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Archiv "Aktuelle Aspekte der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie in der Urologie" (21.11.1997)

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rotz aller Geräteunterschiede ist das verfahrenstechnische Prinzip der extrakorpora- len Stoßwellenlithotripsie ein- heitlich. Hochenergetische Schall- wellen werden fokussiert und in den Körper des Patienten mit möglichst geringen Impedanzsprüngen einge- koppelt. In den Punkt höchster Ener- giedichte wird der zu behandelnde Stein durch Bewegung des Patienten unter Röntgen- oder Ultraschallkon- trolle plaziert und durch repetitive Applikation der Stoßwellen desinte- griert, so daß Fragmente entstehen, die auf natürlichem Wege abgehen können.

Geräteentwicklungen

Parallel zum medizinischen Ein- satz der Stoßwellenlithotripsie geht seitens der Hersteller eine Entwick- lung neuer Geräte mit unterschied- lichen Energiequellen zur Stoßwel- lenerzeugung und verschiedenen Be- handlungskonzepten einher. Im Sin- ne des nichtinvasiven extrakorpora- len Verfahrens wurde in der Vergan- genheit ein Schwerpunkt auf eine anästhesiefreie Behandlung gelegt.

Die lokale Einkopplung der hoch- energetischen Schallwellen über Applikatoren mit größerer Apertur

und gleichzeitige Verminderung der Energie der einzelnen Stoßwelle ma- chen daher heute eine Vollnarkose fast immer überflüssig. Durch die Anwendung geringerer Energie ist allerdings die Rate an Mehrfachbe- handlungen angestiegen – ein im wahrsten Sinne verschmerzbarer Preis. Für Patienten und Anwender sind die Lithotriptoren komfortabler geworden.

Heute versorgen fünf Firmen weitestgehend den medizintechni- schen Markt in Deutschland mit Li- thotriptoren. Bei unterschiedlicher Art der Stoßwellenerzeugung und Fo- kussierung (Tabelle)ist allen Geräten in der Endausbaustufe die sonogra- phische und röntgenologische Stein- lokalisation gemeinsam. Alle Geräte sind als Röntgentische für adjuvante Maßnahmen verwendbar. Nichturo- logische Behandlungen von Gallen- steinen, Choledochus-, Pankreas- und

Speichelsteinen können in der Regel durchgeführt werden.

Die heute erhältlichen Litho- triptoren arbeiten nach drei verschie- denen Stoßwellenerzeugungsprinzi- pien. Sie unterscheiden sich darüber hinaus durch die primär verwendete Technik der Steinlokalisation, wobei bei den meisten Geräten die alterna- tive Lokalisationstechnik optional ebenfalls zur Verfügung steht. Das ur- sprüngliche Verfahren der Stoßwel- lenerzeugung ist die Technik der Fun- kenstreckenerzeugung, bei der eine Hochspannungsentladung zu einer explosionsartigen Verdampfung des umgebenden Wassers und damit zur konzentrischen Ausbreitung einer Stoßwelle führt (9).

Da diese Entladung im ersten Brennpunkt eines Semiellipsoids stattfindet, werden die Stoßwellen so reflektiert, daß sie sich im zwei- ten Brennpunkt bündeln. In diesen Brennpunkt wird der Stein positio- niert (Grafik 1a).

Die Steinlokalisation erfolgt primär unter Röntgenkontrolle.

Während früher die Geräte der Fir- ma Dornier nach diesem Prinzip ar- beiteten, wird es heute bei dem Li- thotriptor von Philips eingesetzt (19). Eine Verminderung der Ener- gie der einzelnen Schallwelle macht eine Behandlung ohne Anästhesie

Aktuelle Aspekte der extrakorporalen

Stoßwellenlithotripsie in der Urologie

Dirk M. Wilbert

1

Dieter Jocham

2

Ferdinand Eisenberger

3

Christian Chaussy

4

Die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) ist heute die Standardtherapie der Urolithiasis. In nur 17 Jahren hat sich die ESWL mit einer schrittweisen Erweiterung der Indikationen vom Nierenbecken- und Kelchstein über den oberen und unte- ren Harnleiterstein als Routineverfahren zur Therapie des Harnsteinleidens etabliert. In der aktuellen Diskussion stehen die sogenannten klinisch insignifikanten Residualfragmente und die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs, das eine entspre- chende Metaphylaxe weiter sinnvoll macht. Während die Ne-

benwirkungen der ESWL bekannt und kalkulierbar sind, ste- hen Studien über den Einsatz der ESWL im Vergleich zu ande- ren endourologischen Therapieformen noch aus. Neue Ein- satzmöglichkeiten in der Behandlung der Choledocholithiasis, der Cholecystolithiasis, der Pankreasgangsteine, der Speichel- steine und in jüngster Zeit in der Therapie von Pseudar- throsen und Tendinopathien wurden erarbeitet. Die extrakor- porale Stoßwellenlithotripsie ist damit ein Paradebeispiel für den schnellen Therapiewandel in der modernen Medizin.

1 Abteilung Urologie (Direktor: Prof. Dr.

med. K. H. Bichler), Universitätsklinikum der Eberhard-Karls-Universität, Tübingen

2 Urologische Klinik (Direktor: Prof. Dr. med.

Dieter Jocham), Universität zu Lübeck

3 Urologische Klinik (Chefarzt: Prof. Dr.

med. Ferdinand Eisenberger), Katharinenhos- pital, Stuttgart

4 Urologische Klinik (Chefarzt: Prof. Dr.

med. Christian Chaussy), Städtisches Kran- kenhaus Harlaching, München

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oder mit leichter Analgosedierung möglich.

Die piezokeramische Erzeugung von Schallwellen mit vielen Piezokri- stallen stellt das zweite Prinzip dar, wobei die halbkreisförmige Anord- nung der Kristalle zu einer Selbstfo- kussierung führt. Eine große Aper- tur des Stoßwellenerzeugers führt zu einem kleinen Brennpunkt und geringer Energiedichte im Haut- eintrittsbereich (Grafik 1b). Die

Steinlokalisation erfolgt primär über einen zentral eingesetzten Ultra- schallwandler. Das so arbeitende Gerät der Firma Wolf erlaubt aber auch optional die Röntgenortung (38). Das am weitesten verbreitete Verfahren benutzt eine elektroma- gnetisch induzierte Auslenkung ei- ner Membran zur Stoßwellenerzeu- gung. Die Fokussierung erfolgt bei den Lithotriptoren der Firma Sie- mens über eine akustische Linse, bei dem Gerät der Firma Storz über die spezielle Anordnung der Membran (29, 97). Die Steinortung erfolgt röntgen- oder ultraschallgestützt (Grafik 1c). Auch die neue Geräte- generation der Firma Dornier ver- wendet eine elektromagnetische Stoßwellenerzeugung (50).

In der nächsten Zukunft wird die Entwicklung der Lithotriptoren ver- stärkt auf modularen Auf- und Aus- bau und auf neue Anwendungsmög- lichkeiten für orthopädische Erkran- kungen abgestellt werden.

Voraussetzungen zur ESWL

Aus dem Prinzip der Methode des unbehinderten Abgangs der Des- intergrate auf natürlichem Wege er- gibt sich, daß die urographisch zu prü- fenden Abflußverhältnisse distal des Steins frei von Obstruktionen sein müssen. Vorbestehende Harnwegsin- fekte sollen vor einer ESWL ausrei- chend antibiotisch therapiert sein. Da es bei Einleitung der Stoßwellen in

den Körper zu einer erheblichen Ge- webebelastung kommt, ist eine nor- male Gerinnung vorauszusetzen. Be- sonders eine Therapie mit Thrombo- zytenaggregationshemmern muß in ausreichendem Abstand beendet wor- den sein. Die röntgengestützte Ortung und fehlende Erfahrungen verbieten den Einsatz der Stoßwellenlithotripsie in der Schwangerschaft.

Nierenbeckensteine

Die klassische Indikation für die ESWL stellt der unkomplizierte Nie- renbeckenstein dar, wie in den ur- sprünglichen Arbeiten von Chaussy et al. publiziert (9). Es wurde jedoch relativ bald klar, daß die Folgeerschei- nungen nach ESWL und die Steinfrei- heitsrate eng mit der initialen Stein- größe zusammenhängen (66). Dabei konnte gezeigt werden, daß Steine mit einer Größe bis zu 1 cm in 80 Pro- zent vollständig abgehen, bis 2 cm in

65 Prozent und über 2 cm in nur 54 Prozent (66). Steinreste finden sich dann meistens als Fragmente in der unteren Kelchgruppe. Diese Ergeb- nisse wurden in einer anderen Studie bestätigt, in der von einer Steinfrei- heitsrate von 91 Prozent bei Steinen kleiner als 1,5 cm und 51 Prozent bei Steinen größer als 2,5 cm berichtet wurde (38). Wegen der unbefriedi- genden Steinfreiheitsraten wird heute bei Nierenbeckensteinen größer als

2 bis 3 cm überwiegend die perkutane Nephrolitholapaxie als Therapie der Wahl empfohlen (36).

Kelchsteine

Neben den Nierenbeckensteinen repräsentieren die Kelchsteine eine andere klassische Indikation zur ESWL, wenn der entsprechende Kelchhals weit genug erscheint. Es gibt jedoch eine inverse Relation der Stein- freiheit zur Lage der Kelchsteine. Am besten steinfrei wird die obere Kelch- gruppe, gefolgt von der mittleren Kelchgruppe, während die untere Kelchgruppe die relativ ungünstig- ste Steinfreiheitsrate zeigt (70). Um den Abgang der unteren Kelchsteine zu erhöhen, wurde eine sogenannte In- versionstherapie vorgeschlagen, bei der der Patient in der Nachbehand- lungsphase intermittierend in Kopf- tieflage, verbunden mit hoher Flüssig- keitszufuhr, gebracht wird, um den Tabelle

Gerätekonfigurationen der am häufigsten verwendeten Lithotripsiesysteme

Typ Stoßwellenerzeugung Steinortung Energiebereich Besonderheit

Dornier MPL 9 000 Funkenstrecke Sonographie mittel – hoch Gallenlithotripsie

Dornier DL elektromagnetisch Sono 6Röntgen mittel modifizierter Aufbau,

15/50-U Röntgentisch

Philips LDM-E Funkenstrecke Röntgen 6Sono mittel – hoch modifizierter Aufbau

Siemens elektromagnetisch Röntgen 6Sono mittel modifizierter Aufbau,

Multiline Röntgentisch

Storz elektromagnetischer Sono 6Röntgen mittel – hoch modifizierter Aufbau

Modulith SLX Ring

Wolf piezoelektrisch Sono 6Röntgen niedrig – mittel modifizierter Aufbau

Piezolith (besonders

Speichelsteine)

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Desintegratabgang zu erleichtern (7).

Im übrigen gelten die Erkenntnisse be- züglich der Steingröße in besonderem Maße auch für die Kelchsteine. Dies hat in jüngster Zeit zu dem Vorschlag geführt, untere Kelchsteine ab einer Größe von 1,5 bis 2 cm vorzugsweise mit der perkutanen Nephrolitholapa- xie zu entfernen (36). Entsprechende prospektive Studien, die die Steinfrei- heit gegenüber dem erhöhten operati- ven Risiko abschätzen sollen, sind der-

zeit im Gang. Eine nicht abgeschlosse- ne Kontroverse herrscht auch darüber, inwieweit asymptomatische, kleine, sogenannte ruhende Kelchsteine einer aktiven Therapie unterzogen werden sollen. Der natürliche Verlauf des asymptomatischen Kelchsteins ist nur ungenügend untersucht. In einer retro- spektiven Auswertung wurden 40 Pro- zent der Kelchsteine im Verlauf der Jahre symptomatisch (24). In einer an- deren Untersuchung fand sich eine Wahrscheinlichkeit von 49 Prozent, daß ein Kelchstein innerhalb von fünf Jahren zu Symptomen führt (20).

Smith schlägt eine individualisierte Entscheidung nach Unterredung mit dem Patienten vor (55). Derzeit wird

eine Indikation zur ESWL gesehen, wenn der Kelchstein größer als 0,5 cm ist und zu rezidivierenden Flanken- schmerzen oder Infekten führt.

Ausgußsteine

Die komplette und funktions- schonende Entfernung von Ausguß- steinen bleibt eine Herausforderung.

Definiert ist ein Ausgußstein als ein

verzweigter Stein mit Beteiligung von mindestens zwei Kelchgruppen.

Klassifikationsversuche haben bis- her noch zu keinem universell an- wendbaren und befriedigenden Er- gebnis geführt. Lam beschrieb die Ausgußsteine mittels ihrer per Com- puter analysierten Fläche anhand der Auswertung von Leeraufnahmen (31). Rocco gab eine Einteilung an, die den Befall der einzelnen Kelch- gruppen parametrisierte (48). Außer Frage steht die Tatsache, daß Aus- gußsteine einer frühen Behandlung bedürfen. Die konservative Therapie führt in einem hohen Prozentsatz zur späteren Nephrektomie oder sogar zum Tod durch Urosepsis oder Nie-

renversagen (5). Auf eine komplette Steinentfernung muß besonders bei den Infektsteinen Wert gelegt wer- den, da sie mit einer hohen Rezidiv- rate und erneutem Steinwachstum behaftet sind.

Die offenen operativen Verfah- ren geben den Standard mit Stein- freiheitsraten von über 75 Prozent vor, an denen sich die Ergebnisse we- nig invasiver Methoden messen las- sen müssen. Die Therapie des Aus-

gußsteins mit der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie wurde an- fangs mit großem Enthusiasmus be- trieben, wobei die Resultate jedoch eher ernüchternd waren. Die Stein- freiheitsraten betrugen 44 bis 60 Pro- zent bei 40 bis 90 Prozent Wiederho- lungsbehandlungen und einer hohen Rate an auxiliären Eingriffen. Gün- stiger sehen dagegen die Ergebnisse der perkutanen Nephrolitholapaxie aus, die Steinfreiheitsraten von 60 bis 91 Prozent ergeben (18, 53). Die von Eisenberger initiierte Kombination der ESWL mit der perkutanen Nephrolitholapaxie zu einer Sand- wich-Therapie hat die Steinfreiheits- rate mit 23 bis 84 Prozent in gewis- Prinzip der Stoßwellenerzeugung: a) durch Funkenstreckenentladung; b) durch piezokeramische Elemente; c) durch elektromagnetische Entladung

Grafik 1

Halbelipsoid Zündkerze Zone höchster Energiedichte

Piezokeramische Elemente

Elektromagnetische Membran

Akustische Linse

b c

a

Halbellipsoid

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sem Grade verbessert (12, 17, 52, 56, 57, 72). Mit einem normalen, nicht dilatierten Hohlsystem im Uro- gramm ist bei zentraler Steinmasse geringer Ausdehnung die ESWL in Ausnahmefällen indiziert, bei größe- rer Steinmasse die perkutane Nephrolitholapaxie. Eine große peri- phere Steinmasse macht die zusätz- liche Punktion, die flexible Nephro- skopie oder Sandwich-Therapie mit ESWL erforderlich. Ist die Steinmas- se in multiplen peripheren Kelchen lokalisiert und eine korrekturbedürf- tige Abflußstörung vorhanden, wer- den mit den offenen operativen Ver- fahren noch immer die besten Resul- tate erzielt (53).

Obere Harnleitersteine

Aus Gründen der Therapiezu- ordnung wird der Harnleiter in die drei anatomischen Regionen oberer, mittlerer und unterer Ureter einge- teilt. Steine im oberen Harnleiter ha- ben, abhängig von ihrer Größe, mit etwa 10 bis 20 Prozent die geringste Chance eines Spontanabgangs. Ab- solute Indikationen zur aktiven Be- handlung sind persistierende Koli- ken, länger bestehende Obstruktion, Fieberanstieg oder Reduktion der Nierenfunktion.

Während in der Anfangszeit des klinischen Einsatzes der ESWL der

„Push and Bang“-Prozedur der Vor- zug gegeben wurde, wird heute in den meisten Zentren die „In-situ“- ESWL vorgenommen. Bei ersterer wird der blockierende Stein aus dem oberen Ureter in das Nierenbecken zurückluxiert, um ihn dort der unbe- hinderten Desintegration auszuset- zen, da aus experimentellen Unter- suchungen und entsprechender klini- scher Erfahrung bekannt ist, daß ein eingeklemmter Ureterstein schlech- ter desintegrierbar ist als ein frei schwimmender Nierenbeckenstein (41).

Die „In-situ“-ESWL bedeutet dagegen die primäre Behandlung im Harnleiter ohne vorausgehende en- dourologische Manipulation, die bei vielen Patienten eine Narkose erfor- derlich machen würde. Wird ein Stein im oberen Ureter nach einer bis maximal zwei Behandlungen

nicht ausreichend desintegriert, ist spätestens dann eine entsprechen- de transurethrale Manipulation mit anschließender kurzzeitiger Schie- nung des Harnleiters erforderlich.

Die in situ-Therapie ergibt Stein- freiheitsraten von 62 bis 96 Pro- zent bei 2 bis 21 Prozent Wiederho- lungsbehandlungen. Wird der Stein nicht ins Nierenbecken luxiert, son-

dern nur ein Ureterkatheter daran vorbeigelegt, so wird in 74 bis 94 Prozent die Steinfreiheit mit 5 bis 27 Prozent wiederholter Therapie er- reicht.

Ist der Ureterstein dagegen in das Nierenbecken erfolgreich zurück- manipuliert worden, resultiert eine Steinfreiheit in 73 bis 100 Prozent bei 1 bis 10 Prozent erneuter ESWL (22, 23, 37, 42, 60, 61).

Mittlere Harnleitersteine

Der mittlere Harnleiter liegt im wesentlichen vor der Ileosakralfuge, ist also einer ESWL von dorsal her nicht zugänglich, da die Beckenkno- chen die Schallwellen vollständig re- flektieren und die knöchernen Struk- turen eine röntgenologische Steinor- tung sehr erschweren. Im allgemei- nen wird daher eine ESWL mittlerer Uretersteine in Bauchlage vorge-

nommen. Die Ergebnisse verschiede- ner Serien sind mit einer mittleren Steinfreiheitsrate von 79 Prozent bei 22 Prozent Behandlungswiederho- lungen günstig (43, 58). Allerdings mußte in den meisten Fällen ein Ure- terkatheter als Leitschiene zur Loka- lisation des Steins eingelegt werden.

Bei Versagen der ESWL wird die Ureterorenoskopie mit Steinextrak- tion oder intrakorporaler Lithotrip- sie (51) eingesetzt.

Untere Harnleitersteine

Für die Behandlung des distalen oder unteren Harnleitersteins kon- kurrieren zwei Methoden: die ex- trakorporale Stoßwellenlithotripsie und die Ureteroskopie. Ausreichend große prospektive Studien, die den Vorteil des einen über das andere Verfahren bewiesen hätten, fehlen.

Aus klinischen Serien, die die eine oder andere Methode untersucht ha- ben, lassen sich folgende Ergebnisse ableiten: Mit der ESWL wird eine Steinfreiheitsrate von 92 Prozent er- reicht (3, 40, 64). Wiederholungsbe- handlungen sind in 11 Prozent und auxiliäre Maßnahmen in 17 Prozent erforderlich. Für die Ureteroskopie werden Steinfreiheitsraten bei dista- len Uretersteinen von 91 Prozent bei 5 Prozent Komplikationen und der Notwendigkeit einer Anästhesie er- reicht (71).

Unter alleiniger Betrachtung des Kostenaspekts erscheint die Ur- eteroskopie günstiger, unter Be- trachtung der möglichst geringen In- vasivität und der Vermeidung von Komplikationen ist allerdings der ESWL der Vorzug zu geben (26). In wenigen Zentren wird die ESWL im distalen Ureter bei gebärfähigen jungen Frauen nicht durchgeführt, da eine mögliche Schädigung der Ovarien ausgeschlossen werden soll.

Tierexperimentelle Untersuchungen und klinische Resultate machen aber ein solches Risiko sehr unwahr- scheinlich (39). Vor der Therapie eines distalen Harnleitersteins mit ESWL sollte bei weiblichen Patien- ten eine Schwangerschaft definitiv ausgeschlossen sein, um eine etwai- ge Beeinträchtigung des Fetus zu verhindern.

Nieren- beckenstein Kelchsteine

Ausgußstein Oberer

Harnleiterstein

Mittlerer Harnleiterstein

Unterer Harnleiterstein Grafik 2

Schema der Harnsteinlokalisation

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Kelchdivertikelsteine

Steine in postentzündlichen oder angeborenen divertikelartigen Aus- sackungen des Hohlsystems der Niere mit einem engen Ausgang sind defini- tionsgemäß nicht für die Behandlung mit der extrakorporalen Stoßwellen- lithotripsie geeignet. Entsprechende Versuche haben nur zu unbefriedigen- den Steinfreiheitsraten geführt (47, 65). Da nicht immer die Weite des ent- sprechenden Kelchhalses genau zu be- urteilen ist, wird vereinzelt eine „dia- gnostische“ ESWL vorgeschlagen.

ESWL bei

Harnsäuresteinen

Zur extrakorporalen Stoßwel- lenlithotripsie von nicht schattenge- benden Harnsäuresteinen existieren nur wenige Informationen. Mit ultra- schallgestützten Lithotriptoren ist die Ortung dieser Steine unproble- matisch, solange sie im Nieren- beckenkelchsystem liegen. Bei rönt- gengestützten Lithotriptoren muß parallel zur Behandlung intravenö- ses Kontrastmittel appliziert oder über einen vorher eingelegten Ure- terenkatheter direkt Kontrastmittel eingespritzt werden, um die Steine lokalisieren zu können. Die Behand- lung dient der Oberflächenver- größerung und beschleunigt damit die anschließende orale Chemolitho- lyse (49).

Harnleiterschienung zur ESWL

Wegen der bekannten Tatsache, daß mit zunehmender Steingröße die Häufigkeit der Komplikationen zu- nimmt, wird bei größeren Steinen präventiv ein Doppel-J-Katheter ein- gelegt, der kleine Desintegrate pas- sieren läßt, während größere Frag- mente im Nierenbecken zurückgehal- ten werden. Damit ist der ständige Abfluß des Urins gewährleistet. In insgesamt sieben klinischen Studien, die teils retrospektiv, teils randomi- siert waren, wurden bei drei Untersu- chungen mehr Nachteile der Doppel- J-Katheter, in den vier anderen Serien ein deutlicher Vorteil gefunden (4, 6,

32, 45, 46, 54, 68). Als wesentliche Einschränkungen wurden Stent-Dis- lokation, persistierende Obstruktion und dysurische Beschwerden angege- ben. Besonderen Wert hat die Harn- leiterschienung bei Patienten mit Ein- zelniere oder kurz nach einer stattge- habten Harnwegsinfektion.

Restfragmente nach ESWL

Leeraufnahme und Sonographie der Nieren sind die routinemäßig ein- gesetzten diagnostischen Maßnah- men zur Kontrolle nach ESWL. Für schwach schattengebende Steine kön- nen auch Leertomographien einge- setzt werden. Wie bekannt, besteht für diese Untersuchungsmethoden al- lerdings eine relativ große Intraobser- ver- und Interobserver-Variabilität in der Interpretation von 52 beziehungs- weise 24 Prozent (25). Vergleicht man die Interpretation der einfachen Leeraufnahme und der Leertomo- graphie mit den Befunden einer Nephroendoskopie, so findet sich ei- ne Fehleinschätzung der Steinfreiheit von 35 und 17 Prozent (16). Da die Elimination der Steindesintegrate ein longitudinaler, wenig vorhersagbarer Prozeß ist, kann nur eine relative De- finition des Residualsteins gegeben werden. In der Literatur ist gegenwär- tig die endgültige Einschätzung des Patienten nach drei Monaten welt- weit akzeptiert, da nach diesem Zeit- raum nur noch eine geringe Wahr- scheinlichkeit weiterer Steinabgänge besteht (70). Residualfragmente, die nach dieser Zeit mit einer Größe von 2 bis 5 mm gefunden werden, werden gemeinhin als „klinisch insignifikante residuelle Fragmente“ deklariert. Ih- re tatsächliche Signifikanz wird der- zeit in weiteren Studien untersucht.

Das Steinrezidiv nach ESWL

Nach extrakorporaler Stoßwel- lenlithotripsie hängt die Rezidivrate vom natürlichen Verlauf der Erkran- kung, der Effizienz metaphylakti- scher Maßnahmen und dem Vor- handensein von Residualfragmenten ab. Dies trifft im besonderen Maße für Infektsteine zu. In verschiedenen

klinischen Serien wurden bei einem Follow-up von ein bis drei Jahren Re- zidivraten von 8 bis 22 Prozent gefun- den (34). Wenn Restfragmente vor- handen sind, findet sich eine Rezidiv- rate von 20 Prozent nach einem Jahr (34). Bei Kalziumoxalatsteinträgern wurde eine Rezidivrate von 20 Pro- zent nach vier Jahren festgestellt, wenn keine weiteren medikamentö- sen Maßnahmen ergriffen wurden (59). Graff und Mitarbeiter berichte- ten über eine Rezidivrate von 6,2 Pro- zent eineinhalb Jahre nach ESWL (21). Aus diesen Gründen empfahl die Konsensuskonferenz der National Institutes of Health im Jahr 1992 eine metabolische Abklärung nach dem ersten Steinrezidiv (11).

Renale Nebenwirkungen der ESWL –

Morphologische Veränderungen

Seit den initialen klinischen Stu- dien ist bekannt, daß eine Makrohä- maturie nach ESWL regelmäßig auf- tritt (9) und daß gelegentlich ein intra- renales oder perirenales Hämatom nach ESWL gefunden werden kann (10, 67). Bei näherer Betrachtung die- ser klinischen Befunde mittels axialer Schnittbildverfahren fanden sich in der Computertomographie und in der Magnetresonanztomographie in ei- nem höheren Prozentsatz von Patien- ten ein renales Ödem, diffuse intrare- nale Blutungen oder perirenale Flüs- sigkeitsansammlungen (2, 28). Mit der Entwicklung neuerer Lithotripto- ren wurde aus Tierversuchen offen- sichtlich, daß vorübergehende paren- chymale Veränderungen regelmäßig auftreten. Ihr Ausmaß hängt von der verwendeten Energie ab. Die mor- phologischen Veränderungen lassen sich in vier Grade einteilen (30):

Grad 0: Tubuluszellnekrose, Grad 1: Petechiale Blutung des Nierenmarks,

Grad 2: Fokales Hämatom der Nierenrinde, Ruptur kleinerer Venen, Grad 3: Perirenales Hämatom, Ruptur von Interlobararterien.

Im Langzeitverlauf führten nur die drittgradigen Läsionen zu einer fokalen Parenchymfibrose. Soweit

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heute bekannt, beeinflußt weniger die Zahl der applizierten Stoßwellen als vielmehr der eingestellte Energiebe- reich das Ausmaß der Traumatisie- rung.

Renale Nebenwirkungen der ESWL – Funktionelle Veränderungen

Parallel zu den Untersuchungen über morphologische Veränderungen wurden eine ganze Reihe von Labor- untersuchungen im Urin und Serum angestellt, um funktionelle Verände- rungen zu messen. Diese Laborunter- suchungen scheinen auch sensitiver zu sein als nuklearmedizinische Untersuchungen der Nieren nach ESWL, die nur gelegentlich signifi- kante Funktionseinschränkungen er- kennen ließen (14, 15). Für tubuläre und glomeruläre Proteine konnte in 24-Stunden-Urinen nachgewiesen werden, daß sie unmittelbar nach ESWL deutlich ansteigen und nach ein bis fünf Tagen wieder auf Normal- werte zurückfallen (69). Gleiches gilt für Urinenzyme, die aus den tu- bulären Zellen austreten (1). Karlsen fand in Patienten mit Einzelniere ei- nen signifikanten Abfall der glome- rulären Filtrationsrate für einige Tage nach ESWL (27).

Aus einer retrospektiven Unter- suchung wurde ursprünglich der Schluß gezogen, daß die Behandlung mit der extrakorporalen Stoßwellen-

lithotripsie eine arterielle Hypertonie auslösen könne (44). Darauf folgen- de prospektive Untersuchungen konnten diesen voreiligen Schluß je- doch widerlegen (33, 35, 73). Aus den genannten und einer ganzen Reihe weiterer Studien läßt sich der Schluß ziehen, daß es nach ESWL zu passa- geren funktionellen Veränderungen kommt. Die klinische Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist zum einen, daß eine simultane beidseitige Be- handlung vermieden werden sollte und daß nach einer durchgeführten Stoßwellenlithotripsie mindestens zwei bis drei Tage bis zur nächsten Behandlung vergehen sollten. Beson- dere Aufmerksamkeit muß der Nie- renfunktion nach ESWL bei Patien- ten mit Einzelniere geschenkt wer- den.

Die Zukunft der ESWL

Umfangreiche Erfahrungen wur- den in jüngster Zeit mit der Applikati- on von Stoßwellen bei orthopädi- schen Erkrankungen gesammelt, so daß bei einigen meist degenerativen Leiden die Stoßwellentherapie be- reits operative Verfahren abgelöst hat (8, 13, 62). Die Fortentwicklung von Stoßwellen zu „high energy shock wa- ves“ führte zu deren ersten klinischen Einsätzen in der Behandlung von Tu- moren, wie zum Beispiel dem Prosta- takarzinom (63). Im ursprünglichen Indikationsgebiet zur Behandlung

von Harnsteinen ist die ESWL unbe- strittene Standardtherapie. Noch feh- len allerdings ausreichend große Stu- dien, die die ESWL mit konkurrieren- den Verfahren, wie zum Beispiel der Ureteroskopie bei der Behandlung des distalen Harnleitersteins oder der perkutanen Nephrolitholapaxie zur Therapie des großen Kelchsteins, auch unter Kostenaspekten verglei- chen. Wie die sinkenden Mortalitäts- raten für die Urolithiasis allerdings zeigen, hat der Einsatz der ESWL in Kombination mit den endourologi- schen Verfahren zu einer wesentli- chen Risikominderung des Harn- steinleidens geführt.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1997; 94: A-3189–3194 [Heft 47]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck und über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Dirk Wilbert Abteilung Urologie Universitätsklinikum der Eberhard-Karls-Universität Hoppe-Seylerstraße 3 72076 Tübingen

Herrn Prof. Dr. med. Egbert Schmiedt, Mün- chen, Gründer der Deutschen Gesellschaft für Stoßwellenlithotripsie, gewidmet

Jede dritte Ösophagusvarizen- blutung verläuft tödlich, so daß einer Prophylaxe dieser häufigsten Kompli- kation der Leberzirrhose eine große Bedeutung zukommt. Zur Drucksen- kung im Portalkreislauf werden b- Blocker und Nitropräparate einge- setzt.

Die Autoren verglichen die Wir- kung des nichtselektiven b-Blockers Nadolol mit einer Kombinationsbe- handlung Nadolol und Isosorbidmo- nonitrat. Die Nadololdosis betrug zunächst 40 mg täglich und wurde je-

den zweiten Tag bis auf maximal 160 mg hochtitriert, um eine Abnahme der Ruhefrequenz des Herzens um 20 bis 25 Prozent zu erreichen.

Die Isosorbidmononitrat-Dosis betrug zunächst zweimal 10 mg und wurde auf 20 mg erhöht, soweit nicht Blutdruckabfall oder heftige Kopf- schmerzen diese Behandlungsmaß- nahmen nicht zuließen. Insgesamt nahmen 146 Patienten mit Leberzir- rhose im Stadium Child A an der über 40 Monate dauernden Studie teil. Das kumulative Blutungsrisiko betrug in

der Nadolol-Gruppe 18 Prozent, in der Gruppe Nadolol und Isosorbid- mononitrat 7,5 Prozent.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß eine Kombinationsbe- handlung mit dem b-Blocker Nado- lol und Isosorbidmononitrat bei der Prophylaxe der Ösophagusvarizen- blutung der alleinigen Gabe des b- Blockers signifikant überlegen ist. w Merkel C, Marin R, Enzo E and the Gruppo Triveneto per L’Ipertensione portale (GTIP): Randomised trial of na- dolol alone or with isosorbide mono- nitrate for primary prophylaxis of variceal bleeding in cirrhosis. Lancet 1996; 348: 1677–81.

Department of Clinical Medicine, Uni- versity of Padua, 35126 Padua, Italien.

Betablocker und Isosorbidmononitrat

zur Ösophagusvarizenprophylaxe

Referenzen

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