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Archiv "Normung medizinischer Dienstleistungen: Kammer kritisiert Übergriffe Europas" (09.05.2014)

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A 824 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 19

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9. Mai 2014

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ieder einmal sorgt die Schönheitschirurgie für Diskussionen. Diesmal geht es je- doch nicht um TV-Formate, in de- nen ästhetische Operationen ver- schenkt werden, Sinn oder Unsinn der Intimchirurgie oder minderwer- tige Brustimplantate. Es geht um ei- nen auf den ersten Blick eher tech- nokratischen Vorgang, der die ärzt- lichen Körperschaften in Deutsch- land jedoch hochgradig besorgt.

Seit Ende 2010 arbeitet das Euro- päische Komitee für Normung (CEN) gemeinsam mit 33 nationalen Instituten – in Deutschland ist es das Deutsche Institut für Normung (DIN) – an einem Standard für ästhe- tische Chirurgie. Das ist neu. Denn bisher haben sich CEN, DIN und auf internationaler Ebene ISO vorwie- gend damit beschäftigt, technische Standards zu setzen, beispielsweise für Medizinprodukte, medizintech- nische Geräte oder Verfahrensabläu- fe. Jetzt soll erstmals eine Norm ge-

schaffen werden, die sich auf die Ausübung der Medizin bezieht und Qualifikations- und Qualitätsstan- dards für ästhetisch-chirurgische Eingriffe vorgibt. So soll beispiels- weise festgelegt werden, welcher Eingriff welche Kompetenzen erfor- dert oder welche hygienischen An-

forderungen gelten. Auch ethische Rahmenbedingungen sollen in der europäischen Norm berücksichtigt werden, wie aus der Projektzusam- menfassung hervorgeht. Koordiniert wird das Projekt vom Austrian Stan- dards Institute, dem österreichischen Pendant des DIN.

Aus dessen Sicht dient das Nor- mungsprojekt für ästhetische Chir -

urgie dem Patientenschutz. Denn nach wie vor würden in der Schön- heitschirurgie innerhalb Europas unterschiedliche Qualitätsstandards gelten. Inzwischen ist das Projekt so gut wie abgeschlossen. Das ent- sprechende Dokument befinde sich in der Schlussabstimmung, mit ei-

nem Ergebnis sei im Juni zu rech- nen, sagt Karl Grün, Sekretär des zuständigen Arbeitskomitees. Auf den Ausgang des Verfahrens will sich der Ingenieur jedoch nicht fest- legen. Prinzipiell sei auch ein Scheitern der neuen europäischen Norm möglich.

Denn insbesondere in der Ärzte- schaft formiert sich Widerstand – NORMUNG MEDIZINISCHER DIENSTLEISTUNGEN

Kammer kritisiert Übergriffe Europas

Das Europäische Komitee für Normung will im Juni einen Standard für die ästhetische Chirurgie beschließen. Die Bundesärztekammer lehnt das ab. Befugnisse der Ärzteschaft im Berufs- und Weiterbildungsrecht würden damit beschnitten.

Es werden Standards für Ärzte von Normungs- gremien gesetzt, die nicht über die standesrecht- liche und fachliche Kompetenz verfügen.

Deutscher Ärztetag 2012

Foto: picture alliance

P O L I T I K

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9. Mai 2014 A 825 und zwar quer durch Europa, wie

die Bundesärztekammer (BÄK) be- richtet. Dabei wurde das Verfahren vor vier Jahren von einer kleinen Gruppe ästhetisch-plastischer Chir - urgen im europäischen Fachärzte- verband UEMS angestoßen. BÄK- Präsident Prof. Dr. med. Frank Ul- rich Montgomery vermutet dahinter vor allem wirtschaftliche Motive.

Gebe es erst einmal eine CEN- Norm, und lasse man sich als Schön- heitsklinik entsprechend zertifizie- ren, sei das eine hervorragende Mar- ketingstrategie. Auch die rein pri- vatwirtschaftlich organisierten Nor- mungsinstitute verdienten an dem Prozess, und zwar gleich doppelt:

Man müsse dafür bezahlen, wenn man sich als Interessenvertreter an dem Normungsverfahren beteiligen wolle. Wolle man das Ergebnis an- fordern, koste das ebenfalls Geld.

In erster Linie befürchtet die BÄK jedoch, dass mit Normungs- projekten wie dem zur ästhetischen Chirurgie langfristig Kernkompe- tenzen der ärztlichen Selbstverwal- tung im Berufs- und Weiterbil- dungsrecht ausgehöhlt werden.

Denn in Deutschland sind die Ärz- tekammern für die Definition fach- ärztlicher Standards in den Weiter- bildungsordnungen zuständig. Be- reits 2012 kritisierte deshalb der Deutsche Ärztetag, das Normungs-

projekt sei ein klarer Verstoß gegen die Regelungsbefugnisse der Lan- desärztekammern. „Es werden Standards für Ärztinnen und Ärzte von Normungsgremien gesetzt, die in Deutschland gesetzlich nicht da- für zuständig sind, nicht über die standesrechtliche und fachliche Kompetenz verfügen und die – im Gegensatz zu den Landesärztekam- mern – keiner Aufsicht unterlie- gen“, heißt es in einem Beschluss.

BÄK-Präsident Montgomery formuliert es noch schärfer: „Das ganze CEN-Verfahren ist undemo- kratisch, ausschließlich auf die ei- genen wirtschaftlichen Interessen orientiert und ist deswegen für ei- nen Richtlinien- und Leitlinienpro- zess in Patientenverantwortung nicht tragbar.“

Zwar sei die BÄK davon über- zeugt, dass ihre Richtlinien sowie die Leitlinien der Fachgesellschaf- ten einen höheren Stellenwert hät- ten als DIN-Normen. Er könne sich aber durchaus vorstellen, so Mont- gomery, dass sich Gerichte in Haf- tungsprozessen in Zukunft auf die Anwendung solcher Normen bezie- hen. Außerdem hebelten die CEN- Normen quasi durch die Hintertür das Recht der Mitgliedstaaten aus, das Gesundheitswesen und die me- dizinische Versorgung der Bevölke- rung eigenverantwortlich zu gestal- ten. „Hier soll ein Damm gebro- chen werden“, meint Montgomery.

Verschärfend kommt hinzu, dass die Verordnung zur europäischen Normung von 2012 der EU-Kom- mission ermöglicht, den Nor- mungsorganisationen Aufträge zu erteilen, wenn sie einen Bedarf für Standardisierungen erkennt. Zwar hat die Kommission der BÄK zu- folge das CEN bislang nicht mit der Erarbeitung von Normen für Ge- sundheitsdienstleistungen betraut.

Diese spielten im Arbeitsprogramm aber durchaus eine Rolle.

Normungsprojekte, die von Ärz- te- oder Patientenorganisationen

angestoßen wurden, sind dagegen schon im Gange: Neben der ästheti- schen Chirurgie werden zurzeit Normen für Homöopathie, Osteo- pathie und zur Behandlung der Kie- fer-Gaumenspalte erarbeitet.

„Hier wird versucht, das Recht der Mitgliedstaaten auf Unter- schiedlichkeit und eigene Lösungen durch eine supranationale Lösung zu umgehen,“ kritisiert der BÄK- Präsident. „Dieser Normierungs-

weg hat eine Eigendynamik entwi- ckelt.“ Dabei bestehe weder in Deutschland noch in vielen anderen EU-Ländern Regelungsbedarf. Dort gebe es zum Beispiel für die ästhe- tische Chirurgie klare Vorgaben in der Weiterbildungsordnung. Zuletzt hatte der Deutsche Ärztetag im Jahr 2005 beschlossen, Qualitätssiche- rung und Patientenschutz in der Schönheitschirurgie zu verbessern, indem er die ästhetische Medizin in der (Muster-)Weiterbildungsord- nung verankerte. Die Bezeichnung lautet seither „Facharzt für Plasti- sche und Ästhetische Chirurgie“.

Die Fachgesellschaften und Be- rufsverbände der plastisch-ästheti- schen Chirurgen teilen die harte Haltung der BÄK. „Normung in der Medizin lehnen wir ab“, betont eine Sprecherin der Deutschen Gesell- schaft der Plastischen, Rekonstruk- tiven und Ästhetischen Chirurgen.

Die Fachgesellschaft sei wie die BÄK klare Anhängerin des Subsi- diaritätsprinzips im Gesundheits- wesen. Das heißt, die EU darf im- mer nur dann tätig werden, wenn gemeinsame Rahmenbedingungen notwendig sind, beispielsweise bei grenzüberschreitenden Gesund- heitsgefahren (Kasten).

Rückendeckung erhält die BÄK ihrem Präsidenten zufolge auch aus der Politik. „Das Bundesministeri- um für Gesundheit ist ganz auf un- serer Seite“, betont Montgomery.

Denn auch dort schreibe man das Subsidiaritätsprinzip groß.

Heike Korzilius Die Bundesärztekammer hat zur Europawahl am 25. Mai

einen gesundheitspolitischen Forderungskatalog vorgelegt, das Motto lautet: „Mehr Mut zur Subsidiarität“.

Die Gesundheitspolitik der EU soll sich auf Maßnahmen wie die Mobilität von Patienten und Ärzten, die Innova- tions- und Forschungsförderung oder den Wissens- transfer zwischen den Mitgliedstaaten sowie grenz- überschreitende Gesundheitsgefahren konzentrieren.

Die jüngsten Bemühungen, Gesundheitsdienstleistun- gen durch Normungsorganisationen zu reglementieren, sind ein Irrweg.

Die EU soll ein nach freiberuflichen Prinzipien organi- siertes Gesundheitswesen respektieren und die ärztli- che Selbstverwaltung als Erfolgsmodell akzeptieren.

Die grundlegenden und international konsentierten me- dizin-ethischen Prinzipien müssen gewahrt bleiben.

Die politischen Prozesse und Entscheidungen der EU zur Gesundheit müssen transparenter gestaltet werden.

DIE BÄK ZUR EUROPAWAHL

Hier wird versucht, das Recht der Mitgliedstaaten auf Unterschiedlichkeit und eigene Lösungen zu umgehen.

Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer

P O L I T I K

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