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Die Ausgrabung der Basilika von S. Lorenzo in Damaso unter dem Hof der Cancelleria

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KUNSTCHRONIK

MONATSSCHRIFT FÜR KUNSTWISSENSCHAFT MUSEUMSWESEN UND DENKMALPFLEGE

MITTEILUNGSBLATT DES VERBANDES DEUTSCHER KUNSTHISTORIKER E.V.

HERAUSGEGEBEN VOM ZENTRALINSTITUT FÜR KUNSTGESCHICHTE IN MÜNCHEN VERLAG HANS CARL, NÜRNBERG

41.Jahrgang Dezember 1988 Heft 12

Neue Funde

DIE AUSGRABUNG DER BASILIKA VON S. LORENZOIN DAMASO UNTER DEM HOF DER CANCELLERIA

(mit vier Figuren undzwölf Abbildungen)

Kaum einerder zahlreichenBesucherdes Palazzo dellaCancelleriamaggeahnthaben, daß sich unterdemgrandiosen Säulenhof eine der bedeutendsten frühchristlichen Basili­ kenverbarg,einbuntesStück römischer Geschichte mit Hundertenvon Bestattungen, Resten heidnischer wiechristlicher Sarkophage, marmornen Grabplatten und Fresken des Quattrocento und sogareinem weitgehend erhaltenen Altar (Fig. 1).

Die Erinnerung an die alteBasilikavon S. Lorenzo hatte nurmehr ineinigen Baufrag­

menten, in formelhaften VedutendesQuattrocentoundverstreuten Quellenfortgelebt

—zuwenig selbstfür die Fachgelehrten, umeine konkrete Vorstellung vonihrerLage und Gestalt zu gewinnen. (Diewichtigste neuere Literatur: R.Krautheimer,W. Frankl, S.Corbett, Corpus basilicarum christianarum Romae, II, Vatikanstadt 1942, 147—158;

S. Valtieri, Labasilica di S. Lorenzoin Damaso nelPalazzo della Cancelleria aRoma attraverso ilsuoarchivioritenuto scomparso,Rom 1984; M. Royo, Elements antiques souslepalaisde la Chancellerie. Präsentation critiquedu dossier d’A. Prandi, Melanges d’archeologie et d’histoire. Ecolefran^aise deRome 96, 1984, 2, 847—906; dieser erste Bericht stützt sich auf Ergebnisseund Hypothesen, die am 30. 6. 1988 von J. Deckers, R.Krautheimer, A.Coppa, M. D’Alessandro unddem Verfasser der Pontificia Accade- miadi Archeologia Cristiana vorgelegt wurden.)

Diese Situationänderte sich erst, als 1982die Bankbücher desBauherrn der Cancelle­

ria, Raffaele Riario (1460—1520) (S.Valtieri,Lafabbrica del palazzo del cardinale Raf­

faele Riario [La Cancelleria], Quaderni dell’Istituto di storia dell’architettura ser.

XXVII, 1982, fase. 169—174, 3—25;E.Bentivoglio, Nel cantiere delpalazzo del cardi­

naleRaffaele Riario[La Cancelleria],ebendort27—34), undals 1984die Chronik des Kanonikers Bitozzi von 1799 (Valtieri1984) bekanntwurden. DiesenDokumenten war zu entnehmen,daß die alte Kirche noch benutzt wurde, als großeTeiledes Palastes be­

reits im Bauwaren. DiealteKirche mußte demnach aneiner nur teilweise vomneuen Palast besetzten Stelle gelegen haben.

Originalveröffentlichung in: Kunstchronik 41 (1988), Nr. 12 (Dezember). S. 648-658

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B. Schindler fecit » » ' • n-' l 1 B. HERTZIANA

Fig. 1 Rom, Palazzo della Cancelleria mit S. Lorenzo in Damaso. Grundriß mit Resten deralten Basilika und mutmaßlicherAusdehnung des Chores im15. Jhdt. (ge- pünklelt)

Legende: A-Riarios Mauern von 1496/97; B-Pfeiler von 1486(?); C-Quattrocento-Altar;

D-Arkadenpfeiler des spätantiken Vestibüls)?); E-spätantiker Säulenportikus; F-dama- sianischer Mittelschiffspfeiler; G-damasianischer Konterpfeiler; H-südliche Seiten­ schiffsmauer; J-östliche Mittelschiffsmauer; K-frühchristlicher Narthex; L-mittelalter­ liche Vorhalle; M-spätmittelalterliche Position derTribuna; N-mutmaßliche Position des nördlichen Seitenschiffs; O-mutmaßliche Position der mittelalterlichen Anbauten, quattrocenteskes Nebenschiff bzw. spätantikes „Vestibulum"; Q-Bottegen; R-Vorhalle der neuen Kirche; S-Langhaus der neuen Kirche; T-Höfchen des Kardinalspalastes;

V-Garten des Kardinalspalastes; X-Mauern des 3. (?) Jhdts. n.C. (Zeichnung B.

Schindler)

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Dieneuen Dokumenteberichten auch, wie es zur Zerstörung der altenBasilikakam.

AlsSiebzehnjähriger zum Kardinal, als Dreiundzwanzigjährigerzum Camerlengo und zumKommendatar von S. Lorenzo in Damaso ernannt, begannRiario gegen 1487/88 seinen Palast, den mit Abstand prächtigstenseit der Antike, ja vielleichtden ersten,der den Vergleichmit den antiken Vorbildern nicht mehr zu scheuen brauchte. Riario holte sich denn auch denTravertin vom Kolosseum und vom Forum, den Granit vonden Thermen (Bentivoglio, 28 f.) und ersetzte diealtehrwürdige Basilika durch eine neue Kirche. Schon ihrbeklagenswerter Zustand hinderte ihn daran, dem Vorbild Pauls II.

zu folgen,der 1465das karolingischeS. Marco indenNeubau des Palazzo Venezia inte­

griert hatte (C. L. Frommei, Francesco del Borgo, Architekt Pius’ II. und Pauls II.:

II. Palazzo Venezia,Palazzetto Venezia undSan Marco, Römisches Jahrbuch für Kunst­

geschichte 21, 1984, 71—164).

Als Riario mitderPlanung seines Palastes begann,hatte er,trotzderMachtvollkom­

menheiteines der erstenKurienkardinäle, auf denPapst, auf die öffentlicheMeinung und vor allemauch auf die eigentlichenHausherren, dieKanonikervon S. Lorenzoin Damaso, Rücksicht zu nehmen. Ihnen gehörte nicht nur die Kirche mit ihrenzuletzt wohl vier Seitenschiffen, ihren beiden Vorhallen, ihrem Campanile und ihren minde­

stens 13 Kapellen(Fig. 7: M,N,O). Sie besaßen auf dem gleichen Gelände auchWoh­

nungen und eine langeReihevon Bottegen, welche entlang der Piazza della Cancelleria, der Via del Pellegrino und sogarder westlichen Chorseite liefen und entscheidend zum Lebensunterhalt der Kanoniker beitrugen (Fig. 1: Q). Riario muß sichverpflichtet ha­

ben,die alten Bottegen sofort durch neue zu ersetzen und biszur Vollendungder neuen Kirche stets einenKultraum zur Verfügungzu stellen.

Erst die Ergebnisse unserer Grabung klärten uns darüber auf, wiesorgfältig Riario die einzelnen Bauphasen auf die Bedürfnisse derKanoniker abstimmte. So konzentrierte er sichzunächst auf dieAusführungder östlichenHälfte desPalastes, dielediglichden Ab­ bruch derbeiden Vorhallen, einiger südlicher Kapellensowie dermeisten Bottegener­ forderte (Fig. 1: K,L,O,Q).Diedrei innerenSchiffe bliebenzunächstunangetastet, und wir müssen uns vorstellen, daß während dieser Jahrehinter dem aufwachsenden Palast ein provisorischesTreppchen zur alten Basilika hinabführte. Erst als1495 der Fassaden­

traktvollendetwar und man die restlichenTeile des Projektes inAngriffnahm, wurde auch der Kernbau der alten Kirche in Mitleidenschaftgezogen. In den Bereich ihrer rechten Seitenschiffekam das linke Seitenschiff der neuen Kirchezu liegen, in den Be­

reich ihres Chores der Rücktraktdes neuen Palastes(Fig. 1: M,N,O). So wurde 1496 der Hochaltar abgerissen undin diegerade vollendete Vorhalle der neuen Kirche über­ führt und 1497 das nördliche Seitenschiffzerstört(Fig. 1: N,R). Die Wunden deralten Kirche ließ Riario durch mächtige Mauern schließen, die das alte Mittelschiffsdach stützten und damit die Benutzung des fragmentarischen Langhauses gewährleisteten (Fig. 7:A). Bis zur Vollendung der neuen Kirche im Jahre 1501 mußten die Kanoniker nun mit zwei fragmentarischen Räumen vorliebnehmen: In der neuen Vorhalle lasen sie die Chorgebeteund die feierlichen Gottesdienste, während das halbzerstörteLanghaus und seine Kapellen nach wie vorfür dieVerehrung der Heiligen und fürSeelenmessen zur Verfügungstanden. Erst imJahre 1501 trug man dann auchden Restder Basilika soweit ab, daßsie unter dem Pflaster des neuenHofes verschwand.

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Seit ichaus den Quellen eine konkrete Vorstellung von derPosition der altenBasilika gewonnen hatte, dachte ich an eineGrabung. Dochdazu bedurfte eseines großzügigen Sponsors und vor allem der Erlaubnis der vatikanischenBehörden, denen der extraterri­ toriale Bereich der Cancelleria untersteht. Schon 1985 hatte ich denfrühchristlichenAr­

chäologen Johannes Deckers als Leiter einer künftigen Grabung gewinnen können, und er gabmirdenweisen Rat, vorderGrabung eineGeoradaruntersuchungdes fraglichen Geländes durchführen zu lassen.Tatsächlich zeigte der Georadarunmittelbar unter dem Hofpflaster einige meist in ostwestlicher Richtung, also parallel zu den seitlichen Hofloggien, verlaufende Mauern. Es handeltesich offensichtlichum ähnliche Mauern, wiesiebereits 1938beiReparaturarbeiten imOstendes Hofeszum Vorschein gekom­

menwaren (Fig. 1: H,K,J). Richard Krautheimer hatte schondamals ihren Zusammen­

hang mit der damasianischen Basilika erwogen(Krautheimer, 148 ff.).

Diese Ergebniseüberzeugten denGeneraldirektor der Vatikanischen Museen, Carlo Pietrangeli, und seiner unermüdlichen Hilfe ist es zu danken, daß wirdie Erlaubnis für die Grabung im Innenhof eines der wichtigsten kurialen Amtsgebäude erhielten. Die Gerda-Henkel-Stiftung in Düsseldorf, die bereitsdie Voruntersuchungen finanzierthat­

te, stellte großzügigerweise auch die Mittel für dieeigentliche Grabung bereit.Ander

Fig. 2 Lageplan der Ausgrabung

Legende: 1-Riarios Mauervon 1496; 2-RiariosMauer von 1497; 3-Quattrocento-Altar;

4-Pfeiler von 1486(?); 5-frühmittelalterliches Grab; 6-frühmittelalterliches Mosaik;

7-spätantikes(?) Grab; 8-spätantiker Arkadenpfeiler; 9-damasianische Seitenschiffs­

mauer; 10-damasianischer Mittelschiffspfeiler; 11 -damasianischer Konterpfeiler;

12-damasianischer Fußboden (Zeichnung B. Schindler)

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Spitzeeines Teams junger italienischerund deutscher Archäologenübernahm Johannes Deckers die wissenschaftliche Leitung der Grabung. Richard Krautheimer stand uns stetsberatend zur Seite. DieArbeiten dauertenvom 14. März bis 27. Mai undkonzen­

triertensich auf das westlicheDrittel des Hofes, wo der Georadar den dichtesten Befund gezeigt hatte.

Zunächststießen wir auf zweietwa 1,30 m starke Mauern aus großen unbehauenen Tuff- undKalksteinbrocken, die ingeringem Abstand parallel zur nördlichen und zur westlichen Hofloggia verlaufen (Fig.1:A; Fig. 2: 1,2; Abb. 2). Ihre eindeutig nachmit­ telalterliche Faktur ließ uns befürchten, daßsie zum alten Kardinalspalast oder einem spätenAnnex der Basilika gehören könnten. Erstals wir dann etwa 1,60 m unterhalb des Hofniveauseinen Marmorfußboden, zahlreiche Grabplattenund Reste eines Altars freilegten, gewannen wir die volle Gewißheit, uns imInneren der altenKirchezu befin­ den (Fig. 1: C; Fig. 2:3; Abb. 3). Die beiden Mauern mußten also diejenigen sein, mit denen Riario 1496/97 das verstümmelteLanghaus provisorisch hatte schließenlassen.

Daß sie um etwa50Prozentdicker sind als der frühchristliche Pfeiler, mag sich— ähn­

lich wie bei dentragendenMauern desbenachbartenPalastes — ausihrer weniger sorg­ fältigenFaktur erklären.

Schon 1938 waren beiden Ausschachtungenim Ostendes Hofes Resteeines Marmor­ fußbodens zum Vorschein gekommen (Fig. 1: K). Aber dieselagen 3,37 m unter dem Hofund entsprachen somit dem frühchristlichen Niveau, wiees auchanderweitig imBe­

reich der Cancelleriaermittelt worden war. UnserersterFußboden mußte also sehr viel

Fig. 3 Plan derAusgrabung April 1988 (Zeichnung E. Loreti, M. Pintiricci, B. Schindler)

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später entstanden sein, und darauf deuteten auch die bisher rund 20 freigelegten Grabplatten, die inschriftlichindie Zeitzwischen 1396 und 1476 datiert sind (Fig. 3;

Abb. 3). Tatsächlich berichten die Dokumente, daßdieKanoniker 1482 verschiedene Lokalitäten der Kirche von Knochen und Unrat reinigen und den Fußboden auf ein gleichmäßiges Niveaubringenließen unddaß siedabei auf den Belagder älteren,tiefer gelegenenFußböden zurückgriffen.Sofinden sich denn auch unter denGrabplattenkei­

nezugehörigen Gräber, undso hat sichsüdöstlich des Altars sogar ein Stück kosmates- ken Fußbodens erhalten (Fig. 3).

Wie die meistenKirchen so hatteauch S. LorenzoinDamaso alsFriedhof derGe­ meinde gedient. Bestattete man die Toten während der erstenfrühchristlichen Jahrhun­ derte meist außerhalb derStadtmauern undseit der Renaissance dann inGrüften oder gemauerten Gräbern, sowurdensie währenddes Mittelalters und nochim 15. Jahrhun­

dert oftinGrubengebettet,diemanunmittelbar unter demFußboden aus der Erde geho­ ben hatte. In einigen Gräbern vonS. Lorenzofanden wir mehrere Skelette dicht neben- und übereinander— einessogar in verkrümmter Haltung und mit weit aufgerissenem Kiefer, während die meisten mit gefalteten Händen und gekreuzten Armen auf dem Rückenlagen (Abb. 4d).Offenbar handelt es sich um Gräber, teilweise sogar umMas­

sengräber aus Zeiten der Pest, vielleicht auch der Großen Pest desJahres 1348. Der Anthropologe MassimoCoppavonderUniversitätRomhatdie wissenschaftliche Unter­ suchung dieses Friedhofes übernommen, wohl des besterhaltenen des mittelalterlichen Romüberhaupt,undwird bald genauereAuskunft über Alter, Geschlecht undKrankheit der über hundertbisher geborgenen Skelette erteilen können.

DieMehrzahl der Gräber ist allerdingsden ständigen Tiberüberschwemmungen zum Opfergefallen,diedas Niveaunichtnur der Kirche, sondern des gesamten Stadtviertels kontinuierlich ansteigen ließen. DerTiberschlamm mischtesich mit denResten der Grä­

ber, sodaß dasErdreich unter dem Quattrocento-FußbodenmitKnochen durchsetzt ist.

Nach einer Überschwemmung mußmanoft auf die Reinigungder Kircheverzichtet urid stattdessen das Niveau zumindest partiell erhöht haben. Jede solche Erhöhung verringer­ te zwar die Gefahren einer Überschwemmung, beeinträchtigte aber gleichzeitig die Ar­

chitektur und ihre Proportionen. Außerdem war man ständig gezwungen, Türen, Treppen, Altäre, Kanzelnund dieübrigen Ausstattungsstücke dem neuenNiveau anzu­ passen.So stammt auch der Altar, den wir nördlich des großenLanghauspfeilers fanden, noch aus dem 15. Jahrhundert (Fig. 1: C; Fig. 2: 3; Fig. 3; Abb. 3). Der zugehörige Opferstock stand sogar nochaufrecht an Ort undStelleundträgt die spätgotische Auf­

schrift „pro reparatione ecclesie” (Abb. 3und 4h). Wahrscheinlich wurde auf diesem

„in medio ecclesie” bezeugtenMarien-Altarseit etwa 1480 die Ikonevon S. Stefano dell’Arcoverehrt, dieman dann 1501 ins linke Seitenschiffder neuen Kirche transferier­ te (Valtieri 1984, 63ff.).

Die Quattrocento-Grabmäler gehören bislang zuden schönstenFunden unserer Gra­

bung. Da sie keine hundert Jahre lang abgetretenwurden,ist ihre Oberfläche ungewöhn­ lichguterhalten. Sofanden sich auf demGrabeiner vornehmen Dame nichtnur Reste goldener,roterund blauer Fassung, sondern auch zahlreicher Bronzebeschläge,wiewir sie von keinem anderen römischenGrab derZeit kennen. Aufschlußreichfürdie römi­ sche Familiengeschichte vor allem die drei Cesarini-Gräber, deren ältestes die Auf­

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schrift „Ceccolo Antonii de Cesarinis et heredum ” und das Datum 1396 trägt.Nur der Name „Cesarini” ist dort in Renaissance-Letterngehauen. In der gotischen Inschrift magesursprünglich „Montanaris”geheißen haben, wie sichdie Familie noch im 14.

Jahrhundertnannte. Bemerkenswert auch die GräberzweierKanoniker vonS. Lorenzo in Damaso mit ihrer charakteristischen Kopfbedeckung und eines Gesandten Karls des Kühnen von Burgund, dessen Reliefsich durch besondere Sorgfalt auszeichnet (Abb. 4c und 5).Die Rückseiteeiner TreppenstufedesAltars entpuppte sich als Frag­ ment eines Sarkophagesdamasianischer Zeit mit der Darstellung der Drei Königeund zweier Wunderheilungen Christi (J. Deckers wird das Reliefdemnächst in der Fest­

schrift Fasolapublizieren; Abb. 8a).

AlledieseFundebesagten jedoch noch nichts über das eigentlicheZiel unsererGra­

bung: die frühchristliche Basilikavon S. Lorenzo inDamaso. Sie wurde erstgreifbar, als sich dieRückwanddesQuattrocento-Altarsals riesiger Pfeiler des vierten nachchrist­

lichenJahrhunderts erwies(Fig. 1: F; Fig. 2: 10; Fig. 3; Abb. 1 und 3). Balddarauf kam inetwa 3,50 m Abstand die FortsetzungeinerMauer ans Tageslicht, dieKraut­

heimer schon 1938 mit der Basilika in Verbindung gebracht hatte und die sich nun als südliche Seitenschiffsmauerder damasianischen Basilika zuerkennen gab(Fig. 1: H;

Fig. 2: 9; Abb. 7a). Der Pfeiler trennte also dasSeitenschiff vom Mittelschiff— jenem Bereich, in dem wir anfangsden Quattrocento-Fußboden undden Marienaltar entdeckt hatten.

Dieletzten Zweifel wurdenbeseitigt,als wir durchmindestens zwei mittelalterliche Fußbodenniveaus hindurch endlich zu den weißen Marmorplattendes damasianischen Fußbodenshinabstießen(Fig. 2: 12; Abb. 6und7b). Dieseliegen nur wenig oberhalb des durchlaufenden Fundamentes desMittelschiffesund stammendaher gewißaus der gleichen Zeit wie der Pfeiler. Einige unregelmäßige Bruchstücke des Mittelschiffs- pavimentes sindauf der Rückseite meisterhaft bearbeitetund mögen von der Sockelzone einesbenachbarten Monumentalbaus heruntergeschlagen worden sein.

Fig. 4 Ostwestlicher Schnitt durch denHof mit Funden von 1938 (nach Krautheimer)

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Die südliche Seitenschiffsmauer besitzt die für jeneEpoche charakteristische Stärke von nur 0,54 m; der Pfeiler, der das Dach des Mittelschiffs zu tragen hatte, ist mit 0,90 m spürbar stärker, erreicht aber die für eine frühchristliche Basilika völlig einzigar­

tige Länge von 3,70 m.Beiderseits endet er in Zungen von nur0,60 mStärke, diedem Durchmesser der Granitsäulen im Erdgeschoß des Hofes (0,59m) erstaunlich nahe­

kommt.Vielleichtstammen also einigedieser Säulen aus der Basilikaund setzte sich das Langhaus nach Ostenin Säulenarkaden fort. Dafür sprechen auchdie zwei vermauerten Rundbögen, die 1938in der Seitenschiffsmauer zu sehen waren und die sich wahrschein­ lichan den Mittelschiffsarkaden orientierten(Krautheimer, 152; Fig. 1; Fig. 4). Diese Bogenöffnungenwaren offensichtlich erstim Mittelalter in dieSeitenschiffsmauer ein­

gebrochen worden — wahrscheinlich,um das Langhaus andieser Stellezu erweitern.

Sie wurdenjedoch noch vor dem Baubeginndes neuenPalastes wieder zugemauertund innen übertüncht. Diezweite Grabungskampagne wird gewiß klären, ob wirklich ein Teil der Hofsäulen ausder alten Basilika stammtund obsich tatsächlichan dieSeiten­

schiffswand Nebenräumeanschlossen. Vielleicht gelingt es auch, Reste des damasiani- schen Narthex wiederzuentdecken, auf den man1938 gestoßen war (Krautheimer, 151;

Fig.1;K). Die mittelalterliche Vorhalle, diezwischendem Narthex und der Piazza della Cancelleria vermittelte,und der benachbarte Campanile sind dem neuenPalast zum Op­

fergefallen (Valtieri 1984, 13ff.; Fig. 1: L). Und einfür alle Male verschwunden ist auch der gesamte Bereich des Chores und der nördlichen Seitenschiffe und Kapellen (Fig. 1: M,N,0). Möglicherweise finden sich im Keller des Palastesund der heutigen Kirchenoch Reste einiger Fundamentmauern,die Auskunft über Länge und Breite des Mittelschiffes und über Lage und Gestalt derApsis erteilen können. Im 15. Jhdt. gab es im Chorbereich TürenundFensterzumGarten des Kardinals, der wohl mitdem heu­

tigen Garten weitgehend identisch war (Valtieri 1984, 15f.; Fig. 1: V). Die Apsis muß also bis in diewestliche Hälfte desRücktraktes gereichthaben. Damals besaß das Lang­ haus somit eine lichteLänge von mindestens 50 m und in den drei inneren Schiffen eine lichte Breitevon mindestens 18 m. Aber wie in so vielen Kirchen mag auch hier der Chorimspäten Mittelalter vergrößert worden sein unddamit demBau sein überlanges Format gegeben haben.

Zumindest imQuattrocentowar diealte Basilika also wesentlich länger, aberauch we­

sentlich schmaler als Riarios neue Kirche, ja in der Grundfläche derdrei alten Schiffe kaum größer.Allerdings muß Riarios Neubauschondeshalb ungleich monumentaler ge­

wirkthaben, weil seinMittelschiff weiter und höher warundweil diedoppelte Vorhalle unddieSeitenkapellendenInnenraum erweiterten.Alldaskann die Kanoniker nicht dar­ über hinweggetröstet haben, daß das Terrain ihrer Kirche nun auf die Hälfte ge­ schrumpft war, daßdieVorhalle, die Seitenschiffe und die Kapellen als Substruktionen von Riarios Festsälenherhalten mußten, daß dieKirche mäßig belichtet war und völlig hinter der Fassade desPalastes verschwand, ja zueiner Art Palastkapelledes Kardinals degradiert schien.

Die alte Kirche hatte sich labyrinthischin alle Richtungen ausgebreitet — unmöglich, sich eineVorstellungvonallen Nebenschiffen, Kapellen, SakristeienundVorhallen zu machen, diedie Quellen des 15. Jahrhundertserwähnen (Valtieri 1984, 13 ff.). Noch im Februar 1486, also unmittelbar vor dem Beginn des Neubaus, wird eine „nave”

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durchPfeiler und Bögen auf das alteLanghausgeöffnet— wahrscheinlich jener rätsel­ hafteAnraum, der südlich des Seitenschiffes zum Vorschein kam (Fig. 1: B,P; Abb. 6 und 7a).Erreichtbis zum frühchristlichenNiveau hinab, muß also schon zu damasiani- scher Zeit bestanden habenundwar zunächstwohl nur durch eine relativschmale Arka­ de mit demSeitenschiffverbunden. Nach Süden scheint er sich in einer breiteren Arkade (Fig. 1:D; Fig. 2:8) auf einen Säulenportikus geöffnet zuhaben, der seinerseits andie antike Vorgängerin der Via delPellegrinogrenzte(Valtieri 1984, 166; Fig. 1: E). Viel­

leichterklärt sich dieungewöhnlicheBreite des Mittelschiffspfeilers sogaraus der Ab­

sicht, dasMittelschiff an dieser Stelle gegen die Öffnung zur Straße hin zu schützen.

Unter den frühchristlichen Marmorplatten dieses „Vestibüls” fanden wir eines der beiden bislang ältesten Gräber der Kirche; das andere wurde gleichfalls unter demdama- sianischen Fußboden im Seitenschiff entdeckt (Fig. 2: 7; Abb. 7b). Ein drittes, dassich an die Südseite des großen Pfeilers anlehnt,steht bereits aufdemdamasianischen Fußbo­

denundwar mit grob beschnittenen, glatten Marmorplatten bedeckt (Fig. 2:5; Abb. 8b).

Das Niedersächsische Landesamt für Bodenforschungin Hannover wirddieSkelettedie­

ser drei bislang frühesten Gräber zudatierenversuchen unddamit vielleicht neue An­

haltspunkte dafür liefern, seit wann Bestattungen in innerrömischen Kirchen üblich wurden.

Wohl gegen Endedesersten Jahrtausends erhöhtemandenFußbodendes „Vestibüls” undversah es nun mit einem schwarzen, von weißen Mustern durchzogenenMosaik.

Die zahlreichen späteren Bestattungen habenallerdings nur wenige Fragmente dieses seltenen Mosaik-Typus verschont (Fig. 2: 6; Abb. 4a).

Gewiß vorder Öffnung der„nave” entstanden die Fresken auf der Südseite des gro­

ßen Pfeilers,die AntoniusAbbas, Franziskus,den Erzengel Michaelund einenheiligen Kirchenfürsten darstellen — bescheidene Werke verschiedener mittel italienischerMei­

ster, die einmal mehr bestätigen, wie mittelalterlichman noch im 15. Jahrhundert bei der Ausstattung derKirche verfuhr (Abb. 7a und 8b).

Vor der Öffnung der südlichen „nave” muß östlich desgroßen Pfeilers auch einebis­ lang rätselhafte Veränderung des Stützensystems erfolgt sein. Im Abstand von nur 2,40m vomPfeiler ragtdas Fragment einesfrühchristlichen Konterpfeilersbis unter das Quattrocentoniveauhinauf (Fig. 1: G; Fig.2: 11). Dieser Konterpfeilerwurdedemnach erstim Laufe des 15. Jahrhunderts preisgegeben, vielleicht im Zugeeiner Erweiterung der gesamtenChorpartie. Noch im 13. Jahrhundert hatte man in derApsis — „in illo throno” — die Weiheinschriftdes Papstes Damasus lesen können (Valtieri 1984, 11).

Einer weiteren Inschrift, die sich im Narthex oder an derEingangs wand, „in introitu ecclesie", befand, glaubt manentnehmen zu können,daß Papst DamasuS(366—384) die KircheimPalast seines VaterserrichtetundeinemälterenBaukörper beiderseitsSäulen­ gänge angefügt hatte (Krautheimer, 148 Anm. 2, 150).Auch diese Fragehoffen wirim weiteren Verlauf der Grabungklären zu können. Von der ursprünglichen Ausstattung haben sich lediglich Reste eines Türsturzes und einiger Chorschranken erhalten, die wohl 1937/38 zum Vorschein kamen undheute im Cortiletto hinterder Apsis der neuen Kirche aufbewahrtwerden. Die vielenMarmorfragmente spätantiken und mittelalter­

lichen Datums, die wir imBauschutt entdeckten,lassensich bisher keinem bestimmten Teil der Ausstattungzuordnen.

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Manche der offenen Fragen, vondenen hier die Rede war, werden wirbeantworten können, wenn auch die übrigen Teile des Hofesfreigelegt sind. Vorher muß jedoch das jetzigeLoch geschlossen werden, um denParkplatz der Cancellerianichtweiter zuredu­

zieren.Gemeinsam mit der Firma Dioguardi entwickelt derzeit Massimo D’Alessandro, Professor für Disegno Industrialean der UniversitätRom,das Projektfür einDach, das den alten Zustand des Hofes wieder herstellen und doch die Grabung in Zukunft zugäng­ lichhalten soll. Wir haben also begründete Hoffnung, daßdieses faszinierende Stück römischer Vergangenheit nicht wiederfür Jahrhunderteim Erdreich versinkenwird.

Christoph Luitpold Frommei

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Ab b. 3 Ro m, Al t- S. Lo re nz o in Da ma so . Bl ic k au f Qu at tr oc en to -A lt ar

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Abb. 4a Rom,Alt-S. Lorenzo inDamaso. SpätmittelalterlicheBestattungenim Bereich des „Vestibulum”

Abb. 4b Rom, Alt-S.

Lorenzo in Damaso. Spät­

Abb. 4c Rom, Alt-S. Lorenzo in Dama­

so. Grabplatte eines Kanonikers von

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Abb. 5 Rom, Alt-S. Lorenzo in Damaso. Grabplatte eines Kanonikers von S. Lorenzoin Damaso (1472)

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Ab b. 6 Ro m, Al t- S. Lo re nz o in Da ma so . Bl ic k vo n No rd os te n mi t Re st en de s da ma si an is ch en Fu ßb od en s im M it te ls ch if f

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Ab b. 7a Ro m, Al t- S. Lo re nz o in Da ma so . Bl ic k vo n Sü de n Ab b. 7b Ro m, Al t- S. Lo re nz o in Da ma so . Da ma si an is ch er au f sü dl ic he Se it en sc hi ff sm au er un d Mi tt el sc hi ff sp fe il er Fu ßb od en un d fr üh es te s Gr ab im sü dl ic he n S ei te ns ch if f

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Ab b. 8a Ro m, Al t- S. Lo re nz o in Da ma so . Fr ag me nt ei ne s Sa rk op ha ge s de s 4. J hd ts . n. C.

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