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Fehlalarm Penicillin-Allergie

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Academic year: 2022

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DE U T S C H E S ÄR Z T E B L AT T

Penicillin-Allergien werden nicht selten zum Problem bei Patienten mit Infektions- krankheiten. Berichtet der Patient von einer vorhande- nen Penicillin-Allergie, ver- meidet der Arzt zumeist alle Betalaktam-Antibiotika. Drei Viertel der vermeintlichen Allergien lassen sich jedoch nicht bestätigen. Das zeigt eine Studie von Würzburger Dermatologen. Die Autoren fordern im Verdachtsfall eine genaue allergologische Abklärung.

Vertraut man den Angaben der Patienten, dann kann man zu dem Schluss kommen, Penicillin-Allergien hätten inzwischen bei- nahe epidemische Ausmasse angenom- men. Bis zu 10 Prozent der Bevölkerung sollen inzwischen davon betroffen sein.

«In der Praxis und Klinik kommt es des- halb immer häufiger vor, dass ein Allergie-

Pass oder Angaben der Patienten über eine Penicillin-Allergie die eigentlich indi- zierte Penicillin-Therapie verhindern», meint eine Arbeitsgruppe um Privatdozent Axel Trautmann von der Dermatologischen Klinik der Universität Würzburg. In einem Beitrag für das «Deutsche Ärzteblatt»

beklagen die Dermatologen die daraus re- sultierenden Folgen: Chinolone, Makro- lide und Glykopeptidantibiotika kämen vermehrt zur Anwendung, Medikamente also mit einem breiteren Wirkspektrum und geringerer Wirksamkeit, die das Auf- treten von Antibiotikaresistenzen förder- ten und zudem für einen Kostenanstieg im Gesundheitswesen sorgten.

Dass Ärzte bei vermeintlich bestehender Allergie auf Penicillin und andere Betalak- tam-Antibiotika verzichten, lässt sich anhand der zu befürchtenden allergi- schen Reaktionen leicht nachvollziehen.

Im Rahmen einer IgE-vermittelten Sofort- typ-Reaktion kommt es innerhalb von ei- nigen Minuten bis spätestens zwei Stun- den zu charakteristischen Symptomen an Haut, in den Atemwegen, im Herz-Kreis- lauf-System und im Magen-Darm-Trakt.

Urtikaria, Angioödem, Blutdruckabfall, Asthma, Tachykardie, Übelkeit und Erbre- chen treten auf. Daneben gibt es die we- niger gut umschriebenen Spätreaktionen, der aber auch nichtimmunologische Mechanismen oder Arzneimittelinterak- tionen zugrunde liegen können. Bei ech- ten Spättypallergien treten Exantheme eine bis zwei Wochen nach Therapie- beginn auf, nach erfolgter Sensibilisierung bereits innert weniger Stunden.

Plädoyer für eine allergolo- gische Abklärung

Doch die Sorgen sind vielfach unberech- tigt, denn nicht selten erweist sich die an-

genommene Penicillin-Allergie als falscher Alarm, wie die Würzburger Dermatologen in einer eigenen Studie bei 325 Patienten nachweisen konnten. 50 Prozent der Patienten in einem Alter zwischen 8 und 98 Jahren hatten eine vermeintliche aller- gische Reaktion auf Penicillin in den letz- ten zwölf Monaten, bei den übrigen lag eine solche Jahre zurück, wie die ana- mnestische Befragung ergab. Zusätzliche Recherchen in Krankenberichten und In- formationen über Therapiemassnahmen liessen bei dem Patientenkollektiv 122 So- fortreaktionen und 170 Spätreaktionen vermuten, bei den restlichen Fällen liess sich die Symptomatik nicht klar zuordnen.

Bei 80 Patienten war anscheinend eine Urtikaria beziehungsweise ein Angio- ödem aufgetreten, bei fast jedem Zweiten ein Exanthem, in seltenen Fällen dagegen eine Vaskulitis oder ein Erythema exsuda- tivum multiforme.

Um festzustellen, ob tatsächlich eine All- ergie bestand, führten die Dermatologen

Fehlalarm

Penicillin-Allergie

Eine deutsche Arbeitsgruppe zeigt, dass viele Menschen zu Unrecht als Penicillin-Allergiker gelten

A R S M E D I C I 2 32 0 0 4 1 1 8 3

Ü B E R S I C H T A P E R Ç U

M M M

M e e e e r r r r k k k k -- --

s ä t z e s ä t z e

●Bei einem Verdacht auf Penicil- lin-Allergie sollte eine allergolo- gische Abklärung erfolgen, um die Diagnose zu sichern.

●Ist der spezifische IgE-Test positiv, kann ohne weitere Untersuchun- gen von einer Penicillin-Allergie ausgegangen werden.

●Zephalosporine der dritten Ge- neration sind eine sichere Alter- native bei Penicillin-Allergie.

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bei den Studienteilnehmern eine allergo- logische Stufendiagnostik durch, begin- nend mit einem Betalaktam-spezifischen IgE-in-vitro-Test, daran anschliessend folg- ten Haut- und Expositionstests.

Der IgE-Test kann anhand eines kommer- ziell erhältlichen Immunoassays

bequem und für den Patienten völlig gefahrlos erfolgen. Bei le- diglich 8 Patienten liess sich an- hand des IgE-Tests eine Sofort- typallergie gegen Penicillin V/G diagnostizieren.

Prick- und Intrakutantests, die am volaren Unterarm durch- geführt und nach 20 Minuten abgelesen werden, lassen eine Soforttypreaktion erkennen. Eine Spätablesung nach zwei, drei und

vier Tagen gibt Hinweise auf eine Spät- reaktion.

Sofortreaktionen traten demnach bei 25 Patienten auf, eine Spätreaktion gegen Penicillin fand sich bei 16 Patienten, ge- gen Aminopenicilline bei 22 Patienten.

Nur 1 Patient hatte demnach eine Reak- tion auf Zephalosporin. Mit Hilfe des ora- len Expositionstests konnten 6 weitere Patienten mit Sofort- oder Spättypreaktio- nen gegen eines der Antibiotika ermittelt werden. Insgesamt zeigten 246 der 325 Patienten keine Penicillin-Allergie. Mit an- deren Worten: Nur etwa jeder Vierte hatte tatsächlich eine Allergie gegen Penicillin und seine semisynthetischen Derivate.

Weil dies so ist, fordern die Autoren bei Verdacht auf eine Penicillin-Allergie eine genaue allergologische Abklärung, um eine fehlerhafte Etikettierung der Patien- ten zu verhindern. «Keinesfalls sollte ein Patient aufgrund von anamnestischen An-

gaben oder Beobachtungen ein Leben lang als Penicillin-Allergiker gelten, denn wenn Betalaktame indiziert sind, ist in der Regel keine Zeit mehr für eine Diagnos- tik», schreiben die Autoren. Sie verspre- chen sich von der frühzeitigen Abklärung letztlich eine wirksamere Patientenversor- gung, weniger Nebenwirkungen und eine Reduktion von Antibiotikaresistenzen.

Zephalosporine sind geeig- nete Ausweichpräparate

Patienten, bei denen sich die Allergie be- stätigt, können übrigens ohne weiteres mit Zephalosporinen behandelt werden.

Die Expositionstests zeigten nämlich, dass alle 52 Patienten mit Penicillin-Allergie tatsächlich Zephalosporine tolerierten.

Die Hauttests sind bei korrekter Durch- führung sehr sicher. Allgemeinreaktionen sind bei nur 1 Prozent der Patienten zu erwarten. Wichtig ist, dass bereits der spezifische IgE-Test dank seiner hohen Spezifität bei einem positiven Ergebnis und passender Anamnese eine weiter ge- hende Diagnostik überflüssig macht. Fällt der In-vitro-Test negativ aus, müssen sich die Hauttests anschliessen. Zeigen sie ein positives Ergebnis, kann auf den Expositi- onstest verzichtet werden. Werden Haut- tests und IgE-Test toleriert, ist übrigens auch der Expositionstest zu mehr als 95

Prozent negativ. ●

Jiri Trcka et al.: Penicillintherapie trotz Penicillinallergie? Plädoyer für eine aller- gologische Diagnostik bei Verdacht auf Penicillinallergie. Dtsch. Ärztebl. 2004;

101: A2882–2887.

Uwe Beise

Interessenkonflikte: keine

Fehlalarm Penicillinallergie

1 1 8 4 A R S M E D I C I 2 32 0 0 4

Ü B E R S I C H T A P E R Ç U

Keinesfalls sollte ein Patient aufgrund von anamnestischen Angaben oder Beobachtungen ein Leben lang als Penicillin-Allergiker

gelten.

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