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Traditionelle musikalische Formen in Alban Bergs Oper Wozzeck

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Academic year: 2022

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99 RAAbits Musik April 2018

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Altes im neuen Gewand

Traditionelle musikalische Formen in Alban Bergs Oper

„Wozzeck“

Daniela Warter, München

Wozzeck (Georg Nigl) und Marie (Angela Denoke) in der Oper „Wozzeck“

In dieser Unterrichtsreihe begegnen Ihre Schü- lerinnen und Schüler mit Bergs Oper „Wozzeck“

einem Klassiker des modernen Musiktheaters, dessen Handlung sich ohne große Schwierig- keiten auf die heutige moderne Gesellschaft projizieren lässt und damit Anknüpfungspunkte an die Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler bietet. Die Verwendung musikalischer Formen und Gattungen aus Barock und Klassik in Bergs Opus scheint hierzu zunächst in einem Widerspruch zu stehen – im neuen Kontext der Oper zeigt sich jedoch ihre entscheidende Bedeutung für die Wirkung des gesamten Werks auf das Publikum. Ihre Schülerinnen und Schüler erkennen die dramaturgische Bedeu- tung von scheinbar „unzeitgemäßer“ und „alt- modischer“ Musik. Darüber hinaus bietet die literarische Vorlage Georg Büchners sowie der sozio-kulturelle Aspekt der Handlung die Mög- lichkeit eines fächerübergreifenden Unterrichts mit Deutsch und Sozialkunde.

picture-alliance / APA/HANS KLAUS TECHT

Klassenstufe: 11–13 (Sek II) Dauer: 3–5 Doppelstunden Themenaspekte: Kennenlernen einer Oper

des 20. Jahrhunderts

Analyse traditioneller musika- lischer Formen in einem Werk des 20. Jahrhunderts

Einordnung theoretischer und formaler Aspekte in den dramatischen Kontext

Praktischer Umgang mit

musikalischem Material Klangbeispiele: Linkliste in der Infothek

sowie im ROM-Teil der CD 46 (Januar 2018)

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Vorüberlegungen zum Thema

„Langsam, Wozzeck, langsam!“ – Diese vom Hauptmann an Wozzeck gerichteten ersten Worte des Librettos (vgl. Berg: Wozzeck. Text) bezeichnen ein Charakteristikum unse- rer heutigen Gesellschaft: Die Abläufe des alltäglichen Lebens beschleunigen sich stets, technische Entwicklungen schreiten immer schneller voran, und inmitten dieses sich immer rasanter drehenden Karussells an stets neuen und scheinbar ungeahnten Möglich- keiten versucht der Mensch, mit dieser atemberaubenden Geschwindigkeit des Alltags Schritt zu halten. Eine oftmals dringend notwendig gewordene Entschleunigung findet in der heutigen Zeit der Superlative kaum noch Beachtung und ist zudem wenig populär.

Der Versuch, in dieser sich immer stärker beschleunigenden Gesellschaft zu bestehen, geschieht meist unter Aufbietung aller menschenmöglichen Kräfte und Anstrengungen.

Nicht selten jedoch steht am Ende ein anderes Ergebnis, als eigentlich angestrebt: An die Stelle privater und beruflicher Zufriedenheit, materiellen Wohlstands und des Gefühls, gesellschaftlich etabliert zu sein, tritt schließlich Ernüchterung, Resignation und die Erkenntnis, diesem permanenten privaten wie beruflichen Druck trotz größter Bemü- hungen nicht gewachsen zu sein. Die Folgen sind – wie im Falle Wozzecks – teilweise dramatisch.

In gewisser Weise sieht sich die Titelfigur aus Alban Bergs 1925 uraufgeführtem Opus mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie wir uns heute bzw. umgekehrt – wenn auch inner- halb veränderter gesellschaftlicher und sozialer Strukturen. Scheinbar „alte“ Problemati- ken sind nach wie vor aktuell und erscheinen – unter veränderten Vorzeichen – lediglich in einem „neuen Gewand“.

„Altes im neuen Gewand“ – der Titel der Unterrichtsreihe über Alban Bergs Oper

„Wozzeck“ bietet daher mehrere Aspekte der Betrachtung des Werks. Aus szenisch- dramatischer Sicht lässt sich die Handlung des „Wozzeck“ aktualisieren und in die heu- tige Zeit projizieren, ohne die damit häufig einhergehenden stilistischen und inhaltlichen Fragwürdigkeiten zur Folge zu haben, die bei entsprechenden Regiekonzepten zahlreicher anderer Werke der Opernliteratur oftmals zu beobachten sind.

Entscheidend jedoch ist die musikalische Gesamtkonzeption der Oper, die die soziolo- gische Bedeutung der Handlung und den Kerngedanken der Unterrichtsreihe zum Aus- druck bringt: „Alte“ traditionelle musikalische Gattungen, Formprinzipien sowie typisch volksmusikalische Elemente finden Verwendung in einem neuen Kontext und erhalten, unter Beibehaltung ihrer Grundstrukturen, eine andere Funktion – sie erscheinen in einem neuen Gewand.

Fachliche Hintergrundinformationen

Alban Bergs Oper basiert auf dem historischen Fall des 1780 in Leipzig geborenen Johann Christian Woyzeck (durch einen Lese- bzw. Übertragungsfehler des büchnerschen Manu- skripts änderte sich der Name bei Berg von „Woyzeck“ zu „Wozzeck“). Der arbeitslose Perückenmacher diente zwischen 1806 und 1818 als Soldat. Nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt Leipzig schlug er sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, wechselte häufig den Wohnsitz und war zeitweise sogar ohne Obdach. Woyzecks Beziehung zu einer Frau war u. a. gestört durch deren Verhältnisse mit anderen Männern, wodurch es wiederholt zu Eifersuchtsanfällen und Misshandlungen seiner Geliebten unter Alkoholeinfluss kam.

Wahnvorstellungen und fremde Stimmen forderten Woyzeck zu ihrer Ermordung auf. Er erstach seine Geliebte am 21. Juni 1821 und stellte sich selbst der Polizei.

Aufgrund mehrerer Zeugenaussagen, u. a. eines erklärten Gegners der Todesstrafe, und einer lange Jahre zurückliegenden Anzeige gegen Woyzeck wegen aggressiven Verhal- tens aus Eifersucht bestanden zunehmend Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit. Eine Untersuchung durch den Arzt und Leiter der Gesundheitsbehörde in Leipzig, Johann Christian August Clarus (1774–1854), bestätigte jedoch Woyzecks psychische Gesund-

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heit. Woyzeck wird zum Tode verurteilt. Die Vollstreckung des Urteils wird zunächst aus- gesetzt, als durch einen weiteren Zeugen die Diskussion um Woyzecks Geisteszustand erneut aufkommt, woraufhin ein zweites Gutachten bei Clarus in Auftrag gegeben wird.

Dieser gelangt wiederum zu der Erkenntnis, dass „die über die gegenwärtige körperliche und geistige Verfaßung des Inquisiten angestellten Beobachtungen kein Merkmal an die Hand gäben, welches auf das Daseyn eines kranken, die freie Selbstbestimmung und die Zurechnungsfähigkeit aufhebenden Seelenzustandes zu schließen berechtige“ (vgl.

Clarus-Gutachten, S. 491). Das zuständige Gericht verurteilte Woyzeck zum Tode, das Urteil wurde am 27. August 1824 auf dem Marktplatz in Leipzig vollstreckt.

Das zweite Clarus-Gutachten wurde schließlich im Jahr 1825 in der „Zeitschrift für Staats- arzneikunde“ veröffentlicht, in der auch Büchners Vater publizierte, sodass die Zeitschrift vermutlich zu Hause zugänglich war und Büchner das Gutachten auf diesem Wege ken- nenlernte.

Interessant an dem Fall ist, dass erstmalig in der Kriminalgeschichte die psychische Kon- stitution des Täters als das Verbrechen mitverursachend in Betracht gezogen wurde.

Weitere Informationen zu Entstehungsgeschichte, Inhalt und Aufbau des Werks können den Materialien M 2 und M 3 entnommen werden.

Ausgewählte Szenen für die Unterrichtseinheit

Im Folgenden werden die in der Unterrichtseinheit behandelten Szenen kurz erläutert:

I. Akt, 3. Szene („Mariens Stube“)

Vor Mariens Wohnung zieht eine Militärkapelle mit dem Tambourmajor an der Spitze vor- bei, von dessen männlicher Ausstrahlung Marie fasziniert ist. Über sich selbst erschro- cken und durch die höhnischen Bemerkungen ihrer Nachbarin verärgert, schließt sie das Fenster und wiegt ihr Kind in den Schlaf. Wozzeck erscheint und ängstigt Marie mit sei- nen wirren Visionen.

I. Akt, 4. Szene („Studierstube des Doktors“)

Um seinen Lohn aufzubessern, stellt sich Wozzeck für medizinische Versuche zur Ver- fügung, wird jedoch für sein undiszipliniertes Verhalten vom Doktor ständig kritisiert.

Wozzeck berichtet von fremden Stimmen und düsteren Erscheinungen. Für den Dok- tor, dessen Traum von Weltruhm und Unsterblichkeit zur fixen Idee geworden ist, bleibt Wozzeck jedoch nur ein Versuchsobjekt, dessen psychische Reaktionen den Doktor in seinem Forscherdrang bestätigen und lediglich bemerkenswerte Auswirkungen auf seine medizinischen Experimente darstellen.

I. Akt, 5. Szene („Straße vor Mariens Wohnung“)

In der Abenddämmerung sucht der Tambourmajor Marie vor ihrer Wohnung auf. Seiner Männlichkeit und Stärke widersteht sie nur kurz und gibt sich ihm in ihrer Stube schließ- lich hin.

II. Akt, 3. Szene („Straße vor Mariens Wohnung“)

Wozzeck ist durch entsprechende Anspielungen des Hauptmanns misstrauisch geworden und stellt Marie zur Rede. Sie weicht ihm aus und Wozzeck lässt sich in immer größerer Verzweiflung beinahe zu Gewalt gegen Marie hinreißen. Mit Mariens Worten „Lieber ein Messer in den Leib, als eine Hand auf mich“ gewinnt Wozzeck noch einmal die Kontrolle über sich; ihre Worte lassen ihn jedoch nicht mehr los.

II. Akt, 4. Szene („Wirtshausmusik“)

Wozzeck beobachtet Marie und den Tambourmajor beim gemeinsamen, ihn provozieren- den und herausfordernden Tanz, der seine Eifersucht und seine Verzweiflung ins Uner- messliche steigert und seinen Plan, Marie zu töten, unumstößlich werden lässt.

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III. Akt, 2. Szene (Waldweg am Teich)

In der Abenddämmerung erinnert Wozzeck Marie an ihre erste Begegnung. Seine Worte machen Marie zunehmend Angst, und sie will zurück in die Stadt. Im Licht des blutrot aufgehenden Mondes zückt Wozzeck plötzlich sein Messer und ersticht Marie.

III. Akt, 5. Szene (Straße vor Mariens Wohnung)

Am Morgen nach Wozzecks Selbstmord (4. Szene) spielt Mariens Sohn mit seinen Kame- raden vor der Wohnung seiner Mutter. Es hat sich herumgesprochen, dass am Teich die Leiche Mariens gefunden worden sei. Die Kinder machen sich auf den Weg dorthin. Mari- ens Sohn folgt ihnen auf seinem Steckenpferd.

Didaktisch-methodische Überlegungen

Erwartungsgemäß löst die Behandlung einer Oper des 20. Jahrhunderts nicht immer sofort uneingeschränkte Begeisterung bei der Schülerschaft aus. Ein „volkstümlicher“

Einstieg in die erste Doppelstunde mit der zwar auch ungewohnten, aber von vielen Schü- lerinnen und Schülern* nicht ganz befremdlich empfundenen Musik der Wirtshausszene (II. Akt, 4. Szene) ermöglicht jedoch einen weniger akademischen Zugang zum Thema.

Der gewählte Ausschnitt „Er! Sie! Teufel!“ ist darüber hinaus eine für den gesamten dra- matischen Fortgang der Handlung zentrale Stelle (s. o. „II. Akt, 4. Szene“).

*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden nur noch der Begriff „Schüler“ verwendet.

Entstehungsgeschichte, Aufbau und Handlung der Oper werden anschließend entweder in Form eines vorbereiteten Schülerreferats erläutert, wobei die Informationsbeschaffung durch eigenständige Recherche des Schülers und/oder die Bereitstellung der Materialien M 2 und M 3 geschieht. Alternativ wird im Unterricht M 2 und M 3 in zwei Gruppen auf- geteilt gelesen und die notwendigen Informationen anschließend im Unterrichtsgespräch zusammengetragen.

Zusätzlich sollte am Beginn einer jeden Unterrichtseinheit eine kurze Information über den Inhalt der darin thematisierten Szenen stehen. Hierfür können die unter „Fachliche Hintergrundinformationen“ aufgeführten Kurzbeschreibungen der in der Unterrichtsreihe behandelten Szenen herangezogen werden.

Mit der Wirtshausszene bietet sich ein erster Hinweis auf die Thematik der Unterrichts- reihe an: die Verwendung traditioneller sowie volksmusikalischer Formen in einer moder- nen Oper des 20. Jahrhunderts.

Es liegt nahe, dass sich in der gesamten Oper weitere exemplarische Stellen für diese Vorgehensweise finden lassen werden. Stellt doch „Wozzeck“ in Thematik, Handlung und Milieu das genaue Gegenteil dessen dar, was man gemeinhin mit dem Walzer in seiner Eigenschaft als bedeutendster Tanz des 19. Jahrhunderts assoziiert: gepflegte, unbeschwerte Unterhaltung des wohlhabenden Bürgertums im Wien der Kaiserzeit – mit einem Wort: Walzerseligkeit.

Es gilt nun zu hinterfragen, welche Absicht Berg mit seinem Verfahren, die gesamte formale Anlage der Oper ausschließlich auf historischen musikalischen Gattungen und Formprinzipien aufzubauen, verfolgt.

Die gesamte Unterrichtseinheit folgt dem Handlungsablauf der Oper, um die Nachvoll- ziehbarkeit und das Verständnis des Inhalts zu gewährleisten. Die Auswahl der hier vor- gestellten Szenen erfolgte somit sowohl unter Berücksichtigung ihrer für den Handlungs- verlauf zentralen Bedeutung als auch ihrer Beispielhaftigkeit für traditionelle und volks- musikalische Formen.

Aus diesem Grund erfolgt in der zweiten Unterrichtsstunde die Betrachtung der 4. Szene des I. Aktes, der „Studierstube des Doktors“, welche gleichzeitig die Brücke zu der prak- tischen Doppelstunde 3/4 (Komposition einer Passacaglia) bildet.

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Anhand ausgewählter Variationen wird im ersten Teil der Doppelstunde 3/4 die Passaca- glia aus Georg Friedrich Händels Klaviersuite Nr. 7 g-Moll analysiert. Im zweiten Teil der Doppelstunde komponieren die Schüler in kleineren Gruppen eine Passacaglia, wobei im Hinblick auf ein zufriedenstellendes Ergebnis darauf geachtet werden sollte, dass sich in jeder Gruppe zumindest ein in Musiktheorie bewanderter Schüler befindet.

In Doppelstunde 5/6 liegt der Schwerpunkt auf der Verwendung volksmusikalischer bzw.

volkstümlicher Elemente in der 3. und 5. Szene des 1. Aktes. Auf die Unterscheidung zwi- schen „Volksmusik“ und „volkstümlicher Musik“ wird hier verzichtet. Berg selbst bevor- zugt die Verwendung des Begriffs „volkstümlich“ (vgl. Wozzeck-Vortrag von 1929. Quelle:

Österreichische Nationalbibliothek, http://data.onb.ac.at/rec/AC13943311, S. 34).

Die Unterrichtseinheit beginnt mit einem Unterrichtsgespräch, in dem die Schüler Ideen zu typischen Eigenschaften von „Volksmusik“ bzw. „volkstümlicher Musik“ zusammentra- gen. Jedoch sollte von vorneherein klargestellt werden, dass in diesem Zusammenhang nicht die populäre allabendliche Fernsehunterhaltung gemeint ist, sondern es ausschließ- lich um originale volksmusikalische Tradition geht. Die Erkenntnisse dieses Einstiegs in die Unterrichtseinheit werden anschließend anhand Alban Bergs eigener Stellungnahme zur Verwendung volkstümlicher Elemente im Wozzeck konkretisiert und anschließend mithilfe von Notentext und Klangbeispiel verifiziert. Diese Unterrichtsphase schließt eine Übung zur Gehörbildung sowie eine praktische Musizierübung ein.

Ein weiteres Beispiel für die Verwendung charakteristischer volksmusikalischer Elemente findet sich in der 5. Szene des 1. Aktes. Hier geht es im Wesentlichen um eine Vertie- fung des soeben Erarbeiteten inklusive einer weiteren musikpraktischen Übung. Dennoch sollte zumindest auf die formale Gesamtanlage der Szene eingegangen werden, die wie- derum ein weiterer Beleg für die Verwendung traditioneller klassischer Formen in Bergs Oper ist: die Rondoform. Ein Unterrichtsgespräch über mögliche Begründungen für die Verwendung volksmusikalischer Formen für die Figuren der Marie und des Tambourma- jors schließen die Unterrichtseinheit ab.

Doppelstunde 7/8 beschäftigt sich mit der zentralen 3. Szene des 2. Aktes und schließ- lich mit der darauf folgenden und bereits als Einstieg in die Unterrichtsreihe erklungenen

„Wirtshausmusik“ der 4. Szene. Die 3. Szene dient in erster Linie einer Wiederholung und Vertiefung der v. a. in Doppelstunde 5/6 erarbeiteten volksmusikalischen Bezüge und kann, im Rahmen eines Minimalplans, evtl. auch entfallen. Aufgrund ihrer zentralen Bedeutung und Stellung im Gesamtwerk sollte sie jedoch zumindest kurz angesprochen werden, in jedem Fall muss eine Information über die Handlung der Szene erfolgen.

Eine DVD-Vorführung der 3. Szene bildet sowohl den Abschluss dieser Unterrichtsphase als auch die Überleitung zur 4. Szene, die direkt im Anschluss an die 3. Szene gezeigt wird.

Im Zentrum der Beschäftigung mit der Wirtshausszene steht der einleitende Ländler, dessen kompositorische Anlage ein Musterbeispiel volksmusiktypischer Polytonalität ist.

Ausgehend von dem gezeigten DVD-Ausschnitt erfolgen schließlich noch einige Infor- mationen über die formale Anlage der Szene (vgl. Erläuterung zu M 11). Ein Unterrichts- gespräch über die Rolle Wozzecks inmitten dieses wilden Treibens der Wirtshausszene schließt die Unterrichtseinheit ab.

Die letzte Doppelstunde hat die Ermordung Mariens in der 2. Szene des 3. Aktes sowie die Schlussszene zum Inhalt. Anhand des Tonbeispiels und mithilfe ausgewählter Noten- beispiele erkennen die Schüler das Grundprinzip der musikalischen Gestaltung der 2. Szene: Eine Invention über den Ton „H“. Im Unterrichtsgespräch wird die Bedeutung dieses Kompositionsprinzips für die dramatische Handlung an dieser Stelle erarbeitet.

Inhalt und musikalische Gestaltung der Schlussszene werden ausschließlich über das Hörbeispiel vermittelt, da auf diese Weise die ganze Dramatik dieser beinahe naiv anmu- tenden Szene umso drastischer aufscheint und die gesamte Szene so noch stärker zu berühren vermag.

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Ziele der Reihe

Ihre Schüler

erwerben die Fähigkeit zu konzentrierter und längerfristiger Auseinandersetzung mit einer zunächst befremdlich erscheinenden Thematik;

sind bereit, sich unvoreingenommen mit Unbekanntem und weniger Zugänglichem zu beschäftigen;

gewinnen die Erkenntnis, dass sich eine (zeit-)intensive Auseinandersetzung mit scheinbar unpopulärer Thematik hinsichtlich der eigenen Persönlichkeitsentwicklung und Horizonterweiterung lohnen kann;

erfahren die psychologische Wirkung von Musik;

erwerben ein sachlich-differenziertes Urteilsvermögen;

können musiktheoretische Kenntnisse in der Musikpraxis anwenden;

entwickeln und verbessern ihre musikpraktischen Fähigkeiten und ihr musikalisches Gehör.

Literaturangaben

Berg, Alban: Das Opernproblem. In: Neue Musik Zeitung. Heft 49/9 (1928). S. 285–287.

Berg, Alban: Wozzeck-Vortrag von 1929. Österreichische Nationalbibliothek.

Clarus, Johann Christian August: Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck [1821]. In: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe (Hamburger Ausgabe), Hrsg. von Werner R. Lehmann, 1. Band: Dichtungen und Übersetzungen mit Dokumen- tationen zur Stoffgeschichte. Hamburg: Wegner, 1967. Digitale Volltext-Ausgabe unter:

https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clarus-Gutachten_491.

jpg&oldid=2795645 (Stand: 10.01.2018).

Schematische Verlaufsübersicht

Altes im neuen Gewand – Traditionelle musikalische Formen

in Alban Bergs Oper „Wozzeck“

Stunde 1/2

Traditionelle musikalische Formen im Wozzeck am Beispiel M 1–M 4 der Passacaglia in der 4. Szene des I. Aktes (Studierstube des Doktors)

Stunde 3/4

Analyse und Komposition einer Passacaglia M 5, M 6

Stunde 5/6

Volkstümliche Elemente in der Oper: 1. Akt, 3. und 5. Szene M 7–M 9 Stunde 7/8

Extreme Gegensätze als Stilmittel: Die 3. und 4. Szene des II. Aktes M 3, M 11 („Straße vor Mariens Wohnung“, „Wirtshausmusik“)

Stunde 9/10

Traditionelle Kompositionsprinzipien in der 2. und 5. Szene des III. Aktes M 3, M 12 („Waldweg am Teich“, „Straße vor Mariens Wohnung“)

Minimalplan

Wegfall der gesamten Doppelstunde 3/4 oder nur des praktischen Anteils in Stunde 4., der 5. Szene des I. Aktes und der 3. Szene des II. Aktes.

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Verlauf

Stunde 1/2: Traditionelle musikalische Formen im Wozzeck am Beispiel der Passacaglia in der 4. Szene des I. Aktes (Studierstube des Doktors)

Material Klangbeispiel Verlauf M 1 II. Akt, 4. Szene („Wirts-

hausmusik“: „Ich hab’ ein Hemdlein an“)

Beschreibung musikalischer Merkmale Einordnung hinsichtlich musikalischer Gat- tung und Entstehungszeit

Herstellung eines szenischen Kontextes

M 2, M 3 Schülerreferate über Inhalt, Entstehungsge-

schichte und Aufbau der Oper M 4 I. Akt, 4. Szene („Studier-

stube des Doktors“)

Analyse und Beschreibung des Passacaglia- Themas

Einordnung in den inhaltlich-dramatischen Kontext

Stunde 3/4: Analyse und Komposition einer Passacaglia

Material Klangbeispiel Verlauf M 5 G. F. Händel, Klaviersuite

Nr. 7 g-Moll, „Passacaille“

Analyse einer barocken Passacaglia

M 6 Komposition einer Passacaglia

Stunde 5/6: Volkstümliche Elemente in der Oper: 1. Akt, 3. und 5. Szene

Material Klangbeispiel Verlauf

Unterrichtsgespräch über charakteristische volksmusikalische Merkmale

M 7 Konkretisierung der Ergebnisse des Unter-

richtsgesprächs anhand eines Zitats von Berg

M 8 I. Akt, 3. Szene (Marsch und Wiegenlied

Verifizierung volksmusikalischer Merkmale anhand Klangbeispiel und Notentext

Praktische Rhythmusübung und Übung zur Gehörbildung

M 9 I. Akt, 5. Szene (Straße vor Mariens Tür)

Analyse des Tambourmajor-Motivs hin- sichtlich volksmusikalischer Elemente Klärung des formalen Aufbaus der Szene und Einordnung in den musikdramatischen Kontext

Begründung der Verwendung von volksmu- sikalischen Elementen

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Stunde 7/8: Extreme Gegensätze als Stilmittel: Die 3. und 4. Szene des II. Aktes („Straße vor Mariens Wohnung“, „Wirtshaus- musik“)

Material Klangbeispiel Verlauf

M 3, M 10,

M 11 II. Akt, 3. und 4. Szene (Straße vor Mariens Woh- nung, Wirtshausmusik)

Einordnen der Stellung der 3. Szene des II. Aktes innerhalb der gesamten Oper

Herausarbeiten von Unterschieden zwi- schen 3. und 4. Szene

Klärung von Inhalt und Aufbau der 4. Szene (Wirtshausszene)

Analyse des Ländlers

Gespräch über den Zusammenhang zwi- schen musikalischer Gestaltung und dra- matischer Handlung am Beispiel Wozzecks

Stunde 9/10: Traditionelle Kompositionsprinzipien in der 2. und 5. Szene des III. Aktes („Waldweg am Teich“, „Straße vor Mariens Wohnung“)

Material Klangbeispiel Verlauf

M 3, M 12 III. Akt, 2. Szene Erkennen und Beschreiben des musika- lischen Gestaltungsprinzips der Szene anhand Hörbeispiel und ausgewählter Notenbeispiele

III. Akt, 5. Szene Ermitteln von Inhalt und musikalischer Gestaltung ausschließlich über das Hörbei- spiel

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Materialübersicht

Material S.

Stunde 1/2 : Traditionelle musikalische Formen im Wozzeck am Beispiel der Passacaglia der 4. Szene des I. Aktes (Studierstube des Doktors) M 1 (Tb) II. Akt, 4. Szene: „ Ich hab’ ein Hemdlein an“ (Wirtshausmusik) 2 M 2 (Tx) Entstehungsgeschichte und Handlung der Oper 3 M 3 (Tx) Alban Berg zur formalen Anlage des „Wozzeck“ 4 M 4 (No) Notenbeispiele aus der Passacaglia der 4. Szene des 6

I. Aktes (Studierstube des Doktors)

Stunde 3/4: Analyse und Komposition einer Passacaglia

M 5 (Ab, No) Notenbeispiele ausgewählter Variationen aus Händels 11 Passacaglia

M 6 (Ab) Kompositionsvorlage für die Passacaglia 13 Stunde 5/6: Volkstümliche Elemente in der Oper: 1. Akt, 3. und 5. Szene M 7 (Tx) Über die Darstellung des Volkstümlichen im Wozzeck 14

M 8 (No) Marschmusik und Mariens Wiegenlied 16

M 9 (Tx, No) Libretto und Notenbeispiele zur 5. Szene des I. Aktes 17 Stunde 7/8: Extreme Gegensätze als Stilmittel: Die 3. und 4. Szene des

II. Aktes („Straße vor Mariens Wohnung“, „Wirtshausmusik“) M 10 (No) II. Akt, 3. Szene (Straße vor Mariens Wohnung) 23 M 11 (Tx) Alban Berg über die Tanzmusiken in der Wirtshausszene 25 Stunde 9/10: Traditionelle Kompositionsprinzipien in der 2. und 5. Szene

des III. Aktes („Waldweg am Teich“, „Straße vor Mariens Wohnung“)

M 12 (No, Tx) Der Ton „H“ in der 2. Szene des III. Aktes 29

Hinweis: Sinnvollerweise sollten den Schülern umfangreichere Ausschnitte aus Klavier- auszug (siehe Infothek „Noten“) und Libretto als die in diesem Beitrag abgebildeten zur Verfügung stehen. Entsprechende Materialien sollten zumindest immer als halber Klas- sensatz vorliegen.

Klangbeispiele

Zu dieser Unterrichtsreihe wurde eine Linkliste für sämtliche Klangbei- spiele zusammengestellt, die sich am Ende, in der Infothek und (mit akti- ven Links) im ROM-Teil der CD 46 (Januar 2018) befindet.

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M 1 II. Akt, 4. Szene. Wozzeck: „Ich hab’ ein Hemdlein an“

(Wirtshausmusik)

Wirtshausszene aus „Wozzeck“

Klangbeispiel Alban Berg: Wozzeck

II. Akt, 4. Szene: „Ich hab’ ein Hemdlein an“ (Wirtshausmusik);

Takte 480–559

Brilliant Classics (Edel). 2013. CD 2, Track 5

Aufgaben

1. Beschreiben Sie Instrumente und Rhythmik des Tonbeispiels. Schließen Sie davon ausgehend auf die Musikrichtung und die musikalische Gattung, die Berg an dieser Stelle verwendet.

2. In welchem allgemeinen Kontext könnte diese Art von Musik erklingen?

3. Überlegen Sie, innerhalb welcher größeren musikalischen Gattung der gehörte Aus- schnitt eine Rolle spielen könnte.

Erläuterung (M 1)

Zu Aufgabe 1: Fiedel bzw. Geige, Klarinette, Gitarre, Ziehharmonika/Akkordeon und Bom- bardon bzw. Basstuba sind typische Volksmusikinstrumente. Die an einigen Stellen hin- zukommenden Orchesterinstrumente spielen im Zusammenhang mit der Fragestellung keine Rolle.

Deutlich wahrnehmbar ist der Dreiertakt, der, im schnellen Tempo, auf einen Walzer schließen lässt. Es handelt sich also um Tanz- bzw. Unterhaltungsmusik.

Zu Aufgabe 2: Die durch den überbetonten Dreiertakt und scheinbar unsaubere Töne dilettantisch wirkende Ausführung deutet darauf hin, dass es sich um eine amateurhafte Musikgruppe handelt, die in einem Biergarten oder einem einfachen Wirtshaus zum Tanz aufspielt.

Zu Aufgabe 3: Gesungene bzw. gesprochene Stellen sowie vereinzelt hinzutretende Orchesterinstrumente weisen den Ausschnitt eindeutig als Szene einer Oper aus.

akg-images / Marion Kalter

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M 2 Entstehungsgeschichte und Handlung der Oper

Eine Theateraufführung von Georg Büchners Dra- menfragment „Woyzeck“ in den Wiener Kammer- spielen im Mai 1914 war es, die Alban Berg zur Komposition seiner Oper „Wozzeck“ veranlasste.

Die Einberufung zum Militärdienst 1915 und die Tätigkeit im Kriegsministerium unterbricht die Arbeit an Libretto und Komposition allerdings, die Fertigstellung der Oper erfolgte schließlich erst Ende 1922, die Uraufführung fand am 14. Dezem- ber 1925 in Berlin statt.

Nicht zuletzt wegen seiner eigenen bedrückenden militärischen Erfahrungen war Berg von Büchners Drama, dem der authentische Fall des Perücken- machers und Soldaten Johann Christian Woyzeck (durch einen Lese- bzw. Übertragungsfehler des büchnerschen Manuskripts änderte sich der Name von „Woyzeck“ zu „Wozzeck“) zugrunde liegt, tief beeindruckt. Im Frühjahr 1915 beginnt Berg, Büch- ners Fragment gebliebendes Woyzeck-Drama für

die Opernbühne zu bearbeiten: Er komprimiert die ihm vorliegenden 23 Szenen des büch- nerschen Fragments zu 15, die er in drei Akte mit je 5 Szenen einteilt.

Um selbst überleben zu können, und um seiner Freundin Marie und dem gemeinsamen unehelichen Sohn ein minimales Auskommen zu sichern, reicht Wozzecks Sold als einfa- cher Soldat nicht aus. Er ist gezwungen, durch weitere Tätigkeiten etwas hinzuzuverdie- nen, indem er zusätzlich für den Hauptmann arbeitet und sich dem Doktor für medizini- sche Versuche zur Verfügung stellt. Er fühlt sich den Aufgaben nicht gewachsen und zeigt erste Anzeichen psychischer Verwirrung.

Indessen gibt sich seine Freundin Marie den Verführungskünsten des Tambourmajors hin und betrügt Wozzeck, der erst durch das ihn verhöhnende Gerede des Hauptmanns und des Doktors von der Affäre erfährt. Von Wozzeck zur Rede gestellt, streitet Marie zunächst alles ab. In seiner Verzweiflung erhebt Wozzeck die Hand gegen Marie und wird durch Mariens Worte „Lieber ein Messer in den Leib, als eine Hand auf mich“ im letzten Moment davon abgehalten, sie zu schlagen. Als er schließlich Marie unverhohlen mit dem Tambourmajor tanzen sieht, lassen ihn ihre Worte nicht mehr los.

Während Marie in der Bibel die Geschichte der Ehebrecherin Maria Magdalena liest und so auf eine Erleichterung ihres Gewissens hofft, nimmt Wozzecks Plan, Marie zu ermor- den, Gestalt an. Er trifft sich mit ihr außerhalb der Stadt und ersticht sie unvermittelt an einem nahe gelegenen Teich. Daraufhin flieht Wozzeck in eine Kneipe, wo er durch das an seinem rechten Arm haftende Blut verdächtig erscheint. Um von sich und der Tat abzu- lenken, begibt er sich zurück zum Teich, um das Mordmesser zu suchen und im Teich zu versenken. Als letzten Ausweg aus seiner Situation erkennt Wozzeck schließlich nur den Selbstmord. Während er im Wasser ertrinkt, gehen Doktor und Hauptmann unbeteiligt am Ufer vorüber. Inzwischen hat es sich herumgesprochen, dass am Teich eine Tote liege.

„Kommt, anschaun!“ (III. Akt, 5. Szene) rufen die spielenden Kinder, und Wozzecks und Mariens Sohn reitet, noch ahnungslos, auf seinem Steckenpferd den andern Kindern auf ihrem Weg zu Mariens Leiche hinterher.

Aufgabe

Überlegen Sie, inwiefern sich die Handlung des Wozzeck für eine Inszenierung in einem aktuellen Kontext anbietet.

akg-images

Titelblatt der Erstausgabe

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M 3 Alban Berg zur formalen Anlage des Wozzeck

Als ich vor 15 Jahren beschloss, die Oper Wozzeck zu komponieren, war die Situation der Musik eine ganz eigenartige. (…) Noch fehlte es in jenem sogenann- ten atonalen Stil an Werken ganz großen Umfangs.

An Werken mit der klassischen Viersätzigkeit von bis dahin gebräuchlicher Ausdehnung, an Symphonien, an Oratorien und an großen Opern. Die Ursache:

Jener Stil verzichtete auf die Tonalität und damit auf eines der stärksten und bewährtesten Mittel, kleine, aber auch ganz große Formen zu bilden. Als ich also damals beschlossen hatte, eine abendfüllende Oper zu schreiben, stand ich, zumindest in harmonischer Hinsicht, vor einer neuen Aufgabe: Wie erreiche ich ohne diese bis dahin bewährten Mittel der Tonalität und ohne die auf ihr basierten formalen Gestaltungs- möglichkeiten dieselbe Geschlossenheit, dieselbe zwingende musikalische Einheitlichkeit? (…) Text und Handlungen allein konnten nicht Gewähr für

diese Geschlossenheit sein; schon gar nicht bei einem Werk wie Büchners Wozzeck, das ja bekanntlich aus vielen losen (23), ja fragmentarischen Szenen besteht. Und selbst als es gelungen war, eine dreiaktige Anordnung zu finden, die in dreimal fünf Szenen Exposition, Peripetie und Katastrophe des Dramas deutlich auseinanderhielt und damit die Einheit der Handlung, die dramatische Geschlossenheit erzwang, war noch keinesfalls die musikali- sche Einheit und Geschlossenheit gegeben. (…) In dem Bestreben, musikalische Abwechs- lung zu erzielen und nicht immer jede dieser vielen Szenen mit der seit Wagner üblichen musikdramatischen Charakteristik „durchzukomponieren“, blieb mir fast nichts anderes übrig, als jeder dieser 15 Szenen eine andere Gestalt zu verleihen. Andererseits verlangt die Geschlossenheit dieser Szenen auch eine Geschlossenheit der Musik, woraus wieder eine Notwendigkeit resultierte, diesen vielerlei Gestalten einen jeweiligen Zusammenhalt zu sichern, mit einem Wort, ihnen musikalisch abgeschlossene Formen zu verleihen. (…)

Aus: Berg, Alban: Wozzeck-Vortrag von 1929. Quelle: Österreichische Nationalbibliothek. http://data.onb.ac.at/

rec/AC13943311. S. 12 f., S. 24 f. (Stand: 20.02.2018).

(…) Und zwar könnte man die fünf Szenen des ersten Aktes als fünf aneinandergereihte Charakterstücke bezeichnen, die auch dem dramatischen Inhalt entsprechend jeweils eine neue Hauptfigur des Dramas (…) charakterisieren (…).

Die fünf Szenen des dritten Aktes ergeben fünf musikalische Formen, deren Geschlossen- heit durch Heranziehung irgendeines anderen musikalischen Einheitsprinzips erzielt wird.

Sei es die Einheit eines „Themas“, das variiert wird, sei es ein „Ton“, ein „Akkord“, ein

„Rhythmus“, eine „gleichförmige Bewegung“.

Diese zwei auf solche Weise architektonisch etwas locker zusammengesetzten Eck-Akte (…) umschließen (…) den mittleren, musikalisch viel fester gefügten, der seine fünf Szenen untrennbar wie die Sätze einer (…) Symphonie verbindet. Nämlich einen bewegten ersten Sonatensatz mit nachfolgender Phantasie und Fuge über drei Themen; einen langsamen Satz (das Largo), ein Scherzo; und schließlich das „Rondo marziale con Introduzione“.

Aus: Berg, Alban: Wozzeck-Vortrag von 1929. Quelle: Österreichische Nationalbibliothek. http://data.onb.ac.at/

rec/AC13943311. S. 22 (Stand: 20.02.2018).

Aufgabe

Beschreiben Sie die formale Anlage von Bergs Oper und begründen Sie diese aus dem musikgeschichtlichen Zusammenhang heraus.

akg-images / Science Source

Alban Berg

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VORSC

HAU

(13)

99 RAAbits Musik April 2018

II/B

M 4 Die Passacaglia in der 4. Szene des I. Aktes (Studierstube des Doktors)

II

I ausdruckslos

 

Blech Str



  

   

Solo Br

 

Blech Fag (Hf)









 

Hf

[



mit wenig Ausdruck

 

 

 

 

poco legato

Ganz ruhig( = 48 – 54)

  



1. Hr

    

(flüchtig)



Pk

 

485

   

Kl

 





non legato

       

(flüchtig)



   

 ]









Vorhang rasch auf Wozzeck tritt ein

4. SzeneStudierstube des Doktors (sonniger Nachmittag)

Sehr langsam( = 36 – 40)

        

3

3 3 3

Was er leb ich, Woz zeck?

parlando Der Doktor eilt hastig dem

eintretenden Wozzeck entgegen

   

     

(ebenso)

E H K F

quasi Rezitativo mit viel Freiheit im Tempo

   

  

Passacaglia-Thema

Vcl



(flüchtig)

[

] 

[

    

Was denn,

        

3 3

 

Ein Mann ein Wort? Ei, ei, ei!

         

- -









immer aufgeregter

     

Herr Dok tor?

Wozz

         

               

3

3 3

3

3

3 3

Ich habs ge sehn, Woz zeck, Er hat wie der ge hus tet, auf der Stra ße ge hus tet, Dokt

                   

490

-

- - - - - - - -

zur Vollversion

VORSC

HAU

(14)

99 RAAbits Musik April 2018

II/B

Dokt

       

       

3

3

ge bellt wie ein Hund! Geb ich Ihm da für al le

          

3 6 8

marcatissimo bedeutend ruhiger



cantabile

 

subito

         

3

Ta ge drei Gro schen? Woz zeck!

         

3 6

sehr weich

- - - - - -

Dokt

accel.

   

3

  

Das ist schlecht! Die Welt (cantabile)

        

3

immer gefühlvoller

Wozzeck

    

3

ist schlecht, sehr schlecht!

stöhnend:



   

           

3



3

3

A ber Herr Dok tor, wenn einem die Na tur kommt!

       

3

Oh! Die Na -

auffahrend: par -

    

 

  

 

 

 

   

Kl und Br (pizz)

]

 

495

- - -

Dokt



    

 

3

3

tur kommt! Die Na tur kommt!

Fast doppelt so rasch ( = abwechselnd 72 oder 80) 1. Variation

- lando

 

             

  

 

Fl ( = 80)

 

     

 

Hr Br

     



Hr gestopft

(Thema)

Vc 1

 

 

\

 

 

         



3

A ber glau be ab scheu li cher A ber -

 

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

            

  

Br

   

     



- - - - - - - -

zur Vollversion

VORSC

HAU

Referenzen

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