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Schöne neue Handelswelt? Arbeitsbedingungen im Einzelhandel

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Academic year: 2022

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16 baua-faktenblatt

Der Einzelhandel ist mit etwa 3,5 Mio. Beschäftigten (Statistisches Bundesamt, 2012) einer der be- schäftigungsstärksten Wirtschaftszweige Deutschlands, der in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Veränderungen erlebte. Dabei hat sich nicht nur die Einzelhandelslandschaft durch die Zunahme von Discountern und Fachmarktketten als solche verändert, sondern auch die Rahmenbedingungen der Arbeit sind andere geworden. So führte beispielsweise die Erweiterung der Ladenöffnungszeiten zu einem Anstieg von atypischen Arbeitszeiten. In diesem Faktenblatt werden auf Grundlage der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2012 häufige physische und psychische Arbeitsbedingungen, Ressourcen sowie gesundheitliche Beschwerden der Beschäftigten im Nahrungs- und Genussmittel- verkauf, im sonstigen Einzelhandel sowie in anderen Branchen dargestellt.

BIBB/BAuA-2012

Schöne neue Handelswelt? Arbeitsbedingungen im Einzelhandel

Von den über 17.000 abhängig Beschäftigten, die an der BIBB/BAuA-Befragung 2012 teilgenommen haben, sind knapp 1250 in der Branche „Einzelhandel“ tätig. Die von den Einzelhandelsbeschäftigten angegebenen Be- rufe reichen dabei von A wie Apothekenhelfer bis Z wie Zimmerer. Eine große Gruppe im Einzelhandel stellen Verkäufer/-innen in Supermärkten und Lebensmittelge- schäften (im Folgenden als Nahrungs- und Genussmittel- verkauf bezeichnet) dar. Sie umfasst Nahrungsmittel- und Genussmittelverkäufer/-innen und -verkaufsgehilf(inn)en, Back-, Konditor-, Fleisch- und Wurstwarenverkäufer/-in- nen, Büfett-, Kantinenverkäufer/-innen sowie Einzelhan- delskaufleute im Nahrungs- und Genussmittelbereich (181 Beschäftigte). Im vorliegenden Beitrag werden die Beschäftigten des Nahrungs- und Genussmittelverkaufs gesondert betrachtet und sowohl mit allen anderen Be- schäftigten des Einzelhandels (im Folgenden als sonstiger Einzelhandel bezeichnet, jedoch nur wenn Berufsangaben vorlagen; 1.066 Beschäftigte) als auch mit denen anderer Branchen (15.645 Beschäftigte) verglichen.

Der Einzelhandel ist weiblich

Während in anderen Branchen der Frauenanteil bei rund 44 % liegt, weist der sonstige Einzelhandel eine Quote von 68 % auf, im Nahrungs- und Genussmittelverkauf liegt sie sogar bei 87 %. Der hohe Frauenanteil spiegelt sich auch in der Teilzeitquote (wöchentliche Arbeitszeit unter 35 Stunden) wider: im Nahrungs- und Genussmittelverkauf arbeiten 64 % der Beschäftigten in Teilzeit, im sonstigen Einzelhandel 46 %, in allen anderen Branchen 21 %.

Arbeiten, wenn andere schon zu Hause sind

Nicht zuletzt durch verlängerte Ladenöffnungszeiten liegt

der Anteil derjenigen, die im Nahrungs- und Genussmit- telverkauf außerhalb der Normalarbeitszeit (zwischen 7 und 19 Uhr) arbeiten (36 %), über dem im sonstigen Ein- zelhandel (21 %) und dem anderer Branchen (22 %). Auch an Samstagen muss häufiger gearbeitet werden (Nah- rungs- und Genussmittelverkauf 95 %, sonstiger Einzel- handel 78 %, andere 63 %).

Täglich stark gefordert

Das Arbeiten im sonstigen Einzelhandel ist (s. Abb. 1) be- sonders gekennzeichnet durch häufige Arbeit im Stehen (70 %), durch Arbeiten mit den Händen (große Kraft/hohe Geschicklichkeit/schnelle Abfolge: 42 %), durch Heben, Tra- gen schwerer Lasten (25 %) und durch häufige ungünstige klimatische Arbeitsumgebungsbedingungen (Kälte, Hitze, Nässe, Feuchtigkeit, Zugluft: 16 %). Im Nahrungs- und Ge- nussmittelverkauf sind die körperlichen Anforderungen so- gar noch höher, so müssen 83 % häufig im Stehen arbeiten, 60 % häufig mit den Händen arbeiten, 49 % häufig schwere

Abb. 1: Häufige körperliche Anforderungen abhängig Beschäftigter im Vergleich (in %)

Arbeiten im Stehen

Nahrungs-/Genussmittelverkauf sonstiger Einzelhandel andere Branchen Arbeiten mit Händen (gr. Kraft/ hohe

Geschwindigkeit/ schnelle Abfolge)

Heben, Tragen schwerer Lasten

Kälte, Hitze, Nässe, Feuchtigkeit, Zugluft

54

42

22

20

70 83

42 60

25 49

16 33

(2)

Lasten heben und tragen und 33 % sind häufig ungünsti- gen klimatischen Arbeitsumgebungsbedingungen ausge- setzt. Von den Beschäftigten anderer Branchen werden im Vergleich zum sonstigen Einzelhandel Anforderungen wie Arbeit im Stehen (54 %) und Heben Tragen schwerer Lasten (22 %) seltener genannt, Arbeiten mit den Händen (42 %) gleich oft und ungünstige klimatische Arbeitsumgebungs- bedingungen (20 %) häufiger angegeben.

Schnelle und monotone Arbeit

Bei den psychischen Anforderungen fallen im Vergleich (s. Abb. 2) mit den anderen Branchen sowohl im sonsti- gen Einzelhandel als auch im Nahrungs- und Genussmit- telverkauf ständig wiederkehrende Arbeitsvorgänge (48 % vs. 61 % vs. 68 %) und sehr schnelles Arbeiten (38 % vs.

44 % vs. 58 %) auf. Häufig verschiedene Arbeiten gleichzei- tig betreuen (sonstiger Einzelhandel 52 %; Nahrungs- und Genussmittelverkauf 47 %) und starker Termin- und Leis- tungsdruck (sonstiger Einzelhandel 39 %; Nahrungs- und Genussmittelverkauf 32 %) werden hingegen seltener als von anderen Branchen (59 % und 53 %) genannt.

Soziale Unterstützung und Handlungsspielraum

Häufige soziale Ressourcen wie Gemeinschaftsgefühl, gute Zusammenarbeit und Unterstützung von Kollegen – also Aspekte der sozialen Unterstützung – geben ohne nen- nenswerte Unterschiede in allen drei Vergleichsgruppen rund 80 % und mehr an, häufige Unterstützung durch den Vorgesetzten liegt bei um die 60 %. Anders beim Hand- lungsspielraum: Die eigene Arbeit häufig selbst planen und einteilen können im Nahrungs- und Genussmittelverkauf nur 44 %, im sonstigen Einzelhandel 55 % gegenüber 69 % in anderen Branchen.

Gesundheitliche Beschwerden

Die Häufigkeit psychosomatischer Beschwerden, wie z. B.

Erschöpfung oder Nervosität, unterscheidet sich kaum in den drei Gruppen – zwei und mehr häufig auftretende Be- schwerden werden von 51 % bis 52 % angegeben (s. Abb. 3).

Bei den deutlich häufiger anzutreffenden Muskel-Skelett- Beschwerden, z. B. Schmerzen im Rücken, Beinen oder

Händen, treten im Gegensatz dazu deutliche Abweichun- gen zu Tage: Außerhalb des Einzelhandels geben 50 % der abhängig Beschäftigten zwei und mehr häufig auftretende Muskel-Skelett-Beschwerden im Zusammenhang mit der Arbeit an, gegenüber 57 % im sonstigen Einzelhandel und sogar 64 % im Nahrungs- und Genussmittelverkauf.

Fazit

Einzelhandel ist nicht gleich Einzelhandel. Denn neben branchenspezifischen Besonderheiten konnte gezeigt werden, dass es auch innerhalb dieser Branche große Unterschiede in den Arbeitsbedingungen gibt. Dabei sind vor allem Beschäftigte im Nahrungs- und Genuss- mittelverkauf höheren Belastungen ausgesetzt als im sonstigen Einzelhandel. Insbesondere hohe körperliche Anforderungen wie Arbeiten im Stehen bei einem hohen Arbeitstempo verbunden mit einer erhöhten Anzahl von Muskel-Skelett-Beschwerden sind hier kennzeichnend.

Umso wichtiger sind daher nachhaltige Präventionskon- zepte. Dabei spielen nicht nur verhältnispräventive Kon- zepte, beispielsweise zur ergonomischen Gestaltung von Bedientheken und Kassenarbeitsplätzen, eine Rolle, son- dern auch verhaltenspräventive Maßnahmen zu The- men wie „Heben und Tragen“. Für die Identifizierung von Handlungsfeldern ist die Durchführung der gesetz- lich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung hilfreich (§ 5 Arbeitsschutzgesetz). Förderlich für eine nachhaltige Verankerung von Präventionshandeln ist die regelmäßige und wiederholte Durchführung der Gefährdungsbeurtei- lung, die Einbeziehung von Führungskräften sowie die Aktivierung der Beschäftigten.

Sie wollen mehr wissen?

»Belastungen des Muskel-Skelett-Systems bei der Arbeit – integrative Präventionsansätze praktisch umsetzen«

(www.baua.de/dok/680346)

»Der Stressreport Deutschland 2012«

(www.baua.de/dok/3430796)

»Im Takt? – Gestaltung von flexiblen Arbeitszeitmodellen«

(www.baua.de/dok/697378)

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Impressum | Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Friedrich-Henkel-Weg 1–25, 44149 Dortmund, Telefon: 0231 9071-2071, E-Mail: info-zentrum@baua.bund.de, Internet: www.baua.de | Autoren: Wibke Leistner, Andrea Lohmann-Haislah, Gestaltung: Martina Brandau-Pollack | Juli 2015

Schöne neue Handelswelt? Arbeitsbedingungen im Einzelhandel

baua-faktenblatt

Abb. 3: Anzahl gesundheitlicher Beschwerden abhängig Beschäftigter im Vergleich (in %)

Abb. 2: Häufige psychische Anforderungen abhängig Beschäftigter im Vergleich (in %)

Nahrungs-/

Genussmittelverkauf

Nahrungs-/

Genussmittelverkauf

2 und mehr Beschwerden 0 bis 1 Beschwerde

Sonstiger Einzelhandel

Sonstiger Einzelhandel Andere Branchen

Andere Branchen

Muskel-Skelett-Beschwerden Psychosomatische Beschwerden

49

36 49 48

43

51

50

51

52

64 57

50

Ständig wiederkehrende Arbeitsvorgänge

Nahrungs-/Genussmittelverkauf sonstiger Einzelhandel Sehr schnell arbeiten

Verschiedene Arbeiten gleichzeitig betreuen

Starker Termin- und Leistungsdruck

52 59 47

39 53 32

andere Branchen 48

61 68

38 44

58

Referenzen

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