Basis
Definition 3.38
Gegeben sei ein LP in der Normalform mit m als Rang der Matrix A2Rm⇥n.
x2Rn mitAx=b heißt Basisl¨osunggdw. n mKomponenten xi
gleich Null und die zu den restlichen Variablen geh¨orenden Spaltenvektorenaj linear unabh¨angig sind.
Eine Basisl¨osung, die zul¨assig ist (x 0), heißtzul¨assige Basisl¨osung.
Die mlinear unabh¨angigen Spaltenvektoren aj einer (zul¨assigen) Basisl¨osung heißen Basisvektoren, die zugeh¨origen Variablenxj
Basisvariablen (BV).
Alle ¨ubrigen Spaltenvektoren heißen Nichtbasisvektoren, die zugeh¨origen VariablenNichtbasisvariablen (NBV).
Die Menge aller Basisvariablen xj einer Basisl¨osung bezeichnet man
Charakterisierung zul¨assiger Basisl¨osungen
Satz 3.39
x ist genau dann eine zul¨assige Basisl¨osung eines LP, wennx ist Ecke von XLP ist.
Bemerkung: Dieser Satz ist derSchl¨ussel zur algebraischen L¨osung von linearen Programmen.
Beweis.
“)”: Es sei xeine zul¨assige Basisl¨osung von Ax=b. Dann gibt es m linear unabh¨angige Spaltenvektoren ai1, . . . ,aim von Amit
xi1ai1+· · ·+ximaim=b
Annahme: xist keine Ecke von X. Dann existieren y,z2X mity6=z und ein 0< <1, so dass gilt
x= y+ (1 )z
Fortsetzung Beweis.
Ausy,z 0, >0,(1 )>0 und xj = 0 f¨urj 2/{i1, . . . ,im}folgt yj,zj = 0 f¨ur j 2/ {i1, . . . ,im}.
Andererseits gilty,z2X, also Ay=bund Az=b und damit sowohl yi1ai1+· · ·+yimaim=b
als auch
zi1ai1+· · ·+zimaim =b Es folgt
(yi1 zi1)ai1+· · ·+ (yim zim)aim =0
Da die aik linear unabh¨angig sind, folgtyik =zik f¨urk = 1, . . . ,m und damit y=z. Widerspruch!
Fortsetzung Beweis.
“(”: Es sei xEcke von X. F¨ur den trivialen Fallx=0 folgt b=0und wir k¨onnen m linear unabh¨angige Spaltenvektoren vonA ausw¨ahlen. xist damit eine zul¨assige Basisl¨osung.
Es sei alsox6=0 mit
Xk j=1
xijaij =b und xij >0.
Annahme: Die Vektorenai1, . . . ,aik sind linear abh¨angig. Dann g¨abe es eine nicht triviale Linearkombination
y1ai1+· · ·+ykaik =0 F¨ur hinreichend kleines ✏gilt dann
x+✏y 0und x ✏y 0
Fortsetzung Beweis.
Damit sind die Vektoren x±✏y zul¨assig und es folgt x= 1
2(x+✏y) +1
2(x ✏y)
Dies bedeutet wiederum, dassx keine Ecke ist. Widerspruch!
Ecken-Algorithmus
Algorithmus 3.40
Gegeben sei ein LP in Normalform mitc2Rn,A2Rm⇥n,x2Rn und b2Rm.
F¨ur N := mn seien B1,B2, . . . ,BN diem-elementigen Teilmengen der Menge {1, . . . ,n}.
F¨ur eine Menge Bk ={j1, . . . ,jm}bezeiche ABk = (aj1, . . . ,ajm)2Rm⇥m die Matrix, die aus den Spaltenvektoren j1 bis jm von Abesteht.
Der Vektor xBk ist der entsprechende Variablenvektor dessen Komponenten einen Index aus Bk haben.
Fortsetzung Algorithmus 3.40.
1 k := 1,z⇤:= 1
2 ErzeugeBk,ABk und xBk.
3 Fallsr(ABk)<mdann weiter mit 6.
4 L¨ose das LGSABkxBk =b. Es sei xdie Basisl¨osung zur L¨osung dieses LGS. Fallsx nicht zul¨assig ist, weiter mit 6.
5 FallscTx>z⇤, setzez⇤ :=cTx und x⇤ :=x.
6 k :=k+ 1. Falls k N gehe zu 2, sonst STOP!
Bemerkungen zum Ecken-Algorithmus
Wenn ein LP eine L¨osung hat, dann liefert der Ecken-Algorithmus eine L¨osungx⇤ mit Zielfunktionswertz⇤.
Die Bestimmung des Rang von ABk in Schritt 3 und die L¨osung des LGS in Schritt 4 kann mit dem Gaußschen Algorithmusoder der Cramer-Regel erfolgen.
Der Algorithmus hat keine praktische Bedeutung und ist nur f¨ur kleinen undm durchf¨uhrbar.
Beispiel zum Eckenalgorithmus
Beispiel 3.41
Wir greifen das Beispiel mit dem Eisverk¨aufer (Beispiel 3.2 bzw. 3.4) wieder auf.
Maximiere z =F(x) = 30x1+ 25x2 unter denNebenbedingungen 0
@ 1 1 1 0 0 5 2 0 1 0 0 1 0 0 1
1 A·
0 BB BB
@ x1
x2
x3
x4
x5
1 CC CC A=
0
@ 10 30 9
1
A x1, . . . ,x5 0
Man beachte: Die redundante Nebenbedingung x1 6 wurde weggelassen.
Fortsetzung Beispiel 3.41.
Man erh¨alt 53 = 10 verschiedene Spaltenmengen f¨ur die Matrix A:
B1={1,2,3}: 0
@ 1 1 1 5 2 0 0 1 0
1 A·
0
@ x1
x2
x3
1 A=
0
@ 10 30 9
1
A ergibt x3 <0
B2={1,2,4}: 0
@ 1 1 0 5 2 1 0 1 0
1 A·
0
@ x1
x2
x4
1 A=
0
@ 10 30 9
1
A Eckex= 0 BB BB
@ 1 9 0 7 0
1 CC CC A mitF(x) = 255
B3={1,2,5}: 0
@ 1 1 0 5 2 0 0 1 1
1 A·
0
@ x1
x2
x5
1 A=
0
@ 10 30 9
1
A Eckex= 0 BB BB
@ 10/3 20/3 0 0 7/3
1 CC CC A mitF(x) = 26623
Fortsetzung Beispiel 3.41.
B4={1,3,4}: 0
@ 1 5 0
1 A,
0
@ 1 0 0
1 A,
0
@ 0 1 0
1
A sind linear abh¨angig.
B5={1,3,5}: 0
@ 1 1 0 5 0 0 0 0 1
1 A·
0
@ x1
x3
x5
1 A=
0
@ 10 30 9
1
A Ecke x= 0 BB BB
@ 6 0 4 0 9
1 CC CC A mit F(x) = 180
B6={1,4,5}: 0
@ 1 0 0 5 1 0 0 0 1
1 A·
0
@ x1
x4
x5
1 A=
0
@ 10 30 9
1
A liefert x4 <0
Fortsetzung Beispiel 3.41.
B7={2,3,4}: 0
@ 1 1 0 2 0 1 1 0 0
1 A·
0
@ x2
x3
x4
1 A=
0
@ 10 30 9
1
A Eckex= 0 BB BB
@ 0 9 1 12
0 1 CC CC A mitF(x) = 225
B8={2,3,5}: 0
@ 1 1 0 2 0 0 1 0 1
1 A·
0
@ x2
x3
x5
1 A=
0
@ 10 30 9
1
A liefertx3 <0
B9={2,4,5}: 0
@ 1 0 0 2 1 0 1 0 1
1 A·
0
@ x2
x4
x5
1 A=
0
@ 10 30 9
1
A liefertx5 <0
Fortsetzung Beispiel 3.41.
B10={3,4,5}: 0
@ 1 0 0 0 1 0 0 0 1
1 A·
0
@ x3
x4
x5
1 A=
0
@ 10 30 9
1
A Eckex= 0 BB BB
@ 0 0 10 30 9
1 CC CC A mitF(x) = 0
F¨ur die Ecke 0 BB BB
@ 10/3 20/3 0 0 7/3
1 CC CC
Awird der maximale Zielfunktionswert
2
Alternative Vorgehensweise beim Eckenalgorithmus
Statt ¨uber alle m¨oglichen Mengen von Basisvariablen (BV-Mengen) zu iterieren, kann man prinzipiell auch ¨uber alle m¨oglichen Mengen von Nichtbasisvariablen (NBV-Mengen) iterieren.
Dies funktioniert wie folgt:
Gegeben sei das LP in Normalform mit Koeffizientenmatrix A2Rm⇥n und es gelte r(A) =m.
Bestimme mit dem Gaußschen Algorithmus eine L¨osungsmenge f¨ur das Gleichungssystem Ax=b.
Wegen r(A) =mhat die L¨osungsmengek :=n m freie Parameter
↵1, . . . ,↵k und l¨asst sich darstellen als
x=v+↵1w1+· · ·+↵kwk
Hierbei ist veine L¨osung des inhomogenen LGS Ax=bund
w1, . . . ,wk sind linear unabh¨angige L¨osungen des homogenen LGS
Ax=0.
F¨ur allek-elementigen Teilmengen{i1, . . . ,ik}stelle man aus den zugeh¨origen k Zeilen von
v+↵1w1+· · ·+↵kwk =0 ein LGS auf und bestimme (wenn m¨oglich) ↵1, . . . ,↵k. Wenn dieses LGS l¨osbar ist, bestimme man mit der L¨osung
↵1, . . . ,↵k den Vektor
x=v+↵1w1+· · ·+↵kwk Giltxi 0 f¨uri = 1, . . . ,n, dann istx eine Ecke.
Insgesamt wird der Aufwand dadurch nicht geringer, denn die Anzahl der zu l¨osenden LGS ist mit dem Eckenalgorithmus in urspr¨unglicher Form identisch:
#BV-Mengen =
✓n m
◆
=
✓ n
n m
◆
= #NBV-Mengen F¨ur m>n/2 werden aber die zu l¨osenden LGS kleiner.
Beispiel zur alternativen Vorgehensweise
Beispiel 3.42
Wir bleiben beim Eisverk¨aufer ohne die redundante Nebenbedingung (vgl.
Beispiel 3.41).
Wir bestimmen zun¨achst mit dem Gaußalgorithmus die L¨osungsmenge von Ax=b.
0
@ 1 1 1 0 0 10 5 2 0 1 0 30
0 1 0 0 1 9
1 A)
0
@ 1 1 1 0 0 10
0 3 5 1 0 20
0 1 0 0 1 9
1 A
) 0
@ 1 1 1 0 0 10
0 3 5 1 0 20
0 0 53 13 1 73 1 A freie Variablen: x =s,x =t
Fortsetzung Beispiel.
Damit ergibt sich
x3 = 7 5 +1
5s+3 5t x2 = 9 t
x1 = 12 5
1 5s+2
5t und insgesamt
x= 0 BB BB
@
12 5
9
7 50 0
1 CC CC A+s
0 BB BB
@
1 5
0
1 51 0
1 CC CC A+t
0 BB BB
@
2 5
1
3 50 1
1 CC CC A
Fortsetzung Beispiel.
Wir haben jetzt insgesamt 52 = 10 M¨oglichkeiten, zwei Variablen als Nichtbasisvariable auszuw¨ahlen.
F¨ur jede dieser M¨oglichkeiten m¨ussen wir (falls m¨oglich) s und t so bestimmen, dass die Komponenten in xzu 0 werden.
{4,5} : s = 0
t = 0 x=
0 BB BB
@
12 59
7 5
0 0
1 CC CC
A nicht zul¨assig
{3,5} :
1
5s + 35t = 75
t = 0 s = 7,x= 0 BB BB
@ 1 9 0 7 0
1 CC CC
A EckeF(x) = 255
Fortsetzung Beispiel.
{3,4} :
1
5s + 35t = 75
s = 0 t= 73,x= 0 BB BB
@
10 203 30 0
7 3
1 CC CC
A EckeF(x) = 26623
{2,5} : t = 9
t = 0 unl¨osbares LGS
und so weiter ..
Entartete Ecken
Wenn m der Rang von A2Rm⇥n ist, sind im Normalfall genaum Koordinaten einer Ecke x2Rn positiv, die ¨ubrigen Null.
Definition 3.43
Gegeben sei ein LP in Normalform mit Matrix A2Rm⇥n und es gelte r(A) =m.
Eine Ecke x2XLP heißtentartet (degeneriert) gdw. weniger alsm Koordinaten von x positiv sind.
Bemerkung:Bei entarteten Ecken ist das System der linear unabh¨angigen Spalten von A nicht eindeutig bestimmt.
Beispiel zu entarteten Ecken
Beispiel 3.44
Wir untersuchen das LP vom Einsverk¨aufer (Beispiele 3.2, 3.12 und 3.41) diesmal inklusive der redundanten Nebenbedingung x1 6:
A= 0 BB
@
1 1 1 0 0 0 5 2 0 1 0 0 1 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 1
1 CC A
0 BB BB BB
@ x1
x2
x3
x4
x5
x6
1 CC CC CC A
= 0 BB
@ 10 30 6 9
1 CC A
Fortsetzung Beispiel.
Wir betrachten die Basis mit der Spaltenindexmenge {1,3,4,6}. Hierzu geh¨ort das LGS
0 BB
@
1 1 0 0 5 0 1 0 1 0 0 0 0 0 0 1
1 CC A
0 BB
@ x1
x3
x4
x6
1 CC A=
0 BB
@ 10 30 6 9
1 CC A
Es ergibt sich
x6 = 9, x1 = 6, x4 = 0, x3= 4
also ist die Ecke 0 BB BB BB
@ 6 0 4 0 0
1 CC CC CC A
entartet.
Fortsetzung Beispiel.
Die gleiche Ecke ergibt sich f¨ur die Spaltenindexmenge {1,3,5,6}und dem zugeh¨origen LGS:
0 BB
@
1 1 0 0 5 0 0 0 1 0 1 0 0 0 0 1
1 CC A
0 BB
@ x1
x3
x5
x6
1 CC A=
0 BB
@ 10 30 6 9
1 CC A
Zusammenfassung
LP und Normalform Konvexit¨at, Ecken
optimale L¨osungen treten in Ecken auf Ecke, zul¨assige Basisl¨osung
Berechenbar aber nicht effizient: Ermittlung der Ecken bzw. der zul¨assigen Basisl¨osungen durch eindeutig l¨osbare LGS