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Regionale Unterschiede in der Antibiotika-Verordnungs-häufigkeit bei Kindern und Jugendlichen in Bayern

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Bayerisches Är zteblatt 4/2013

Hälfte aller Kinder zwischen drei und sechs Jahren hat im Jahr 2009 mindestens ein Anti- biotikum erhalten, bei den Altergruppen null bis zwei Jahre waren es immerhin noch 45 Prozent, bei allen Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren insgesamt 38 Prozent. Obwohl Deutschland hinsichtlich der Antibiotika-Ver- ordnungsmengen in Europa eher im unteren Mittelfeld liegt, erscheinen diese Zahlen hoch, wenn man bedenkt, dass bei der großen Mehr- zahl der Indikationen virale Infektionserreger klar im Vordergrund stehen. Sowohl die Otitis media, als auch die Pharyngitis oder Bronchitis

Regionale Unterschiede in der Antibiotika-Verordnungs- häufigkeit bei Kindern und Jugendlichen in Bayern

Antibiotika sind unsere wichtigste Waffe im Kampf gegen bakterielle Infektionen und die Tatsache, dass diese Waffe häufig nicht mehr wirksam ist, ist Anlass zu großer Sorge bei Ärz- ten aller Fachrichtungen. Der Ausblick, dass wir möglicherweise in nicht so ferner Zukunft mit Infektionen zu kämpfen haben, für die wir keinerlei wirksame Antibiotika mehr haben, ist mehr als erschreckend und einige Spezialisten sprechen bereits von einem „postantibioti- schen Zeitalter“ [1].

Eine generelle Reduktion des Antibiotikaver- brauchs und insbesondere eine Einschränkung der Verwendung von Breitsprektrum-Anti- biotika wird inzwischen weltweit im Rahmen von Initiativen propagiert, die als „Antibiotic Stewardship“ bezeichnet werden und letztlich eine rationale und evidenzbasierte Antibiotika- therapie anstreben. Diese Initiativen sind meist primär auf Kliniken ausgerichtet, aber der Be- darf für Antibiotic-Stewardship-Programme besteht selbstverständlich genauso im ambu- lanten Bereich [2].

Die im vergangenen Jahr von der Bertelsmann- Stiftung veröffentlichten Daten zur Verschrei- bungshäufigkeit von Antibiotika im Kindesalter ergaben zwei verblüffende Ergebnisse, die im Folgenden aufgeführt und diskutiert werden:

1. Auffällig war der relativ hohe Prozentsatz an Kindern und Jugendlichen, die im Unter- suchungszeitraum Antibiotika erhielten. Die

sind meist durch Viren verursacht und neuere Therapie-Richtlinien sind mit der Empfehlung einer Antibiotikatherapie bei diesen Infektionen sehr zurückhaltend [3]. Auch die A-Streptokok- ken-Pharyngitis (Abbildung) ist nicht mehr eine zwingende Indikation für eine Antibiotikathera- pie [4]. In diesem Zusammenhang sei auch auf eine Studie hingewiesen, die festgestellt hat, dass bei Kindern, die in den ersten fünf Lebens- jahren an einer Otitis media erkrankt waren, das Risiko einer entzündlichen Darmerkrankung um den Faktor 2,8 höher lag, wobei die Autoren davon ausgehen, dass die Otitis media lediglich

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigte, dass es in Bayern

sehr große Unterschiede bezüglich der Verordnung von Antibio- tika im Kindesalter gibt. Obwohl die Gründe hierfür nicht unter- sucht wurden, können doch einige interessante Rückschlüsse gezogen werden: so erscheint es zum Beispiel, dass eine höhere Rate an Kinderärzten oder Hals-Nasen-Ohrenärzten in einer Re- gion zu einer niedrigeren Verordnungshäufigkeit führt. Auch die Erwartungshaltung der Eltern spielt offenbar eine große Rolle, da in Regionen mit höherem Sozialstandard meist weniger An- tibiotika gegeben werden. Die Vernetzung von Ärzten in Fach- verbänden wie zum Beispiel dem Paed-Netz schafft die Voraus- setzung für rationale Therapieentscheidungen und damit auch für die dringend notwendige Reduzierung der Antibiotikaverord- nungen.

Abbildung: Auch der Nachweis von A-Streptokokken ist nicht mehr in jedem Fall eine Indikation für eine Antibiotikatherapie.

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unter Umständen mehr Überzeugungsarbeit benötigt, als der Verzicht oder das abwartende Verhalten hinsichlich einer Antibiotikathera- pie. Grund dafür ist sicherlich der zunehmend kritische Umgang mit medizinischen Maßnah- men, der sich zum Teil auch in den erschreckend niedrigen Impfraten im Süden Deutschlands zeigt. In sozial schwächeren Regionen besteht sicher auch eine Erwartungshaltung an den Arzt, dass durch eine Antibiotikatherapie das Kind rasch wieder gesund wird für den Kinder- garten- oder Schulbesuch – eine ökonomische Notwendigkeit in Familien mit zwei berufstäti- gen Eltern [6]. Andererseits zeigt sich auch im Verschreibungsverhalten der einzelnen Berufs- gruppen, dass Kinderärzte und Hals-Nasen- Ohrenärzte eher zurückhaltend mit Antibiotika sind, während Allgemein- und Hausärzte hier großzügiger sind. Ein Grund hierfür mag in der zusätzlichen Vernetzung von Spezialdisziplinen liegen, die die Entwicklung und Verbreitung von Therapie-Leitlinien fördert.

Zusammenfassend zeigt die Studie der Bertels- mann Stiftung, dass große und letztlich nicht erklärbare Unterschiede im Verschreibungs- verhalten in Deutschland bestehen. Da diese Unterschiede sicherlich nicht durch das Kran- kenversicherungssystem oder durch große Un- terschiede in der Erregerepidemiologie bedingt ein Hinweis auf eine Antibiotikatherapie in die-

ser Altersgruppe ist und dass die entzündliche Darmerkrankung wahrscheinlich auf die daraus resultierende Beeinträchtigung der normalen Darmflora zurückzuführen ist [5]. Aus dem Genannten folgt, dass ein rationaler und zu- rückhaltender Einsatz von Antibiotika dringend geboten ist und die entsprechenden Therapie- Leitlinien weiter propagiert werden müssen.

2. Auffällig und letztlich nicht geklärt ist au- ßerdem, dass derartig große Unterschiede im Verschreibungsverhalten zwischen den Bun- desländen, aber sogar innerhalb einzelner Bundesländer zu beobachten waren, wobei die verwendete Methodik diese Frage auch nicht definitiv beantworten kann. Die Unterschiede der Verordnungsprävalenzen liegen maximal bei 52 Prozent (in den grenznahen Bereichen im Westen) sowie minimal im Süden (19 Prozent).

Verblüffend sind dabei die Größe der Unter- schiede mit mehr als doppelt so hohen Verord- nungszahlen bei prinzipiell gleichem Gesund- heitssystem und wahrscheinlicher identischer Erregerepidemiologie und Pathogenität. Zwei in der Studie erwähnte Faktoren sind der Sozial- und Bildungsstandard sowie die Ärzte- und vor allem auch die Facharztdichte. Die eigene Er- fahrung zeigt, dass in Baden-Württemberg oder Bayern die Verordnung eines Antibiotikums

Professor Dr.

Johannes Hübner, Leiter Pädiatrische Infektiologie, Kin- derklinik und Kin- derpoliklinik im Dr.

von Haunerschen Kinderspital, Ludwig-Maximi- lians-Universität München, Lind- wurmstraße 4, 80337 München

Autor

sind, sollten diese Daten dazu dienen, die Ver- schreibungshäufigkeit in allen Landesteilen auf das Niveau der Regionen mit den geringsten Antibiotikaverbräuchen zu verringern, wobei die Vernetzung der Fachärzte sowie das Pro- pagieren von modernen Leitlinien hierbei ein zentraler Punkt sind.

Das Literaturverzeichnis kann beim Autor angefordert oder im Internet unter www.

blaek.de (Ärzteblatt/Literaturhinweise) ab- gerufen werden.

„ Abrechnungsberatung

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