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Gewalt gegen Polizisten

Eine aktuelle Analyse

von Dr. Stefan Goertz

Polizei- Fach- Handbuch

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P olizei

S tudium P raxis

Dieser Aufsatz entstammt der Zeitschrift

„Polizei – Studium – Praxis“, Ausgabe 3/2021.

Die Fachzeitschrift erscheint mitt lerweile im 11. Jahr und beinhaltet:

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Erscheinungsweise: 4 x pro Jahr

Einzelbezugspreis: 5,– € inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten (Inland) Jahresabonnement: 16,– € inkl. MwSt. und Versandkosten (Inland) Die Mindestbezugsdauer für die „Polizei – Studium – Praxis“

im Abonnement beträgt ein Jahr. Das Abonnement verlängert sich automati sch um ein Jahr, wenn es nicht spätestens sechs Wochen vor Ablauf schrift lich gekündigt wurde.

Bezugspreise Ausland: auf Anfrage

Bestellungen ausschließlich an den Verlag.

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von Stefan Goertz

Dr. Stefan Goertz

Professor für Sicherheitspolitik, Extremismus- und Terrorismusforschung, Hochschule des Bun- des, Fachbereich Bundespolizei, Lübeck

Gewalt gegen Polizisten – Eine aktuelle Analyse

Der nachfolgende Beitrag untersucht Gewalt gegen Polizeibeamte und fasst zunächst das aktuelle Bundeslagebild des Bundeskriminal- amts zu diesem Phänomen zusammen. Wei- ter wird Gewalt gegen Polizisten im Rahmen von Corona-Demonstrationen, von Linksex- tremisten, Islamisten sowie von „Reichsbür- gern“ und „Selbstverwaltern“ analysiert.

1 Der Phänomenbereich und die aktuellen Zahlen

Das aktuelle Bundeslagebild Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivoll- zugsbeamte des Bundeskriminalamtes aus dem Juni 2020 beleuchtet Gewalt gegen Po- lizisten in den Berichtsjahren 2018 und 2019.

Dazu gehören die Straftaten Widerstand und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und gleichgestellte Personen sowie Gewalt- taten gegen Polizeivollzugsbeamte. Mit dem

„52. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbu- ches – Stärkung des Schutzes von Vollstre- ckungsbeamten und Rettungskräften“ vom 23.5.2017 hat der Gesetzgeber bisherige Straftatbestände geändert und neue Straftat- bestände geschaffen. Dabei hat der Gesetz- geber den tätlichen Angriff aus § 113 StGB herausgelöst und den neuen Straftatbestand des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbe- amte (§ 114 StGB) geschaffen. Dieser Tatbe- stand verzichtet bei tätlichen Angriffen auf den Bezug zur Vollstreckungshandlung der Polizisten. Damit werden tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte auch schon bei der Vornahme allgemeiner Diensthandlungen, wie z.B. Streifenfahrten, Befragungen oder Unfallaufnahmen, unter Strafe gestellt. Das Bundeskriminalamt verweist darauf, dass der

Strafrahmen hinsichtlich des Grundtatbe- standes (§ 114 Abs. 1 StGB) gegenüber § 113 Abs. 1 StGB verschärft wurde (Freiheits- strafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) und damit die Strafandrohung höher ist als die der Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe). So ist ein tätlicher Angriff i.S.

des § 114 StGB jede in feindseliger Absicht unmittelbar auf den Körper des anderen zie- lende Einwirkung ohne Rücksicht auf ihren Erfolg (z.B. Flaschenwurf, der den Polizisten verfehlt oder die Abgabe von Schreckschüs- sen). Hierbei muss es nicht zu einer körper- lichen Verletzung kommen. Auch muss die Tathandlung nicht auf die Verhinderung oder Erschwerung der Diensthandlung abzielen.

Ausreichend hierfür ist, wenn aus allgemei- ner Feindseligkeit gegen den Staat oder aus persönlichen Motiven gegen den Amtsträger oder aus anderen Beweggründen gehandelt wird.1)

Diese Gesetzesänderungen und die Erhö- hung der Strafen im Phänomenbereich Ge- walt gegen Polizisten sind als absolut richtig zu bewerten, hätten allerdings früher umge- setzt werden müssen.

Im Jahr 2019 erfassten die deutschen Polizeibehörden und die Staatsanwaltschaf- ten 36.959 Fälle von „Widerstand gegen und tätlicher Angriff auf die Staatsgewalt“. Ge- genüber dem Jahr 2018 bedeutet dies einen Anstieg um 8,2 % bei einer Aufklärungsquote von 98,0 %. In der Langzeitbetrachtung liegt die Anzahl der 2019 erfassten Fälle „Wider- stand gegen und tätlicher Angriff auf die Staatsgewalt“ mit 36.959 Fällen – wie im Vorjahr – über dem Durchschnittswert der letzten 15 Jahre (25.992 Fälle). Wie bei der Gesamtzahl aller Straftaten deutschlandweit sind auch bei den unter „Widerstand gegen und tätlicher Angriff auf die Staatsgewalt“ zu subsumierenden Straftaten die prozentualen Fallanteile bei Großstädten ab 500.000 Ein- wohner überrepräsentiert. Die Zahl der Ge- walttaten gegen Polizisten ist seit dem Jahr

1 Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Gewalt gegen Polizeivollzugs- beamtinnen und Polizeivollzugsbeamte 2019, Wiesbaden, 2.6.2020, S. 8.

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2011 (30.628) stark angestiegen und liegt aktuell bei 38.635. Bei den als Opfer von Gewalttaten registrierten Polizisten lag der Durchschnittswert der letzten 9 Jahre bei 67.028. Mit 80.084 Opfern ist der für 2019 erfasste Wert damit deutlich höher als der Durchschnittswert.2)

2 Extremistische Gewalt gegen Polizisten – Entmenschlichte Wahrnehmung

2.1 Gewalt gegen Polizisten im Rahmen von Corona-Demonstrationen

Mit Gewalt und Reizgas griffen Corona- Demonstranten Mitte November 2020 Poli- zisten im Rahmen einer Corona-Demonstra- tion im Berliner Regierungsviertel an. Nach Angaben der Polizei Berlin wurden die einge- setzten Polizisten massiv attackiert, es habe 77 verletzte Polizisten und 365 Festnahmen gegeben. „Das Potenzial und die Brutalität der Gewalt waren immens. Einzelne Stim- men haben mir gesagt, so was haben wir in Berlin seit Jahrzehnten nicht erlebt“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Demons- tranten versuchten demnach, Polizisten die Helme vom Kopf zu zerren. Bei einigen Ein- satzkräften seien die Visiere hochgerissen und Reizgas ins Gesicht gesprüht worden.

Flaschen, Steine und Pyrotechnik seien auf Einsatzkräfte geflogen.3) Die Berliner Polizei gab die Zahl der Corona-Demonstranten zwi- schen Reichstagsgebäude, Brandenburger Tor und Straße des 17. Juni an diesem Mitt- woch mit etwa 7.000 an. Bis zu 2.400 Beamte waren im Einsatz, um die Proteste unter Kon- trolle zu halten und schließlich aufzulösen, weil die Corona-Regeln massenhaft missach- tet worden waren.

Der NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, berichtet von einem zunehmend aggressiven Verhal- ten der Teilnehmer von Corona-Demonstra- tionen gegenüber Polizisten. „Immer häu- figer werden meine Kollegen bei Einsätzen

2 Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Gewalt gegen Polizeivollzugs- beamtinnen und Polizeivollzugsbeamte 2019, Wiesbaden, 2.6.2020, S. 9–52.

3 https://www.welt.de/politik/deutschland/article220583632/Coro- na-Demo-Berlin-Fast-80-Beamte-nach-Angriffen-auf-Polizei-verletzt.

html (aufgerufen am 23.11.2020).

angespuckt. In Corona-Zeiten kommt das An- husten dazu. Das Anhusten ist das neue Spu- cken. Von den Polizisten wird das als extrem bedrohlich empfunden.“ 4)

2.2 Linksextremistische Gewalt gegen Polizisten

Linksextremistische Gewalt richtet sich nach Angaben der deutschen Verfassungs- schutzbehörden vor allem gegen den Staat, seine Einrichtungen und Repräsentanten.

Das Hauptziel linksextremistischer Militanz sind hierbei Polizisten. Linksextremisten ha- ben mit ihr im Alltag deutlich mehr Begeg- nungen als mit anderen Behörden, die den Staat repräsentieren. Dazu wird vor allem durch die Polizei das staatliche Gewaltmono- pol sichtbar, weshalb sie bei Linksextremis- ten als Inbegriff staatlicher „Repression“ gilt.

Da Polizisten in vielen Bereichen tätig sind, z.B. bei Demonstrationen, Zwangsräumun- gen von besetzten Häusern oder Abschie- bungen, sind – so analysiert das Bundesamt für Verfassungsschutz – Angriffe auf die Po- lizei in diversen Zusammenhängen möglich.

Neben diesen direkten Angriffen auf Polizis- ten – oftmals im Zusammenhang mit Ver- sammlungslagen – kommt es im Aktionsfeld

„Antirepression“ regelmäßig zu klandestinen Aktionen wie Anschlägen insbesondere auf Gebäude oder Dienstfahrzeuge der Polizei.5)

Aus Sicht der linksextremistischen Szene nutzt und missbraucht die Polizei als angeb- licher „Handlanger“ des zu bekämpfenden

„kapitalistischen Systems“ das staatliche Gewaltmonopol. Vor diesem Hintergrund haben gewaltorientierte Linksextremisten grundsätzlich eine feindselige Haltung ge- genüber der Polizei, wie die Verwendung des u.a. auch in der linksextremistischen Szene verbreiteten Akronyms „A.C.A.B.“ („all cops are bastards“) zeigt. Nach Auffassung deut- scher Verfassungsschutzbehörden stellen Polizisten für gewaltorientierte Linksextre- misten personifizierte Hauptfeindbilder und

4 https://www.welt.de/regionales/nrw/article219815020/GdP-Ge- waltrisiko-steigt-mit-Dauer-des-Teil-Lockdowns.html?cid=onsite.on- sitesearch (aufgerufen am 23.11.2020).

5 Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Verfassungs- schutzbericht 2019, Berlin, Juli 2020, S. 133.

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von Stefan Goertz

zum Teil sogar „entmenschlichte“ Hassob- jekte dar. Diese entmenschlichende Wahr- nehmung vereinfache die Rechtfertigung von Gewalt, die sich dann aus Sicht von Linksex- tremisten nicht mehr gegen Menschen, son- dern gegen bloße Teile einer angeblichen Re- pressionsmaschinerie richtet.6)

Regelmäßig verletzen gewaltorientierte Linksextremisten Polizisten bei Demonstrati- onen. Polizisten, die die Ausübung des Ver- sammlungsrechts schützen, werden hierbei für gewaltbereite Linksextremisten zu Er- satzzielen, wenn Gewalt gegen den eigent- lichen politischen Gegner (z.B. tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten) nicht ausgeübt werden kann. Auf angebliche „Po- lizeiübergriffe“ oder vermeintlichen „Polizei- terror“ reagieren gewaltorientiert Linksextre- misten reflexartig mit „Gegenangriffen“. Mit dem Ziel, von der eigenen Gewalt abzulenken und als Opfer zu gelten, verklären linksextre- mistische Täter und ihr Umfeld diese Angriffe auf Polizisten häufig als „Selbstverteidigung“

bzw. „Notwehr“. Die bloße Anwesenheit von Polizisten auf Demonstrationen und Aufla- gen von Behörden gelten in der linksextre- mistischen Szene bereits als Schikane und Provokation. Pflastersteine, mit denen Poli- zisten häufig beworfen werden, gehören zu den Gründen, warum Polizisten auf einschlä- gigen Demonstrationen mittlerweile zur Ei- gensicherung mit schwerer Schutzkleidung ausgerüstet werden müssen. Die deutschen Sicherheitsbehörden beobachten, dass die Hemmschwelle, Polizeibeamte zu verletzen, seit Jahren sinkt.7)

Am 17.6.2017 verübten Linksextremisten im Bereich der Rigaer Straße in Berlin einen gezielten Angriff auf Polizisten, die von Dä- chern der umliegenden Häuser mit Steinen und Pyrotechnik beworfen wurden. Drei Polizisten und Piloten eines Hubschraubers wurden mit einem Laserpointer geblendet, was katastrophale Konsequenzen für vom

6 Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Verfassungs- schutzbericht 2017, Berlin, Juli 2018, S. 116.

7 Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Verfassungs- schutzbericht 2017, Berlin, Juli 2018, S. 116.

Absturz betroffene Personen hätte haben können.

Als Reaktion auf die öffentliche Fahndung der Polizei nach Beteiligten an den Ausschrei- tungen beim G-20-Gipfel gerieten beim G-20-Gipfel eingesetzte Polizisten in das Zielspektrum von Linksextremisten. 54 Po- lizisten, die an der Räumung eines linksext- remistischen Szeneobjektes beteiligt waren, wurden auf den Fahndungsaufrufen der Po- lizei nachempfundenen Plakaten abgebildet.

Diese „Fahndungsplakate“ wurden durch Linksextremisten im Internet veröffentlicht.

In dem entsprechenden Aufruf heißt es: „(…) anlässlich der Hetzjagd auf Teilnehmer_in- nen des Hamburger Aufruhrs gegen den G20 erneuern wir unser Bekenntnis zum Kampf gegen den Staat, gegen die Faschistischen Organisationen wie die Polizei (…). Anlässlich der Hetzkampagne (…) haben wir uns ent- schieden, Bildaufnahmen von 54 Polizeibe- amt_innen zu veröffentlichen, die im letzten Jahr daran beteiligt waren, die Rigaer94 zu räumen. Wir freuen uns über Hinweise, wo sie wohnen oder privat anzutreffen sind. Ne- ben der Teilnahme an der Räumung können sie bedenkenlos für die Gewalt der drei Wo- chen der Belagerung verantwortlich gemacht werden.“ (Homepage Rigaer94, 17. Dezem- ber 2017).8)

Am 8.7.2017 griffen vier bis fünf Links- extremisten ein Dienstgebäude der Polizei Magdeburg an. Sie warfen Steine gegen das Gebäude und platzierten zwei selbst gebau- te Brandsätze (präparierte Gaskartuschen).

Ende Mai 2018 stürmten 60 – zum überwie- genden Teil vermummte – Linksextremisten das Wohnhaus eines Polizisten in Hitzacker.

Die Polizei konstatierte in ihrer Pressemittei- lung einen „gezielten Angriff auf Polizeibe- amte als Privatpersonen“ sowie „eine neue Qualität der Gewalt gegenüber der Polizei und ihren Angehörigen“. Sie leitete in Ab- sprache mit der Staatsanwaltschaft Lüneburg Strafverfahren wegen Landfriedensbruch, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, Hausfriedensbruch, Bedrohung, Beleidigung,

8 Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Verfassungs- schutzbericht 2017, Berlin, Juli 2018, S. 116–118.

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Diebstahl und Widerstand gegen Polizeivoll- zugsbeamte ein.9) Bei einer Demonstration gegen die Abschiebung eines syrischen Asyl- bewerbers am 9.7.2019 in Leipzig wurden Polizisten mit Flaschen und Steinen ange- griffen, dabei wurden elf Polizisten verletzt und drei Dienstwagen beschädigt. In der Nacht zum 21.7.2019 wurden Polizisten in unmittelbarer Nähe zum „anarcha-queer- feministischen“ Hausprojekt „Liebig34“ in Berlin-Friedrichshain mit Pflastersteinen be- worfen. In der Nacht zum 1.1.2020 griffen etwa 20 Autonome im Leipziger Stadtteil Connewitz die Polizei massiv mit Steinen und Pyrotechnik an. Ein Polizist wurde dabei ge- zielt mit Schlägen und Tritten gegen den Kopf angegriffen und so schwer verletzt, dass er operiert werden musste. Weitere Polizisten wurden durch diesen linksextremistischen Angriff verletzt. Die Staatsanwaltschaft Leip- zig nahm die Ermittlungen wegen des Ver- dachts des versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch auf.10) Bei der Räumung des besetzten links- extremistischen Szeneobjektes „Liebig 34“ in Berlin Ende Oktober 2020 wurden 132 Links- extremisten festgenommen und 19 Polizis- ten verletzt.11)

2.3 Islamistische Gewalt gegen Polizisten In den vergangenen Jahren haben meh- rere Islamisten Gewalt gegen Polizisten an- gewendet und teilweise Polizisten lebens- gefährlich verletzt. Im Oktober 2012 wurde ein Salafist wegen eines Messerangriffs auf Polizisten in Bonn zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Das Landgericht Bonn sprach den 26-jährigen Deutsch-Tür- ken der gefährlichen Körperverletzung, des Landfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte für schuldig.12) Nach den Angriffen islamistischer Demonstranten

9 https://www.welt.de/vermischtes/article176525896/Niedersach- sen-Vermummte-belagern-Privatgrundstueck-eines-Polizisten.html (aufgerufen am 23.11.2020).

10 Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Verfassungs- schutzbericht 2019, Berlin, Juli 2020, S. 133.

11 https://www.tagesspiegel.de/berlin/nach-gewaltausbruechen-am- freitag-kleinere-polizeieinsaetze-im-liebig-34-umfeld-in-der-nacht- zu-sonntag-/26256520.html (aufgerufen am 23.11.2020).

12 https://www.tagesspiegel.de/politik/demo-eskaliert-in-gewalt- sechs-jahre-haft-fuer-islamisten-wegen-messerattacke-auf-polizis- ten/7275180.html (aufgerufen am 23.11.2020).

auf Polizisten in Solingen wurde ein Gewalt- täter im Frühjahr 2013 zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.13) Durch ein in der später folgenden Gerichtsverhandlung als auffällig beschriebenes Verhalten provozier- te am 26.2.2016 die Salafistin Safia S., eine 15-jährige Schülerin, eine Ausweiskontrolle.

Dabei stach sie mit einem Messer – in ihrem Rucksack führte sie ein weiteres Messer mit sich – einem jungen Bundespolizisten unver- mittelt in den Hals. Der Bundespolizist brach zusammen, die Verletzung war lebensgefähr- lich, sein Streifenpartner überwältigte die Schülerin. Safia S. führte ein Gemüsemes- ser mit einer sechs Zentimeter langen Klin- ge und ein Steakmesser mit einer fünfzehn Zentimeter langen Klinge mit sich. Die Bun- desanwaltschaft geht davon aus, dass Safia S. den Polizisten „als Repräsentanten der von ihr verhassten Bundesrepublik“ töten wollte.

Das Oberlandesgericht Celle verurteilte Safia S. wegen versuchten Mordes und der Unter- stützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu sechs Jahren Haft, da sie die terroristische Vereinigung Islamischer Staat habe unterstützen wollen.14)

2.4 Gewalt von „Reichsbürgern“ und

„Selbstverwaltern“ gegen Polizisten Das Auftreten von „Reichsbürgern“ und

„Selbstverwaltern“ gegenüber Amtsträgern und staatlichen Institutionen ist nach Anga- ben des Bundesamtes für Verfassungsschutz häufig durch eine starke verbale Aggression gekennzeichnet. Mittlerweile muss jedoch auch die Anwendung massiver körperlicher Gewalt einkalkuliert werden. Vor allem bei hoheitlichen Maßnahmen von Polizisten ge- gen „Reichsbürger“ oder „Selbstverwalter“

besteht zunehmend ein hohes Eskalations- potenzial. Eine besondere Risikogruppe stel- len „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“

dar, die über waffenrechtliche Erlaubnisse verfügen. Im Jahr 2016 ereigneten sich zwei schwere Gewaltdelikte, in deren Verlauf es zu einem Schusswechsel zwischen „Reichs-

13 https://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/Angreifer-nach- Islamisten-Gewalt-gegen-Polizisten-verurteilt-id25355426.html (auf- gerufen am 23.11.2020).

14 Goertz, Islamistischer Terrorismus. Analyse – Definitionen – Taktik, 2. Aufl., 2019, S. 128–130.

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von Stefan Goertz

bürgern“ und Polizisten kam: Anlässlich ei- ner Zwangsräumung gab es am 25.8.2016 in Reuden (Sachsen-Anhalt) einen Schusswech- sel zwischen dem „Reichsbürger“ Adrian U.

und Polizisten. U. hatte zuvor im Internet gegen die drohende Zwangsvollstreckung mobilisiert. Als Polizisten die angekündigte Zwangsvollstreckung vor Ort durchsetzen wollten, wurden sie von U. und einigen sei- ner Unterstützer massiv angegriffen. Adrian U. und zwei Polizisten zogen sich dabei Ver- letzungen zu.15)

Am 19.10.2016 wollten Polizisten bei dem

„Reichsbürger“ Wolfgang P. in Georgensg- münd (Bayern) rund 30 in seinem Besitz be- findliche Jagd- und Sportwaffen sicherstel- len. Als sie in den frühen Morgenstunden in dessen Wohnung eindrangen, trug P. bereits eine schusssichere Weste und eröffnete so- fort das Feuer auf die Beamten. Vier Polizis- ten wurden bei dem Einsatz verletzt, von de- nen einer kurze Zeit später seinen schweren Verletzungen erlag. Wolfgang P. wurde im Oktober 2017 vom Landgericht Nürnberg- Fürth wegen Mordes an einem Polizisten, versuchten Mordes und gefährlicher Körper- verletzung zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Aber auch ohne im Besitz schuss- fähiger Waffen zu sein, greifen „Reichsbür- ger“ bzw. „Selbstverwalter“ Polizisten an und verletzen diese mitunter schwer. So wehr- te sich beispielsweise im November 2017 ein 58-Jähriger in Fürstenberg an der Havel (Brandenburg) derart heftig gegen seine Festnahme, dass er einen der eingesetzten Polizisten schwer verletzte und anschließend floh.16)

3 Fazit

Pro Tag werden bundesweit Polizisten Op- fer von mehr als 100 Angriffen. Jeden Tag wer- den in der Hauptstadt Berlin durchschnittlich 19 Polizisten Opfer von Gewalttaten. Solche Gewalttaten gegen Polizisten summierten sich 2019 in Berlin auf ca. 7000. Die Band-

15 Bundesamt für Verfassungsschutz, „Reichsbürger“ und „Selbstver- walter“ – Staatsfeinde, Geschäftemacher, Verschwörungstheoretiker, Köln/Berlin, Dezember 2018, S. 27.

16 Bundesamt für Verfassungsschutz, „Reichsbürger“ und „Selbstver- walter“ – Staatsfeinde, Geschäftemacher, Verschwörungstheoretiker, Köln/Berlin, Dezember 2018, S. 27.

breite von Gewalt gegen Polizisten reicht von verbalen und nonverbalen Angriffen (Belei- digungen, Drohungen, drohende Gesten) bis hin zu körperlicher Gewalt (Treten, Schla- gen, Schubsen, Anwendung von Waffen).

Nach Ansicht des ehemaligen Präsidenten der Bundespolizeidirektion Berlin, Thomas Striethörster, gilt: „Wer Staatsbedienstete angreift, attackiert den gesamten Staat“ und Sebastian Paroch von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ergänzt, „Der Respekt gegen- über der Polizei schwindet“, zudem erfolgen Angriffe nicht nur gegen die Polizei, sondern auch auf Feuerwehrleute, Angehörige der Hilfsorganisationen sowie der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW).17)

Neben der strafrechtlichen Ebene von Ge- walt gegen Polizisten darf aber auch die psy- chologische Ebene nicht vergessen werden.

Nach Aussage des Psychotherapeuten Sven Steffes-Holländer erlebt jeder Polizist im Durchschnitt innerhalb einer Arbeitswoche drei potenziell traumatische Ereignisse. Dies bedeutet, dass Polizisten ein im Vergleich zu anderen Berufsgruppen viel höheres Risiko haben, an einer Posttraumatischen Belas- tungsstörung (PTBS) zu erkranken. Die Erfah- rung von Gewalt und die permanente Gefahr, Opfer zu werden, bedeuten für Polizisten eine oft unerträgliche Belastung. Bis zu 30 % der von körperlichen Attacken getroffenen Poli- zisten „entwickeln eine posttraumatische Be- lastungsstörung“, so Sven Steffes-Holländer.

Er sagt, bei mehr als 70 Prozent der Patienten mit chronisch posttraumatischer Belastungs- störung gebe es „im Verlauf mindestens eine weitere psychische Störung wie Depression, Angst oder Sucht“.18)

Abschließend bleibt festzuhalten: Gewalt gegen Polizisten muss mit der vollen Härte des Rechtsstaats beantwortet und ein ge- samtgesellschaftlicher Konsens zur Ächtung der Gewalt gegen Polizisten, Rettungskräfte und andere Menschen, die den Staat vertre- ten, gefunden werden!

17 Goertz, Deutsche Polizei 6/2019, 16 (16).

18 https://www.tagesspiegel.de/politik/angefeindet-im-einsatz-aggres- sivitaet-gegen-polizisten-und-rettungskraefte-nimmt-zu/25370804.

html (aufgerufen am 23.11.2020).

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Rechtsextremismus und

Rechtsterrorismus in Deutschland

Eine analytische Einführung für Polizei und Sicherheitsbehörden

Von Stefan Goertz.

Weitere Informationen, Leseproben und Bestellmöglichkeit unter: www.vdpolizei.de VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH

Buchvertrieb

Forststraße 3a . 40721 Hilden . Telefon 0211 7104-212 . Telefax 0211 7104-270 service@vdpolizei.de . www.vdpolizei.de

1. Auflage 2021 Umfang: 224 Seiten

Format: 13 x 19 cm Broschur Preis: 20,00 € [D]

ISBN: 978-3-8011-0899-1

Das vorliegende Buch liefert eine kompakte Dar- stellung des gegenwärtigen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland.

Ausgehend von einer Begriffsdefinition und -ana- lyse widmet sich der Autor im Anschluss rechtsextre- mistischen Parteien sowie Organisationen, Gruppen und Individuen. Weiterhin zeigt er aktuelle Entwick- lungen und Phänomene im Rechtsextremismus auf und bezieht an dieser Stelle umfassend das Problem- feld von Rechtsextremisten in der Bundeswehr und in den Polizeien mit ein. Anschließend benennt er Beispiele für den Übergang von Rechtsextremismus zu Rechtsterrorismus und behandelt rechtsterroris- tische Fälle wie die Anschläge in Halle und Hanau.

Zudem widmet der Verfasser sich rechtsextremisti- schen und rechtsterroristischen Inhalten im Internet, bevor er abschließend aktuelle Abwehrmaßnahmen der Sicherheitsbehörden vorstellt.

DER AUTOR

Dr. Stefan Goertz, Professor für Sicherheitspolitik, Schwerpunkt Extremismus- und Terrorismusforschung, Hochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei, Lü- beck.

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