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Dr. Thomas Beyer/ Alexandra Kournioti BBE-Newsletter 17/2014

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1 Dr. Thomas Beyer/

Alexandra Kournioti

BBE-Newsletter 17/2014

Engagement macht Schule

Dreijähriges Pilotprojekt des AWO Landesverbands Bayern hat Ausbau und Stärkung des Ehrenamtes zum Ziel

Ohne Menschen, die sich für ihre Mitmenschen freiwillig und unentgeltlich engagieren, sind Seniorentreffs, Kinderfreizeiten, Hausaufgabenbetreuung, Flüchtlingshilfe, Katastrophenschutz und vieles mehr undenkbar. An dieser Tatsache wird sich auch in Zukunft nichts ändern – im Gegenteil. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund von demographischem Wandel und Arbeitsverdichtung wird die Bedeutung von ehrenamtlichem Engagement weiter zunehmen.

Gleichzeitig bedeutet das aber, dass sich das Ehrenamt den gesellschaftlichen Veränderungen entsprechend weiterentwickeln muss. So sind künftig neue Formen des Bürgerschaftlichen Engagements gefragt, die die bewährten ergänzen. Diese Angebote sollten einerseits auf die individuellen Bedürfnisse derjenigen, die sie in Anspruch nehmen, zugeschnitten sein. Andererseits müssen sie zur Lebensphase derjenigen, die sich engagieren wollen, passen. Das konstatieren auch die Wissenschaftlerinnen Doris Rosenkranz und Angelika Weber. Ihre Untersuchungen haben außerdem ergeben, dass Ehrenamtliche mittlerweile stärker den eigenen Nutzen – beispielsweise ein Zeugnis – im Blick haben und sich oft zeitlich begrenzt einbringen möchten.

„Engagement macht Schule“: Projekt mit Pilotcharakter für die AWO bundesweit

All das sind Aspekte, die das freiwillige Engagement zur Herausforderung der Zukunft machen, gerade auch für die Wohlfahrtsverbände, den traditionellen Hort des Ehrenamtes. Vor diesem Hintergrund hat der Landesverband der Arbeiterwohlfahrt in Bayern ein dreijähriges Projekt ins Leben gerufen: „Engagement macht Schule“

(EmS) wird von der Glücksspirale mitfinanziert, läuft bis Ende November 2016 und hat Pilotcharakter für die AWO bundesweit. Ziel ist die Stärkung und der Ausbau des Ehrenamtes.

Im Rahmen von „EmS“ liegen die Ergebnisse der ersten systematischen, umfassenden und empirischen Erhebung der ehrenamtlichen Basis eines bayerischen Wohlfahrtsverbandes vor. Die schriftliche Befragung der 88 Kreisverbände und 599 Ortsvereine – mit einer Rücklaufquote von 57 Prozent – hat

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fünf zentrale Erkenntnisse hervorgebracht: Das Ehrenamt innerhalb der AWO ist vielfältig, es hat eine starke Frauenquote, ist „treu“ und „unbezahlbar“. Außerdem hat es eigene Motive.

Konkret bedeutet das für die fünf einzelnen Aspekte:

Neben Klassikern wie Seniorentreffs und Nachbarschaftshilfe gibt es Angebote, die besonders auf regionale Bedürfnisse zugeschnitten sind. Dazu zählen die Betreuung minderjähriger Flüchtlinge in München ebenso wie ein Wertstoffhof- Service im schwäbischen Babenhausen, wo Ehrenamtliche für Ältere und Kranke Gegenstände entsorgen. Diese Ausrichtung auf vielfältige, teilweise punktuelle Bedürfnisse ist zeitgemäß und zeigt, dass die AWO den Finger am Puls der Zeit hat. Das ist eine Stärke, die es zu erhalten und auszubauen gilt.

Von dem Frauenanteil innerhalb der AWO Bayern kann die Wirtschaft nur träumen: Dass sich unter den Ehrenamtlichen in den Ortsvereinen mit einer Gesamtquote von 66 Prozent mehr Frauen als Männer engagieren, verwundert im sozialen Bereich nicht; von den AWO Ehrenamtlichen mit Migrationshintergrund sind sogar 76 Prozent Frauen. Was die Arbeiterwohlfahrt indes sowohl von der freien Wirtschaft als auch von öffentlichen Unternehmen unterscheidet, ist der Frauenanteil in den Vorstandsämtern. So sind 45 Prozent der 1. Vorsitzenden der AWO Ortsvereine weiblich. Zum Vergleich: Laut FidAR- Studie zu den öffentlichen Unternehmen beträgt der Frauenanteil in den Aufsichtsräten durchschnittlich 25 Prozent und in den Vorständen gerade mal 5,7 Prozent.

Studienergebnisse: Das Ehrenamt in der AWO ist „treu“ und „unbezahlbar“

Mehr als die Hälfte der Ehrenamtlichen in der bayerischen Arbeiterwohlfahrt (56 Prozent) engagiert sich seit mindestens zehn Jahren für den Verband. Das ist in unserer schnelllebigen Zeit und weil sich – wie bereits erwähnt – immer mehr Engagierte nur kurzfristig einbringen wollen, bemerkenswert. Dennoch ist es ratsam, in Zukunft auch Angebote für Ehrenamtliche zu entwickeln, die sich nur zeitlich befristet – etwa während eines Studienaufenthaltes – einbringen wollen.

Solche Möglichkeiten sind besonders für Jüngere interessant und die gilt es stärker für die AWO zu gewinnen. Laut der Erhebung ist nämlich fast die Hälfte der AWO-Ehrenamtlichen zwischen 50 und 65 Jahre alt; fast jeder Dritte ist zwischen 65 und 75 Jahre.

Das Für und Wider der Monetarisierung des Ehrenamtes ist eines der wichtigsten Themen in der aktuellen Diskussion zum Freiwilligen Engagement.

Die Arbeiterwohlfahrt positioniert sich eindeutig gegen eine Bezahlung im

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Ehrenamt. Wir wollen, dass sich die Menschen eigensinnig einbringen, nicht fremdbestimmt. Aus diesem Grund ist eine Monetarisierung, die Engagement in ein (abhängiges) Arbeitsverhältnis umwandelt, nicht akzeptabel.

Diese Ansicht teilen offensichtlich auch die Gliederungen des AWO Landesverbands Bayern. Gefragt nach den häufigsten Dankesformen, die die Ehrenamtlichen erhalten, wurden der Reihe nach Urkunden, Feste und Darstellung des Engagements in der Öffentlichkeit am meisten genannt. Geld fließt neben der Kostenerstattung, beispielsweise für Fahrten, nur in rund 10 Prozent der Fälle in Form von Aufwandsentschädigungen.

AWO-Engagement gegen den Trend sehr wohl altruistisch und wertegebunden

Eine ziemliche Überraschung waren die Motive, die die Ortsvereinsvorsitzenden für ihr Engagement angegeben haben: „Weil mir die Werte der AWO wichtig sind“, „Weil ich es für sinnvoll halte“, „Weil ich sozialpolitisch tätig sein möchte“

lauteten die meistgenannten Gründen. Daraus lässt sich schließen, dass das Ehrenamt innerhalb der AWO wertegebunden ist.

Wer diese Angaben mit jenen aus dem bayerischen Freiwilligensurvey 2009 vergleicht, stellt fest, dass das Bekenntnis zu sozialpolitischen Leitmotiven nicht selbstverständlich ist. Kurz vor dem 100-jährigen Bestehen der Arbeiterwohlfahrt im Jahr 2019 identifizieren sich ihre Ehrenamtlichen mit den Zielen, die der Verband seit fast einem Jahrhundert verfolgt.

Im Rahmen des Freiwilligensurvey gaben Befragte dagegen andere Gründe als die AWO-Engagierten als ausschlaggebend für ihr Engagement an: „Spaß an der Tätigkeit“, „Mit sympathischen Menschen zusammenkommen“, „Anderen Menschen helfen“ sind hier die häufigsten Nennungen.

Dieser Vergleich zeigt, dass das Ehrenamt innerhalb der AWO entgegen dem allgemeinen Trend auffallend altruistisch motiviert ist.

Das Ehrenamt muss mehr denn je eine bewusste Entscheidung sein

In der Zusammenschau legen die fünf genannten Erkenntnisse ein Ziel nahe: Die zentrale Herausforderung für den Verband ist es, das Ehrenamt in der AWO mehr denn je zur bewussten Entscheidung werden zu lassen. Wie das in der Praxis gelingen kann, soll in den verbleibenden zwei Jahren im Rahmen von „Engagement macht Schule“ erarbeitet und vermittelt werden.

So viel steht bereits jetzt fest: Es kann nur mit einer gezielten Engagement-Planung gelingen. Diese sollte folgende Schritte umfassen: Das Ehrenamt muss auf allen Ebenen der AWO als Zukunftsaufgabe begriffen werden. Vor diesem Hintergrund gilt

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es noch mehr maßgeschneiderte Angebote, die den Bedarf vor Ort sowie die Interessens- und Lebenslage der Menschen generationenübergreifend berücksichtigen, zu entwickeln.

In diesem Zusammenhang ist von großer Bedeutung, dass die Ehrenamtlichen nicht alleine gelassen werden. Vielmehr müssen sie künftig stärker als bislang professionell unterstützt werden. Schulungen und feste Ansprechpartner kommen dafür in Frage. Zudem müssen Anerkennungsformen angeboten werden, die den Wünschen der Ehrenamtlichen entsprechen. Dazu gehört unter anderem die Ausstellung eines praxistauglichen Zeugnisses.

Wer sich bei der AWO engagiert, will sozialpolitisch tätig sein, hat die Erhebung ergeben. Daraus folgt für den Verband der Auftrag, sein sozialpolitisches Profil weiter zu stärken, indem er in der Öffentlichkeit und gegenüber der Politik die AWO Positionen formuliert und behauptet.

Hier zeigt sich eine weitere große Chance, indem die AWO eine unmittelbare Verknüpfung dieses sozialpolitischen Engagementinteresses mit der Praxis der Sozialen Arbeit bieten kann. In Zusammenarbeit mit ihren Einrichtungen und Diensten wird sich die Arbeiterwohlfahrt weiterhin auch mit ehrenamtlichen Angeboten drängenden gesellschaftspolitischen Anforderungen stellen und sich dort einbringen. Dazu gehören etwa die Bereiche (Jugend-)Migration, Inklusion sowie Engagement im Quartier und in den Regionen.

Bei all dem darf eines nicht aus den Augen verloren werden: Bürgerschaftliches Engagement entspricht gelebter Mitverantwortung vor Ort. Die gilt es hochzuhalten – und zu schützen. Wir müssen Einhalt gebieten, wenn versucht wird, Ehrenamt auszunutzen. Nicht zuletzt die Politik instrumentalisiert den Begriff des aktivierenden Sozialstaats häufig, um sich seiner Pflichten zu entledigen.

Ehrenamt ist aber nicht dazu da, dass sich Kämmerer und Sozialminister zurücklehnen. Ehrenamt ist dazu da, Mitmenschlichkeit am Leben zu halten und als überdauernden Wert an die Nachgeborenen zu vermitteln. Sie macht in einem demokratischen Staat den Unterschied aus, wie wir seit der Antike wissen.

Dr. Thomas Beyer ist Vorsitzender des AWO Landesverbandes Bayern, Jurist und Professor für Recht in der Sozialen Arbeit an der TH Nürnberg

Kontakt: Thomas.Beyer@bayern.awo.de

Alexandra Kournioti ist Pressesprecherin des AWO Landesverbands Bayern.

Kontakt: Alexandra.Kournioti@bayern.awo.de

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Ansprechpartnerin zu EmS: Brigitte Limbeck, Leiterin des Projekts Engagement macht Schule.

Kontakt: Brigitte.Limbeck@bayern.awo.de

Literatur

AWO Landesverband Bayern e.V.: Befragung zur Vereinsarbeit und zum Ehrenamt.

Schriftliche Befragung aller Kreisverbände und Ortsvereine in Bayern, Bamberg 2014.

Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung (Hrsg.), Zensus 2011.

Ergebnisse für Bayern, 2. Auflage 2014

FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte e.V.), Analyse und Ranking zum Anteil von Frauen in Aufsichtsgremien und Top-Management-Organen der größten öffentlichen Unternehmen in Deutschland, Berlin 2014.

Lukian: Totengespräche, Zürich, Manesse Verlag 1989, S. 70.

Rosenkranz, Doris/Weber Angelika: Freiwilligenarbeit. Einführung in das Management von Ehrenamtlichen in der Sozialen Arbeit, Weinheim/München, Basel: Beltz Juventa 2012.

Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Freiwilligensurvey Bayern 2009, München 2010, Seite 15.

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