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W Wissenschaft auf Deutsch – wie lange noch?

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© 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 1617-9439/11/0202-3 Physik Journal 10 (2011) Nr. 2 3 Meinung

Meinung von Dr. Dietrich Vos- lamber, Vorstandsmitglied im Verein Deutsche Sprache e. V.

(VDS) und Gründungsmitglied des Arbeitskreises Deutsch als Wissen- schaftssprache e. V. (ADAWIS).

Der theoretische Physiker war als wissenschaftlicher Beamter der Euratom in Frankreich tätig.

W

issenschaft ist ein vitaler Teil unserer Kultur. Kann eine Nation mit kulturellem Anspruch es zulassen, dass dieser Bereich zunehmend von der Landesspra- che abgekoppelt wird, dass sich die Neuerungen der Forschung kaum noch in der eigenen Sprache beschreiben lassen? Und bedeutet der Verzicht auf die Muttersprache im Wissenschaftsalltag keinerlei Hemmnis und Qualitätsverlust bei der schöpferischen Arbeit?

Sprach- und kulturfördernde Einrichtungen wie der Deutsche Akademische Austauschdienst und das Goethe-Institut haben die Be- deutung dieser Fragen erkannt und verlangen, dass Deutsch als Wis- senschaftssprache stärker gefördert werde.1) Dagegen scheinen maßge- bende Teile unserer Gesellschaft und die Mehrzahl der Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler solchen Fragen weitgehend teil- nahmslos gegen über zu stehen. Wie sonst ist es zu erklären, dass sogar auf nationaler Ebene – sowohl im selbstverantwortlichen Sprach- gebrauch der Wissenschaftler als auch im politisch gesteuerten Bil- dungswesen – die deutsche Sprache immer mehr durch das Englische ersetzt wird? Natürlich sind gute Englischkenntnisse heutzutage un- verzichtbar, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

Muss dies aber zu einer vollstän- digen Anglisierung der eigenen Wissenschaftstätigkeit führen?

Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um die Rolle des Englischen als weltweite Verständigungssprache, deren Fachterminologie die Stu- dierenden so früh wie möglich erlernen sollten, sondern aus- schließlich um den Wissenschafts- betrieb hierzulande, der sich – oft schon aus geringem Anlass – mehr und mehr auf Englisch umstellt.

Wenn in Lehre und Forschung, Wissenschaftsförderung und Wis- senschaftsaustausch die eigene Sprache zur Zweitrangigkeit degra- diert wird, dann wird sie langfristig vollends ihre Wissenschaftstaug- lichkeit verlieren und auch nicht mehr dem Informationsanspruch der Gesellschaft, die schließlich die wissenschaftliche Tätigkeit finan- ziert, gerecht werden können.

Wissenschaftstauglich bleibt eine Sprache nur durch Gebrauch und Weiterentwicklung. Wenn der Gebrauch aber nicht schon bei der Ausbildung einsetzt, ist er später beeinträchtigt. Junge Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler, die ihr Fachwissen nicht auch in ihrer Muttersprache erfahren, sind nicht in der Lage, dieses Wissen in ihrer eigenen Sprache weiter zu entwi- ckeln und anderen zu vermitteln.

Dies führt unweigerlich zu einer sich selbst verstärkenden Eigen- dynamik, die von der Hochschule letztlich auch auf die Schule über- greifen kann. Ein Physiklehrer, der sein Fach ausschließlich auf Eng- lisch gelernt hat, kann es schlecht auf Deutsch lehren. Die in den Kindergärten und Grundschulen um sich greifende Heranführung an Englisch tut ein Übriges, um diese Entwicklung zu fördern.

Gibt es noch eine Chance zur Umkehr? Dazu bedarf es vor allem der Einsicht, dass diese erstrebens- wert, aber auch der Erkenntnis, dass sie möglich ist. Muss denn ein Tagungs- oder Seminarvortrag selbst dann auf Englisch gehalten werden, wenn sich nur wenige oder sogar überhaupt keine aus- ländischen Gäste im Auditorium befinden? Und darf man nicht zu- mindest von denen, die sich schon länger in Deutschland aufhalten, das nötige Maß an Deutschkennt- nissen erwarten?

Muss unsere traditionelle Frühjahrs tagung, wie in einigen Fällen schon geschehen, dauerhaft in „Spring Meeting“ umgetauft und das Tagungsprogramm auf Englisch abgefasst werden? Reicht es nicht, wenn auf internationalen Tagungen auf Englisch, auf natio- nalen Tagungen aber auf Deutsch vorgetragen wird? Was spricht da- gegen, eine Dissertation zunächst auf Deutsch zu verfassen, wo doch ihre zusammengefassten Ergeb- nisse ohnehin auf Englisch ver- öffentlicht werden?

Es lohnt sich, auf die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhun- derts zurückzuschauen. Das dama- lige harmonische Nebeneinander der nationalen Wissenschaftsspra- che Deutsch und der internationa- len Wissenschaftssprache Englisch könnte – entsprechend angepasst – durchaus auch als Modell für die heutige Zeit dienen. Seine Durch- führbarkeit ist erwiesen, wie die erfolgreiche Sprachpolitik einiger unserer Nachbarländer belegt. Das Beispiel Frankreich etwa zeigt, dass sich trotz der zunehmenden Inter- nationalisierung der Wissenschaft die Landessprache als Wissen- schaftssprache erhalten und fördern lässt. Dies setzt allerdings den poli- tischen Willen der Gesellschaft so- wie die grundsätzliche Bereitschaft der Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftler voraus, dieses Anliegen zu dem ihrigen zu machen.

Wissenschaft auf Deutsch – wie lange noch?

Wenn Deutsch auch im Wissenschaftsbetrieb hierzulande nicht mehr benutzt wird, verliert es seine Tauglichkeit als Wissenschaftssprache.

Dietrich Voslamber

1) Memorandum des DAAD: www.daad- magazin.de/imperia/md/

content/presse/memo- randum.pdf;

Gemeinsame Erklärung der Präsidenten von AvH, DAAD, Goethe- Institut und HRK:

www.hrk.de/de/

presse/95_4787.php

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