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Archiv "Psychologen: Schnellschuß kurz vor Toresschluß" (15.11.1990)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

K

napp vier Wochen vor dem Ende der Legislaturperiode hat Bundesgesundheitsmi- nisterin Professor Dr. Ursu- la Lehr ihre Eckwerte zu einem „Psy- chologischen Psychotherapeutenge- setz" vorgelegt. Die Ministerin hatte es dabei offenbar so eilig, daß sie noch nicht einmal das von ihr selbst in Auftrag gegebene „Gutachten zu Fragen eines Psychotherapeutenge- setzes" abwarten mochte. Gleich zu Beginn der kommenden Legislatur- periode soll nach ihrer Vorstellung der Entwurf des zwischen Ärzten und Psychologen heftig umstrittenen, Gesetzesvorhabens in Angriff ge- nommen werden.

Bei der Vorstellung des Papiers demonstrierten die Koalitionsfrak- tionen von CDU/CSU und FDP Ei- nigkeit: Das Gesetz, so Roswitha Verhülsdonk (CDU) und Ingrid Walz (FDP), solle den veränderten Krankheitserscheinungen in unserer Gesellschaft ebenso Rechnung tra- gen wie der Notwendigkeit einer Verbesserung der Position der psy- chologischen Psychotherapeuten im gesamten System der gesundheitli- chen Versorgung. Die Ausübung der psychologischen Psychotherapie mit einer Zusatzqualifikation sei wichti- ger Beitrag zur Heilkunde. In den Eckwerten des Bundesgesundheits- ministeriums liest sich das so:

• Eine gesetzliche Regelung des Berufsbildes des psychologischen Psychotherapeuten sei notwendig und ein wichtiger Beitrag zur Ver- besserung der psychotherapeu- tischen Versorgung mit Schwerpunk- ten im ambulanten Bereich.

• Das Gesetz solle die Zulas- sung zu einem heilkundlichen Beruf regeln und damit die Berufsbezeich- nung schützen. So werde ein hoher Standard der psychotherapeutischen Versorgung gewährleistet.

• Zugangsvoraussetzung für die Ausbildung zu diesem Beruf sei ein mit Diplom abgeschlossenes Stu- dium der Psychologie.

• Die anschließende (Zusatz-) Ausbildung solle drei Jahre dauern, an staatlich zugelassenen Einrich- tungen erfolgen und mit einer staat- lichen Prüfung abschließen.

• Die Ausbildung solle sich an einer der praktisch und wissenschaft-

lich gesicherten psychotherapeu- tischen Grundrichtungen ausrichten, zugleich aber auch das Spektrum

„brauchbarer Methoden" berück- sichtigen.

Eine zentrale Aussage der Ko- alitionsfraktionen fehlt allerdings in der Mitteilung des Lehrschen Mini- steriums: „Die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit des heil- kundlichen Handelns in diesem Be- ruf sollen festgeschrieben werden.

Dazu muß die gleichberechtigte Zu- sammenarbeit mit Ärzten auf diesem

Psychologen

Schnellschuß kurz vor Toresschluß

Bundesgesundheitsministerin Ursula Lehr legt Eckwerte für ein „Psychologisches Psychotherapeutengesetz" vor

Gebiet angesicht des ganzheitlichen Charakters von Gesundheit und Krankheit gewährleistet sein."

Gut möglich, daß es der Bundes- gesundheitsministerin, von Hause aus Psychologin, sehr wohl klar war, daß mit einem solchen Vorhaben ei- ne Lawine losgetreten werden könn- te. Ganz sicher dann, wenn die in ih- ren Eckwerten postulierte „gleichbe- rechtigte Zusammenarbeit mit Ärz- ten" letztlich als Gleichstellung von Ärzten und Psychologen in der Aus- übung der Heilkunde verstanden würde. Daß ein solcher Versuch auf den Widerstand der Ärzteschaft stößt, kann der Bundesgesundheits- ministerin nicht verborgen geblieben sein. Im August dieses Jahres haben nämlich Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung in einer gemeinsamen Pressemittei- lung unmißverständlich erklärt:

• „In der Ausübung der Heil- kunde am Menschen kann es wegen

der unterschiedlichen fachlichen Kompetenz eine Gleichstellung von Arzt und nichtärztlichen Psychothe- rapeuten nicht geben. Die Entschei- dung über die Notwendigkeit einer psychotherapeutischen Behandlung oder über medizinische Gründe, die einer solchen Behandlung entgegen- stehen, kann unter Berücksichtigung der diagnostischen Beurteilung durch den nichtärztlichen Psycho- therapeuten nur der Arzt treffen."

Dieser Auffassung ist im übrigen nicht allein die Ärzteschaft. Auch Psychologen sind der Meinung, vor der Psychotherapie müsse die soma- tische Abklärung durch den Arzt ste- hen. Zwischen Arzteschaft und Psy- chologen laufen konstruktive Ge- spräche. Dabei besteht durchaus Verständnis für den Wunsch der Psychologen, nicht unter das Heil- praktikergesetz subsumiert zu wer- den.

Der Präsident der Bundesärzte- kammer, Dr. Karsten Vilmar, kriti- siert denn auch, das Vorpreschen von Frau Lehr könne solche klären- den Gespräche zwischen den Betei- ligten nachhaltig stören. Frau Lehr habe mit ihren Eckwerten allen, die an einer allseits befriedigenden Lö- sung interessiert seien, einen Bären- dienst erwiesen. Der Erste Vorsit- zende der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung, Dr. Ulrich Oesingmann, spricht gar von einer Provokation ge- genüber dem ärztlichen Berufsstand.

Damit werde ohne Not die seit Jah- ren anhaltende Diskussion um ein Psychologengesetz zum Wahlkampf- thema gemacht.

Frau Lehrs Wahlkampfbeitrag begünstigt im übrigen vor allem eine einzige, berufspolitisch besonders kämpferische Gruppierung unter den Psychologen: Namentlich der Berufsverband Deutscher Psycholo- gen (BDP) hat seine politischen Ak- tivitäten seit gut einem Jahr massiv verstärkt. Einem Gutachten mit dem Titel „Kosten der Psychotherapie bei Klinischen Psychologen" (siehe auch DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 13/1990) ließ der Verband zahlreiche Vorstöße folgen, die allesamt eines gemeinsam hatten: Kritik an der an- geblich unzureichenden ambulanten psychotherapeutischen Versorgung über das sogenannte Delegationsver- Dt. Ärztebl. 87, Heft 46, 15. November 1990 (17) A-3593

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fahren. Das Gutachten selbst sollte den Beweis dafür erbringen, daß ei- ne direkte Inanspruchnahme von Psychologen in der Psychotherapie keineswegs erhebliche Mehrkosten für die Krankenkassen verursachen würde. Zu diesen möglichen Kosten wird in den Eckwerten freilich über- haupt nichts gesagt. In der Tat ist es unvorstellbar, woher die Mittel kom- men sollen, nachdem der Gesetzge- ber den Grundsatz der Beitragssatz- stabilität in der gesetzlichen Kran- kenversicherung festgeschrieben hat.

Die Kassenärztliche Bundesver- einigung trifft vor allem aber auch der mit den Eckwerten unterschwel- lig vermittelte Eindruck, als leide die Qualität der ambulanten psychothe- rapeutischen Versorgung unter dem Mangel an einer gesetzlichen Rege- lung zur Berufsausübung nichtärztli- cher Psychologen. In anderen Wor- ten: Das seit vielen Jahren im Rah- men der gesetzlichen Krankenversi- cherung (für die das Bundesarbeits- ministerium zuständig ist) praktizier- te Delegationsverfahren zwischen Ärzten und psychologischen Psy- chotherapeuten scheint dem Bun- desgesundheitsministerium offen- sichtlich nicht für hinreichende Qua- lität zu bürgen.

Doch genau dies hatten und ha- ben KBV und Kassenverbände im Sinn, indem sie mit den vertraglichen Vereinbarungen hohe Anforderun- gen an die Qualifikation von Arzt und Psychotherapeut stellen.

Schwerpunkt in der Zusammenar- beit von Arzten und nichtärztlichen Psychotherapeuten ist nämlich eine sinnvolle Aufgabenteilung, die sich auf die sehr unterschiedliche Ausbil- dung beider Berufsgruppen gründet.

Nach Aussage des Koalitionspa- piers spricht der „ganzheitliche Cha- rakter von Gesundheit und Krank- heit" für eine selbständige und ei- genverantwortliche Tätigkeit der Psychologen. Das ist ein Wider- spruch in sich selbst. Entsprechend ausgebildete Psychologen sind nach, Auffassung der Ärzteschaft durch- aus in der Psychotherapie heilkun- dig, aber ausschließlich in dieser.

Wird also der beschworene „ganz- heitliche Charakter von Gesundheit und Krankheit" in ihrem Falle auf das rein Psychische begrenzt? JM

Die Konzertierte Aktion im Ge- sundheitswesen sieht es als wichtig- ste Aufgabe an, die gesundheitliche Versorgung in den neuen Bundes- ländern so rasch wie möglich an das Versorgungsniveau im bisherigen Bundesgebiet heranzuführen und den westdeutschen Versorgungs- strukturen anzupassen — „ohne hier vorhandene Mängel zu übertragen".

So steht es in einer Erklärung, die die Konzertierte Aktion am 5. No- vember 1990 verabschiedet hat. In der Konzertierten Aktion, sind rund 80 Vertreter der sogenannten „Be- teiligten des Gesundheitswesens"

versammelt. Welche „Mängel" im bundesdeutschen Gesundheitswesen gemeint sind, wird in der Erklärung nicht gesagt.

Dem Gesundheitswesen im bis- herigen „anderen Teil" Deutsch- lands wird in derselben Erklärung der Konzertierten Aktion zwar das erwartungsgemäß schlechte Zeugnis ausgestellt. Doch werden auch Strukturen erwähnt, deren Weiter- entwicklung im Interesse der Patien- ten geprüft werden müsse, zum Bei- spiel im Bereich der Prävention oder beim Funktionsverbund in der ge- sundheitlichen Versorgung, sprich:

räumliche und fachliche Nähe ärztli- cher Versorgung, medizinische Re- habilitation und Prävention.

Ähnlich klang auch eine Passage in der einleitenden Rede von Bun- desarbeitsminister Dr. Norbert Blüm über die Polikliniken in der früheren DDR. Blüm hob bei der Gelegenheit die Vorteile der Kooperation hervor und empfahl sie für die bisherige Bundesrepublik. Zunächst bekräftig- te der Minister freilich, daß laut Ei- nigungsvertrag die Polikliniken le-

diglich für fünf Jahre zugelassen werden. Danach entschieden die Zu- lassungsausschüsse im Benehmen mit den Ländern, ob diese Einrich- tungen weiter gebraucht würden.

Blüm mahnte sodann, die Diskussion über die Umgestaltung der Versor- gungsstrukturen dürfe nicht mit ideologischen Scheuklappen geführt werden. „Vor allem sollten wir", so Blüm laut Redemanuskript, „mit den Ärzten und anderen Beschäftigten im Gesundheitswesen der früheren DDR diskutieren und nicht über sie.

Wir sollten Möglichkeiten eröffnen, daß die Ärzte und ihre Mitarbeiter positive Elemente ihrer bisherigen Tätigkeit bewahren können." Als Vorteile führte Blüm die bessere Auslastung von medizinisch-techni- schen Geräten, die Möglichkeiten zum kollegialen Erfahrungsaus- tausch und das Angebot vielfältiger diagnostischer und therapeutischer Leistungen unter einem Dach an.

Die Konzertierte Aktion mahnte den weiteren Aufbau von Selbstver- waltungseinrichtungen in den neuen Ländern an und forderte Entstaatli- chung und Dezentralisierung durch Förderung freiberuflicher und selb- ständiger Tätigkeit. Zu den Poliklini- ken heißt es ferner in der Erklärung:

„Bei der Umwandlung von Poliklini- ken und Ambulatorien müssen Eng- pässe in der ambulanten Versorgung durch überstürzten Abbau und Frei- setzung von dort Beschäftigten ver- mieden werden. Die Leistungsstruk- turen der poliklinischen Versorgung müssen unter gleichen Bedingungen im Wettbewerb eine Chance erhal- ten. Die Vertragspartner sollten da- her bei ihren Vereinbarungen über die Vergütung der von den Poliklini-

Konzertierte Aktion fordert

leistungsfähiges Gesundheitswesen für ganz Deutschland

Finanzierung während der Übergangsphase Zukunft der Polikliniken

Differenzen über die Absicherung des Pflegerisikos

A-3594 (18) Dt. Ärztebl. 87, Heft 46, 15. November 1990

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