://www.ris.bka-gv.at [Zugriff 02.03.2019].

33 Abrufbar unter URL: https://www.ris.bka-gv.at [Zugriff 01.03.2019].

34 Abrufbar unter URL: https://www.ris.bka-gv.at [Zugriff 01.03.2019].

(28)

17 Es gibt nur sehr wenige höchstgerichtliche Entscheidungen, die die Maklerhaftung be- treffen.35 Aktuell gibt es auch keine statistischen Daten zu Haftungsfällen.36 Einzig im Jahresbericht der RSS ist eine Statistik über Schlichtungsfälle angeführt. Die RSS (Rechtsservice- und Schlichtungsstelle des Fachverbandes der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten) ist eine Kommission, die aus fünf Fach- leuten besteht, und unter einem Vorsitz den von den Parteien außer Streit gestellten Sachverhalt beraten und dazu eine rechtliche Stellungnahme abgibt. Diese Stellung- nahme ist rechtlich unverbindlich, von hoher fachlicher Qualität und einige Empfehlun- gen der RSS wurden in Gerichtsurteilen bereits bestätigt.

Die RSS schlichtet Streitigkeiten zwischen Versicherungskunde und Versicherer, wenn ein Versicherungsmakler am Verfahren beteiligt ist, bei Streitigkeiten zwischen Kunde und Makler (meist Haftungsstreitigkeiten) und bei Streitigkeiten zwischen Mak- ler und Versicherer. Die RSS arbeitet nach den Grundsätzen der Unparteilichkeit, der Transparenz, der Effizienz und der Fairness. Ein Schlichtungsverfahren wird in der Regel innerhalb von drei Monaten abgeschlossen, und die RSS veröffentlicht ihre Empfehlungen in anonymisierter Form in einschlägigen Fachmedien.

Im Jahresbericht 2018 der RSS, im März 2019 veröffentlicht, ist zu lesen, dass im Jahr 2018 92 Schlichtungsfälle eingelangt sind und 21 Akten aus dem Jahr 2017 übertragen wurden. Von den gesamten 113 Fällen wurden 97 in Jahr 2018 abgeschlossen. Fünf der eingereichten Fälle betrafen Versicherungsmakler, wobei es in zwei Fällen um die Maklerhaftung ging.37

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der OGH bis dato sehr wenige Entscheidun- gen über Maklerhaftungen zu fällen hatte und hat. Es dürfte einige Fälle geben, bei denen eine Pflichtverletzung des Versicherungsmaklers vorgelegen sei,

35Vgl. Aichinger, Die Haftung des Versicherungsmaklers in Koban/Funk-Leisch/Aichinger (Hrsg.), Rechte & Pflichten des Versicherungsmaklers (2012), 73.

36Vgl. Gisch, Die rechtlichen Grundlagen der Versicherungsvermittlung in Österreich in Gisch/Kron- steiner/Riedlsperger (Hrsg.), Versicherungsvermittlung in Österreich (2013), 57.

37 Vgl.URL: https://www.wko.at/branchen/information-consulting/versicherungsmakler-berater-versi- cherungsangelegenheiten/rechtsservice-und-schlichtungsstelle-rss.htme, [Zugriff am 27.4.2019].

(29)

18 der Prozess aber schlussendlich zwischen Versicherungsunternehmen und Versiche- rungskunde geführt wurde. Auch ist davon auszugehen, dass viele Schadenersatzan- sprüche und Schadenersatzleistungen außergerichtlich erledigt wurden.38

2.4.2 Anforderungen an den Versicherungsvertrieb

Mit 01.01.2016 ist das neue österreichische Versicherungsaufsichtsgesetz VAG 2016 in Kraft getreten. Von großer Bedeutung in diesem Gesetz sind die Vorschriften über die finanziellen Mindesterfordernisse der Versicherungsunternehmen. Auch werden an die Governance-Vorschriften der Versicherungsunternehmen hohe Anforderungen gestellt. Durch die Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD kommt den Wohlverhaltensregeln und den Informationspflichten der Versicherungsunternehmen größere Bedeutung zu.

Ausgelöst durch die Finanzkrise wurde das Vertrauen der Versicherungskunden in das Funktionieren der Finanzmärkte stark erschüttert. Als Ursache für diese Krise wurde aufgrund von Analysen festgestellt, dass unzureichende Transparenz, mangelhaftes Risikobewusstsein und leichtfertiger Umgang mit Interessenskonflikten dazu geführt haben, dass europaweit Produkte an Versicherungskunden verkauft wurden, die nicht deren Wünschen und Bedürfnissen entsprachen. Um das Vertrauen der Kunden in den Versicherungsmarkt wiederherzustellen und EU-weit den Konsumentenschutz zu stärken, wurde die Vertriebsrichtlinie IDD geschaffen.39

Für die Überprüfung der Einhaltung der Vorgaben der IDD sind die nationalen Auf- sichtsbehörden zuständig. Die nationale österreichische Aufsichtsbehörde, die FMA, hat daher vorausschauend die Versicherungsunternehmen zu beobachten und ist

38 Vgl. Aichinger, Die Haftung des Versicherungsmaklers in Koban/Funk-Leisch/Aichinger (Hrsg.), Rechte & Pflichten des Versicherungsmaklers (2012), 72.

39 Vgl. Pfleger, Vertriebs-Compliance und Wohlverhaltensaufsicht in Fenyves/Koban/Perner/Rieder (Hrsg.), Die Umsetzung der IDD in das österreichische Recht (2019), 190.

(30)

19 verpflichtet, den Markt für Versicherungsanlageprodukte zu überwachen.40 Als Ziele der Versicherungsaufsicht und somit der FMA sind der Schutz der Versicherungskun- den, die Finanzmarktstabilität und der Funktionstüchtigkeit der Versicherungswirt- schaft zu nennen. Die FMA hat zu überprüfen, ob sich die Versicherungsunternehmen an ihre Pflichten halten. Auch ist es Aufgabe der FMA die Finanzen der Versicherungs- unternehmen in dem Ausmaß zu kontrollieren, ob genügend Eigenmittel beziehungs- weise Kapital vorhanden ist, um die Erfüllung der Verträge zu sichern.

Von den Versicherungsunternehmen wird Marktdisziplin erwartet und vorausgesetzt:

die Unternehmen haben Meldepflichten an die FMA, die Bilanz muss offengelegt wer- den und es muss gemeldet werden, ob die Solva-Quote erfüllt ist.41

Die Verletzungen der Anzeigepflichten sind mit Verwaltungsstrafen sanktioniert.42

Die Überschrift des Kapitel V der IDD lautet „Informationspflichten und Wohlverhal- tensregeln“ – und Art. 17 Abs 1 stellt fest: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Versicherungsvertreiber bei ihrer Versicherungsvertriebstätigkeit gegenüber ihren Kunden stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse han- deln.“ Diese, auch für den Versicherungsvertrieb geltenden Informationspflichten und Wohlverhaltungsregeln sind in der nationalen Judikatur in den §§ 128 bis 135e VAG 2016 43 geregelt.

Drei Themen sind hier besonders hervorzuheben:

bestmögliches Interesse, § 128 VAG 2016

• verpflichtende Beratung, § 132 VAG 2016

• Wünsche und Bedürfnisse, § 131 VAG 2016

40 Vgl. § 268a VAG 2016: „Die FMA hat den Markt für Versicherungsprodukte, einschließlich des Mark- tes für Versicherungsprodukte, die im Inland oder aus dem Inland ergänzend zu anderen Produkten oder Dienstleistungen vermarktet, vertrieben oder verkauft werden, in ausschließlicher Wahrneh- mung der in § 267 Abs 1 und 2 genannten öffentlichen Interessen zu überwachen.“

41Vgl. § 278 Abs 1 zweiter Satz VAG, § 279 Abs 1 VAG, § 280 Abs 1 VAG.

42 Vgl. § 317 Abs 1 Z 17 VAG.

43Abrufbar unter URL: https://www.jusline.at [Zugriff am 05.04.2019].

(31)

20 Bei Nichteinhaltung der Vorgaben, bei rechtswidrigem oder schuldhaftem Verhalten haben Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreiber nicht nur mit Scha- denersatzansprüchen (Zivilrecht), sondern, wenn die Vertriebsvorschriften nicht ein- gehalten werden, auch mit aufsichtsrechtlichen Sanktionen und Maßnahmen durch die zuständige Aufsichtsbehörde zu rechnen. Diese Befugnisse der nationalen Behörden sind in Art. 33 (2) und EG 58 IDD geregelt. Die Sanktionen bestehen aus hohen Ver- waltungsstrafen einerseits und anderseits aus Veröffentlichung der verhängten Sank- tionen (Naming and Shaming) durch die Aufsichtsbehörde.

Es sind bei Verstößen gegen die Vorgaben der §§ 128 bis 135e VAG 2016 auch An- ordnungs- und Unterlassungsbescheide gemäß 275 VAG 2016 als verwaltungsbe- hördliche Maßnahme vorgesehen. Die Verhängung dieser verwaltungsbehördlichen Maßnahmen ist zu veröffentlichen.44

2.4.2.1 Naming and Shaming

Nach dem Vorbild des Amerikanischen Rechts hat der europäische Gesetzgeber das Naming and Shaming angeordnet. Es sind Sanktionen und Maßnahmen zu veröffent- lichen um sicherzustellen, dass eine abschreckende Wirkung erzielt wird.

Nur in Ausnahmefällen werden die Maßnahmen und Sanktionen anonymisiert veröf- fentlicht.45

Sinn dieser Veröffentlichung ist, dass Versicherungskunden von gefährlichen Produk- ten und Unternehmen von unseriösen Anbietern gewarnt werden. Auch soll eine Pran- ger-Wirkung für gefährliche Produkte bzw. unseriöse Anbieter erzielt werden. Durch die Veröffentlichung soll auch verhindert werden, dass Unternehmen die eventuellen Geldbußen von vornhinein einkalkulieren und trotzdem einen wirtschaftlichen Vorteil haben. Zu berücksichtigen ist auch die Präventionswirkung dieser Sanktion.

44 Vgl. Pfleger, Vertriebs-Compliance und Wohlverhaltensaufsicht in Fenyves/Koban/Perner/Rieder (Hrsg.), Die Umsetzung der IDD in das österreichische Recht (2019), 193-194.

45 Vgl. EG 63 IDD.

(32)

21 Diese soll eine abschreckende Maßnahme darstellen und ein ökonomischer Anreiz sein sich normkonform zu verhalten.46

Gemäß § 256a Abs 1 VAG 2016 hat die FMA – als zuständige nationale Behörde – rechtskräftig verhängte Strafen und Maßnahmen unverzüglich auf ihrer Website zu veröffentlichen. Die FMA hat aber auch vorher zu überprüfen, ob die Bekanntgabe des Rechtsträgers oder der Person die laufenden Ermittlungen oder die Stabilität des Fi- nanzmarktes gefährden würde. Wenn dies ausnahmsweise der Fall sein sollte, dann darf die FMA die Daten erst dann veröffentlichen, wenn die Gründe für die Nichtveröf- fentlichung wegfallen; oder die Veröffentlichung erfolgt in anonymisierter Form. Durch die Prüfung jedes einzelnen Falls über die entsprechende Veröffentlichung können die Folgen für die betroffenen Unternehmen und Personen gemildert werden.47

Die Veröffentlichung enthält Angaben zu Art und Charakter des Verstoßes; und gemäß

§ 256a Abs 1 VAG 2016 wird in diesem Zusammenhang auch von der Identität der betroffenen Personen gesprochen. Die Dauer der Veröffentlichung beträgt fünf Jahre.

Personenbezogene Daten dürfen aber nur so lange veröffentlicht werden, solange nicht Kriterien für eine anonymisierte Veröffentlichung vorliegen.48 Gleichzeitung mit der Veröffentlichung hat die FMA gemäß § 258 Abs 3 VAG 2016 die EIOPA über die Veröffentlichung und die verhängten Geldstrafen und Maßnahmen zu informieren.

Auch über im Einzelfall nicht veröffentliche Maßnahmen sind der EIOPA zu melden.

Zusätzlich hat die FMA (als nationale Behörde) an die EIOPA jährlich einen Bericht über rechtskräftig verhängte Geldbußen und Maßnahmen zu übermitteln.49 Diese In- formationen sind gemäß IDD von der EIOPA jährlich zu veröffentlichen.50

46 Vgl. Pfleger, Vertriebs-Compliance und Wohlverhaltensaufsicht in Fenyves/Koban/Perner/Rieder (Hrsg.), Die Umsetzung der IDD in das österreichische Recht (2019), 195-196.

47 Vgl. § 256a Abs 2 VAG 2016.

48 Vgl. § 256a Abs 3 bis 5 VAG 2016 bzw. § 360a Abs 3 GewO.

49Vgl. § 256a Abs 2 VAG 2016.

50Vgl. § 258 Abs 1 Z 6 VAG 2016.

(33)

22 Dadurch ist Transparenz gegeben von welcher nationalen Behörde welche Strafen, Sanktionen und Maßnahmen verhängt worden sind.51

Mit dem Naming and Shaming wird auch im Bereich der Wohlverhaltensaufsicht ein Ansatz zur Stärkung der Marktdisziplin verfolgt. Durch eine Veröffentlichung von Sank- tionen und Maßnahmen hat der Versicherungsvertreiber nicht nur ein höheres Com- pliance-Risiko; die Veröffentlichung hat auch eine Warnfunktion, eine Pranger-Wir- kung, Sanktionswirkung und insbesondere eine Präventionswirkung. Aufgrund der ab- schreckenden Wirkung von namentlicher Nennung der handelnden Personen wird das Bewusstsein der persönlichen Verantwortung gestärkt und eine positive Compliance- Kultur in den Unternehmen gefördert.52

2.5 Betrachtung des bestmöglichen Interesses des Kunden unter ökonomischen Gesichtspunkten

Ausgelöst durch die Pleite der US-Investmentbank Lehmann Brothers erlebte die Fi- nanzwelt im Jahr 2008 den spektakulären Höhepunkt einer Finanzkrise. Die Situation erinnerte an das Jahr 1929, die Weltwirtschaft schlitterte in eine Rezession, es wurden Unmengen von Vermögen und Arbeitsplätze vernichtet. Das Vertrauen der Kunden in den Finanzmarkt war erschüttert. Hauptaufgabe nach diesem weltweiten Finanzcrash war es, das Vertrauen der Kunden zurück zu gewinnen. Keine leeren Versprechen zu tätigen, sondern Konsequenzen für Fehlverhalten und Schwachstellen zu setzen.

Ausgelöst wurde diese Finanzkrise unter anderem auch durch die seinerzeitigen Vor- gaben in der Versicherungsbranche: es wurden ausschließlich produktbezogene Ab- satzziele vorgegeben. Diese Vorgabe führte zu Fehlberatungen, zu nicht kundenori- entiertem Verhalten der Vermittler.

51 Vgl. Pfleger, Vertriebs-Compliance und Wohlverhaltensaufsicht in Fenyves/Koban/Perner/Rieder (Hrsg.), Die Umsetzung der IDD in das österreichische Recht (2019), 198-199.

52 Vgl. Pfleger, Vertriebs-Compliance und Wohlverhaltensaufsicht in Fenyves/Koban/Perner/Rieder (Hrsg.), Die Umsetzung der IDD in das österreichische Recht (2019), 200.

(34)

23 Das Vertrauen in die Versicherungsbranche war gesunken. Eine große Anzahl von Versicherungsvermittler gab ihren Beruf auf: einerseits wegen des großen Verkaufs- drucks zu Lasten der Kunden durch die Vorgaben (um Boni zu lukrieren), andererseits aufgrund von moralischen Bedenken und der Haftung ausgelöst durch Fehlberatun- gen. Die Folge war ein betriebswirtschaftliches Problem. Vergraulte Kunden waren kein Potential mehr. Ein großes Geschäftsfeld wurde eingebüßt. In dieser Situation griff der Gesetzgeber ein, denn er erkannte das Spannungsfeld zwischen bestmögli- chem Interesse des Kunden und marktwirtschaftlichen Zielen des Versicherungsmak- lers.53

Der Eingriff des Gesetzgebers, der Regulierungsbedarf, ist als Schutzfunktion des Marktes zu sehen. Wenn sich die Anleger aus dem Markt – aufgrund von Verlusten und/oder weniger Rendite – zurückziehen, wird die Liquidität des Marktes beeinträch- tigt. Es entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden, weil Investitionen am Kapitalmarkt der Vermögensbildung dienen. Besonders im Bankengewerbe kam es zu Verstaatli- chungen. Die Politik hat in die Wirtschaft eingegriffen und kontrollierte das Geschehen.

Die liberale Marktwirtschaft schien versagt zu haben, ihr Ende gekommen zu sein.54

Exkurs: Im Deutschland der Nachkriegszeit erfolgte das „Wirtschaftswunder“ aufgrund der Sozialen Marktwirtschaft – einem Symbol für gesellschaftliche Harmonie und ge- samtwirtschaftlichem Erfolg55 - Österreichs Wiederaufbau in der Nachkriegszeit er- folgte nach anderen Regeln:

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs war Österreichs Wirtschaft am Boden. Aber bereits durch Investitionen während der Kriegsjahre wurde eine industrielle Basis ge- schaffen. Die Westmächte legten während der Besatzungszeit ein großes Augenmerk auf das Wieder-in-Gang-setzen der Wirtschaft. Grundlage war auch die große Hilfe von den USA, Großbritannien und den Vereinten Nationen. Und der Verzicht

53 Vgl. Boxmann, Kreditwirtschaftliche Vertriebsstrategien (2014), URL:

https://books.google.at/books?id=hl53DwAAQBAJ&pg=PP4&dg=kreditwirtschaftliche+Vertriebs- stratgien&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiW17fPmJTiAhWFtYsKHQX9BcYQ6AEIKDAA#v=one- page&q=kreditwirtschaftliche%20Vertriebsstrategien&f=fase , [Zugriff am 06.05.2019].

54 Vgl. Horn, Die soziale Marktwirtschaft (2014), 9.

55Vgl. Horn, Die soziale Marktwirtschaft (2014), 10.

(35)

24 der Besatzungsmächte auf ihre Ansprüche. 1946 und 1947 wurden, um das „Deutsche Eigentum“ zu „austrifizieren“, die größten Banken, zahlreiche Betriebe der

Bergbauindustrie, der Metallindustrie und der Elektrizitätswerke verstaatlicht. Bereits im Jahr 1950 wurde die Wirtschaftskraft der Vorkriegszeit wieder erreicht, der Schilling im Jahr 1952 eine stabile Währung. Es folgten Jahre mit zweistelligem Wirtschafts- wachstum und im Jahr 1955 der Staatsvertrag. Die Wirtschaft florierte, und Österreich holte den Rückstand zu anderen Industriestaaten auf.56

Zwei Staaten, zwei verschiedenen Wirtschaftsmodelle, jedes für sich erfolgreich. Wel- ches ökonomische Modell ist nun das „richtige“? In den nachfolgenden Kapiteln wer- den einige Modell erklärt, ihre Vor- und Nachteile erörtert und auch die Grenzen auf- gezeigt.

2.5.1 Ökonomische Modelle

Wenn es um theoretische Aussagen im Bereich der Ökonomie geht, dann werden öko- nomische Modelle eingesetzt. Diese Modelle werden unter anderem zur Bildung von Hypothesen im Rahmen von empirischen Untersuchungen angewendet. Der Begriff Modell kennt viele Verwendungsformen und Modellvorstellungen sind problematisch, da laut Kapeller „Gleichungen, wie etwa auch Beschreibungen, stets abhängig von einer gewissen Perspektive auf den Gegenstand sind und daher nur ein beschränktes beziehungsweise spezifisches Bild des Gegenstandes liefern können“. Ein Modell kann hier als Theorie verstanden werden.57

Grundsätzlich ist zu hinterfragen, ob sich die ökonomischen Modelle aus der Erfahrung ergeben oder auf eine logische Zergliederung der Satzsysteme hinarbeiten. Auch ist abzuklären, ob ökonomische Modelle eine wissenschaftliche Aussagekraft besitzen.

Fest steht jedoch, dass ökonomische Modelle eine Hauptrolle in theoretischen Erörte- rungen innehaben.58

56 Vgl. URL: https://oe1.orf.at/artikel/207246, [Zugriff am 05.05.2019].

57 Vgl. Kapeller, Modell-Platonismus in der Ökonomie (2012), 45-48.

58 Vgl. Kapeller, Modell-Platonismus in der Ökonomie (2012), 53.

(36)

25 Die ökonomische Theorie berücksichtigt alle Versuche, wirtschaftliche Anzeichen me- thodisch zu erklären: unter Beobachtung der geschichtlichen Wahrheit (die systemati- sche Erforschung von Ursachen) und im Beschreiben des Idealzustandes (Zustand des Gleichgewichtes, Realität ist eine Abweichung vom Idealzustand).59

In der ökonomischen Theorie wird über wirtschaftliche und soziale Probleme, also über wirtschaftliche und soziale Ideen nachgedacht. Und das in Denkmodellen. Diese Denk- modelle sind Theorien: es werden Verbindungen zwischen den Modellelementen ge- zogen und Ergebnisse hergestellt.60

Es gibt zwei Theoriengruppen, positive und normative. Positive Theorien gehen von den weitreichenden Fragestellungen aus inwieweit sich ökonomische Phänomene er- klären. Normative Theorien beschäftigen sich damit, wie eine ideale Wirtschaftsgesell- schaft aussehen sollte. Welche Ziele anzustreben sind.61

Die Problematik der Wirtschaftspolitik ergibt sich aber aus der Diskrepanz von Ideal und Wirklichkeit. Und aus der Suche nach den optimalen Mitteln zur Erreichung von bestimmten Zielen, damit der Spalt zwischen Norm und Realität nicht zu groß wird.62

59 Vgl. Bortis, Einführung in die ökonomische Theoriengeschichte, URL:

https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=2ahU- KEwiQ4_eEwqniAhXII1AKHRVrA1AQFjAAegQI-

ABAC&url=https%3A%2F%2Fwww.unifr.ch%2Fwithe%2Fassets%2Ffiles%2FBachelor%2FTheori- engeschichte%2FEinfuehrungDoge.pdf&usg=AOvVaw3peSjC_m3evCzf7JDlwNT4, [Zugriff am 04.03.2019].

60 Vgl. Bortis, Einführung in die ökonomische Theoriengeschichte, URL:

https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=2ahU- KEwiQ4_eEwqniAhXII1AKHRVrA1AQFjAAegQI-

ABAC&url=https%3A%2F%2Fwww.unifr.ch%2Fwithe%2Fassets%2Ffiles%2FBachelor%2FTheori- engeschichte%2FEinfuehrungDoge.pdf&usg=AOvVaw3peSjC_m3evCzf7JDlwNT4, [Zugriff am 04.03.2019].

61 Vgl. Bortis, Einführung in die ökonomische Theoriengeschichte, URL:

https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=2ahU- KEwiQ4_eEwqniAhXII1AKHRVrA1AQFjAAegQI-

ABAC&url=https%3A%2F%2Fwww.unifr.ch%2Fwithe%2Fassets%2Ffiles%2FBachelor%2FTheori- engeschichte%2FEinfuehrungDoge.pdf&usg=AOvVaw3peSjC_m3evCzf7JDlwNT4, [Zugriff am 04.03.2019].

62 Vgl. Bortis, Einführung in die ökonomische Theoriengeschichte, URL:

https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=2ahU- KEwiQ4_eEwqniAhXII1AKHRVrA1AQFjAAegQI-

ABAC&url=https%3A%2F%2Fwww.unifr.ch%2Fwithe%2Fassets%2Ffiles%2FBachelor%2FTheori- engeschichte%2FEinfuehrungDoge.pdf&usg=AOvVaw3peSjC_m3evCzf7JDlwNT4, [Zugriff am 04.03.2019].

(37)

26 Abbildung 1: Ein ökonomisches Modell in einer modifizierten Sichtweise

Quelle: Kapeller, Modell-Platonismus in der Ökonomie (2012), 54.

Die Deutung der obigen Abbildung 1 ist folgende: durch die Auswahl der Axiome (the- oretische, gültige Wahrheit die keines Beweises bedarf) ergibt sich in Verbindung mit gewissen Bedingungen ein Modell-Aufbau, aus dem sich durch Deduktion (Erkenntnis des Einzelfalls durch ein allgemeines Gesetz) ein ökonomisches Modell begründet.

Wenn die Daten nach der Überprüfung glaubwürdig sind werden gemeinsame Eigen- schaften zwischen dem Modell und dem Ziel-System behauptet, diese werden von anderen abgesondert betrachtet und stellen die Realität (Gesamtzahl möglicher Be- obachtungen) dar.63

Auch in der neoklassischen Theorie werden Lehrsätze aus Axiomen abgeleitet.64

63 Vgl. Kapeller, Modell-Platonismus in der Ökonomie (2012), 54.

64 Vgl. Kapeller, Modell-Platonismus in der Ökonomie (2012), 56.

(38)

27 2.5.1.1 Das neoklassische Marktmodell

Das neoklassische Marktmodell ist ein Modell vollkommener und perfekter Konkur- renz. Bei diesem Modell wird davon ausgegangen, dass der Markt grundsätzlich durch Angebot und Nachfrage geregelt wird. Der Markt befindet sich somit immer im Gleich- gewicht. Den handelnden Personen wird ein bestimmtes Verhalten unterstellt.65 Es herrscht ein Gleichgewicht der optimalen Verteilung. Der handelnde Mensch wird als

„homo oeconomicus“ bezeichnet, der ständig ökonomisch rational handelt und im Markt frei agiert.66

Mit Hilfe des „homo oeconomicus“, einem Verhaltensmodell, soll das Entscheidungs- verhalten des einzelnen Menschen vorhergesagt und untersucht werden. Dieses Ver- haltensmodell soll ein Menschenbild zeigen, welches das Wesen des Menschen dar- stellt. Dieses Menschenbild ist laut diesem Modell unabhängig von seiner Stimmung, von seinen Gefühlen und Trieben, und handelt rational und eigennütz. Der „homo oeconomicus“ wägt seine Handlungsmöglichkeiten ab und entscheidet sich dann für eine Handlung, die für ihn am besten erscheint. Sein Handeln ist von Unsicherheit bestimmt, da er niemals alle Konsequenzen seines Handelns vorhersehen und be- rechnen kann; die Entscheidungen erfolgen immer unter Zeitdruck.67

Ziel jeder unternehmerischen Unternehmung ist erfolgreich zu sein. Erfolg bedeutet seine Ziele zu erreichen, die Aufträge zu erfüllen, einen bestimmten Kundenbedarf zu befriedigen und hohe Kundenzufriedenheit zu erreichen. Ertragsziele (zum Beispiel:

Umsatz, Gewinn, Deckungsbeitrag), Mengenziele (zum Beispiel: Neukundengewin- nung, Volumenzuwächse und hohe Cross-Selling-Rate) und Qualitätsziele (zum Bei- spiel: Kundenzufriedenheit) sollen erreicht werden. Die Unternehmen geben für die Zielerreichung bestimmte Ziele vor: hier ist die Gefahr sehr groß, dass das Kundenin- teresse auf der Strecke bleibt und die wirklichen Kundeninteressen nicht berücksichtigt werden. Der Kunde wird nicht in den Vordergrund gestellt, sondern

65 Vgl. Kapeller, Modell-Platonismus in der Ökonomie (2012), 69.

66 Vgl.URL:https://www.lai.fu-berlin.de/e-learning/projekte/vwl-baisiswis sen/Theorien_des_oekono- mischen_Denkens/Nationaloekonomie/Neoklassiche_Theorie/index.html , [Zugriff am 05.03.2019].

67 Vgl. Gläßner, Die Beschränkung des Vertriebs von Finanzprodukten (2017), 25.

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