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D Das Comeback der wissenschaftlichen Politikberatung in den USA

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GAIA 30/4 (2021): 217

EDITORIAL

© 2021 S. Thielges, O.Renn; licensee oekom verlag. This article is published under the terms of the Creative Commons Attribution License CCBY 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0).

https://doi.org/10.14512/gaia.30.4.1

D

er amerikanische Präsident Joe Biden vollzieht mit seiner neuen Klima- und Energieagenda eine Kehrtwende in der US-Politik, indem er wissenschaftsbasier- te Politikberatung wieder in den Vordergrund rückt. Unter seinem Vorgänger Donald Trump beschränkte sich die Rolle der Wissenschaft in der politischen Entscheidungs- findung auf die Rechtfertigung von politischen Beschlüssen ex post. Die Leitung der US-Umweltschutzbehörde ignorierte den Rat ihrer eigenen Wissenschaftler(innen), unterschlug Forschungsergebnisse zu Risiken für die öffentliche Gesundheit oder stell- te sie falsch dar.1 Wissenschaft war so lange willkommen, wie sie die Agenda des Prä- sidenten Trump unterstützte.

Joe Biden reagierte nach seinem Amtsantritt umgehend mit einem Memorandum zur wissenschaftlichen Integrität auf diese wissenschaftsfeindliche Politik. Er wies al le Behörden und Ministerien an, politische Entscheidungen wissenschaftsbasiert zu tref- fen, die Unabhängigkeit der Wissenschaft zu wahren und sich nicht in wissenschaft- liche Prozesse einzumischen.2 Die Klimaforschung nimmt in seiner Wissenschafts- und Technologiestrategie eine zentrale Rolle ein.3 Um die Rolle der Wissenschaft in seiner Politikgestaltung zu untermauern, setzte Biden den Presidential Council of Ad- visors on Science and Technology wieder ein, der ihn bei wirtschafts-, umwelt- und ener- giepolitischen Fragen berät. Seinem wissenschaft li chen Berater Eric Lander verlieh Biden erstmals Kabinettsrang. Als Direktor des Office of Science and Technology Policy koordiniert Lander die Wissenschaftspolitik und Forschungsausgaben der Exekutive.

Europa könnte von dieser klareren Struktur der Politikberatung unter Biden lernen.

Denn die Europäische Kommission verfügt über eine weitgespannte, kompliziert auf- gebaute und intransparente Form der wissenschaftlichen Politikberatung. Zu nennen sind etwa die Akademien der Wissenschaften, die unter dem Dach der Science Advice for Policy by European Academies (SAPEA) Analysen zu politisch drängenden Themen erstellen. Hinzu kommen die Gruppe der Chief Scientific Advisors, die der EU angeglie- derten Forschungszentren, vor allem in Ispra, Italien, und Toledo, Spanien, so wie un- zählige Ausschüsse und Kommissionen. Im Rahmen des Green Deal etabliert die EU aktuell zusätzlich ein wissenschaftliches Beratungsgremium zum Klimaschutz.

Darüber hinaus ist das Beratungssystem der EU überwiegend von einem linearen Verständnis von Politik und Wissenschaft geprägt. Gerade bei komplexen Fragestellun- gen von Klima- und Umweltschutz könnten aber transdisziplinäre Prozesse, in denen Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in den Beratungsprozess integriert wer- den, geeigneter sein, die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu überbrücken. Ein Hoffnungsschimmer ist das 2019 von SAPEA erarbeitete Gutachten Making sense of sci e nce for policy.4 Es ist eine klare Aufforderung zu einem neuen, transdisziplinären Ansatz von Politikberatung, wie dies auch in GAIA seit Jahren eingefordert wird. Es bleibt zu hoffen, dass mit dem neuen Impuls aus den USA auch eine Reform der eu ropäischen Politikberatung durch Wissenschaft und Gesellschaft in Gang kommt.

Dr. Sonja Thielges sonja.thielges@iass-potsdam.de Prof. Dr. Drs. h.c. Ortwin Renn ortwin.renn@iass-potsdam.de beide: Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) | Potsdam | Deutschland

Das Comeback der wissenschaftlichen Politikberatung in den USA

1 https://climate.law.columbia.edu/

Silencing-Science-Tracker 2 www.whitehouse.gov/briefing-room/

presidential-actions/2021/01/27/

memorandum-on-restoring-trust-in- government-through-scientific-integrity-

and-evidence-based-policymaking 3 https://science.gmu.edu/news/

letter-geneticist-eric-lander-president- elect-biden 4 SAPEA (Science Advice for Policy by European Academies). 2019.

Making sense of science for policy under conditions of complexity and uncertainty. Executive review report No. 6. Berlin: SAPEA.

https://doi.org/10.26356/MASOS.

Sonja Thielges, Ortwin Renn The revival of scientific advice for policy in the United States

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