Hauptbeitrag
Ger J Exerc Sport Res 2020 · 50:487–500 https://doi.org/10.1007/s12662-020-00668-5 Eingegangen: 13. Januar 2020
Angenommen: 10. Juli 2020 Online publiziert: 7. August 2020
© Der/die Autor(en) 2020, korrigierte Publikation 2021
Jan Erhorn · Leonie Moeller · Wiebke Langer
Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften, Universität Osnabrück, Osnabrück, Deutschland
Hochschuldidaktische
Lehrkonzepte zur Vorbereitung angehender Sportlehrkräfte auf einen inklusiven Sportunterricht
Eine kritische Bestandsaufnahme des Forschungsstandes
Viele Lehrkräfte fühlen sich den Her- ausforderungen eines inklusiven Sport- unterrichts nicht gewachsen (Block &
Obrusnikova,2007; Reuker et al.,2016).
Sie haben den Eindruck, oftmals nicht ausreichend ausgebildet zu sein, um auf der Ebene des Unterrichts mit der Di- versität der Lernenden umzugehen (Tie- mann,2016). Diese Befunde sind alar- mierend und verweisen auf die Notwen- digkeit, (angehende) Sportlehrkräfte bes- ser auf die Anforderungen eines inklu- siven Sportunterrichts vorzubereiten. In den letzten Jahren hat sich ein beacht- licher Fachdiskurs entwickelt, der sich mit einem inklusiven Sportunterricht be- schäftigt und der durch einen Anschluss an international fortgeschrittene Diskur- se und eigene Weiterentwicklungen zu- nehmend konzeptionell und empirisch an Substanz gewinnt. Erste Studien deu- ten darauf hin, dass die Einstellungen von Studierenden zu einem inklusiven Sportunterricht durch universitäre Lehr- veranstaltungen positiv beeinflusst wer- den können (Block, Healy, Kwon, Ruin &
Volkmann,2017; Friedrich, Gräfe, Pögl
& Scheid,2017; Hutzler, Meier & Reuker, 2017; Ruin & Meier,2019; Tripp & Rizzo, 2006). Auch wenn die Entwicklung und Evaluation von Lehrformaten für die Vor- bereitung von Lehramtsstudierenden auf einen inklusiven Sportunterricht noch am Anfang steht, liegen mittlerweile be- reits erste hochschuldidaktische Ansätze vor (Friedrich et al.,2017, S. 9; Reuker
et al.,2016, S. 96). Diese werden im vor- liegenden Beitrag im Hinblick auf ihre Grundannahmen, Designs und Evalua- tionsergebnisse systematisch analysiert, reflektiert und kritisch gewürdigt. Aus- gehend von diesen Ergebnissen werden anschließend Vorschläge formuliert, wie zukünftige Lehrformate entwickelt und evaluiert werden können.
Recherche hochschul- didaktischer Lehrformate
Zwar finden sich derzeit zahlreiche Verweise auf innovative Lehrformate zur Vorbereitung auf einen inklusiven Sportunterricht, differenziert dokumen- tiert und zugänglich veröffentlicht wur- den bisher jedoch nur wenige (Block et al.,2017; Reuker et al.,2016). Auch Überblicksartikel, in denen die unter- schiedlichen Konzepte im Hinblick auf ihre zentralen Inhalte, Formate und methodischen Ansätze verglichen wer- den, stellen ein Desiderat dar. In einem ersten Schritt wurden daher für den vorliegenden Beitrag hochschuldidakti- sche Lehrformate recherchiert, welche die folgenden Kriterien erfüllen:
4Die Lehrformate sind explizit für die Vorbereitung auf einen inklusiven Sportunterricht entwickelt worden:
Es werden Formate ausgeschlossen, die keinen Fokus auf das Setting Schule haben und sich nicht auf das Unterrichtsfach Sport beziehen, da
angenommen wird, dass sich diese Formate nicht an den spezifischen Anforderungen eines inklusiven Sportunterrichts orientieren.
4Die Lehrformate sind für die univer- sitäre Phase der Sportlehrkräftebil- dung konzipiert: Es werden Formate ausgeschlossen, die für die Weiter- bildung von bereits im Schuldienst tätigen Sportlehrkräften oder für das Studienseminar entwickelt worden sind, da angenommen wird, dass die fehlenden bzw. sehr geringen Erfahrungen mit eigener unterrichtli- cher Performanz spezifische Zugänge erfordern.
4Im Rahmen von Publikationen wer- den differenzierte Angaben zu Zielen, Inhalten und Methoden der Lehr- formate gemacht: Formate, für die keine hinreichenden Informatio- nen zum Aufbau vorliegen, können keiner fruchtbaren Analyse unter- zogen werden und werden daher ausgeschlossen.
4Die Veröffentlichung erfolgte in deutscher oder englischer Sprache:
Die Verfasser*innen des Beitrags sind aufgrund ihrer sprachlichen Kompetenzen lediglich in der Lage, Publikationen in deutscher und englischer Sprache in einer Weise zu verstehen, die eine fruchtbare Analyse möglich macht. In anderen Sprachen publizierte Beiträge werden daher ausgeschlossen.
Tab. 1 Übersicht der analysierten Lehrformate
Zugehörige Veröffentlichungen Veranstaltungsname Veranstaltungsart
Kudláček, Ješina & Flanagan (2010);
CARA (2009)
Vorlesung des European Inclusive Physical Education Training (EIPET) Vorlesung
Kudláček et al. (2010); CARA (2009) Praktische Erprobung des European Inclusive Physical Education Training (EIPET) Veranstaltung mit Praxis- anteilen
Friedrich et al. (2017) Unbekannt Seminar
Duensing-Knop, Kaundinya, und Neuber (2018)
Unbekannt Seminar
Duensing-Knop et al. (2018) „Vermittlungsbezogene Praxisvertiefung zum Umgang mit Heterogenität“ Veranstaltung mit Praxi- santeilen
Weber (2018) Modul zur inklusiven Fachdidaktik Sport (InSpo) mit Fokus Sonderpädagogi- scher Förderbedarf, Interkulturalität, Gender
Seminar und Praxissemi- nare
CARACentre for Adapted Physical Activity
Für die Recherche wurden die Literatur- datenbank desFachportals Pädagogik, die virtuelle Fachbibliothek Sportwissenschaft (ViFA:Sport) sowie die Literaturdaten- bank des Bundesinstituts für Sportwis- senschaft (SPOLIT) genutzt. Als Ergebnis der Recherche konnten fünf Publikatio- nen und sechs Lehrformate identifiziert werden, welche den oben genannten Kri- terien entsprechen (.Tab.1) und in die Analyse eingeflossen sind.1
Analyse der hochschul- didaktischen Lehrformate
Bei der nachfolgenden Analyse der recherchierten hochschuldidaktischen Lehrformate stehen die Aspekte Ge- genstandsverständnis eines inklusiven Sportunterrichts, Kompetenzorientie- rung und Genese des Kompetenzmo- dells, Ziele und methodisch-didaktischer Zugang (Methoden, Medien, Organi- sations- und Interaktionsformen) und Evaluation im Zentrum der Betrachtung.
Gegenstandsverständnis eines inklusiven Sportunterrichts
In der erziehungswissenschaftlichen Fachdiskussion wird Inklusion oft als ein diffuser Begriff bezeichnet (Werning, 2010; Wocken,2014), lässt sich Inklusi-
1 Das Lehrformat Inklusive Bildung an der Schnittstelle von Praxisphasen und Sportdidaktik von Veber et al. (2015) wird für die weitere Analy- se nicht berücksichtigt, da keine differenzierten Angaben zu Zielen, Inhalten und Methoden gemacht werden.
on doch auf organisationaler, rechtlicher oder sozialer Ebene bestimmen (Gro- sche,2015). In der Sportpädagogik und in der Sportdidaktik herrscht eine rege Diskussion darüber, was unter einem inklusiven Sportunterricht verstanden werden soll (Giese & Weigelt,2015; Mei- er & Ruin,2015; Tiemann,2015a,2018).
Dabei kann grob zwischen einem en- gen Verständnis, welches Förderbedarfe im Sinne von Förderschwerpunkten als zentrale heterogenitätsbestimmende Differenzkategorie fokussiert (u. a. Fe- diuk, 2008; Giese, 2016a,2016b; Giese
& Weigelt,2017; Neumann,2019), und einem weiteren Verständnis, welches vielfältigere heterogenitätsbestimmen- de Differenzkategorien berücksichtigt wissen möchte oder sogar eine Deka- tegorisierung fordert (Tiemann,2015a, 2015b, 2019), unterschieden werden.
Die Lehrformate können zwischen den Polen eines engen und eines weiten Inklusionsverständnisses eingeordnet werden.
Das Theorieseminar von Friedrich et al. (2017) kann einem engen Verständ- nis eines inklusiven Sportunterrichts zugeordnet werden. So beziehen sich Friedrich et al. (2017) explizit auf eine Definition des hessischen Kultusminis- teriums (2015, S. 48): „Inklusive Beschu- lung von Schülerinnen und Schülern mit Anspruch auf sonderpädagogische För- derung und ohne diesen Förderanspruch findet als Regelform in der allgemeinen Schule in enger Zusammenarbeit mit dem zuständigen sonderpädagogischen Beratungs- und Förderzentrum und gegebenenfalls unter Beteiligung der
Förderschule statt.“ Das Lehrformat von Friedrich et al. (2017) zielt demnach auf eine Vorbereitung der Studierenden auf einen gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne diagnostizierte sonderpädagogische Förderbedarfe an Regelschulen ab.
Die Autor*innen des EIPET (CARA Centre for Adapted Physical Activity, 2009; Kudláček et al., 2010) positio- nieren sich zwar nicht explizit, bei der Betrachtung der thematischen Blöcke der EIPET-Vorlesung wird jedoch deutlich, dass dieses Lehrformat auf einem eher engen Inklusionsverständnis beruht. So werden gleich zu Beginn der Vorlesung mit drei Unterrichtseinheiten zum Be- wusstsein für Behinderungsowie in einer sich anschließenden Unterrichtseinheit zu spezifischenBeteiligungshindernissen behinderungsbezogene Einstellungen und Überzeugungen thematisiert. Der Themenblock Pathophysiologie von Be- hinderungen nimmt mit sieben Unter- richtseinheiten den größten zeitlichen Anteil an der Vorlesung ein. Dabei wer- den spezifische Förderschwerpunkte und Behinderungen mit ihren Auswirkun- gen auf die Teilnahme an Sportunterricht beleuchtet. Inklusiver Sportunterricht er- scheint im Kern alsInklusionvon Schü- ler*innen mit Behinderungen in den Regelsportunterricht. Dieser Eindruck wird auch durch die Einheiten zuBehin- dertensportprogrammen (eine UE) und zu den Psychomotorische Bewertungen (zwei UE) verstärkt. Noch deutlicher tritt diese Orientierung im Kontext der prak- tischen Erprobung des EIPET zu Tage. In den von Kudláček, Válková, Sherrill, und
Myers (2002) konzipierten praktischen Erprobungen sollen die Studierenden explizit positive Erfahrungen mit kör- perlichen Aktivitäten für Menschen mit Behinderungen machen, indem sie mit Unterstützung der Tutorin/des Tutors ein achtwöchiges Aktivitätsprogramm für eine Behindertensportgruppe pla- nen und in Kleingruppen durchführen (CARA,2009, S. 137–142). Es wird ein eindeutiger Fokus auf die Differenzkate- gorieBehinderunggelegt.
Das Studienmodul von Weber (2018) basiert auf einem weiten Inklusionsver- ständnis im Sinne einer „Pädagogik der Vielfalt“ (Prengel,2006) und fokussiert nicht nur die Differenzdimension Be- hinderung. Auf den Einbezug sportbezo- gener konzeptioneller Grundlagen wird bei Weber allerdings verzichtet. Außer- dem fokussiert das Studienmodul in den angebotenen praxisorientierten Modul- bausteinen ausschließlich die drei Diffe- renzdimensionen (sonderpädagogischer Förderbedarf, Interkulturalität, Gender), was ihnen ein auffällig hohes Gewicht verleiht.
Das Seminarkonzept und die ver- mittlungsbezogene Praxisvertiefung zum Umgang mit Heterogenität von Duen- sing-Knop et al. (2018) thematisiert zwar auch die DifferenzkategorieBehin- derung, öffnet diese jedoch und rückt anschließend das Phänomen der Hete- rogenitätins Zentrum der Betrachtung.
Dabei orientieren sich die thematisierten Inhalte am Konzept einer „(Sport-)Päd- agogik der Anerkennung“ (Neuber &
Gebken,2009). Zentraler Grundgedan- ke dieser ist, „eine Subjektbildung in Anerkennungsverhältnissen zu ermög- lichen“ (Neuber & Gebken,2009, S. 9).
Voraussetzung hierfür ist das Auseinan- dersetzen mit und das Anerkennen von Vielfalt. Dies zeigt sich in der Akzeptanz von anderen Subjekten in ihrem indivi- duellen Sein bzw. Lebenskontext in den Feldern sozialer sowie ethnischer Her- kunft, Geschlecht und Bewegungsstatus – wobei die Akzeptanz nicht nur als Ziel, sondern auch als eine handlungsleitende Orientierung pädagogischer Bemühun- gen verstanden wird (Neuber & Gebken, 2009; Scherr,2002). Mit dem Ringen um Anerkennung des Fremd- oder Anders- Seins gehe auch immer eine Auseinan-
Zusammenfassung · Abstract
Ger J Exerc Sport Res 2020 · 50:487–500 https://doi.org/10.1007/s12662-020-00668-5
© Der/die Autor(en) 2020 J. Erhorn · L. Moeller · W. Langer
Hochschuldidaktische Lehrkonzepte zur Vorbereitung
angehender Sportlehrkräfte auf einen inklusiven Sportunterricht.
Eine kritische Bestandsaufnahme des Forschungsstandes
Zusammenfassung
Die Qualifizierung von (angehenden) Sportlehrkräften für einen inklusiven Sportunterricht stellt eine zentrale Her- ausforderung für die sportdidaktische Forschung und Lehre dar. Obwohl sich in den letzten Jahren um die Thematik eines inklusiven Sportunterrichts ein lebhafter Forschungsdiskurs entwickelt hat, der zum einen den Anschluss an international weiter fortgeschrittene Diskurse sucht, zum anderen inzwischen selbst konzeptionell und empi- risch an Substanz gewinnt, liegen bisher nur wenige hochschuldidaktische Lehrformate zur Vorbereitung angehender Sportlehrkräfte
für einen inklusiven Sportunterricht vor. In diesem Beitrag werden publizierte hoch- schuldidaktische Lehrformate systematisch analysiert und kritisch gewürdigt. Auf dieser Grundlage werden anschließend Vorschläge für die weitere Entwicklung und Evaluation universitärer Lehrformate formuliert.
Schlüsselwörter
Sportlehrkräftebildung · Hochschuldidaktik · Kompetenzmodellierung · Inklusiver Sportunterricht · Situationsspezifische Fähigkeiten
Academic physical education training for inclusive physical education? A critical review of the state of research
Abstract
The qualification of (prospective) physical education teachers for inclusive physical education is a central challenge for didactic research and teaching. Although a lively research discourse has developed around the topic of inclusive physical education in recent years, which, on the one hand, seeks to tie in with the more advanced international discourses and, on the other hand, has itself gained conceptual and empirical substance, there are still only a few concepts for the targeted preparation of prospective physical education teachers for inclusive physical
education. In this article, published higher education teaching formats are systematically analysed and critically acknowledged. On this basis, proposals for the further development and evaluation of higher education teaching formats are formulated.
Keywords
Academic PE teacher training (PETE) · Higher education didactics · Modeling of professional competencies · Inclusive physical education · Situation-specific skills
dersetzung mit dem Eigenen einher, was zur (Weiter-)Entwicklung gemeinsamer Werte beitragen könne (Duensing-Knop et al.,2018, S. 110; Neuber & Gebken, 2009, S. 10).
Kompetenzorientierung und Genese des Kompetenzmodells
Die analysierten Lehrformate weisen in unterschiedlicher Weise eine Kompe- tenzorientierung auf. Zudem unterschei- den sich die Formate z. T. erheblich im Hinblick auf die konkret angestrebten Kompetenzen, deren Schwerpunktset- zungen, den Grad der Explikation von
Kompetenzzielen und deren theoretische und empirische Fundierung.
Theoretische Vorbetrachtungen Im deutschsprachigen Diskurs wird Kompetenz zumeist im Sinne der De- finition von Weinert verstanden, der Kompetenz bestimmt als „(. . . ) die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbunde- nen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwor-
Abb. 19Kompetenz als Kontinuum (mod. nach Blö- meke et al.2015a)
tungsvoll nutzen zu können“ (Weinert, 2001, S. 27). Im kompetenztheoretischen Diskurs haben sich in den letzten Jahren Modelle etabliert, welche die dispositi- onsorientierten (u. a. Baumert & Kunter, 2006;2011) und performanzorientierten (Oser,2013) Ansätze miteinander ver- knüpfen und sie in eine systematische Beziehung zueinander setzen. Disposi- tion und Performanz werden dabei als durch die situationsspezifischen Fähig- keiten vermittelt angesehen (Blömeke, Gustafsson, & Shavelson, 2015a; San- tagata & Yeh,2016), (.Abb.1).
Im Sinne dieses integrativen Kompe- tenzverständnisses werden auf analyti- scher Ebene derDispositionendie laten- ten Merkmale von professioneller Kom- petenz erfasst und anhand wesentlicher kognitiver und affektiv-motivationaler Facetten operationalisiert. In Anleh- nung an die begriffliche Konzeption von professionellem Wissen nach Shulman (1986) werden kognitive Komponenten meist in Domänen des pädagogischen Wissens, fachdidaktischen Wissens und Fachwissens differenziert (Blömeke, Suhl
& Döhrmann, 2012; Kaiser,2015; Kra- mer, König, Kaiser, Ligtvoet & Blömeke, 2017). Neben den Wissensbeständen werden sowohl in der o. g. Definition professioneller Kompetenz nach Weinert (2001) als auch im vorliegenden Kompe- tenzmodell nach Blömeke et al. (2015a) affektiv-motivationalen Merkmalen eine Bedeutung für erfolgreiches Lehrkräft- ehandeln zugeschrieben. Affektiv-moti- vationale Facetten setzen sich u. a. aus (berufs-)motivationalen Orientierun- gen, metakognitiven und selbstregulati-
ven Fähigkeiten sowie Überzeugungen und Werthaltungen zusammen (Blöme- ke et al.,2012, S. 423; Döhrmann, Kaiser
& Blömeke,2012, S. 327). Dispositionen allein werden allerdings als nicht hinrei- chend für eine professionelle Kompetenz betrachtet, denn diese bedürfen einer situationsadäquaten Überführung in unterrichtliches Handeln auf der Ebene der Performanz. Der Situationsbezug wird von Blömeke et al. (2015a) auf der Ebene der situationsspezifischen Fähig- keitenaufgegriffen. Diese situations- und verhaltensnahen kognitiven Fähigkeiten umfassen die fokussierte Wahrnehmung von relevanten unterrichtlichen Situatio- nen, die wissensbasierte Interpretation dieser und das anschließende Entschei- den über Handlungsoptionen (Blömeke et al.,2014).2Auf Ebene der Performanz, d. h. in berufsbezogenen Anforderungs- situationen, zeigen sich professionelle Kompetenzen so als von der direkten Situation beeinflusstes, variables Verhal- ten bzw. Handeln (Blömeke et al.,2015a;
Kaiser,2015).
Mit der Beschreibung professioneller Kompetenzen als die Fähigkeiten, spe- zifische berufliche Anforderungen un- ter variablen Bedingungen zu bewältigen (Kaiser, 2015; Kunter, Baumert, Blum,
& Neubrand, 2011; Oser, 2013), wird im Sinne der oben zitierten Definition von Weinert (2001) darauf hingewiesen,
2 Zur Ausdifferenzierung der drei Subprozesse derWahrnehmung,InterpretationundEntschei- dung dient die Professionelle Wahrnehmung nachvanEsundSherin(2008)alsBezugskonzept (Blömeke et al.,2014; Kramer et al.,2017).
dass ein systematischer Zusammenhang zwischen Kompetenzen und den Anfor- derungen bzw. Anforderungssituationen besteht (Blömeke et al., 2015a; Blöme- ke, König, Suhl, Hoth, & Döhrmann, 2015b; Bromme,2008; Kaiser,2015; Oser, 2013). In Anlehnung an diese Position sollte eine Modellierung von Kompeten- zen daher auf Grundlage einer Bestim- mung von gegenstandsbezogenen An- forderungen und Anforderungssituatio- nen erfolgen (Baumgartner, 2013; Er- horn, Setzer, & Wohlers,2019; Oser, Bau- der, Salzmann, & Heinzer,2013; Setzer, 2020). Oser und Bauder (2013) weisen darauf hin, dass diese Bestimmung top- down durch eine Ableitung aus allge- meinen Merkmalen von Unterrichtsqua- lität bzw. domänenspezifischen Konzep- ten, bottom-up durch eine Befragung von Expert*innen oder durch eine „ethnogra- phische“ Untersuchung der Praxis erfol- gen kann. Oser (2013) verweist dabei auf eine Art „Hierarchie“ zwischen Kompe- tenzen, Kompetenzprofilen und letztlich Standards, die sich aus dem Bezug auf eine Norm bzw. Normstichprobe erge- ben. Für den erziehungswissenschaftli- chen Diskurs (Oser & Bauder,2013) und für den sportdidaktischen Diskurs (Er- horn et al.,2019) liegen bereits Vorschlä- ge für eine Kombination dieser Zugänge vor.
Vorlesung und praktische Erprobung des EIPET
Die Vorlesung und die praktische Erpro- bung des EIPET basieren auf einem dif- ferenzierten Kompetenzmodell (CARA, 2009, S. 20–25). Auf der Grundlage einer
Tab. 2 Beispielhafte Zuordnung von Könnens- und Wissensbeständen zu einer Kompetenz im EIPET
Kompetenzen Könnensbestände Wissensbestände
Anpassung des Unterrichts, um den Bedürfnissen aller Schüler*innen in Bezug auf inklusiven Sportunterricht gerecht zu werden
Anpassung des eigenen Unterrichtsstils zur Erleichterung der Inklusion Anschaffung oder Anpassung geeigneter Geräte und Materialien Anpassung von Spielen und Aktivitäten
Fähigkeit zur Aufgabenanalyse
Kenntnisse über Modifikations- möglichkeiten in den vier Berei- chen Anleitung, Material, Regeln und Lernumwelt
Analyse der Kernbereiche Planen, Unter- richten, Evaluieren und Unterstützen im inklusiven Sportunterricht und der da- bei durch die Sportlehrkraft eingenom- menen Kernrollen und Kernfunktionen einer Sportlehrkraft werden elf Kompe- tenzen bestimmt (CARA,2009, S. 20–25):
1. Anpassung des Lehrplans der Schu- len an die aktuellen Bedingungen und die Bedürfnisse aller Schü- ler*innen (einschließlich der mit besonderen Bedürfnissen).
2. Beurteilung des aktuellen Leis- tungsniveaus von Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen im Sportunterricht.
3. Planung entwicklungsgerechter Lernerfahrungen im inklusiven Sportunterricht.
4. Vorbereitung der Schulklasse und der Lernräume für die Aufnahme von Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen.
5. Anpassung des Unterrichts, um den Bedürfnissen aller Schüler*innen in Bezug auf inklusiven Sportunter- richt gerecht zu werden.
6. Zielführendes Verhaltensmanage- ment, um das bestmögliche und si- chere Lernen für alle Schüler*innen zu gewährleisten.
7. Kommunikation mit Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen und anderen, die direkt und indirekt am Unterricht (einschließlich dem Sportunterricht) beteiligt sind.
8. Bewertung der Fortschritte der Schüler*innen mit speziellen Be- dürfnissen im inklusiven Sportun- terricht in Bezug auf die individuel- len Unterrichtsziele.
9. Bewertung der Wirksamkeit des inklusiven Sportunterrichts.
10. Stetige Weiterentwicklung der ei- genen beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse sowie der Kenntnisse weiterer beteiligter Personen.
11. Sich für die Bedürfnisse und Rechte von Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen einsetzen.
Den elf Kompetenzen werden jeweils Könnens- und Wissensbestände zuge- ordnet (CARA, 2009, S. 24–25). So werden beispielsweise der Kompetenz
„Anpassung des Unterrichts, um den Be- dürfnissen aller Schüler*innen in Bezug auf inklusiven Sportunterricht gerecht zu werden“ (CARA,2009, S. 25) folgende vier Könnensbestände und Wissensbe- stände zugeordnet (.Tab.2):
Die Könnensbestände können auf der Ebene der Performanz verortet wer- den, wobei sie eine Teilanforderung darstellen, welche wiederum als Teil eines übergeordneten Kompetenzpro- fils angesehen werden kann (Blömeke et al.,2015a; Oser,2013). Die Wissens- bestände befinden sich hingegen auf der Ebene der Disposition. Damit legen die Autor*innen des EIPET ein komple- xes Kompetenzmodell vor, welches in umfangreicher Art und Weise die An- forderungen des Feldes systematisiert und die Kompetenzen auf den Ebenen der Performanz und der Disposition ausdifferenziert (CARA,2009; Kudláček et al.,2010). Zwischen den Ebenen der Performanz und der Disposition werden systematische Beziehungen hergestellt, indem für jede Kompetenz für die prak- tische Umsetzung benötigte Wissens- und Könnensbestände herausgearbeitet werden. Allerdings werden im Rahmen des Kompetenzmodells für die Ebene der Disposition keine Haltungen oder Einstellungen expliziert und die Ebene der situationsspezifischen Fähigkeiten wird nicht systematisch betrachtet. Eine Ausdifferenzierung in Kompetenzprofile oder die Ermittlung von Standards erfolgt nicht. Die EIPET-Vorlesung fokussiert die Wissensbestände und verbleibt da- mit auf der Ebene der Disposition. Die praktische Erprobung zielt darauf ab, die
erworbenen Wissensbestände systema- tisch um Könnensbestände zu erweitern und auf die Ebene der Performanz zu überführen, indem das erworbene Wis- sen auf Fallbeispiele und Lehrversuche angewandt wird (CARA,2009; Kudláček et al.,2010).
Über die theoretische und empi- rische Fundierung des EIPET-Kom- petenzmodells geben die Autor*innen wenig preis (CARA, 2009; Kudláček et al.,2010). Es wird lediglich auf um- fangreiche eigene Erfahrungen sowie einen Expert*innendiskurs innerhalb der Arbeitsgruppe verwiesen (CARA, 2009, S. 5). Obwohl im Rahmen des Expert*innendiskurses sicherlich Wis- sensbestände aus aktuellen theoretischen und empirischen Diskursen eingeflossen sind, basiert das EIPET-Kompetenzmo- dell offenbar nicht auf einer systema- tischen Analyse des theoretischen und empirischen Forschungsstandes oder eigenen empirischen (Vor-)Untersu- chungen.
Seminar von Friedrich et al. (2017) Friedrich et al. (2017) orientieren sich bei der Bestimmung der zu vermit- telnden Kompetenzen an dem Modell professioneller Handlungskompetenz von Baumert und Kunter (2006), wobei sie herausstellen, mit dem entwickelten Lehrformat insbesondere die Kompe- tenzfacetten des Professionswissens und der Überzeugungen/Werthaltungen zu fokussieren. Somit bewegen sie sich auf der Ebene der Disposition. Die Ebenen der situationsspezifischen Fähigkeiten und der Performanz werden hier nicht gezielt angesprochen. Auch eine Aus- differenzierung in Kompetenzprofile und eine Bestimmung von Standards erfolgt nicht. Das inklusionsbezogene Professionswissen differenzieren Fried- rich et al. (2017, S. 17) in die Wissens- bereiche Fachwissen, fachdidaktisches
Wissen und pädagogisches Wissen.3Ei- ne weitere Ausdifferenzierung der zu vermittelnden Wissensbestände erfolgt im Kontext der Vorstellung der zugehö- rigen Inhalte. So sollen die Studierenden im Bereich des Fachwissens ein „grund- legendes Wissen zum Thema Inklusion mit dem Fokus auf Beeinträchtigung“
erwerben. Dies soll durch eine Auseinan- dersetzung mit Inhalten wie relevanten Begriffsdefinitionen, Vorstellungen über Diversität und Formen der Beeinträch- tigung geschehen, sodass offenbar ein Wissenserwerb in diesen Bereichen er- folgen soll. Analog werden auch das Fachwissen und das pädagogische Wis- sen präzisiert. Als Fachwissen sollen die Studierenden „Wissen über didaktisches Potential von Aufgaben, Schülervorstel- lungen und zu Gestaltungsmöglichkeiten von inklusivem Unterricht“ (Friedrich et al.,2017, S. 17) aneignen, wobei unter anderem Wissen durch eine Ausein- andersetzung mit den Konzepten der Individualisierung sowie dem koope- rativen und sozialen Lernen erworben werden soll. Als pädagogisches Wis- sen stehen „bildungswissenschaftliche Grundlagen, Planungswissen, Unter- richtsführung und Diagnostizieren in inklusiven Gruppen“ (Friedrich et al., 2017, S. 17) im Zentrum, wobei insbe- sondere auch Wissen über eine inklusive Schule, über multiprofessionelle Teams und Möglichkeiten der Beurteilung er- worben werden soll. Die angesteuerten Überzeugungen/Werthaltungen werden hingegen nicht explizit ausgeführt. Aller- dings lassen die weiteren Ausführungen von Friedrich et al. (2017, S. 17) ver- muten, dass insbesondere eine positive Einstellung gegenüber Beeinträchtigung und Behinderung angestrebt wird.
Über die genaue Genese des Kom- petenzmodells bzw. der Systematik der vom Seminar angesteuerten Kompeten- zen geben Friedrich et al. (2017) wenig preis. Eine Betrachtung der angesteuer- ten Kompetenzen bzw. Wissensbereiche
3 An dieser Stelle muss jedoch angemerkt werden, dass Baumert und Kunter (2006,2011), auf die sich Friedrich et al. (2017) offenbar beziehen, zwar von „Wissen“ sprechen, damit aber zumindest partiell auch das „Können“
bezeichnet wissen wollen.
verrät aber einen theoretischen Bezug zum Fachdiskurs und einen empiri- schen Bezug zu einer von Friedrich et al.
(2017, S. 10–15) durchgeführten Studie.
So unternehmen Friedrich et al. (2017) den Versuch, mithilfe eines explorativ empirischen Zugangs Erfahrungen und Erwartungen von Sportlehrkräften im Hinblick auf einen inklusiven Sportun- terricht zu erheben und zu systemati- sieren. Dafür führten sie Leitfadenin- terviews mit 30 Sportlehrkräften durch, die in inklusiven Settings unterrichten.
Die Auswertung erfolgte mit den Ver- fahren der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2016). Insbesondere die Teilergebnisse zu den Bereichen „Un- terrichten“ und „Lerngruppe“ werden von den Autoren als „eine empirisch fundierte Basis für konzeptionelle Ent- scheidungen auch im Hinblick auf die Qualifizierung und Kompetenzvermitt- lung im Rahmen der Sportlehrerbildung der ersten Ausbildungsphase“ (Friedrich et al.,2017, S. 9) erachtet. Zwar gelingt es Friedrich et al. (2017), exemplarisch die Perspektive ausgewählter Lehrkräfte auf den inklusiven Sportunterricht zu erschließen, dabei wird jedoch deut- lich, dass die Aussagen der Lehrkräfte zwar erfahrungsbasiert sind, ihre Er- fahrungen jedoch auf einer spezifischen Wahrnehmung basieren, die z. T. von problematischen Überzeugungen, Ein- stellungen und/oder Wissensbeständen geleitet ist. So wird beispielsweise stark auf Förderschwerpunkte abgehoben und die Frage der individuellen Förderung offenbar weitgehend ausgeklammert.
Vertiefte episodische Einblicke werden im Rahmen der Studie offenbar nicht gewonnen bzw. durch differenziertere qualitative Auswertungsmethoden für die Klärung spezifischer Anforderungen fruchtbar gemacht. Insgesamt werden nur wenige und zudem recht undifferen- zierte Hinweise für die Bestimmung zu vermittelnder Kompetenzen gewonnen (Friedrich et al.,2017, S. 15–16).
Seminar und vermittlungs- bezogene Praxisvertiefung von Duensing-Knop et al. (2018) Die Lehrformate von Duensing-Knop et al. (2018) basieren auf einem in An- lehnung an Terhart (2007) entwickelten
Modell zur Kompetenzentwicklung in der Sportdidaktik, welches die Lehr- kompetenz durch die drei Dimensionen Kenntnisse/Wissen, Selbstverständnis/
pädagogische Haltung und Handlungs- fähigkeit/Didaktisieren begründet sieht (Duensing-Knop et al.,2018, S. 115). Das Seminar und die vermittlungsbezogene Praxisvertiefung von Duensing-Knop et al. (2018, 116 ff.) fokussieren die Di- mension Selbstverständnis/pädagogische Haltung. Auf eine weitergehende Präzi- sierung der angestrebten Kompetenzen oder von Kompetenzfacetten verzichten die Autor*innen. Hinweise auf mög- licherweise angestrebte Kompetenzen bzw. Kompetenzfacetten liefern lediglich die genannten Zielsetzungen der Ver- anstaltungsformate. Als Ziele werden die Reflexion der allgemeinen Haltung zur Inklusion, die Reflexion des Leis- tungs- und Sportverständnisses und die Stärkung der bereichsspezifischen Selbst- wirksamkeitserwartung in Bezug auf den Umgang mit heterogenen Gruppen her- ausgestellt. Dabei bleibt unklar, ob die Reflexion lediglich der Bewusstmachung einer Haltung zur Inklusion sowie des Sport- und Leistungsverständnisses die- nen soll oder ob durch die Reflexion auch benennbare Haltungen zur Inklu- sion sowie ein benennbares Sport- und Leistungsverständnis angestrebt werden.
In der Terminologie von Blömeke et al., (2015a) zielen die Veranstaltungen von Duensing-Knop et al. (2018) auf die Ebene der Disposition ab. Situations- spezifische Fähigkeiten und Performanz werden nicht gezielt angesteuert.4 Eine Ausdifferenzierung in Kompetenzprofile oder eine Bestimmung von Standards erfolgt nicht.
Die den Veranstaltungen zugrunde- liegende Systematik von Kompetenzen resultiert offenbar aus einer Analyse des Fachdiskurses zur Ermittlung von Anfor- derungen im Umgang mit Heterogenität
4 Allerdings weist der Beitrag von Duensing- Knop (2018) an dieser Stelle zum Teil Unklar- heiten auf. Während teilweise prominent der Fokus auf die Haltung betont wird, wird an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass alle drei Dimensionen im Theorieseminar angesprochen werden (können).
Tab. 3 Aufbau, Ziele und Inhalte der EIPET-Vorlesung im Überblick
Block Zentrale Inhalte Spezifische Methoden
Bewusstseinssensibilisierung für Behinderung
Verständnis, Definitionen und Modelle von Behin- derung
Sprachsensibler Umgang mit Differenzkonstruktio- nen und Stereotypen
Rechte von behinderten Menschen
Einzelarbeitsaufträge
Partner- und Kleingruppenarbeit
Diskussionen im Plenum basierend auf provokanten State- ments bzw. Video-Clips
Beteiligungshindernisse Recht auf Teilhabe von Menschen mit Behinde- rung (statistische Informationen, Hindernisse und Barrieren, Erleichterungen/Ermöglichungen)
Einzelarbeitsaufträge
Bearbeitung von Fallstudien in Partner- und Kleingruppen- arbeit
Behindertensportprogramme Konzepte von Adapted Physical Activity in Theorie und Praxis
Sportbezogener Disability Audit
Partner- und Kleingruppenarbeit mit der Checkliste des sportbezogenen Disability Audits
Planung und Durchführung inklusiven Sportunterrichts
Konzepte, Modelle und Strategien für einen inklusi- ven Sportunterricht
Modifikations- bzw. Anpassungsprinzipien Spezifische Lehr- und Lerntheorien sowie Lehrstile
Fallstudien zur fiktiven Vorbereitung selbstgestalteter in- dividueller Sportlehrpläne, zur Umsetzung von inklusiven Strategien und Modifikationsmöglichkeiten
Entwicklung eines fiktiven Peer-Tutoring Programms Verhaltensmanagement und
-modifikation
Verhaltenstheoretische Ansätze Klassifizierung von Verhaltensstörungen Strategien des Verhaltensmanagements und Mög- lichkeiten der Verhaltensmodifikation
Lehrvortrag
und für deren Bewältigung hilfreicher Konzepte.
Praxisorientiertes Studienmodul
„Inklusion im Schulsport“ von Weber (2018)
Das Studienmodul von Weber (2018) zur Förderung einer professionellen Handlungskompetenz im Umgang mit Heterogenität zielt auf die Ebene der Dispositionen. Neben der Vermittlung von Fachwissen liegt der Fokus somit vor allem auf der Förderung positiver inklusiver Einstellungen und Haltungen sowie einer Stärkung der Selbstwirksam- keit(serwartungen) von Sportlehramts- studierenden hinsichtlich der konkreten Umsetzung eines inklusiven Bildungs- angebots (Weber, 2018, S. 141). Zur Begründung des Einstellungskonzepts wird auf das Modell der professionellen Handlungskompetenz von Lehrkräften von Baumert und Kunter (2006) rekur- riert und Einstellungen als wesentliches handlungsregulierendes Merkmal von Lehrer*innenpersönlichkeit im Bereich der Werthaltungen und Überzeugun- gen eingeordnet (Weber,2018, S. 139).
Die Betrachtung von inklusionsbezo- gener Selbstwirksamkeit(serwartung) wird miteinbezogen, da diese in essen- zieller Weise Einstellungen, Haltungen und Handeln von Lehrkräften moderie- re (Weber, 2018, S. 140). Eine weitere Präzisierung der angestrebten Einstel-
lungen und Wissensbestände erfolgt nicht. Die Ebenen der situationsspezifi- schen Fähigkeiten und der Performanz werden nicht angesprochen. Eine Aus- differenzierung von Kompetenzprofilen oder eine Bestimmung von Standards erfolgen nicht. Auch zur Genese des Kompetenzmodells liefert Weber (2018) keine Informationen.
Ziele und methodisch-didaktischer Zugang
Auf der Ebene der Ziele, Inhalte und Me- thoden zeigen sich zwischen den Lehr- formaten ebenfalls deutliche Differenzen.
So werden unterschiedliche Zielsetzun- gen ausgewiesen, verschiedene Lehrin- halte ins Zentrum gerückt sowie unter- schiedliche Organisations- und Interak- tionsformen, Aufgabenformate und Me- dien gewählt. Die Lehrformate werden im Folgenden in der Reihenfolge Vor- lesung, Seminare, Veranstaltungen mit Praxisanteilen und Praktika analysiert.
EIPET-Vorlesung
Die EIPET-Vorlesung zielt auf die Ver- mittlung der im Kompetenzmodell ge- nannten Wissensbestände ab. Sie ist in- teraktiv und damit seminarähnlich kon- zipiert. Dies soll im Rahmen von 24 Un- terrichtseinheiten (UE) geschehen, die elf inhaltlich-thematischen Blöcken zu- geordnet werden können (CARA,2009,
S. 29–30). Inhaltliche Schwerpunkte wer- den auf dieBewusstseinssensibilisierung für Behinderung, dieBeteiligungshinder- nisseund dieBehindertensportprogram- me, die Planung und Durchführung ei- nes inklusiven Sportunterrichtssowie auf Verhaltensmanagement und -modifikati- ongelegt (CARA,2009; Kudláček et al., 2010), (siehe.Tab.3).
Theorieseminar von Duensing- Knop et al. (2018)
Das Theorieseminar zielt im Kern auf die Irritation unreflektierter oder proble- matischer Einstellungen und Überzeu- gungen. Als Ziele werden in diesem Sin- ne die „Reflexion der allgemeinen Hal- tung zu Inklusion“, die „Reflexion des Leistungs- und des Sportverständnisses“
sowie die „Stärkung der bereichsspezi- fischen Selbstwirksamkeitserwartung in Bezug auf den Umgang mit heteroge- nen Gruppen“ herausgestellt und anhand spezifischer Inhalte verfolgt (Duensing- Knop et al.,2018, S. 118). Es besteht aus fünf voneinander abgrenzbaren inhalt- lichen Blöcken, bei denen jeweils spe- zifische methodische Zugänge gewählt werden (.Tab.4). Methodisch hervorzu- heben ist insbesondere der konsequente Ausgang von den zumeist auf eigenen Erfahrungen basierenden Einstellungen, Überzeugungen und Wissensbeständen der Studierenden, von denen aus ein wei- tes Inklusionsverständnis entwickelt wer-
Tab. 4 Aufbau, Ziele und Inhalte des Theorieseminars von Duensing-Knop et al. (2018) im Überblick
Block Zentrale Inhalte Spezifische Methoden
Einführung Verständigung über das Inklusions- verständnis
Reflexion der eigenen Haltung zu Inklusion
Übernahme der Perspektive von Schüler*innen mit Beeinträchtigun- gen
Partner- und Kleingruppenarbeit Diskussionen im Plenum
Arbeit mit Fällen aus dem Sportunterricht
Arbeit an Interviews mit Kindern mit einer körperlichen Beeinträchtigung
Sonderpädagogische Förder- bedarfe
Bedeutung und Häufigkeit „Sonder- pädagogischer Förderbedarfe“
Mit spezifischen Förderbedarfen verbundene „Schwierigkeiten“ für den Sportunterricht
Arbeitsphasen, in denen sich Studierende Wissen zu einzelnen sonderpäd- agogischen Förderbedarfen erarbeiten
Besprechung und Reflexion eines Beispiels Schüler*innen mit der Diagnose
„Autismus“
Einführung in Konzepte zum Umgang mit Heterogenität
Konzepte zum Umgang mit Hetero- genitätsdimensionen
Doppelauftrag des Schulsports Prinzip der Mehrperspektivität Idee einer „(Sport-)Pädagogik der Anerkennung“
Studierende vergleichen verschiedene Konzepte zum Umgang mit Heteroge- nitätsdimensionen
Diskussion von Vor- und Nachteilen eines mehrperspektivischen Sportunter- richts am Beispiel Steppaerobic
Erprobung von Konzepten zum Umgang mit Heteroge- nität
Konzepte zum Umgang mit Hetero- genität
Wettkampf und Sportarten im inklu- siven Sportunterricht
Sport- und Leistungsverständnis
Anwendung der Konzepte zum Umgang mit Heterogenität auf unterschiedli- che Bewegungsfelder
Studierende sammeln und diskutieren Praxisbeispiele hinsichtlich ihres Inklusionspotenzials
Diskussion und Bewertung adaptiver Wettkampfformen
Reflexion des eigenen Sport- und Leistungsverständnisses in Auseinander- setzung mit unterschiedlichen Wettkampfformen
Leistungsbewertung Leistungsbewertung in einem inklu- siven Sportunterricht
Bezugsnormen für die Leistungsbe- wertung
Studierende diskutieren Vor- und Nachteile unterschiedlicher Bezugsnormen Studierende reflektieren am Beispiel unterschiedlicher Unterrichtsvorhaben, was Gegenstand der Bewertung sein kann
Studierende erarbeiten und diskutieren eigene Bewertungsschemata für Beispielvorhaben
den soll. Das hohe Maß an Aktivierung von Studierenden durch Partner- und Gruppenarbeiten und Seminardiskussio- nen sowie der durchgängige Bezug von theoretischen Konzepten auf konkrete Beispiele sind ebenfalls markant: „Ins- gesamt zeichnet sich das Theoriesemi- nar durch einen permanenten Wechsel- bezug zwischen Theorie und praktischen Anwendungsüberlegungen aus. Zentral sind die Reflexion der eigenen Erfahrun- gen und das Ringen um eine Position zu den einzelnen Themen“ (Duensing-Knop et al.,2018, S. 120).
Seminar von Friedrich et al. (2017) Das Seminar von Friedrich et al. (2017) zielt auf die Vermittlung inklusions- bezogenen Professionswissens sowie inklusionsbezogener Überzeugungen/
Werthaltungen ab. Ein inhaltlicher Schwerpunkt wird auf die theoreti- sche Vermittlung eher allgemeiner und z. T. sportunspezifischer Grundlagen- konzepte wie Diversität, Inklusion und Beeinträchtigung gelegt, bevor weitere
Schwerpunkte auf fachdidaktische Kon- zepte und Methoden eines inklusiven Sportunterrichtssowie aufPlanungskon- zepte für einen inklusiven Sportunterricht gelegt werden (Friedrich et al., 2017, S. 16–17). Methodisch wird dabei zum einen auf die klassische Arbeitsform der Aufarbeitung und Präsentation theore- tischer Inhalte durch Studierende, zum anderen auf moderne Arbeitsformen wie die aufgaben- bzw. leitfadengeleite- te E-Portfolioarbeit zur Reflexion und Dokumentation des Lernprozesses und praktische Erprobungseinheiten zur Ver- knüpfung von theoretischem Wissen, konkreten Handlungsproblemen und persönlichen/praktischen Erfahrungen gesetzt (Friedrich et al.,2017, S. 16–17).
StudienmodulInklusion im Schulsportvon Weber (2018) Das Studienmodul InSpo besteht aus einem theoriebasierten Haupt- bzw.
GrundlagenseminarVielfalt im Sportun- terrichtsowie drei Modulbausteinen, in denen das Thema Inklusion und Hetero-
genität in Bezug auf die drei bestimmten Differenzdimensionen (sonderpädago- gischer Förderbedarf, Interkulturalität, Gender) spezifisch behandelt und im konkreten Praxisbezug angewendet wird (Weber, 2018, S. 142–143). Weber lie- fert nur wenige Informationen über die methodisch-didaktische Gestaltung des Seminars. Nach einer Inputphase mit Selbsterfahrungsanteilen und Dis- kussionen über Good Practice anhand von Video-Praxis-Beispielen aus dem EU-Projekt Teaching diverse learners in (school) subjectsliegt der Fokus in den Bausteinseminaren auf dem eigenstän- digen Planen, Durchführen und Analy- sieren von inklusivem Unterricht unter Anleitung (Weber,2018, S. 143).
EIPET – praktische Erprobung In den von Kudláček et al. (2010) kon- zipiertenpraktischen Erprobungensollen die (angehenden) Sportlehrkräfte ins- besondere positive Erfahrungen mit körperlichen Aktivitäten für Menschen mit Behinderungen machen. Sie sol-
Tab. 5 Aufbau, Ziele und Inhalte von EIPET – praktische Erprobung im Überblick
Block Inhalte Spezifische Methoden
Fallstudien Jahresplanung für eine Lerngruppe mit einem Kind mit diagnosti- ziertem sonderpädagogischem Förderbedarf (Fallstudie „James“) Problemsituation aufgrund einer verwehrten Teilnahme am Sport- unterricht (Fallstudie „Mary“)
Die Teilnehmer*innen diskutieren Fallbeispiele leitfragenge- stützt in Kleingruppen
Gemeinsame Planung eines Programms
Planung einer achtwöchigen Praxiseinheit in einer Behinderten- sportgruppe
Planung in Kleingruppen
Unterstützung durch die Leitung des Tutoriums Erprobungen
mit den Kom- militon*innen
Eigenrealisation und Simulation adaptiver Bewegungsangebote Studierende simulieren selbst in Kleingruppen ausgewählte praktische Übungen mit ihren Kommiliton*innen
Erprobung in der Behinder- tensportgruppe
Unterstützung der Übungsleitung
Planung und Durchführung einer Sitzung mit der Behinderten- sportgruppe
Durchführung einer Sitzung mit der Behindertensportgruppe Reflexion einer Sitzung mit der Behindertensportgruppe
Übernahme kleinerer Aufgaben bei der Durchführung des Angebots
Planung einer Sitzung in Kleingruppen Durchführung einer Sitzung in Kleingruppen
Reflexion des Lehrversuchs mit der Tutorin bzw. des Tutors
len bei der Anleitung von inklusivem Sportunterricht mitwirken und lernen, die Fähigkeiten der Schüler*innen ein- zuschätzen (CARA, 2009, S. 141). Die praktische Erprobung des EIPET kann in die vier inhaltlichen BlöckeFallstudien, gemeinsame Planung einer achtwöchi- gen Praxiseinheit, Erprobungen mit den Kommiliton*innen und die Erprobung in der Behindertensportgruppe differen- ziert werden (CARA,2009, S. 140–142).
Methodisch wird dabei zurückgegrif- fen auf die Arbeit an Fallbeispielen, die Eigenrealisation und die praktische Er- probung im Seminar, die weitgehend selbstständige Planung und Durchfüh- rung eines Lehrversuchs, eine Art Team- Teaching sowie die Reflexion des Lehr- versuchs mit dem Tutor/der Tutorin. Zu den praktischen Erprobungen in CARA (2009) ist anzumerken, dass diese in Behindertensportgruppen erfolgen und nicht in einem inklusiven Sportunter- richt. Die tatsächliche Komplexität eines inklusiven Sportunterrichts wird somit nicht abgebildet. Es ist daher fraglich, ob ein Transfer in den inklusiven Sport- unterricht gelingen kann. Positiv her- vorzuheben ist jedoch die Verzahnung von Wissen, praktischer Eigenrealisation und Performanz in der Gestaltung von Einheiten sowie deren Reflexion. Eine Übersicht über zentrale Inhalte und gewählte methodische Zugänge liefert
.Tab.5.
Vermittlungsbezogene
Praxisvertiefung von Duensing- Knop et al. (2018)
Auch Duensing-Knop et al. (2018) ha- ben mit dervermittlungsbezogenen Pra- xisvertiefung zum Umgang mit Hetero- genität ein Format mit Praxisanteilen entwickelt, welches in die inhaltlichen Schwerpunkte Einführung in zentrale Theorien und Konzepteund diePlanung, Durchführung und Auswertung inklusi- ver Einheiten gegliedert werden kann (Duensing-Knop et al., 2018, S. 121).
Kennzeichnend für die methodische Umsetzung ist die konsequente Über- setzung von Konzepten in Formen der Eigenrealisation. Bei der Planung und Durchführung inklusiver Einheiten im Rahmen der Veranstaltung (Eigenrea- lisation durch die Studierenden) wird die schon vorhandene Heterogenität der Gruppe durch spezifische Handicaps verschärft. Um vielfältige Erfahrungen und Reflexionsanlässe zu bieten, werden möglichst viele Bewegungsfelder thema- tisiert. Dabei sollen die Studierenden Unterrichtsideen aus praxisorientier- ter Fachliteratur rezipieren, sie kritisch beurteilen und lerngruppenbezogen ad- aptieren. Ebenfalls hervorzuheben ist die Reflexion der Lehrversuche nach demDeutungsmusteransatz nach Hors- ter (2004). Durch den DreischrittRekon- struktion, Evaluation und Neukonstruk- tion soll das verfolgte unterrichtliche Konzept erfasst, geprüft und zum Aus- gangspunkt der Entwicklung von Alter- nativen gemacht werden. Hier zeigen sich
Parallelen zum kasuistischen Verfahren von Erhorn (2016) und der damit ver- bundenen Schulung von Beobachtungs- und Reflexionskompetenzen der Studie- renden, sodass sich im Rahmen dieses Lehrformats Ansatzpunkte zur Förde- rung situationsspezifischer Fähigkeiten identifizieren lassen (.Tab.6).
Evaluation
Bisher sind nur zwei der untersuchten Lehrformate evaluiert worden (Friedrich et al.,2017; Weber,2018), sodass kaum In- formationen über ihre Wirksamkeit und Wirkungsweise vorliegen. Solche Infor- mationen sind für die Auswahl, Bewer- tung und Weiterentwicklung von zentra- ler Bedeutung. Deshalb sollten Veranstal- tungsformate zukünftig konsequent eva- luiert werden.
Das Konzept von Friedrich et al.
(2017) wurde mithilfe eines Fragebogens zu inklusionsbezogenen Einstellungen mit den zwei Skalen der EZI-Skala „so- ziale Integration“ und „Förderung und Unterstützung“ (Kunz, Luder & Mo- retti,2010) und der ergänzenden Skala
„gemeinsamer Sportunterricht“ für das Fach Sport (Rischke, Heim & Gröben, 2017) sowie drei selbst konstruierten Skalen zu Wissensbeständen zum in- klusiven Sportunterricht evaluiert. Es ist also positiv hervorzuheben, dass der Nachweis der Wirksamkeit des Seminars mithilfe geeigneter Testinstrumente er- folgt (Friedrich et al., 2017, S. 17–20).
Die Evaluation zeigt, dass fachliches,
Tab. 6 Aufbau, Ziele und Inhalte der vermittlungsbezogenen Praxisvertiefung nach Duensing-Knop et al. (2018) im Überblick
Block Inhalte Spezifische Methoden
Einführung in zentrale Theorien und Kon- zepte
Einführung in allgemeine Konzepte zum Umgang mit Heterogeni- tät
Balance zwischen Gleichheit und Differenz mithilfe verschiedener Lernsituationen
Konzept des adaptiven Sportunterrichts
Erarbeitung von Modifikationsmöglichkeiten des Brennballspiels und Beurteilung dieser mit Blick auf eine gelungene Teilhabe aller Studierenden am Spiel
Einzelne Studierende erhalten Handicaps (Rollstuhl, sichtein- schränkende Brille)
Planung, Durchfüh- rung und Auswertung inklusiver Einheiten
Planung von inklusivem Sportunterricht zu verschiedenen Bewe- gungsfeldern
Rezeption von Artikeln aus Praxiszeitschriften Sport- und Leistungsverständnis
Methoden zum Umgang mit Heterogenität Reflexion der Praxisversuche
Leistungs- und Sportverständnis
Sonstige Inhalte: mehrperspektivischer Unterricht, faires Wett- kämpfen, differenzierende Aufgabenstellungen bei Gruppenar- beiten, Differenzierung durch Lerninseln, Variation und Alternati- ven von Sportspielen, Arbeit mit Pro- und Handicaps
Planung von Unterrichtsstunden zu verschiedenen Bewegungs- und Inhaltsfeldern für die Seminargruppe auf Grundlage von:
Artikeln aus Praxiszeitschriften
Adaption des Themas auf die spezifische Lerngruppe der Studie- renden
Reflexion der gehaltenen Stunde nach demDeutungsmusteran- satz(Horster,2004)
Bewertung der publizierten Praxisideen auf Grundlage der ge- machten Erfahrungen im Hinblick auf das Inklusionspotenzial Entwurf von Möglichkeiten der Veränderung/Adaption der Praxis- ideen
fachdidaktisches und pädagogisches Wissen bei den Studierenden über das beschriebene Format gefördert werden können. Besonders positive Effekte zei- gen sich im Bereich des Fachwissens.
Zudem können die Einstellungen in den Bereichen gemeinsamer Sportunterricht sowieFörderung und Unterstützungpo- sitiv verändert werden (Friedrich et al., 2017, S. 21).
Auch das StudienmodulInklusion im Schulsportvon Weber (2018) weist eine qualitative und quantitative Forschungs- begleitung aus. Neben einer quantita- tiven Längsschnittuntersuchung unter Verwendung der Instrumente SACIE-R (Forlin, Earle, Loreman & Sharma,2011) und TEIP (Sharma, Loreman & Forlin, 2011) erfolgt eine qualitative Begleitung durch Interviews (Bohnsack,2010) und teilnehmende Beobachtungen (Breiden- stein, Hirschauer, Kalthoff & Nieswand, 2013). Ziel ist es, die Effekte des Be- suchs eines oder mehrerer Seminare des Moduls auf Haltungen, Einstellun- gen und Selbstwirksamkeitserwartungen der Sportstudierenden zu untersuchen (Weber, 2018, S. 143). Bisher haben alle untersuchten Studierenden jedoch erst Teile des Studienmoduls absolviert.
Die ersten Ergebnisse der Befragung lassen vermuten, dass die erworbenen positiven Erfahrungen und das Wissen um die Durchführung eines inklusi- ven Unterrichts positive Einstellungen/
Haltungen bei den Studierenden be- wirken und ihre inklusionsbezogenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen stär-
ken. Weiter deuten die Ergebnisse auf die Relevanz der Praxisseminare mit konkreten Lehrerfahrungen und Re- flexionen hin, da diese eine Erhöhung aller drei Dimensionen der Selbstwirk- samkeitsüberzeugung bewirken (Weber, 2018, 143 ff.).
Für die Veranstaltungsformate von Duensing-Knop et al. (2018) ist eine Eva- luation geplant, deren Ergebnisse jedoch bislang noch nicht publiziert wurden.
Mit einem Prä-Post-Test-Design sollen Haltungsänderungen der Studierenden in Folge der Lehrveranstaltungen geprüft werden. Die eingesetzten Instrumente werden allerdings nicht genannt und das genaue Design wird nicht ausgeführt (Duensing-Knop et al., 2018, S. 122).
Mithilfe problemzentrierter Interviews soll zudem erfasst werden, „welche In- halte und Methoden aus Sicht der Stu- dierenden zu dieser Haltungsänderung beigetragen haben, um schließlich kon- krete Rückschlüsse auf die verschiedenen Seminarkonzeptionen zu ermöglichen“
(Duensing-Knop et al.,2018, S. 123).
Es ist auffällig, dass bisher nur zwei der hier analysierten Veranstaltungsfor- mate evaluiert worden sind und sich nur eine weitere Evaluation in Planung be- findet. Beide Evaluationen beschränken sich auf die Ebene der Disposition, was vor dem Hintergrund der angestrebten Kompetenzen folgerichtig erscheint. Um zukünftig auch Veranstaltungen auf der Ebene der situationsspezifischen Fähig- keiten evaluieren zu können, werden ge- eignete Verfahren benötigt (Oesterhelt,
2018, S. 95; Reuker,2012; Reuker et al., 2016; Reuker,2017a,2017b)5. Während für den Bereich der Dispositionen meh- rere nationale und internationale Instru- mente zur Messung von Einstellungen zu einem inklusiven Sportunterricht vor- liegen (Hutzler et al., 2017; Thomas &
Leineweber, 2018), liegen bisher keine Verfahren zur Messung situationsspezi- fischer Fähigkeiten für einen inklusiven Sportunterricht vor. Diese sollten daher in zukünftigen Forschungsprojekten ent- wickelt und eingesetzt werden.
Fazit und Ausblick
Die Sichtung von universitären Lehrfor- maten zur Vorbereitung von (angehen- den) Sportlehrkräften auf einen inklu- siven Sportunterricht hat gezeigt, dass bisher nur wenige Formate in deutscher oder englischer Sprache und mit diffe- renzierter Darstellung der Ziele, Inhalte und Methoden publiziert worden sind.
Bei der Analyse der Lehrformate wird deutlich, dass sowohl auf einem engen In- klusionsverständnis als auch auf einem weiten Verständnis basierende Forma- te vorliegen. Die betrachteten Forma- te sind zwar kompetenzorientiert, zie- len jedoch überwiegend auf die Ebene der Disposition ab. Lediglich das Kom- petenzmodell des EIPET beinhaltet zu- sätzlich die Ebene der Performanz (CA-
5 Eine Messung auf der Ebene der Performanz erscheint in der ersten Phase der Lehrkräftebil- dung hingegen verfrüht.
RA,2009). Die Ebene der situationsspe- zifischen Fähigkeiten wird durchgängig ausgespart. Die Kompetenzen werden in der Regel aus dem bestehenden Fachdis- kurs abgeleitet. Nur Friedrich et al. (2017) führen zudem eine explorative Untersu- chung durch, in der sie mithilfe von Leit- fadeninterviews versuchen, unterrichtli- che Anforderungen an die Lehrkraft in einem inklusiven Sportunterricht zu klä- ren. Eine systematische und eingehende Ermittlung differenzierter Anforderun- gen, Teilanforderungen, Kompetenzpro- file oder sogar Standards erfolgt jedoch auch hier nicht (Oser,2013).
Hinsichtlich der Ziele wird deutlich, dass die Lehrformate auf eine Reflexi- on und Modifikation von Einstellungen (CARA, 2009; Duensing-Knop et al., 2018; Friedrich et al.,2017; Weber,2018) sowie zum Teil auch auf die Erweite- rung von Wissensbeständen (CARA, 2009; Friedrich et al., 2017) abzielen.
Dabei werden inhaltliche Schwerpunkte auf die Auseinandersetzung mit dem Inklusionsverständnis, mit Behinde- rung, mit sonderpädagogischen För- derschwerpunkten und mit Konzepten zum Umgang mit Heterogenität gelegt.
Auch die Planung und Auswertung von inklusivem Sportunterricht (bzw. inklu- siven Sportangeboten) spielt in vielen Lehrformaten eine Rolle. Bei der Durch- führung der Veranstaltungen werden unterschiedliche methodische Zugänge bemüht. Neben den eher klassischen Methoden des Lehrvortrags (CARA, 2009) oder der studentischen Erar- beitung und Präsentation theoretisch- konzeptioneller Inhalte (Friedrich et al., 2017) werden auch innovativere Metho- den zur Verknüpfung von Theorie und Praxis bemüht. Dabei handelt es sich z. B.
um die Arbeit an fiktiven Fallbeispie- len, die auf der Auseinandersetzung mit auf fachpraktischer Literatur basierende Unterrichtsplanung oder die Planung, Durchführung und Auswertung von Lehrversuchen im Seminar (Duensing- Knop et al., 2018) oder in einer Be- hindertensportgruppe (CARA, 2009).
Methodisch-didaktisch liefert insbeson- dere das Konzept von Duensing-Knop et al. (2018) für ein Theorieseminar und eine Veranstaltung mit Praxisanteilen zur Verknüpfung von theoretischem Wissen,
konkreten Handlungsproblemen und au- thentischen Erfahrungen des inklusiven Sportunterrichts wertvolle Anregungen.
Zwar wird auf diese Weise bereits der Versuch unternommen, eine Theorie- Praxis-Verknüpfung vorzunehmen, je- doch wird bisher nicht mit authentischen Unterrichtssituationen gearbeitet. Ent- weder werden Unterrichtsversuche im Kontext von Behindertensportgruppen (CARA,2009) oder mit den Kommili- ton*innen als Lerngruppe unternommen (Duensing-Knop et al.,2018). Die Ar- beit mit Fallbeispielen beschränkt sich bisher auf Fälle von einzelnen Kindern oder einer Halbjahresplanung (CARA, 2009). An dieser Stelle bleiben wichtige Potenziale ungenutzt. Dies haben Fried- rich et al. (2017) vermutlich im Blick, wenn sie für die zukünftige Entwicklung von Seminarformaten den Einsatz von Fallarbeit an empirischen Unterrichtssi- tuationen fordern (Friedrich et al.,2017, S. 22). In der Sportdidaktik liegen hierzu vielfältige Vorarbeiten und Verfahren vor (u. a. Wolters,2015; Scherler,2008;
Lüsebrink, Krieger, & Wolters, 2009;
Erhorn,2016).
Die Analyse der Lehrformate zeigte zudem, dass bisher lediglich die Veran- staltungen von Friedrich et al. (2017) und Weber (2018) Gegenstand einer Evalua- tion geworden sind. Die Veranstaltungen des EIPET sind nicht auf ihre Wirksam- keit überprüft worden (CARA,2009). Für die Veranstaltungen von Duensing-Knop et al. (2018) ist zwar eine Evaluation ge- plant, es liegen jedoch bisher keine Er- gebnisse vor und auch das genaue Design wird bisher nicht beschrieben. Ergebnis- se zu den Lehr-Lern-Prozessen liegen für keines der analysierten Formate vor.
Auf der Grundlage der vorgenomme- nen Analyse können mehrere Forderun- gen für die weitere Entwicklung und Eva- luation hochschuldidaktischer Lehrfor- mate zur Vorbereitung auf einen inklu- siven Sportunterricht formuliert werden.
1. Zukünftige Forschungen sollten Anforderungen an die Sportlehr- kräfte klären (Erhorn et al.,2019;
Oser,2013; Reuker et al.,2016) und Kompetenzmodelle entwickeln, die aus einer empirischen Auseinander- setzung mit der Praxis inklusiven Sportunterrichts gewonnen, an Theo-
rie gespiegelt und zum Gegenstand eines normativen Diskurses von Expert*innen gemacht worden sind (Erhorn et al.,2019; Oser,2013).
Zudem sollten Kompetenzmodelle die Ebenen der Disposition, der si- tuationsspezifischen Fähigkeiten und der Performanz umfassen (Blöme- ke et al.,2015a) und in Form von anforderungssituationsbezogenen Kompetenzprofilen systematisiert werden. Perspektivisch kann auch der Versuch unternommen wer- den, Standards zu bestimmen (Oser, 2013). Auf diese Weise kann ein wichtiger Beitrag geleistet werden, um die angehenden Sportlehrkräfte systematisch auf die Anforderungen im Beruf vorzubereiten.
2. Bereits im Studium sollten die Studie- renden lernen, Wissen und Einstel- lungen fall- und situationsbezogen anzuwenden. Daher sollten zukünftig Lehrformate auch auf die Weiter- entwicklung situationsspezifischer Fähigkeiten im Kontext des inklusi- ven Sportunterrichts abzielen.
3. Die Arbeit mit konkreten Situationen aus einem inklusiven Sportunterricht wird bisher zwar gefordert (Fried- rich et al.,2017, S. 22), aber noch nicht im Rahmen von Lehrformaten systematisch umgesetzt. Eine solche Fallarbeit wäre geeignet, um die Komplexität eines inklusiven Sport- unterrichts besser abzubilden und die Herausbildung situationsspezifischer Fähigkeiten zu fördern. Daher sollten zukünftig Lehrformate entwickelt werden, in deren Rahmen sich die Studierenden systematisch mit Ty- pen von Anforderungssituationen eines inklusiven Sportunterrichts auseinandersetzen.
4. Informationen zur Wirksamkeit und zu den ablaufenden Prozessen sind jedoch unverzichtbar, weshalb der Evaluation von Lehrformaten zukünftig eine höhere Bedeutung zugemessen werden sollte. Da bisher lediglich für den Bereich der Dispo- sition (mit Schwerpunkt im Bereich der Einstellungen) Evaluationsinstru- mente zur Messung der Wirksamkeit vorliegen, müssen geeignete Testver- fahren entwickelt werden, die eine