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Zwei Schwestern zwei Länder und eine Pandemie

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Academic year: 2022

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Zwei Schwestern – zwei Länder – und eine Pandemie

Mein Name ist Nadja und meine Familiensituation am Beginn der Corona-Pandemie war eher ungewöhnlich. Wir wohnen in Eberdingen, bei Stuttgart in

Süddeutschland. Meine ältere Schwester, Ellen, war im Juli 2018 nach Dunedin, Neuseeland, gegangen und hatte dort die Schule besucht. Zu Beginn der Pandemie war sie gerade noch dort, hatte ihr Abitur (NCEA Level 3) bestanden und einen Rückflug nach Deutschland für den 30. März 2020 gebucht. Wir haben die Pandemie somit in diesen zwei Ländern parallel erlebt und deswegen möchten wir jetzt die verschiedenen Handlungen der beiden Länder an einem Zeitstrahl vergleichen und erläutern. Daran können wir sehr anschaulich sehen, dass Neuseeland und Deutschland verschiedene Regeln zu verschiedenen Zeiten eingeführt haben. Ich, Nadja, und Ellen werden aus unseren verschiedenen Perspektiven erzählen.

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Der erste Kontakt mit Corona ganz am Anfang der Epidemie

Da ich, Nadja, die Haupterzählerin bin, fange ich gleich an:

Zu Beginn der Corona-Pandemie haben wir als Familie die Nachrichten in beiden Ländern zwar verfolgt, aber nicht gedacht, dass es uns persönlich betreffen würde. „Es ist ja nur in China.“,

„Das ist eben ein ganz normales Virus.“, „Alte Menschen können auch an einer Erkältung sterben.“, „Die Leute übertreiben total.“, „Man sollte nicht so einen Wirbel darum machen.“.

So gingen wir mit dem Thema Corona um. Wir schauten den Geschehnissen moderat

interessiert zu und waren wachgerüttelt, aber nicht um uns persönlich im sicheren Deutschland oder sicheren Neuseeland besorgt.

Unsere Mutter, Angelika, war im Januar bei Ellen in Neuseeland, um mit ihr gemeinsam eine Rundreise der Südinsel als Abschluss ihrer Zeit dort zu unternehmen. Als sie am 10. Februar den Rückflug nach Deutschland antrat, hatte Neuseeland schon beschlossen, dass keine chinesischen Staatsbürger mehr nach Neuseeland einreisen dürfen. Dies hatte einen direkten Einfluss auf die Gastfamilie von Ellen, die eigentlich für das Schuljahr 2020 eine weitere, chinesische, Gastschülerin bekommen sollte. Alle in der Familie, auch Ellen, hatten schon mit Hana per WeChat Kontakt; Hana durfte jedoch auf Grund der Regelungen der neuseeländischen Regierung schon Ende Januar nicht mehr von China nach Neuseeland einreisen, was sie übrigens bis heute noch nicht durfte.

Aber zurück zu unserer Mutter. Auf dem Rückflug von Neuseeland haben die meisten chinesischen Leute an den Flughäfen und in den Flugzeugen bereits

Atemschutzmasken getragen, da das Virus sich in China schon weit ausgebreitet hatte.

Unsere Mutter berichtete uns, dass es für sie sehr komisch war, auf den Flughäfen die ganzen annullierten Flüge nach China auf den Anzeigetafeln zu sehen.

Und vor allem die vielen chinesischen Mitreisenden in Atemschutzmasken herumlaufen zu sehen, aber selbst ohne Mundschutz zwischen den geschützten Leuten zu sitzen und mit ihnen zu sprechen. „Ich hätte dann eigentlich auch gerne eine Maske gehabt“, erzählte sie uns später. Und bat Ellen sich für ihren Rückflug sofort in Neuseeland Masken zu besorgen.

Jedoch haben wir auch nach diesen Erfahrungen nicht wirklich angefangen, das Virus so ernst zu nehmen, dass es auch unser Leben wirklich stark

beeinträchtigen würde. Wir haben normal weitergelebt, Nachrichten der beiden

Länder innerhalb der Familie ausgetauscht und uns keine allzu großen Sorgen oder Gedanken dazu gemacht. Aber immer wieder ausgesprochen, dass wir hofften, dass Ellen sicher

zurückreisen können würde.

Bis die Fälle immer näher kamen – und zwar sowohl näher an Deutschland als auch näher an Neuseeland. Anfang März in Deutschland und in Neuseeland Mitte März fingen die Ereignisse an, sich zu überschlagen, wie auch im Zeitstrahl oben ersichtlich. Nach dem ersten Todesfall durch Corona in Deutschland am 9. März fingen viele Diskussionen an, vor allem auf politischer Ebene. Plötzlich hatten wir auch in unserer Familie sehr oft dieses Thema. Mein Vater erzählte, dass er in seiner Firma erste Überlegungen zur Erstellung eines Krisenplans anstellt, meine Mutter berichtete von den Diskussionen an Hochschulen, es gab Telefonate mit dem Reisebüro bezüglich Ellens Rückflug. Ellen erzählte von Diskussionen mit ihrer Gastfamilie und ihren

Anzeigetafeln am Flughafen Auckland

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Freundinnen in Neuseeland und auch ich hatte in der Schule wilde Spekulationen mit meinen Freundinnen, was wohl auf uns zukommen würde.

Schließt Deutschland alle Schulen, Hochschulen und Universitäten?

In meiner Schule wurden dann erste Maßnahmen für den Fall einer Schulschließung angesetzt. Zum Beispiel wurden überall

Desinfektionsmittelspender aufgehängt. Uns wurde gesagt, dass wir mehrmals täglich die Hände waschen sollten und nach dem wir auf der Toilette waren unsere Hände zusätzlich desinfizieren sollten. Am letzten Freitag vor der Schulschließung, am 13. März, war diese zwar noch nicht in enger Nähe vorhersehbar, allerdings wurden wir trotzdem gebeten, alle unsere Schulbücher mit nach Hause zu nehmen, damit wir, falls doch eine Schulschließung eintreten sollte, unsere Arbeitsmaterialien daheim hätten.

Für mich fühlte es sich befremdlich an, mitten im Schuljahr alle Materialien zusammen zu packen. Die Meinungen unserer Lehrer gingen sehr weit auseinander. Es war interessant zu sehen, wie viele verschiedene

Ansichten es immer noch zu diesem inzwischen hochaktuellen Thema gab.

An dem darauffolgenden Montag, 16. März, wurde es uns freigestellt ob wir zur Schule gehen oder nicht. Diejenigen, die in der Schule waren,

haben „Aufgabenpäckchen“ in den verschiedenen Fächern bekommen. Da ich nicht in der Schule war, hat meine Freundin mir meinen Umschlag nachmittags vorbeigebracht.

Meine Eltern hielten es für leichtsinnig wenn ich in die Schule ginge, da ich mit dem Bus fahren muss und der immer ziemlich überfüllt ist, was wiederum bedeutet, dass

man mit vielen Menschen in Kontakt ist. Meine Freunde haben mir allerdings von diesem letzten Schultag erzählt, dass nicht sehr viele SchülerInnen da waren. Sie haben klassenweise einen kleinen Spaziergang um die Felder gemacht, und zurück im Schulgebäude kamen die ganzen Fachlehrer in die Klassen und haben ihre Arbeitsaufträge abgegeben.

Da meine Mutter an verschiedenen Hochschulen unterrichtet, haben wir auch noch mitbekommen wie es da lief. Dort wurden Vorlesungen und Workshops schon donnerstags nachmittags beendet, also zwei Arbeitstage vor den Schulen.

Unsere Mutter, Angelika, berichtet:

Es war die Semestereinführungswoche und ich arbeitete mit Studierenden der Fachrichtung Architektur an einer Projektaufgabe. Schon seit Montag wurden wir angehalten, auf Interaktionen wie Händeschütteln komplett zu verzichten und auch bei den Gruppenarbeiten darauf zu achten, dass die

Studierenden sich nicht zu nahe kamen. Donnerstag um die Mittagszeit erfuhren wir, dass wir den Freitag nicht mehr zur Verfügung hatten und so mussten wir einen verkürzten

Projektabschluss finden. Am Schwierigsten war für mich, dass die Studierenden nicht wussten, wann sie sich wieder persönlich sehen würden, jetzt, da sie doch gerade hier angekommen waren und sich erste Lerngruppen gebildet hatten.

Bis heute haben sie sich nur in Onlinevorlesungen wieder gesehen.

Desinfektionsmittelspender an meiner Schule

Hygieneanweisungen an meiner Schule

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Das Leben mit Home-Schooling

Unsere Schule legte innerhalb einer Woche eine Cloud an, über die wir seither mit Aufgaben versorgt werden. Jede Klasse hat einen eigenen Zugang und innerhalb der Klasse hat jedes Fach einen eigenen Ordner, in den unsere LehrerInnen ihre Aufgaben einstellen können. In der Zwischenzeit wurde das ganze Konzept noch einmal verbessert und umstrukturiert.

Seit nach den Osterferien mussten wir nur noch Aufgaben aus den Hauptfächern bearbeiten, die Nebenfächer wurden zu Projekten zusammengefasst und sind nun freiwillig zu erledigen.

Außerdem gibt es Videokonferenzen für die Hauptfächer, in denen wir die Möglichkeit haben Fragen zu stellen und den Stoff virtuell zu besprechen. Wir haben die Konferenzen über die Plattform Webex. Unsere LehrerInnen schicken uns per Email den Einwahllink zu dem Meeting und wir können dann beitreten.

Auch die Hochschulen haben komplett auf Onlineunterricht umgestellt. Meine Mutter arbeitet hauptsächlich über Zoom, da diese Plattform für sie passende Tools sowohl für große Klassen als auch für deren Aufteilung in Kleingruppen zur Workshop-Arbeit mit virtuellen ‚breakout

sessions‘, also Gruppenarbeitsräumen, zur Verfügung stellt. Zusammen mit ihrer Kollegin haben sie in mehreren Sessions, unter Einbezug unserer kompletten Familie, diese Plattform erkundet und herausgefunden, was man alles machen kann und wo das Programm Grenzen hat. Es fühlt sich für mich gut an, wenn ich zusammen mit meinen Eltern Neues austesten kann.

Ich selbst war in unseren deutschen Sommerferien 2019 auch in Neuseeland, habe Ellen besucht und habe an Ellens Schule fünf Wochen Schulalltag schnuppern dürfen. Daher habe ich eine enge Freundin in Neuseeland, Grace. Auch habe ich eine Chat-Freundin in Amerika, Aleaha, die jetzt im Juni zum Austausch zu mir nach Deutschland kommen wollte. Mit beiden chatte ich regelmäßig und beide haben mir berichtet, dass es in ihren Schulen jetzt auch reinen Onlineunterricht gibt. Vor allem für Grace in Neuseeland ist das allerdings keine so große Umstellung, da sie auch im normalen Unterricht oft am Laptop/MacBook arbeiten und via google classroom die Aufgaben von den LehrerInnen bekommen. Nur dass sie nun auch nicht mehr persönlich in die Schule können und auch von zuhause aus sich in den virtuellen Unterricht einwählen ist bei ihr anders geworden.

Für mich war es am Anfang sehr spannend, dass wir jetzt auch am Laptop Unterricht hatten. Ich finde es sehr cool mal neue Sachen auszuprobieren und sich selbst zu organisieren. Ganz nebenbei fällt dadurch für mich auch das extrem frühe Aufstehen weg, was natürlich sehr angenehm ist. Sich aber selbst zu strukturieren und seinen Alltag zu planen war und ist nicht immer leicht für mich. Ich musste mich an die neue Situation gewöhnen und mir eine gute Übersicht und Struktur erstellen. Ich muss jetzt an die ganzen Abgabedaten und Meetings selbst denken. Mir haben To-Do-Listen geholfen, die ich entweder am Abend vorher oder morgens immer -oder besser meistens- für einen Tag geschrieben habe. Wir haben Lerngruppen eingeführt und Lernpartner bekommen. Das ist insofern hilfreich, als dass wir jetzt gezielt telefonieren, bzw. WhatsApp FaceTime nutzen können und die Aufgaben zusammen bearbeiten können, wenn man mal alleine nicht weiter kommt. Die virtuellen Klassenmeetings sind für mich sehr hilfreich, da das ein bisschen Normalität widerspiegelt. All die Menschen, meine

Freundinnen, die sonst jeden Tag mit mir in einem Zimmer sitzen, endlich wieder zu sehen und zu hören war für mich in irgendeiner Weise beruhigend. Auch bei mir gab und gibt es Hochs und Tiefs. Ich hatte Zeiten in denen ich wirklich konzentriert und produktiv arbeiten konnte. Tage, wo ich mich auch auf mich konzentriert habe und am Ende des Tages wirklich zufrieden war mit dem, was ich gemacht hatte. Aber es gab auch solche Tage an denen ich faul war, mal nur rumgelegen bin. Und an meinem Geburtstag, einem Wochentag, habe ich schlicht gar nicht an

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Schule gedacht! Und dann hatte ich auch so Phasen, in denen es mir wirklich moralisch nicht gut ging. Ich hatte sehr viele Probleme damit klar zukommen, dass ich mehr oder weniger zuhause bleiben sollte. Ich konnte mich nicht mit meinen Freunden treffen und nicht meine gewohnten Hobbys und Tagesabläufe genießen. Sehr oft war ich einfach aus keinem klar ersichtlichen Grund schlecht drauf und traurig. Viele wichtige Menschen in meinem Leben, die ich zuvor fast jeden Tag gesehen habe, waren nicht mehr da. Und es gibt einfach viele Dinge, die man gerne so von Person zu Person bespricht und nicht übers Internet.

Zusätzlich spitzte sich die Lage mit Ellens Rückflug zu. Dieser wurde am 16. März gecancelled und meine Mutter hat in den folgenden Tagen noch drei weitere kommerzielle Flüge gebucht, die alle wieder jeweils gestrichen wurden. Ich hatte zwischendurch wirklich dicke Angst, dass Ellen noch lange Zeit nicht nach Hause zurückkommen würde.

Ich bin sehr eng mit Ellen verbunden und sie hat immer ein offenes Ohr für mich. Aber auch hier ist eben online anders als eine echte Umarmung!

Toll war aber, dass ich meinen Pflegehund, Maja, fast jeden Tag holen durfte und wir lange gemütliche Spaziergänge durch die Natur gemacht haben. Zusammen neue Wald- und Feldwege zu entdecken waren gute Ablenkungen und Lernpausen in meinem Alltag. Auch bei langen Ausritten in den Wald mit meiner Reitbeteiligung kann ich meine Sorgen und das was mich belastet auf dem Boden lassen, wie wir gerne so schön sagen. Im Moment empfinde ich es als Privileg, in einem kleinen Dorf mit vielen Feldern und Wald drum herum zu wohnen.

Mein Alltagsleben in Deutschland mit der Pandemie

Wir Schüler waren schon zu Hause, als dann auch alle Kleinhandelsläden schließen mussten und nur noch die größeren Supermärkte sowie Drogerien, Apotheken und Ärzte offen haben durften. Die, die noch offen waren, mussten sehr viele

Vorkehrungen treffen. Sicherheitsmaßnahmen sind zum Beispiel, dass nur eine bestimmte Personenzahl in den Laden oder Raum darf oder dass an den Kassen auf dem Boden Markierungen sind, wo man stehen darf, damit der nötige

Sicherheitsabstand eingehalten werden kann. Das fand ich seltsam, zumindest zu Beginn. Außerdem dürfen bei Ärzten nur eine bestimmte Anzahl Patienten ins Wartezimmer. Auch ich musste während der Pandemie einmal zum Arzt und einmal zum Kieferorthopäden, und das Gefühl war sehr komisch. Jeder zweite Stuhl in den Wartezimmern war entfernt worden und es wurde immer auf genügend Sicherheitsabstand geachtet.

In der Tagesschau wird nur noch von der Pandemie berichtet, alle Neuigkeiten rund ums Thema Corona und die wirtschaftlichen Schäden, die durch den

Lockdown verursacht wurden. Neue Erkenntnisse, Verschärfungen oder Lockerungen der Regeln und Maßnahmen. Corona überall.

Doch wie geht Neuseeland mit der Pandemie um?

Meine Schwester redet gerne viel, aber jetzt komme ich, Ellen, auch endlich zu Wort:

Wie man oben in der Zeitlinie sieht, hat Neuseeland nach der Ankunft des Virus sehr schnell reagiert und auch sehr zügig Maßnahmen getroffen. Dadurch konnte eine rasche und

großflächige Ausbreitung deutlich effektiver eingeschränkt werden. In Deutschland hat man mit

Pflegehund Maja

Reitbeteiligung Chico

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Maßnahmen und Regeln vergleichsweise lange gewartet, wodurch viel mehr Menschen infiziert wurden und die Todeszahlen stiegen. Man darf hier aber nicht außer Acht lassen, dass in Neuseeland deutlich weniger Menschen leben als in Deutschland und die Bevölkerungsdichte um ein Vielfaches geringer ist (Neuseeland hat etwa so viele Einwohner wie Rheinland-Pfalz, aber in etwa dieselbe Fläche wie die gesamte Bundesrepublik Deutschland). Es gibt in Neuseeland nicht annähernd so große Städte wie in Deutschland, und es gibt weniger

Wohngemeinschaften oder Hochhäuser was wiederum bedingt, dass man sich besser aus dem Weg gehen kann als die Leute vor allem in Deutschlands Großstädten. Zudem war beim

Ausbruch der Pandemie in Neuseeland längst klar, was zur Eindämmung des Virus hilft, und wie man die infizierten Menschen gut versorgen und behandeln kann, da Neuseeland die erste Infizierung im weltweiten Vergleich erst sehr spät bekommen hat. Neuseeland konnte also bei anderen Ländern, in denen das Virus schon ausgebrochen war, sehen welche Maßnahmen halfen und welche nicht. Passende Maßnahmen wurden dann sehr schnell und konsequent eingeführt und Krankenhäuser auf Patienten vorbereitet und Bettenkapazitäten bereitgestellt.

Die Regierung um Jacinda Ardern, bekannt für zügiges Handeln, hat auch hier fix und klar kommuniziert und schnell weitreichende Regularien aufgestellt und Maßnahmen ergriffen.

Eine länderspezifische Maßnahme ist zum Beispiel, dass Neuseeland verschiedene „Levels“

eingeführt hat. Insgesamt gibt es vier Levels und die Regierung entscheidet und verkündet auf welchem Level das gesamte Land sich momentan befindet.

Level 1 heißt „prepare“, also vorbereiten.

Die Gefahr, welche von der Pandemie ausgeht, ist der Regierung bewusst. Allerdings gibt es in dieser Phase nur sehr wenige Fälle. In Neuseeland wurde die Krankheit durch Heimkehrer von Überseereisen eingeschleppt. Hier ist zu beachten, dass es keine Infizierungen in zusätzlichen, neuen Haushalten gibt. Neuinfektionen treten nur in Haushalten auf, in denen es schon infizierte Personen, wie zum Beispiel die Mutter oder den Vater, gibt.

Level 2 heißt „reduce“, also verringern.

Es gibt akute Fälle und das Virus soll in seiner Ausbreitung gehindert und eingedämmt werden.

Schulen und die meisten Läden werden als Vorsichtsmaßnahmen geschlossen, da erste Haushalte durch sogenannte „Community Transmission“ infiziert werden.

Level 3 heißt „restrict“, also einschränken.

Es besteht ein hohes Infektionsrisiko und man sollte soziale Kontakte weitestgehend vermeiden.

Allerdings ist es erlaubt draußen zu sein. Das heißt man kann zum Beispiel an den Strand gehen, man kann Spaziergänge machen oder Fahrradfahren gehen. Alles jedoch mit einem

Mindestabstand von 1,5 Metern. Alle Läden, welche keine Lebensmittel verkaufen, müssen schließen und Lebensmittelläden müssen starke Hygienevorrichtungen beachten. Diese sind zum Beispiel Masken, Handschuhe und Schutzbrillen für Personal bereitstellen und die Kunden nur mit Masken eintreten lassen.

Level 4 heißt „Lockdown“, also Ausgangssperre.

Man darf nicht mehr raus gehen zum Spazieren, Fahrradfahren oder anderen Tätigkeiten. Nur wenn es absolut nötig ist, darf man für sehr kurze Zeit das Haus verlassen, zum Beispiel zum Einkaufen oder wenn man zum Arzt muss.

Wie im Zeitstrahl vermerkt, ging Neuseeland direkt bei Verabschiedung der Levels am 23. März zu Stufe 3 und zwei Tage später schon zu Level 4.

Für viele Menschen war das schwierig, da sie nur zwei Tage hatten, um noch innerhalb des Landes eventuell zu Familien reisen zu können oder für Geschäftsleute die Firma zu schließen oder auf Home Office umzustellen.

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Das Resultatzeigt sich in der niedrigen Toten-Anzahl:

21 in Neuseeland und 7.884 in Deutschland (Stand 15.05.2020) Und selbst prozentual zur Gesamtbevölkerung heißt das:

0,0004% in NZ und 0,0095% in D, also Faktor 21.

Ich selbst war bis zu meiner Abreise in Level 4. Auch wir, meine komplette Gastfamilie und ich, waren sehr dankbar für Haus und Garten und die Möglichkeit über die Felder hinten spazieren zu gehen.

Und Level 4 hat auch meine Reise zum Flughafen Christchurch, fünf Stunden Autofahrt von Dunedin entfernt, deutlich erschwert, da wir dafür eine Ausnahmeerlaubnis erwirken mussten.

Eine Begegnung mit Corona?

Den direktesten Kontakt mit Corona-Erkrankungen hatte unser Vater.

Daher kommt jetzt er, Günter, kurz zu Wort:

Ich habe den Krisenstab meiner Firma geplant und mit aufgebaut. Wir haben zum Beispiel organisiert, dass in der Kantine genügend Abstand zwischen den Mitarbeitern bleibt, dass am Empfang am Eingang eine Schutzwand aus Plexiglas aufgebaut wird, überall zwischen den Schreibtischen genügend Abstand ist, alle Türen immer offen bleiben müssen und allgemein so viele Mitarbeiter wie möglich von zuhause aus arbeiten können. Leider wurden zwei unserer Mitarbeiter schon sehr früh, Mitte März, positiv auf Covid-19 getestet, so dass wir schnell herausfinden mussten mit wem diese beiden Kontakt hatten und diese Personen alle in

Quarantäne schicken mussten. Gott sei Dank hat sich niemand sonst angesteckt und die beiden Mitarbeiter sind inzwischen auch wieder gesund.

Wir haben für diejenigen, die ins Büro kommen Desinfektionsmittel bereitgestellt sowie in unseren Nähereien in Rumänien und Ungarn Mundschutze herstellen lassen und an alle

Mitarbeiter verteilt. In der Zeit der absoluten Toilettenpapierknappheit in Deutschland konnten unsere Mitarbeiter bei unserem Facility Manager Toilettenpapier für den persönlichen Bedarf mitnehmen.

Inzwischen planen wir den weltweiten Wiederhochlauf unserer Produktionsstätten.

Das Rückholprogramm der deutschen Regierung

Jetzt erzähle wieder ich, Ellen, noch immer in Neuseeland:

Ein weiterer Teil der Maßnahmen, die kurz nach der ersten Corona-Infektion gezogen wurden, war das sofortige und starke Einschränken des internationalen sowie auch nationalen

Flugverkehrs. Neuseeländer, welche wieder ins Land kommen wollen dürfen einreisen, allerdings nur wenn sie symptomfrei sind. Aber jede einreisende Person muss sich direkt für zwei Wochen in strikte häusliche Quarantäne begeben, damit garantiert werden kann, dass sie sich nicht mit dem Virus infiziert hat. Hier fragt die Regierung bei den jeweiligen Personen auch konsequent nach zwei Wochen nach, ob sie Symptome entwickelt haben oder nicht. Wenn ja, werden alle anderen Mitreisenden auf dem gleichen Flugzeug per E-Mail informiert. Ausreisen wurden kurz nach Lockdown zum Schutz der Bevölkerung komplett verboten.

Einzig für so genannte „Repatriation Flights“ wurden Ausnahmeregelungen eingeführt, was in Deutschland als „Rückholprogramm der Bundesregierung“ bekannt ist. Die Rückholaktion wurde von der Deutschen Regierung gestartet, um deutsche Touristen, Studierende oder

AustauschschülerInnen aus Neuseeland, bzw. weltweit, wieder nach Deutschland bringen zu

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Registrierung für den Rückholflug am Flughafen in Christchurch (Quelle: Deutsche Botschaft in Wellington, Neuseeland)

können. Diese Flüge gingen nur von jeweils einem Flughafen der Nord- oder Südinsel ab. Die Flughäfen Auckland und

Christchurch wurden früh benannt, zwei Tage vor Lockdown, und Touristen gebeten, sich in die Nähe dieser Städte zu bewegen. Zuerst wurden somit alle diejenigen nach Hause geflogen, die nah am jeweiligen Flughafen in Hotels

untergebracht waren, und solche, die auf der Straße campen oder unter sehr schlechten Umständen wohnen mussten, weil Hotels, Hostels und Campingplätze geschlossen hatten. Und manchem Touristen war auch schlicht das Geld ausgegangen.

Das wusste die deutsche Regierung, da jeder sich auf einer Plattform „elefand“ registrieren musste. Dies verschaffte täglich den Überblick darüber, wie viele Deutsche noch in Neuseeland

festsaßen. Die Personen, denen ein Platz auf einem Flug zugewiesen worden war, bekamen eine E-Mail, in der stand, dass sie innerhalb von 48 Stunden am Flughafen sein mussten. Da meine Eltern auf dieser Plattform angegeben hatten, dass ich in meiner Gastfamilie in einem komplett sicheren Umfeld bin, bekam ich erst sehr, sehr spät eine E-Mail. Auf dem vorletzten Flug, Nummer 25 von insgesamt 26 Repatriation Flights, am 13. April, bekam ich endlich meinen Platz nach Deutschland zurück.

Die Wartezeit war moralisch immer wieder aufreibend für mich. Ich war sehr gerne in meiner Gastfamilie und in Neuseeland, es ist mir zur zweiten Heimat geworden, aber ich war innerlich schon darauf eingestellt wieder zu meiner richtigen Familie nach Deutschland zurück zu kehren.

Knapp vier Wochen saß ich auf gepackten Koffern und schaute täglich mehrmals nach, ob ich eine E-mail bekommen hatte. Immer wieder habe ich mit meinem Gastvater, John, über die Situation gesprochen und er und meine Mutter in Deutschland haben fast täglich die

Nachrichten der einzelnen Regierungen besprochen, sowie die Updates der deutschen Botschaft in Wellington zum Rückholprogramm, welche jeweils nur in deutscher Sprache veröffentlicht wurden. Als dann endlich die E-Mail mit meiner Flugbestätigung kam, musste ich erst einmal weinen und konnte aufatmen.

Nun mussten wir die Fahrt zum Flughafen antreten. Fünf Stunden Fahrt. Nur mein Gastvater durfte fahren, also musste ich mich von meiner Gastmutter und meinen Gastgeschwistern am Haus verabschieden. Es flossen viele Tränen!

Am Flughafen angekommen durfte John allerdings nicht mit in das Gebäude hinein. Somit gab es vor der Eingangstüre eine dramatische Abschiedszene, die uns beiden nochmal bewusst machte, wieviel Spannung diese letzte Zeit beinhaltet hatte.

Nun wurde ich von Tina von ‚Education New Zealand‘ empfangen, die alle SchülerInnen und Studierenden zusammen durch den Flughafen bis ans Gate brachte. Als ich dann endlich im Flugzeug saß, durchgängiges Tragen einer Atemschutzmaske war Pflicht, stand mir eine lange Reise bevor. Der Flug ging von Christchurch zuerst nach Vancouver in Kanada und dauerte bis dahin 13 Stunden. Dann war das Flugzeug für knapp zwei Stunden auf dem Boden und wurde geputzt und betankt. Keiner von uns Passagieren durfte das Flugzeug verlassen, nicht einmal den Platz verlassen, um kein unnötiges Übertragungs-Risiko für Kanada und die Putzkolonne zu erzeugen. Dann ging es gute zehn Stunden weiter nach Frankfurt. Um mögliche Infektionen innerhalb des Flugzeuges zu verhindern wurden alle Fluggäste angewiesen keine Schlange vor den Toiletten zu bilden und wenn möglich auch sitzen zu bleiben, um die Gänge frei zu halten.

Da jeder einzelne Platz im Flugzeug besetzt war, war das sehr anstrengend für alle. Endlich in Frankfurt gelandet, durften wir dann auch nicht einfach aussteigen. Jeweils nur 40 Personen gemeinsam, also 4 Sitzreihen. Begonnen wurde vorne. Alle anderen mussten weiterhin sitzend

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warten. Nach fünf Minuten durften dann die nächsten 40 Passagiere aussteigen. Dadurch sollte es auch im Flughafengebäude, z.B. bei der Passkontrolle nicht zu langen Schlangen kommen. Ich war sooooo froh, als ich endlich stehen und laufen durfte!

Fazit der Repatriation Flights:

Mit knapp über 12.000 Personen ist Neuseeland das Land mit der höchsten Zahl der Rückholer.

Aus Auckland, Nordinsel, etwas über 7.000 Personen und aus Christchurch, Südinsel, etwas unter 5.000 Personen

So, jetzt darf mal wieder ich, Nadja, sprechen:

Für mich war diese Zeit auch sehr schwer, da meine Schwester fast zwei Jahre in Neuseeland war und ich sie sehr vermisst habe. Und am Ende anstatt Freude diese nervenaufreibende Ungewissheit. Um es meiner Schwester und mir in der schweren Zeit ganz am Ende ihres Aufenthalts etwas leichter zu machen haben wir jeden Tag auf WhatsApp geschrieben und uns so ziemlich jeden zweiten Tag dann auch über FaceTime

unterhalten

Zwei Tage bevor Ellen am 14. April landete, hat Deutschland ein Gesetz eingeführt, welches alle Einreisenden dazu verpflichtet, zwei Wochen in häusliche Quarantäne zu gehen. Von vier Wochen Lockdown zu zwei Wochen Quarantäne!

Ellen musste sich dazu beim lokalen Ordnungsamt melden, damit dieses den Überblick hat wer alles im Ort in Quarantäne ist. Zum Glück hat sie keinerlei

Symptome gezeigt, und konnte das am Ende der Quarantänezeit dann auch so melden. Doch zuerst musste klargestellt werden ob die Quarantäne nur für Ellen galt oder für die ganze Familie. Dies wusste unser lokaler Ansprechpartner leider auch nicht, weswegen wir vereinbarten, dass es nur für Ellen gelten sollte.

Jetzt, nachdem Ellens Quarantäne vorbei ist, kehrt so allmählich auch bei uns eine etwas andere Normalität in den Alltag zurück. Unser Vater geht zwei bis drei Mal die Woche ins Büro, die restlichen Tage ist er im Home Office. Unsere Mutter arbeitet von zuhause aus und ich habe mich in meine Online-Schooling Routine eingelebt. Meine Schwester hat jetzt mit ihrem Führerschein begonnen, sortiert nach zwei Jahren ihr

Zimmer neu und sonst jobbt sie beim Erdbeer-Beck, der lokale Obstbaubetrieb hier in unserem Dorf, im Verkauf.

Dies muss sie natürlich auch mit einem Mund-Nasen- Schutz tun. Und dann mal sehen, was wir bis zu den Sommerferien machen können 

Meine Schwester und ich nutzen die Möglichkeiten, die es seit den Lockerungen der Maßnahmen am 4. Mai 2020 gibt, um etwas mehr Fahrrad zu fahren und an der frischen Luft zu sein.

So bleiben wir und unsere ganze Familie auch weiterhin in vielen Aspekten in Bewegung!

Vielen herzlichen Dank fürs Durchhalten beim Einblick in unsere Geschichte der Corona Pandemie!

Endlich treffe ich meine Schwester in Frankfurt

Fahrradausflug mit Ellen – die das Bild macht.

Referenzen

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