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Einfluss der Fibrocystin-Defizienz auf das Adhäsionsverhalten von Nierenepithelzellen im Einzellstadium

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Academic year: 2022

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Aus der Klinik für Pädiatrische Nieren-, Leber- und Stoffwechselerkrankungen der Medizinischen Hochschule Hannover

E influss der Fibrocystin-Defizienz auf das Adhäsionsverhalten von Nierenepithelzellen im Einzellstadium

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Lisa Pilar Marten aus Wilhelmshaven

Hannover 2019

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Angenommen vom Senat: 22.08.2019

Präsident: Prof. Dr. med. Michael P. Manns

Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. med. Dieter Haffner 1. Referent: PD Dr. med. Roland Schmitt

2. Referent: Prof. Dr. rer. nat. Jan Faix Tag der mündlichen Prüfung: 22.08.2019 Prüfungsausschuss

Vorsitz: Prof. Dr. med. Tobias Welte 1. Prüfer: Prof. Dr. med. Carlos Guzman 2. Prüfer: PD Dr. med. Frank Gossé

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Inhalt

1 Einleitung ...1

1.1 Ziliopathien ...1

1.1.1 Übersicht ...1

1.1.2 Klassifikation zystischer Nierenerkrankungen ...1

1.1.3 Die autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung ...3

1.1.4 Pathogenese ...6

1.1.5 Therapeutische Möglichkeiten ...9

1.1.6 Ausblick: neue Ansatzpunkte und Medikamente in klinischen Studien ... 10

1.2 Zelladhäsion und -migration ... 11

1.2.1 Aufbau und Funktion eines Epithels ... 11

1.2.2 Aufbau von Zell-Matrix-Kontakten ... 12

1.2.3 Die Funktion von Aktin und Nicht-Muskel-Myosin II ... 13

1.2.4 Rho und Rac als Regulatoren der Zellmigration ... 15

1.3 Zellkonfinement durch mikrostrukturierte Adhäsionschips ... 16

1.4 Vorversuch: der Sphäroid-Assay als Modell für die Epithelmorphogenese ... 18

2 Zielsetzung dieser Arbeit ... 21

3 Material und Methoden ... 23

3.1 Material... 23

3.2 Methoden ... 25

3.2.1 Zellkultur ... 25

3.2.2 Nukleofektion ... 25

3.2.3 CYTOO-Adhäsionschips ... 27

3.2.4 Matrigel und Blebbistatin ... 28

3.2.5 Fixierung, Permeabilisierung und Blockieren ... 29

3.2.6 Färbung und Eindecken ... 29

3.2.7 Durchflusszytometrie ... 30

3.2.8 Mikroskopie ... 30

3.2.9 Auswertung ... 31

3.2.10 Erfassung der Zellgeometrie ... 33

3.2.11 Statistik ... 33

4 Ergebnisse ... 35

4.1 Wirkung des Fibrocystin-Knockdowns auf MDCKII-Zellen ... 35

4.2 Einsatz definierter Adhäsionsbedingungen zur Beurteilung der Zelladhäsion ... 35

(4)

4.3.2 Auswirkungen auf die Zellgeometrie ... 39

4.3.3 Durchflusszytometrie zur Ermittlung der Zellgröße ... 40

4.3.4 Analyse der Einzelkontakte ... 41

4.4 Einfluss verminderter Zellspannung auf die Adhäsionsdefekte unter Fibrocystin-Defizienz: Behandlung mit Blebbistatin ... 44

4.4.1 Funktion und Wirkung von Blebbistatin ... 44

4.4.2 Zellgröße und Kontaktausbildung ... 44

4.4.3 Analyse der Einzelkontakte ... 46

5 Diskussion ... 49

5.1 Adhäsionschips und Nukleofektion: die Analyse der Methodik ... 49

5.2 Bewertung der Adhäsionsunterschiede von FPC-defizienten Zellen ... 52

5.3 Aufhebung des Adhäsionsdefekts durch Behandlung mit Blebbistatin ... 54

5.4 Einfluss von RhoA und Rac1 auf das Adhäsionsverhalten FPC-defizienter Zellen ... 54

5.5 Beurteilung der Aktomyosin-Kontraktilität mittels Vinculin-Färbung ... 56

5.6 Das Adhäsionsverhalten FPC-defizienter Zellen: die aktuelle Studienlage... 57

5.7 Ausblick ... 59

5.7.1 Positionierung der Zentrosomen als Hinweis auf ein gestörtes Zweizellstadium ... 59

5.7.2 Gewinnung humaner Zellen für den Vergleich in vivo ... 60

6 Zusammenfassung ... 61

7 Literaturverzeichnis ... 63

8 Anhang ... 70

8.1 Abkürzungsverzeichnis ... 70

8.2 Abbildungsverzeichnis ... 71

8.3 Tabellenverzeichnis ... 72

8.4 Ergänzende Tabellen ... 73

9 Lebenslauf... 75

10 Erklärung nach §2 Abs. 2 Nr. 7 und 8 der Promotionsordnung ... 76

11 Danksagung ... 77

(5)

1 Einleitung

1 Einleitung

1.1 Ziliopathien

1.1.1 Übersicht

Unter Ziliopathien versteht man eine ganze Reihe an klinisch heterogenen Erkrankungen, die ihre Ge- meinsamkeit in einem genetisch bedingten Defekt der Zilienfunktion haben. Monogene Ziliopathien, wie beispielsweise die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD), die autoso- mal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD), das Bardet-Biedl-Syndrom, die Nephronopht- hise (NPH) oder das Joubert-Syndrom, werden alle über einen Defekt oder ein Fehlen von Proteinen definiert, die im Gesunden in primären Zilien oder Zentrosomen lokalisiert sind (Hildebrandt et al.

2011).

Primäre Zilien sind unbewegliche Haar-ähnliche Strukturen, die aus dem Basalkörper hervorgehen und zentral aus einem Axonem mit 9+0 Mikrotubuli bestehen (Guay-Woodford 2006). Mit knapp 5–10 µm Länge reichen die Zilien von der apikalen Membran in die extrazelluläre Umgebung (Satir et al. 2010).

Sie können chemische, osmotische und mechanische Stimuli wahrnehmen und sind an der Zellprolife- ration über die korrekte Anordnung des Spindelapparats während der Mitose und an der Ausbildung planarer Zellpolarität beteiligt (Gunay-Aygun 2009; Fliegauf et al. 2007). Die aus der Umwelt gesam- melten Informationen werden über intraflagellaren Transport (IFT) anterograd an die Zelle weiterge- leitet, gleichzeitig können retrograd Proteine für die Aufrechterhaltung der Zilien-Funktion transpor- tiert werden (Bergmann 2012; Arts & Knoers 2013). Zilien können in nahezu allen menschlichen Zellen gefunden werden, sodass bei einer Fehlfunktion auch fast alle Organsysteme symptomatisch werden können (Kagan et al. 2017). Die folgende Arbeit konzentriert sich auf renale Ziliopathien und im Beson- deren auf die ARPKD.

1.1.2 Klassifikation zystischer Nierenerkrankungen

Bei der Klassifikation von Nierenzysten sollte zuerst zwischen erworbenen und erblichen Nierenzysten unterschieden werden. Einfache, erworbene Nierenzysten kommen je nach Studie mit einer Gesamt- prävalenz von knapp 7–10 % vor, wobei sie unter 20 Lebensjahren eher selten sind und mit zunehmen- dem Lebensalter häufiger auftreten. Sie sind per definitionem sonographische Zufallsbefunde, asymp- tomatisch und treten meist unilateral auf. Bei Größenzunahme oder Komplikationen wie Infektion, Ruptur oder Einblutung kann es zu Flankenschmerz und Hämaturie kommen. Insgesamt treten Kom- plikationen mit 2–4 % aber selten auf (Eknoyan 2009; Terada et al. 2008; Chang et al. 2007). Erworbene Zystennieren sind meist Folge einer langjährigen Hämodialyse und mit einem erhöhten Risiko für Nie- renkrebserkrankungen assoziiert (Wilson & Goilav 2007).

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2 Erbliche Nierenzysten (= polyzystische Nierenerkrankungen) werden durch unterschiedliche geneti- sche Defekte hervorgerufen. Sie lassen sich bilateral nachweisen und treten meist multipel auf. Auto- somal-dominant vererbt werden sie bei der autosomal-dominanten polyzystischen Nierenerkrankung, der tuberösen Sklerose, der medullär-zystischen Nierenerkrankung Typ 1 und Typ 2 und dem Von- Hippel-Lindau-Syndrom (Chebib & Torres 2016). Autosomal-rezessive Erbgänge sind hingegen bekannt bei der autosomal-rezessiven polyzystischen Nierenerkrankung, der Nephronophtise und dem Bardet- Biedl-Syndrom. Das Oro-fazio-digitale Syndrom Typ 1 wird X-chromosomal dominant vererbt (Wilson

& Goilav 2007).

Osathanondh und Potter haben bereits 1964 zystische Erkrankungen der Niere rein deskriptiv nach ihren anatomischen Pathologien in vier Typen eingeteilt (bekannt als Potter-Klassifikation). Typ I be- zeichnet die autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung, Typ II multizystische Nierendyspla- sien (Typ IIa mit Vergrößerung der Niere und Typ IIb ohne Vergrößerung der Niere), Typ III die autoso- mal-dominante polyzystische Nierenerkrankung und Typ IV zystische Nierenerkrankungen bei Obstruk- tion der Nieren oder der Ureteren (Osathanondh & Potter 1964). Da diese historische Einteilung nur wenig mit klinischen und genetischen Gesichtspunkten der Erkrankungen übereinstimmt, wird sie heutzutage durch eine genetische Nomenklatur ersetzt (Bergmann 2015).

Die ARPKD, Typ I nach Potter, wurde aufgrund der Variabilität ihres Phänotyps von Blyth und Ockenden noch einmal in vier Gruppen (perinatal, neonatal, infantil und juvenil) unterteilt (siehe Tabelle 1). Die Gruppen orientieren sich an Manifestationsalter, klinischer Präsentation, Progress, Prozentsatz dila- tierter Sammelrohrepithelzellen und Anteil der periportalen Fibrose (Blyth & Ockenden 1971).

Tabelle 1. Einteilung der autosomal-rezessiven polyzystischen Nierenerkrankung.

Modifiziert, übersetzt und gedruckt mit Genehmigung von BMJ Publishing Group Ltd.: Journal of Medical Genetics, Polycystic disease of kidney and liver presenting in childhood, Helen Blyth, Barbara G. Ockenden, Vol. 8, page 261, Sep 1, 1971.

Manifestation Klinische Präsentation

Typischer Progress Dilatierte Sammelrohr- epithelzellen

Periportale Fibrose

perinatal zur Geburt bilateral massiv vergrößerte Nieren

früher Tod ≥90 % minimal

neonatal 1. Tag bis 1.

Monat

bilateral vergrö- ßerte Nieren

progressive Nierenin- suffizienz

~60 % mild

infantil 3. bis 6. Monat bilateral große Nie- ren, Hepatospleno- megalie

chronische Nierenin- suffizienz, systemi- sche und portale Hy- pertension

~25 % moderat

juvenil ab 6. Monat, v.a. 1. bis 5.

Lebensjahr

Hepatomegalie portale Hyperten- sion, häufig porto- cavale Shunts not- wendig

<10 % stark

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1 Einleitung

1.1.3 Die autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung 1.1.3.1Epidemiologie und Klinik

Die autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD) ist eine hereditäre zystische Nie- renerkrankung und tritt mit einer Inzidenz von 1:20000 Lebendgeburten auf (Bergmann 2018). Sie ist somit weitaus seltener als ihre dominante Form, die mit einer Inzidenz von ca. 1:800 auftritt (Wilson 2004). Unter Europäern ist etwa jeder 70. Mutationsträger (Bergmann et al. 2005). Da es sich um einen autosomal-rezessiven Erbgang handelt, liegt die Wahrscheinlichkeit heterozygoter Eltern, die Erkran- kung an ihre Kinder zu vererben, bei 25 %.

ARPKD führt zu beidseitig vergrößerten Nieren, Hepatomegalie und Oligohydramnion (Wilson 2004;

Zerres, Mücher, et al. 1998). Letzteres resultiert in der sogenannten Pottersequenz mit Lungenhypop- lasie, sowie ggfs. Gelenkdeformitäten und Gesichtsdysmorphien (Fischer & Haffner 2010; Zerres, Mücher, et al. 1998; Furu et al. 2003).

Die Diagnosestellung erfolgt in 40 % der Fälle bereits pränatal oder im Rahmen der Geburt, da be- troffene Feten in utero häufig sonographisch mit beidseits vergrößerten, hyperechogenen Nieren und Oligohydramnion auffallen (Zerres, Mücher, et al. 1998; Bergmann 2015; Denamur et al. 2010). Diese frühe Manifestation der Erkrankung entspricht dem von Blyth und Ockenden beschriebenen perinata- lem Typ. In späteren sonographischen Befunden ist die Mark-Rinden-Differenzierung der betroffenen Nieren häufig aufgehoben und die erhöhte Echogenität aufgrund von Mikroverkalkungen noch deutli- cher (Kogutt et al. 1993; Lucaya et al. 1993; Kaplan et al. 1989). Das echoreiche, inhomogene Nieren- parenchym wird auch mit dem Begriff „Pfeffer-Salz-Muster“ beschrieben. Das anatomische Korrelat stellen die erweiterten Sammelrohre der Patienten dar (Fischer & Haffner 2010).

Die Oligohydramnie, die durch eine verminderte Urinproduktion entsteht, entwickelt sich zumeist erst nach der 20. Schwangerschaftswoche und ist damit kein verlässliches Diagnosekriterium in der Früh- schwangerschaft (Zerres et al. 1988; Luthy & Hirsch 1985; Bergmann 2015). So wurden in vielen Stu- dien normale Sonographiebefunde bei ARPKD-Patienten beschrieben, die pränatal keinen Hinweis auf eine möglich Erkrankung lieferten (Reuss et al. 1990; Zerres, Mücher, et al. 1998). Auch Nierenzysten lassen sich nur selten vor der 20. Schwangerschaftswoche sonographisch feststellen (Zerres, Rudnik- Schöneborn, et al. 1998).

Die Schwere der Lungenhypoplasie ist für das postpartale Überleben der Patienten entscheidend (Burgmaier et al. 2018). Auch wenn die betroffenen Feten die Pränatalphase überleben, stirbt mehr als ein Drittel von ihnen noch im ersten Lebensjahr (Bergmann 2015). Häufigste Gründe hierfür sind die Lungenhypoplasie und ihre Komplikationen wie Spannungspneumothoraces und respiratorische Insuffizienz (Harris & Torres 2009; Hartung & Guay-Woodford 2014). Die Lungenhypoplasie ist Folge hochstehender Zwerchfellkuppeln bei Nephromegalie, die eine korrekte Lungenentwicklung verhin-

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4 dern (Fischer & Haffner 2010). Neben der Lungenhypoplasie verhindert die Nephromegalie durch Kom- pression des gastrointestinalen Systems auch häufig eine angemessene Ernährung der Säuglinge. Eine Wachstumsretadierung kann in bis zu 25 % der Fälle beobachtet werden (Guay-Woodford & Desmond 2003).

Zu diesem frühen Zeitpunkt der Kindesentwicklung spielt Nierenversagen nur selten eine Rolle und auch die Kreatinin-Werte der Patienten befinden sich während der ersten 36 Monate meist im Norm- wertbereich (Cole et al. 1987; Bergmann et al. 2005). Bis zum 10. Lebensjahr entwickeln allerdings etwa 50 % der Patienten eine terminale Niereninsuffizienz (Avner & Sweeney 2006), der genaue Zeit- punkt ist dabei aber hoch variabel und abhängig vom Manifestationsalter (Hartung & Guay-Woodford 2014). Nachgewiesen wurde, dass die sonographisch festgestellte Nierengröße nicht mit der Nieren- funktion korreliert (Capisonda et al. 2003), sodass eine Abnahme der Nierengröße nicht zwangsläufig ein negativer Parameter für die Erkrankung sein muss (Blickman et al. 1995).

Histopathologisch handelt es sich bei den Zysten der ARPKD um fusiforme Mikrozysten (maximaler Durchmesser <4 mm), die radial durch das Parenchym vom Mark in die Rinde verlaufen (Bergmann 2015; Fischer & Haffner 2010). Die Zysten sind dabei auf die distalen Tubuli und die Sammelrohre be- schränkt und verlieren nicht den Kontakt zum betroffenen Tubulussystem (Ibraghimov-Beskrovnaya &

Bukanov 2008). Mit zunehmendem Alter bilden sich auch größere Zysten aus (<2 cm) und es kommt zu einer ausgeprägten interstitiellen Fibrose (Fischer & Haffner 2010).

Für die ersten 15 Jahre nach dem ersten Lebensjahr lag die Überlebenswahrscheinlichkeit für ARPKD- Patienten 1989 noch bei ca. 78 % (Kaplan et al. 1989). Avner und Sweeney berichten, dass die Zehn- jahresüberlebensrate dank Nierenersatztherapie auf 82 % gesteigert werden konnte (Avner &

Sweeney 2006). Während dieser Zeit entwickelt der Großteil der Patienten einen Hypertonus (Capisonda et al. 2003; Cole et al. 1987), der zum einen auf eine Überwässerung und zum anderen auf eine Überaktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems zurückzuführen ist (Loghman-Adham et al. 2005). Die These der Überwässerung stützen auch Kaplan et al. und Capisonda et al., die in ihren Studien zeigen konnten, dass die Serum-Natriumspiegel bei ARPKD-Patienten deutlich unter dem Normwert liegen (Kaplan et al. 1989; Capisonda et al. 2003). Der medikamentös nur schwierig einzu- stellende Hypertonus betrifft knapp 80 % der ARPKD-Patienten (Bergmann 2015).

Als obligates Krankheitsmerkmal zeigen alle Patienten aufgrund eines während der Embryonalperiode defekten Umbaus der Duktalplatte eine kogenitale Leberfibrose und Ektasie der Gallengänge im Sinne eines Caroli-Syndroms. Diese als Duktalplatten-Malformation zusammengefassten Defekte werden auch bei anderen Ziliopathien häufig beobachtet (Bergmann 2015). Die kongenitale Leberfibrose hat im weiteren Krankheitsverlauf zumeist eine portale Hypertension zur Folge (Capisonda et al. 2003).

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1 Einleitung

Als weitere klinische Merkmale werden Pankreaszysten, Pankreasfibrose und Pylorusstenosen be- schrieben (Büscher et al. 2013; Uhari & Herva 1979). Besonders Pylorusstenosen werden auch bei Pa- tienten mit anderen zystischen Nierenerkrankungen festgestellt (Kaplan et al. 1989).

Ein Zusammenhang zwischen ARPKD und neurokognitiven Dysfunktionen wird diskutiert, wurde bisher aber noch nicht nachgewiesen. Es gibt allerdings publizierte Daten, die Zusammenhänge zwischen kog- nitiver Dysfunktion und Hypertonie bzw. Niereninsuffizienz beweisen, sodass ARPKD-Patienten zumin- dest aufgrund ihrer Komplikationen dem Risiko einer kognitiven Einschränkung ausgesetzt sind (Hartung & Guay-Woodford 2014). Einen klinischen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt es bezüglich des Phänotyps nicht (Guay-Woodford & Desmond 2003).

Neben der oben erwähnten frühen Diagnosestellung im Säuglingsalter werden auch immer wieder Ka- suistiken veröffentlicht, bei denen es erst im Verlauf der Kindheit zur Ausbildung von Symptomen kommt. Im Allgemeinen gilt: Je später sich die Krankheit manifestiert, desto milder ist der Krankheits- verlauf und desto harmloser die Niereninsuffizienz (Capisonda et al. 2003). Diese Fälle entsprechen dem infantilen und juvenilen Typ nach Blyth und Ockenden.

Zusammenfassend stellen Hypertonus, Nierenversagen und portale Hypertension die häufigsten Gründe für das Versterben der ARPKD-Patienten nach der Neonatalperiode dar (Guay-Woodford 2006). Aus diesem wichtigen Symptomkomplex ergeben sich nach Zerres et al. im Wesentlichen fünf Diagnosekriterien für die ARPKD (Zerres et al. 1996; Fischer & Haffner 2010): (i) ebenfalls von ARPKD betroffene Geschwister, (ii) unauffälliger Nierensonographiebefund der Eltern, (iii) konsanguine Eltern, die für einen autosomal-rezessiven Erbgang sprechen, (iv) typischer Nierensonographiebefund von hy- perechogenen, vergrößerten Nieren mit reduzierter Mark-Rinden-Differenzierung und eines der fol- genden Kriterien: klinische bzw. laborchemische Zeichen für eine Leberfibrose, ggf. in Kombination mit den Zeichen einer portalen Hypertension (Hepatosplenomegalie, Ösophagusvarizen) und (v) histologi- scher Nachweis einer Gallengangsdysplasie in der Leberbiopsie.

1.1.3.2Abgrenzung zu Differentialdiagnosen

Differentialdiagnostisch ist die ARPKD besonders von der ADPKD abzugrenzen. Die ADPKD, die haupt- sächlich erst im Erwachsenenalter symptomatisch wird, manifestiert sich in knapp 2 % der Fälle bereits neonatal (Fischer & Haffner 2010). Bereits 1994 stellte Ogborn in einem Review fest, dass zur Unter- scheidung besonders die sonographische Untersuchung der elterlichen Nieren angezeigt: „Perhaps the single most useful investigation in the evaluation of a child with early onset of cystic renal disease is ultrasound of the parents. […] Thus a negative ultrasound of both parents reduces the probability of a diagnosis of ADPKD to the level of a spontaneous mutation” (Ogborn 1994). Sofern die Eltern über 30 Jahre alt sind und keine zystischen Veränderungen der Nieren aufweisen, ist eine ADPKD so gut wie ausgeschlossen (Bear et al. 1992; Ravine et al. 1994). Sollten die Eltern jünger als 30 Jahre alt sein, so

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6 wird empfohlen, die Großeltern auf Nierenzysten zu untersuchen. Zu bedenken ist allerdings, dass bei 10 % der ADPKD-Patienten Neumutationen vorliegen, sodass ein klinisch negativer Befund der Eltern bzw. Großeltern eine ADPKD nie vollständig ausschließen kann (Fischer & Haffner 2010).

Klinische Studien zur Unterscheidung zwischen ARPKD und ADPKD haben festgestellt, dass bestimmte klinische Symptome nur auf jeweils eine dieser Erkrankungen zutreffen. So treten Spannungs- pneumothoraces und Hepatosplenomegalie nur bei der ARPKD auf (Cole et al. 1987), (Makro-)Häma- turie im Gegensatz wird nur bei der ADPKD beobachtet (Kääriäinen et al. 1988). Der Verlauf einer ARPKD ist letztlich deutlich schwerwiegender und mit mehr Komplikationen verbunden als der einer ADPKD (Parfrey 2005).

Die Abgrenzung zu anderen zystischen Nierenerkrankungen, wie zu sporadischen Nierenzysten, tu- beröser Sklerose, juveniler Nephronophtisis, Nephroblastomen und Nierenbeteiligung bei z. B. dem Meckel-Syndrom oder dem Bardet-Biedl-Syndrom, sind im Allgemeinen durch radiologische und klini- sche Parameter und eine genaue Familienanamnese gut möglich (Zerres, Mücher, et al. 1998).

Trotz vieler Diagnosekriterien kann bei knapp 20 % der Patienten keine sichere klinisch-radiologische Diagnose gestellt werden. Hier wird eine genetische Untersuchung, besonders bei erneutem Kinder- wunsch der Eltern, empfohlen (Fischer & Haffner 2010).

1.1.4 Pathogenese

1.1.4.1PKHD1 und Fibrocystin

Hervorgerufen wird die ARPKD durch Mutationen des Gens PKHD1 (polycystic kidney and hepatic dise- ase 1), welches sich auf dem Chromosom 6p21.1–p12 befindet (Guay-Woodford et al. 1995; Onuchic et al. 2002). Es besteht aus 470 kb, mindestens 86 Exons und zeigt eine hohe allelische Heterogenität.

Der längste Leserahmen beinhaltet 67 Exons und codiert für das Protein Fibrocystin (FPC, Synonym:

Polyductin). Dieses Protein besteht aus 4074 Aminosäuren und hat nicht-glykosyliert ein molekulares Gewicht von 447 kD (Menezes et al. 2004; Ward et al. 2002; Fischer & Haffner 2010; Bergmann 2018).

In seinem Aufbau mit einer großen extrazellulären Domäne (N-Terminus), einer Transmembran-Do- mäne und einer kurzen zytoplasmatischen Domäne (C-Terminus, 192aa) ähnelt es einem Rezeptorpro- tein (Ward et al. 2002; Onuchic et al. 2002). Neben FPC-spezifischen Sequenzen finden sich in der ext- razellulären Domäne auch viele sich wiederholende Subdomänen und Homologien zu bereits bekann- ten Proteinstrukturen (Fischer & Haffner 2010). Schon frühere Strukturanalysen haben hohe Ähnlich- keiten mit Proteinen ergeben, die an der Regulation von Zellproliferation und -adhäsion beteiligt sind, so z. B. mit dem Hepatozyten-Wachstumsfaktor-Rezeptor (HGFR) und Plexinen (Bardelli et al. 1994;

Tamagnone et al. 1999).

Zytoplasmatisch wurden zum einen drei mögliche Phosphorylierungsstellen für cAMP/cGMP-abhän- gige Kinasen identifiziert und zum anderen wurde gezeigt, dass das Protein durch Interaktion mit dem

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1 Einleitung

Protein calcium modulating cyclophilin ligand (CAML) eine Rolle in der kalziumvermittelten Signal- kaskade spielt. Die Kolokalisation von CAML und FPC in Zilien wurde ebenfalls nachgewiesen (Nagano et al. 2005).

FPC findet sich in den kortikalen und medullären Sammelrohren der Nieren, in den Gallengängen der Gallenblase, ebenso wie in primären Zilien und in Zentrosomen von renalen Epithelien (Ward et al.

2002; Menezes et al. 2004; Zhang et al. 2004). Die höchsten PKHD1-Expressionslevel wurden dabei sowohl in der fetalen als auch adulten humanen Niere gefunden, was Onuchic et al. zu der Schlussfol- gerung führte, dass FPC sowohl für die embryonale Entwicklung als auch für die adulte Funktion der Niere eine wichtige Rolle spielt. Die Expressionslevel in Pankreas und Leber sind deutlich niedriger (Onuchic et al. 2002). Die Lokalisation von FPC in den verschiedenen Organen deckt sich mit der Klinik der ARPKD, da insbesondere die Nieren, die Leber und auch das Pankreas betroffen sind.

1.1.4.2Mutationen des Gens PKHD1

Es wurden schon mehr als 700 zu ARPKD-führende Mutationen entdeckt (Rossetti et al. 2003;

Bergmann et al. 2004), die in einer Datenbank1 zusammengetragen werden. Diese Mutationen lassen sich auf der gesamten Länge des PKHD1-Gens finden und sind zu 60 % Missense- und zu 40 % trunkie- rende, also verkürzenden, Mutationen. Die häufigste Mutation, vor allem unter Europäern, ist eine Missense-Mutation in Exon 3, c.107C>T (p.Thr36Met), die in knapp 15–20 % der betroffenen Allele zu finden ist und in bisher jeder großen PKHD1-Mutationsstudie Erwähnung fand (Hartung & Guay- Woodford 2014; Furu et al. 2003; Onuchic et al. 2002; Ward et al. 2002; Bergmann et al. 2003; Rossetti et al. 2003). Bei klinischem Verdacht auf eine ARPKD kann die Diagnose in ca. 80 % der Fälle durch genetischen Nachweis zweier PKHD1-Mutationen gesichert werden (Fischer & Haffner 2010).

Bei etwa einem Drittel aller Mutationen handelt es sich um Mutationen, die jeweils in nur einer Familie nachgewiesen wurden (Rossetti & Harris 2007; Fischer & Haffner 2010). Genotyp-Phänotyp-Assoziati- onen zeigen, dass Patienten mit zwei trunkierenden Mutationen aufgrund eines schwerwiegenderen Krankheitsverlaufs meist bereits perinatal oder neonatal versterben, während Patienten mit einer oder zwei Missense-Mutationen häufiger einen milden Phänotypen ausbilden (Rossetti et al. 2003). Trun- kierende Mutationen lassen sich zu 55 % bei schweren Krankheitsverläufen (Tod intrauterin oder ne- onatal), aber nur zu 20 % bei lebenden Patienten finden (Denamur et al. 2010). Diese Beobachtung lässt die Aussage zu, dass Überlebende der Neonatalperiode in zumindest einem der betroffenen Allele eine Missense-Mutation des PKHD1-Gens aufweisen müssen (Bergmann et al. 2005; Denamur et al.

2010; Furu et al. 2003).

1 http://www.humgen.rwth-aachen.de (Stand 19.09.2018)

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8 Zusätzlich liefert diese Beobachtung einen Hinweis darauf, dass viele Missense-Mutationen keine voll- ständige Penetranz haben und somit zu keinem absoluten Verlust des Proteins FPC führen (Bergmann et al. 2003).

Die Assoziation zwischen Genotyp und Phänotyp kann allerdings nicht stringent auf alle Krankheitsfälle angewendet werden. So wurde bereits die Kasuistik eines Kindes veröffentlicht, das homozygot für eine große PKHD1-Deletion war und dennoch die Neonatalperiode überlebt hat (Zvereff et al. 2010).

Weiterhin führen nicht alle Missense-Mutation zu einem milderen Krankheitsbild. Eine Reihe an Mis- sense-Mutationen zeigen im Gegenteil schwerwiegendere Phänotypen als homozygote trunkierende Mutationen (Rossetti & Harris 2007; Denamur et al. 2010). Aufgrund dessen scheint es noch andere Faktoren in der Krankheitsentstehung geben zu müssen.

Der Großteil betroffener ARPKD-Geschwisterkinder zeigt eine ähnliche Schwere der Erkrankung, aller- dings wurden in 20 % der Fälle eine große intrafamiliäre Phänotyp-Variabilität beschrieben. Diese legt ebenfalls nahe, dass neben dem Genotyp auch andere Faktoren wie Epigenetik (z. B. Alternatives Splei- ßen), andere Gene und Umweltfaktoren eine Rollen in der Krankheitsentwicklung spielen (Bergmann et al. 2005).

Teil epigenetischer Veränderungen kann alternatives Spleißen sein, auf das auch das PKHD1-Gen un- tersucht wurde. Boddu und Kollegen konnten 2014 im Mausmodell zeigen, dass verschiedene Pkhd1- Transkripte in der Maus in embryonaler Niere, Leber und Plazenta ebenso wie in adulter Niere, Pan- kreas, Gehirn, Lungen, Hoden und Leber vorhanden sind (Boddu et al. 2014). Mittels Real-Time PCR und RNA-Sequenzierung konnten sie 22 verschiedene Pkhd1-Nieren-Transkripte nachweisen. Zusätz- lich beobachteten sie verschiedene Mechanismen des alternativen Spleißens, wie das Überspringen von Exons (exon-skipping), das Benutzen unterschiedlicher 5' oder 3' Spleißbindungsstellen (alterna- tive 5'/3' splice site) und den Einschluss von neuen Exons (inclusion of novel exons). Die Daten zeigen, dass Pkhd1/PKHD1 zumindest in Teilen alternativem Spleißen unterworfen ist. Weiterhin untersuchten Boddu et al. die Missense-Mutation R760H (c.2279G>A), bei der es zu einem Nukleotid-Austausch in Exon 22 kommt. Durch die Mutation kommt es zu einer Veränderung in einem Spleiß-Verstärker, wodurch das Spleißen unterbrochen und das entstehende Protein somit verkürzt wird. Die Missense- Mutation, die eigentlich nach Genotyp-Phänotyp-Assoziation von geringer pathologischer Signifikanz ist, verändert also über ihren Einfluss auf einen Spleiß-Verstärker die mRNA und hat somit größeren Einfluss als primär erwartet (Boddu et al. 2014). Aberrantes Spleißen kann somit als Teil des Pathome- chanismus der ARPKD angesehen werden und ist vermutlich ein Grund für die Heterogenität der Phä- notypen (Luft 2014).

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1 Einleitung

1.1.5 Therapeutische Möglichkeiten

Bisher gibt es keine Therapie, die das Fortschreiten der Erkrankung kausal verhindern kann (Wilson 2004; Riella et al. 2014). Symptomatische Maßnahmen stehen daher im Vordergrund. Postnatal kommt es bei betroffenen Säuglingen häufig zu respiratorischer Insuffizienz, die eine unterstützende Sauerstoffgabe oder in bis zu 40 % der Fälle eine Beatmung indiziert (Guay-Woodford & Desmond 2003). Studien zeigen, dass die postnatal notwendige Beatmung und das Auftreten eines Pneumotho- rax negative Prädiktoren für das Gesamtüberleben und die Nierenfunktion des Patienten sind (Capisonda et al. 2003; Guay-Woodford & Desmond 2003). Im Mittelpunkt der Therapie steht häufig vor allem der schwerwiegende Hypertonus, der vor allem mit ACE-Hemmern, AT1-Antagonisten und Schleifendiuretika behandelt wird. Die ausreichende Hydrierung des Patienten soll ein prärenales Nie- renversagen verhindern. Wegen der Harn-Konzentrationsstörung ist bei ARPKD-Patienten per se mit einem erhöhten Flüssigkeitsbedarf zu rechnen (Fischer & Haffner 2010).

Auf der anderen Seite gehört zur Therapie der chronischen Niereninsuffizienz neben dem Azidoseaus- gleich, der Elektrolytsubstitution und der Verabreichung von Erythropoetin, Eisen, Vitamin D und Phos- phatbinder auch die Flüssigkeitsrestriktion, wodurch das Monitoring des Flüssigkeitshaushalts zur ele- mentaren Aufgabe wird (Fischer & Haffner 2010).

Um Harnwegsinfekte frühzeitig zu erkennen und Pyelonephritiden zu verhindern, sind regelmäßige Urinkontrollen angezeigt (Fischer & Haffner 2010). Bei massiver Nephromegalie, die zur Verdrängung anderer Organe in Thorax oder Abdomen führt, oder bei therapierefraktärem Hypertonus wird als Ul- tima Ratio eine einseitige Nephrektomie durchgeführt. Bei Erreichen der Dialysepflichtigkeit wird zu- meist die Peritonealdialyse gewählt, die auch zu Hause durchgeführt werden kann. Eine präemptive Nierentransplantation ist ab einem Körpergewicht von 8 kg anzustreben. Einige Patienten benötigen aufgrund der ausgeprägten portalen Hypertension eine Lebertransplantation. In den letzten Jahren wurden daher vermehrt auch sequentielle/simultane Nieren-Leber-Transplantationen durchgeführt.

Aufgrund der verbesserten Überlebenswahrscheinlichkeit durch Optimierung der Nierenersatzverfah- ren stehen bei den Patienten im höheren Alter besonders häufig die Komplikationen der Leberbeteili- gung im Vordergrund. Besonders zu nennen sind hier die portale Hypertonie und bakterielle Cholangi- tiden (Fischer & Haffner 2010). Patienten mit Caroli-Syndrom haben ein 65%iges Risiko an einer Cho- langitis zu erkranken, bei Patienten mit chronischer Leberfibrose liegt das Risiko bei 6 % (Telega et al.

2013). Aufgrund dieses hohen Risikos werden antibiotische Prophylaxen besonders vor einer Trans- plantation immer wieder diskutiert (Büscher et al. 2013).

Je nach Klinik können Symptome und Überleben durch endoskopische Sklerosierung/Banding von Öso- phagusvarizen oder operative Anlage von portosystemischen Shunts ebenfalls verbessert werden (Fischer & Haffner 2010).

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10 1.1.6 Ausblick: neue Ansatzpunkte und Medikamente in klinischen Studien

Primäres Ziel neuartiger pharmakologischer Therapien ist es, die Progression der Zysten zu verhindern oder zu verzögern (Torres 2004; Macrae Dell 2011).

Sweeney und Avner postulieren, dass der „zystische Phänotyp“ durch verschiedene Pathologien cha- rakterisiert sei: (i) qualitative und quantitative Abweichungen von Expression und Funktion der EGF- Rezeptoren und -Liganden, (ii) fehlerhafter cAMP-Signalweg, der zu Proliferation führt, (iii) abnorme Aktivität der Src-Kinase oder des zellulären Src (cSrc), (iv) fehlerhafte Struktur und/oder Funktion der primären Zilien, (v) Veränderungen der planaren Zellpolarität und (vi) Veränderungen der Zell-Zell- und Zell-Matrix-Interaktion (Sweeney & Avner 2014).

Angriffspunkt therapeutischer Strategien sind dementsprechend (i) die Reduktion der Zellproliferation, (ii) die Reduktion der cAMP-Level und (iii) die Reduktion der Flüssigkeitssekretion (Patil A, 2015 Nov).

Sowohl der Signalweg der epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptoren (EGFR) und -Liganden als auch die G-Protein regulierte cAMP-Erhöhung führen zu einer vermehrten Proliferation. C-Src spielt dabei eine Schlüsselrolle, indem es beide Signalwege miteinander verbindet (Patil A, 2015 Nov).

Erhöhte cAMP-Level, die auch aus einer verstärkten Aktivität des Vasopressin V2 Rezeptors resultieren, können mit V2-Antagonisten (z. B. Tolvaptan) gezielt verändert werden. Studien an Tiermodellen zei- gen, dass der Einsatz dieser Therapeutika das Zystenwachstum in Nieren und Leber sowohl bei der ARPKD, als auch bei der ADPKD und der NPH reduziert (Gattone II et al. 2003; Torres et al. 2004; Wang et al. 2005). Da Hypertension und Hyponatriämie häufige Komplikationen der ARPKD im Kindesalter sind, lässt sich zudem durch eine Tolvaptan-induzierte Diurese ein positiver Effekt auf den Wasser- und Elektrolythaushalt betroffener Kinder erwarten (Capisonda et al. 2003; Bergmann 2015). Einsatz von Tolvaptan konnte bei neonataler ADPKD gute Erfolge erzielen (Bockenhauer 2017; Gilbert et al. 2017).

Andere aktuell in Studien getestete Medikamente blockieren den epidermalen Wachstumsfaktor-Re- zeptor oder inhibieren den mTOR-Signalweg und waren schon in Tiermodellen hoch effektiv (Shillingford et al. 2006; Masoumi et al. 2007; Sweeney & Avner 2014). In Tiermodellen konnte zudem gezeigt werden, dass der Einsatz von Somatostatin-Analoga wie Pasireotid oder Octreotid ebenfalls den cAMP-Spiegel reduziert und das Wachstum von Zysten verhindern kann (Masyuk et al. 2013).

Ein Problem ist, dass viele Studien bisher nur im Rahmen der ADPKD durchgeführt wurden und erfolgs- versprechende Ansatzpunkte wie z. B. die mTOR-Inhibition im Tiermodell nicht auf die ARPKD übertra- gen werden konnten (Renken et al. 2011). Obwohl Sirolimus (Synonym: Rapamycin) in einigen ADPKD- Tiermodellen den Progress von Nierenzysten verhindern konnte, zeigt sich bei PCK-Ratten, einem or- thologen Tiermodell für die ARPKD, dass der mTOR-Inhibitor lediglich Auswirkungen auf die Nieren- größe, allerdings keinen Einfluss auf die Ausbildung von Zysten hat (Renken et al. 2011). Ob der man- gelnde Effekt an einer intrinsischen oder erworbenen Sirolimus-Resistenz liegt, wird diskutiert (Büscher et al. 2013).

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1 Einleitung

Zusätzlich haben alle Medikamente zum Teil starke Nebenwirkungen, sodass es eine der Aufgaben der klinischen Studien sein wird, ein Gleichgewicht aus Effektivität und akzeptablen Nebenwirkungen zu schaffen (Sweeney & Avner 2014).

1.2 Zelladhäsion und -migration

1.2.1 Aufbau und Funktion eines Epithels

Für den Aufbau eines Epithels bedarf es eines individuellen und koordinierten Polaritäts-Aufbau in Zel- len (Bryant & Mostov 2008). Essentiell für die Funktion eines Gewebes sind funktionale Kontakte zwi- schen einzelnen Zellen. Dies gilt insbesondere für Epithelien, da diese Organhöhlen auskleiden oder als Barrieren zwischen unterschiedlichen Kompartimenten dienen (Bryant et al. 2010). Da bei Säuge- tieren die meisten Zelltypen epithelialen Ursprungs sind, sind diese Zellen auch am besten untersucht (Bryant & Mostov 2008).

Epithelzellen bilden im Zellverbund verschiedene Oberflächen aus. Die apikale Zellfläche orientiert sich in Richtung des Lumens und ist spezialisiert auf Sekretion und Absorption von Stoffen, so zum Beispiel für die Aufnahme von Nährstoffen aus dem Darmlumen. Die laterale Oberfläche dient mittels Tight Junctions und Adherens Junctions dem Zell-Zell-Kontakt, während die basale Fläche in Kontakt mit der extrazellulären Matrix (EZM) steht. Beide Oberflächen bilden morphologisch ein Kontinuum und wer- den als basolaterale Oberfläche zusammengefasst (Bryant & Mostov 2008).

Tight Junctions befinden sich am apikalen Rand der lateralen Oberfläche und trennen so die apikale von der basolateralen Membrandomäne. Elektronenmikroskopisch lassen sich hier sogenannte „kis- sing points“ nachweisen, an denen die Nachbarzellen aufgrund fusionierter Zellmembranen besonders eng liegen. Tight Junctions bestehen aus Transmembran-Proteinen (z. B. Occludin und Claudin), die über verschiedenste Gerüstproteine mit dem Zytoskelett verbunden sind. Aufgrund ihres verschlie- ßenden Charakters limitieren Tight Junctions die parazelluläre Permeabilität und fördern den transzel- lulären Transport. Sie schaffen eine Barriere gegen den Transport in der Membran und halten so eine Trennung von apikaler und basolateraler Membrandomäne aufrecht (Bryant & Mostov 2008; Bryant et al. 2010; Fedeles & Gallagher 2013; Shin et al. 2006). Unterhalb der Tight Junctions werden Adherens Junctions ausgebildet. Diese werden vom Transmembranprotein E-Cadherin aufgebaut und nehmen, neben der Verbindung von Nachbarzellen, auch Einfluss auf die Positionierung von Zellorganellen wie dem Zellkern, dem Golgi-Apparat und den Zentrosomen (Fedeles & Gallagher 2013).

Im Aufbau von Epithelien gibt es zwei entscheidende Dimensionen der Polarität: Zum einen besitzt jedes Epithel eine planare Polarität, zum anderen bilden Zellen im Zellverbund individuell die oben beschriebene apiko-basolaterale Polarität. Studien haben dargestellt, dass ein Funktionsverlust von

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12 am Polaritäts-Aufbau beteiligt Proteinen dazu führt, dass kein gesundes renales Epithel gebildet wer-

den kann und es zu zystischen Nierenerkrankungen kommt. Im ADPKD-/ARPKD-Tiermodell konnte be- reits gezeigt werden, dass unter anderem embryonale Isoformen der Na+-K+-ATPase und EGFR, statt wie im gesunden Gewebe an der basolateralen Oberfläche, an der apikalen Oberfläche zu finden sind und so mutmaßlich über eine gestörte Polarität zu renaler Zystogenese führen (Fedeles & Gallagher 2013; Wilson et al. 1991; Orellana et al. 1995).

1.2.2 Aufbau von Zell-Matrix-Kontakten

Zell-Matrix-Adhäsion spielt eine wichtige Rolle bei Zellmigration und -teilung und hat somit tragenden Einfluss auf die embryonale Entwicklung und die Aufrechterhaltung von Organfunktionen. Ein genaues Verständnis über den Aufbau und die Funktion von Zell-Matrix-Kontakten ist Grundlage für das Erken- nen und Verstehen von Fehlregulationen und Pathologien (Berrier & Yamada 2007).

Die Verbindung zwischen Zellen und der EZM wird über sogenannte Fokalkontakte (focal adhesions, FA) vermittelt. Der Abstand zwischen einer Zelle und ihrer EZM kann an den Kontakten weniger als 15 nm betragen (Zaidel-Bar et al. 2004). An diesen Fokalkontakten können mehr als 150 unterschiedliche Proteine beteiligt sein, Hauptbestandteil sind aber Integrine, die als Rezeptoren fungieren (Zamir &

Geiger 2001; Zaidel-Bar 2009). Integrine sind heterodimere Transmembranproteine, die jeweils aus einer α- und einer β-Untereinheit bestehen. Sie können durch ihre bidirektionale Verbindung mecha- nisch-chemische Informationen vermitteln und verbinden so den intrazellulären mit dem extrazellulä- ren Raum. Über outside-in signaling werden Informationen über die EZM an die Zelle weitergegeben, die bedeutend für Zellteilung und Migration sind. Zusätzlich können intrazelluläre Signale über inside- out signaling Konformationsänderungen der Integrine bewirken und so die Aktivität der Bindung an EZM-Liganden verändern (Luo et al. 2007; Berrier & Yamada 2007).

Mit ihrer extrazellulären Domäne binden Integrine an Liganden der EZM, wodurch es zur Aktivierung signalgebender Proteine wie der Tyrosinkinasen der c-Src-Familie und der Focal-Adhesion-Kinase (FAK) kommt (Berrier & Yamada 2007). Durch Phosphorylierung schaffen die Kinasen Bindungsstellen für Adapter-Proteine mit SH2- und SH3-Domänen, über die wiederum verschieden Signalwege aktiviert werden (Löffler & Petrides, 2003). Nach Bindung an Fokalkontakte wird FAK an Y397 autophosphory- liert. Durch Konformationsänderung schafft die so aktivierte FAK eine Bindungsstelle für die c-Src- Kinase (Schaller et al. 1994). Nach der Aktivierung durch die Integrin-vermittelte Zelladhäsion wird c- Src ebenfalls in die Fokalkontakte verlagert. Konformationsänderungen induzieren die Autophospho- rylierung an Y418 und die Phosphorylierung der FAK an Y576/7 und Y861. FAK und c-Src binden und phosphorylieren im Verlauf weitere Proteine wie z. B. Paxillin (Israeli et al. 2010; Lawson & Schlaepfer 2012). Die Phosphorylierung von FAK, Src-Kinasen und anderen Signalproteinen wie Paxillin und

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1 Einleitung

p130cas hat Einfluss auf die Anzahl, die Verteilung, die Größe und die Funktion von Fokalkontakten (Israeli et al. 2010). Fokalkontakte sind dynamische Strukturen, die einem dauerhaften und koordinier- ten Umbau unterliegen. Sie schaffen dabei nicht nur eine Verbindung zwischen der Zelle und ihrer EZM, sondern können auch auf Veränderungen der Umwelt reagieren (Riveline et al. 2001; Carisey et al. 2013). Der Knockout verschiedener Proteine, die an Fokalkontakten beteiligt sind, wie FAK, c-Src, Paxillin und Polycystin-1 hat eine verminderte Zellmigration, eine verstärkte EZM-Adhäsion und die embryonale Letalität in Mäusen zur Folge. ADPKD wird in einem Großteil der Fälle durch Mutationen des Gens PKD1 (Polycystic Kidney Disease 1) ausgelöst. Polycystin-1 ist das Produkt dieses Gens und wird in β1-Integrin vermittelte Kontakte integriert (Wilson & Burrow 1999). Auch für FPC wurde die Hypothese aufgestellt, dass es Teil normaler Fokalkontakte ist. Es gibt Hinweise, dass die Expression von Fokalkontakt-Proteinen in FPC-defizienten ARPKD-Zellen im Vergleich zu gesunden Zellen verän- dert ist, die FAK-Autophosphorylierung an Y397 fehlt und stattdessen vermehrt FAK-Inhibitionsstellen phosphoryliert sind (Israeli et al. 2010).

1.2.3 Die Funktion von Aktin und Nicht-Muskel-Myosin II

Die filamentären Strukturen des Zytoskeletts bestehen aus F-Aktin, Intermediärfilamenten und Mikro- tubuli. Ein genau organisiertes Zusammenspiel diese drei Strukturen ist ausschlaggebend für den Auf- bau von Geweben und die Migration von Zellen (Even-Ram et al. 2007). Membranprotrusion und Zell- migration werden über Aktinpolymerisation vermittelt (Berrier & Yamada 2007). Über Linker-Proteine wie Vinculin, Talin, Tensin und α-Aktinin binden die oben vorgestellten Integrine an Aktinfilamente (Zamir & Geiger 2001). Diese Verbindung vermittelt Interaktionen in beide Richtungen. So kann über Aktomyosin-Kontraktion und Integrin-Clustering die Zellspannung erhöht werden (Berrier & Yamada 2007).

Vinculin bindet nicht direkt an Integrine, verbindet indirekt aber Talin und α-Aktinin mit dem Zytoske- lett. Vinculin besteht aus einer Kopf- und einer Schwanzregion, die mittels einer prolinreichen Region miteinander verbunden sein können. Bindungsstellen für andere Proteine finden sich in allen Regionen von Vinculin. Die Bindungsstelle für Talin ist dabei gut untersucht. Es zeigte sich, dass diese Verbindung essentiell für die Aktivierung von Integrinen und damit die erste, noch schwache, Verbindung zum Zy- toskelett ist (Ziegler et al. 2006; Ziegler et al. 2008). Vinculin spielt eine Schlüsselrolle bei der Weiter- gabe von intra- und extrazellulären mechanischen Signalen (Carisey et al. 2013).

Die Anfärbung des Proteins Vinculin erlaubt daher eine gute Abschätzung der herrschenden Adhäsi- onskräfte, da das Fluoreszenzsignal bei stabiler Adhäsion und durchschnittlicher Größe der Fokalkon- takte positiv mit den Aktomyosin-vermittelten lokalen Kräften korreliert (Balaban et al. 2001;

Hernández-Varas et al. 2015; Marg et al. 2010).

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14 Aktin steht zusätzlich auch in Verbindung zu Nicht-Muskel-Myosin-II (NM II). Myosin-Proteine gehören einer großen und heterogenen Familie an, die in viele verschiedene Klassen unterteilt werden kann (Odronitz & Kollmar 2007; Foth et al. 2006) und in vielen zellulären Prozessen eine Rolle spielt (Hartman & Spudich 2012). Alle Myosine bestehen aus einer schweren Kette (heavy chain) sowie einer unterschiedlichen Anzahl von leichten Ketten (light chain).

NM II ist ein aus sechs Untereinheiten bestehendes Hexamer (Vicente-Manzanares et al. 2009). Über Querbrücken bindet es an Aktinfilamente. Dieser Vorgang erfordert Energie, welche über die Hydro- lyse von Adenosintriphosphat (ATP) durch eine Adenosin-Triphosphatase (ATPase) bereitgestellt wird.

Die Aktinbindung wird über Phosphorylierung der schweren und leichten Ketten reguliert. Auf diese Weise spielt NM II eine zentrale Rolle bei Zelladhäsion, Zellmigration und dem Aufbau von Geweben (Vicente-Manzanares et al. 2009). So kann NM II bipolare Filamente formen, die aus vielen Myosin- Molekülen bestehen und Kräfte aufbringen, die z. B. die beiden Schwester-Zellen während der Zelltei- lung separieren (Hartman & Spudich 2012; Vicente-Manzanares et al. 2009).

Weiterhin sind Myosine am intrazellulären Transport von Organellen und Vesikeln beteiligt, so zum Beispiel an der Bereitstellung von Integrinen oder Signalproteinen für Fokalkontakte (Vicente- Manzanares et al. 2009). Dass NM II einen Einfluss auf die Entwicklung und die Reifung von Fokalkon- takten hat ist schon länger bekannt, der genaue Mechanismus ist allerdings noch nicht vollständig ver- standen. Hier stehen laut Vicente-Manzanares et al. vor allem zwei Theorien im Vordergrund (Vicente- Manzanares et al. 2009). Zum einen wird vermutet, dass NM II die Aktinfilamente bündelt, wodurch die Adhäsionsproteine am Ende der Filamente näher zusammengebracht werden und sich dadurch

Abbildung 1. Die Rolle von NMII und Vinculin in der Integrin-vermittelten Adhäsion. Dargestellt ist die Adhäsion einer Zelle an die EZM über Ausbildung von Fokalkontakten. Diese Adhäsion erfolgt über eine Bindung der Aktomyosin-Filamente über Linker-Proteine an Integrine. Als Linkerproteine bezeichnet man viele verschiedene Proteine, unter anderem Vinculin, Talin und α-Aktinin. Kinasen wie FAK und Src geben Downstream-Signale der GTPasen wie z. B. Rac über Adapterproteine (Paxillin) weiter. Rac induziert dabei beispielsweise die Aktinpolymerisation und inhibiert die MLCK.

Gedruckt mit Genehmigung von Springer Nature: Springer Nature Reviews Molecular Cell Biology, Non-Muscle myosin II takes centre stage in cell adhesion and migration, Miguel Vicente-Manzanares, Xuefei Ma, Robert S. Adelstein, Alan Rick Horwitz, Nov 1, 2009.

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1 Einleitung

gruppieren. Interaktionen zwischen den Adhäsionsproteinen werden dadurch verstärkt, die Verbin- dung zwischen Integrinen und deren Liganden wird verfestigt und Signalwege werden aktiviert (Vicente-Manzanares et al. 2009). Beispielsweise induziert Aktomyosin-Aktivität die Bindung von Vinculin an Talin und dadurch kommt es zu Integrin-Clustern und zur Bildung von neuen Fokalkontak- ten (Humphries et al. 2007). Zum anderen könnten die aufgebauten Kräfte von NM II Konformations- änderungen von Adhäsions-Proteinen und von NM II selbst induzieren, die wiederum Bindungsstellen freigeben. Talin, welches Aktin und Integrine miteinander verbindet, bindet bei mechanischer Deh- nung an Vinculin und kann so die Kräfte von NM II auf das Substrat übertragen (del Rio et al. 2016).

Auch p130Cas reagiert auf mechanische Dehnung. Durch vermehrte Phosphorylierung wird es aktiviert und kann diese Aktivität an nachgeschaltete Signalwege weitergeben (Sawada et al. 2006). Integrine zeigen ein ähnliches Verhalten. Durch Dehnung, also eine mechanische Zugbelastung, verändern sie ihren Zustand und geben dieses Aktivität über Fibronektin und FAK weiter (Friedland et al. 2009). Für den genauen Aufbau eine Integrin-vermittelten Adhäsion inklusive filamentärer Strukturen und Linker- Proteine siehe Abbildung 1.

1.2.4 Rho und Rac als Regulatoren der Zellmigration

Die Ausbildung von Zellpolarität ist wie bereits beschrieben Voraussetzung für viele zelluläre Prozesse, so auch für die Zellmigration. An der Vorderkante der Zelle bildet sich bei der Migration ein dünner Leitsaum (leading edge), der wiederum Filopodien und Lamellipodien ausbildet. Die Vorstülpung des Leitsaums und die Ausbildung neuer Integrin-EZM-Verbindungen wird durch Polymerisation von Aktin induziert (Berrier & Yamada 2007).

Abbildung 2. Die drei Haupt-Aktinstrukturen in der Zelle: Lamellipodium, Filopodium und Stressfasern. Die Lamellipodien spielen eine wichtige Rolle in der Zell-Protrusion. Filopodien sind am Leitsaum lokalisiert und können extrazelluläre Einflüsse wahrnehmen und die Richtung der Protrusion beeinflussen. Stressfasern bestehen aus antiparallel aufgebauten Aktinfila- menten in Verbindung mit Myosin. Sie sind für Kraftaufbau und -übertragung einer Zelle essentiell.

Copyright by © (Letort et al. 2015). Es handelt sich um einen open access article, die Abbildung wurde nicht verändert.

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16 Die Familie der Rho-GTPasen gehört zur Superfamilie der kleinen GTPasen, die bekanntesten Vertreter sind dabei RhoA, Cdc42 und Rac1. Diese Proteine sind essentielle Regulatoren der Zellkontraktilität und der Ausbildung von Lamellipodium und Filopodium (Burridge & Wennerberg 2004), siehe auch Abbildung 2. Zellmigration, also das Zusammenspiel aus Protrusion (Aktinpolymerisation) und Retrak- tion (Aktomyosinkontraktilität und Adhäsion), wird im Besonderen durch das Gleichgewicht zwischen Rac1- und RhoA-Aktivität bestimmt (Burridge & Wennerberg 2004). Downstream-Signale der RhoA GTPase resultieren in einer Aktivierung der RhoA-Kinase und Inhibierung der Myosin-Leichte-Ketten- Phosphatase. Dadurch kommt es zu einer vermehrten Phosphorylierung der leichten Ketten, zu Clus- tern der Aktin-Stressfasern und zur Bildung von Fokalkontakten (Burridge & Wennerberg 2004). Im Gegensatz dazu sorgt eine Aktivierung von Rac1 über Aktinpolymerisation und andere Signalwege für eine Ausbildung von Lamellipodien und Membranausstülpungen. Zusätzlich inhibiert die Rac-Aktivie- rung die der Myosin-leichte-Ketten-Kinase (Myosin-light-chain-kinase, MLCK) und somit die Ausbil- dung von Stressfasern (Burridge & Wennerberg 2004; Berrier & Yamada 2007).

1.3 Zellkonfinement durch mikrostrukturierte Adhäsionschips

Das Zellverhalten in situ ist einer organisierten Mikroumwelt unterworfen. Extrazelluläre Matrix und Nachbarzellen limitieren nicht nur das Zellvolumen und die Zellausbreitung einer einzelnen Zelle, son- dern auch ihre Polarität und Funktion (Théry 2010). Unter klassischen Zellkulturbedingungen werden diese Stimuli nicht gesetzt, sodass sich Zellen in einer Petrischale unter künstlichen Bedingungen un- beschränkt ausbreiten können. Im Gegensatz hierzu simulieren mikrostrukturierte Adhäsionschips Ge- webe-ähnliche Bedingungen, siehe Abbildung 3 (Théry 2010).

Abbildung 3. Die Mikroumwelt einer Zelle in situ und in vitro. In situ wird das Zellvolumen und die Ausbreitung einer Zelle sowohl durch die EZM als auch durch die Nachbarzellen beeinflusst. Dabei handelt es sich sowohl um biochemische als auch um mechanische Stimuli. Diese Stimuli fallen unter den klassischen Zellkulturbedingungen in vitro weg. Die Zelle adhäriert auf einer starren (Glas-)Oberfläche und kann sich unbeschränkt ausbreiten. Mikrostrukturierte Adhäsionschips können in gewis- sem Maße die externen Stimuli simulieren und so nahezu physiologische Bedingungen für die Adhäsion einer Zelle schaffen.

Gedruckt mit Genehmigung von The Company of Biologists: Journal of cell science, Micropatterning as a tool to decipher cell morphogenesis and functions, Manuel Théry, Vol. 123, Issue Pt24, Page 4202, Dec 1, 2010.

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Zentrosomen-Positionierung, Lumen-Bildung und Ziliogenese sind Voraussetzungen für eine korrekte Tubulusmorphogenese. Um diese Vorgänge beleuchten zu können, entwarfen Rodriguez-Fraticelli et al. ein Assay, indem die Adhäsion von Madin-Darby canine kidney Epithelzellen (MDCKII-Zellen) auf Adhäsionschips analysiert werden kann (Rodríguez-Fraticelli et al. 2012).

Die Untersuchungen zeigten, dass für die initialen Vorgänge der Epithelmorphogenese in MDCKII-Zel- len zum einen kleine Zell-Matrix-Kontakte und zum anderen eine niedrige Aktomyosin-Kontraktilität essentiell sind. Veränderungen der Kontraktilität resultierten in veränderter Zellausbreitung und ver- änderter Positionierung der Zentrosomen während der Zellteilung und danach im Zweizellstadium.

Durch erhöhte Kontraktilität wird die Ausbildung der apiko-basolateralen Zellpolarität und des Lumens nach der Zellteilung beeinträchtigt (Rodríguez-Fraticelli et al. 2012).

Während der Untersuchungen konnten die korrekte Positionierung der Zentrosomen und die Ausbil- dung einer apiko-basolateralen Polarität nur beobachtet werden, wenn die Adhäsion durch Konfine- ment begrenzt war (s. u.) oder die Zellen auf einer bestimmten Matrix, z. B. Laminin, ausgesetzt wur- den. Durch beide Bedingungen wurden Fokalkontakte und Zellkontraktilität begrenzt (Rodríguez- Fraticelli et al. 2012). Konfinement bedeutet in diesem Fall, dass die äußeren Zellkulturbedingungen der Zelle eine Form und Begrenzung vorgeben. Im Gegensatz dazu können sich Zellen ohne Konfine- ment frei ausbreiten und erfahren keine sterische Begrenzung von außen. Um den Einfluss von Konfi- nement-Bedingungen zu untersuchen, verwendete die Arbeitsgruppe verschiedene mikrostrukturierte Adhäsionschips mit runden Adhäsionsflächen von 700 µm² (Konfinement-Bedingungen) und 1600 µm² (keine Konfinement-Bedingungen). Unter fehlenden Konfinement-Bedingungen ist die periphere Ak- tomyosin-Kontraktilität erhöht, sodass die MDCKII-Zellen sich stärker ausbreiten, ventral prominen- tere Aktin-Bündel ausbilden und weniger Lumen-Bildung aufweisen, siehe Abbildung 4.

Durch Verwendung des Myosin-II-Inhibitors Blebbistatin konnte nachgewiesen werden, dass sowohl Lumen-Initiierung als auch die Positionierung der Zentrosomen abhängig sind von einer geringen My- osin-II-Kontraktilität. Auch ohne Konfinement konnte durch Blebbistatin eine korrekte Epithelmorpho- genese erreicht werden (Pitaval et al. 2010; Rodríguez-Fraticelli et al. 2012). Durch Behandlung mit Blebbistatin wird die Aktomyosin-Kontraktilität unterdrückt und die Lumen-Bildung somit auch auf 1600 µm² signifikant erhöht. „This result indicates that peripheral actomyosin II contractility in low confinement conditions prevents lumen initiation” (Rodríguez-Fraticelli et al. 2012).

Blebbistatin blockiert Myosin-II-abhängige Zellprozesse. Die Namensgebung erfolgte aufgrund der in- nerhalb von knapp zwei Minuten auftretenden Inhibierung von Zell-Protrusion (im Englischen cell ble- bbing), die aber reversibel ist (Straight et al. 2003). Zellmembranen sind für den Wirkstoff permeabel.

Blebbistatin inhibiert alle Myosin-Isoformen, die Wirkung auf das NM II ist dabei aber am stärksten (Kovács et al. 2004). Blebbistatin wirkt, indem es die ATPase und die Gleitbewegungen von Myosin-II inhibiert (Straight et al. 2003). Dabei bindet es mit hoher Aktivität an den Myosin-ADP-Pi-Komplex und

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18 verhindert die Phosphat-Freigabe. Blebbistatin ist ein allosterischer Inhibitor, der die maximale Reak-

tionsgeschwindigkeit der ATPase deutlich reduziert (Kovács et al. 2004). Zusätzlich blockiert es die Bin- dung von Myosin an Aktin (Kovács et al. 2004).

Weiterhin konnten Rodríguez-Fraticelli und Kollegen einen positiven Einfluss von Matrigel auf die Aus- bildung des Lumen und korrekt polarisierter Sphäroide nachweisen (Rodríguez-Fraticelli et al. 2012).

1.4 Vorversuch: der Sphäroid-Assay als Modell für die Epithelmorphogenese

Der sogenannten Sphäroid-Assay der Arbeitsgruppe Ziegler/Haffner2 ist ein Modell für die Epithelmor- phogenese und orientiert sich an einem von Rodriguez und Kollegen verwendeten Zellmodell (Rodríguez-Fraticelli et al. 2012, siehe 1.3). Es handelt sich um ein sehr gut definiertes Zellmodell, in dem unter kontrollierten Bedingungen ein polarisiertes Epithel aufgebaut werden kann. Indem wir mittels Pkhd1-Knockdown eine FPC-Defizienz schaffen, ändern wir bei ansonsten gleichbleibenden Be- dingungen lediglich eine Eigenschaft der Zelle und können Unterschiede in der anschließenden Analyse auf diesen herbeigeführten Defekt zurückführen. Auf diese Weise wurde die Auswirkung einer FPC-

2 Arbeitsgruppe Zystische Nierenerkrankungen, Dr. rer. nat Wolfgang H. Ziegler/Prof. Dr. med. Dieter Haffner, Medizinische Hochschule Hannover

Abbildung 4. Ein Modell für Zellkonfinement und den Einfluss auf die Lumen-Bildung. Ein geringes Konfinement induziert die Ausbreitung der Zelle, die Aktinfilamente sind kortikal angeordnet. Die Zentrosomen befinden sich mittig der Zelle und die Zellkerne in der Nähe der Zell-Zell-Verbindungen der Zelle. Ein starkes Konfinement reduziert die Aktomyosin-Kontrak- tilität und die Zellausbreitung. Die Zentrosomen werden nach zentral in Richtung der Zell-Zell-Kontakte verschoben, dort kommt es zur Lumen-Bildung.

Gedruckt mit Genehmigung von The Rockefeller University Press, The journal of cell biology, Cell confinement controls centrosome positioning and lumen initiation during epithelial morphogenesis, Alejo E. Rodríguez-Fraticelli, Muriel Auzan, Miguel A. Alonso, Michel Bornens, Fernando Martín-Belmonte, Sep 17, 2012.

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1 Einleitung

Defizienz auf die Fähigkeit zur Ausbildung von Sphäroiden an MDCKII-Zellen untersucht. Durch Etab- lierung eines 3D-Modells für MDCKII-Sphäroide auf mikrostrukturierten Adhäsionschips konnte der Einfluss eines Pkhd1-Knockdowns auf die Ausbildung von Sphäroiden untersucht werden. Mittels Nuk- leofektion mit Pkhd1-spezifischer siRNA wurde ein Knockdown erreicht und anschließend durch quan- titative Echtzeit-PCR (qPCR) nachgewiesen. Abbildung 5 zeigt, dass die relative Pkhd1-Expression 48–

72 Stunden nach Nukleofektion am geringsten ist, sodass die MDCKII-Zellen zu diesem Punkt ausge- setzt wurden.

Die Adhäsionschips stellten Adhäsionsflächen von 700 µm² und 1600 µm² zur Verfügung und wurden entweder mit Laminin oder Kollagen beschichtet. MDCKII-Zellen bilden innerhalb von drei Tagen nach Aussetzen sogenannte Sphäroide, die aus 16–20 Zellen bestehen und ein Lumen besitzen. Die Zellen wurden anschließend an die Inkubationszeit gefärbt und fixiert. Vor der Auswertung wurden fünf Grup- pen zur Beurteilung der Sphäroide festgelegt (Abbildung 5b), anhand der Immunfluoreszenzfärbung konnte die Polarität beurteilt werden. Es wurde die Beobachtung gemacht, dass gesunde MDCKII-Zel- len auf Kollagen-beschichteten 700 µm² Adhäsionsflächen zum Großteil (>70 %) korrekt polarisierte Sphäroide bilden. Auf 1600 µm² hingegen bilden die MDCKII-Zellen zu 60 % Zellaggregate (Abbildung 6).

Die Beobachtung reproduziert die Aussage von Rodriguez-Fraticelli et al. (siehe Seite 17), dass Konfi- nement Voraussetzung für eine korrekte Adhäsion und eine effiziente Ausbildung eines Lumens ist.

Auf Laminin-beschichteten Adhäsionsflächen sind die MDCKII-Zellen nahezu immer in der Lage, korrekt geformte Sphäroide zu bilden.

Abbildung 5. Der Sphäroid-Assay: relative Pkhd1-Expression und Verteilung der Sphäroide mit und ohne Fibrocystin-Defi- zienz. (a) Die relative Pkhd1-Expression und somit die FPC-Verfügbarkeit vor dem Knockdown wird zum Zeitpunkt 0 h mit 1 angegeben. Die Bildung von FPC ist 48 Stunden nach Nukleofektion am geringsten, weshalb dieser Zeitpunkt für das Ausset- zen der Zellen auf die Adhäsionschips ausgewählt wurde. Die relative Pkhd1-Expression steigt bis 120 Stunden nach Nukle- ofektion wieder nahezu auf den Ausgangswert an. (b) Die Qualität der nach dreitägiger Kultur gebildeten Sphäroide wird mittels der Gruppen 15 beschrieben. Gruppe 1 umfasst korrekt polarisierte Sphäroide, während Gruppe 5 lediglich durch Zellaggregate gebildet wird. MDCKII-Zellen mit bestehender FPC-Funktion bilden vor allem korrekt polarisierte Sphäroide, dagegen wächst unter FPC-Defizienz der Anteil der Sphäroide in Gruppe 5 signifikant.

Die Abbildung zeigt einen Versuch der Arbeitsgruppe Ziegler/Haffner, durchgeführt von B. Sötje, noch nicht publiziert.

a b

(24)

20 Es erfolgte außerdem der Vergleich zwischen gesunden und FPC-defizienten Zellen. SiPkhd1-behan-

delte MDCKII-Zellen, die über wenig FPC verfügen, konnten dabei wesentlich weniger korrekt polari- sierte Sphäroide bilden als ihre Kontrollgruppe. Durch transiente Inhibition von Myosin-II durch Bleb- bistatin (40 µM) während der initialen Phase der Sphäroid-Bildung am ersten Tag, konnte die Anzahl korrekt polarisierter Sphäroide allerdings signifikant erhöht werden. Diese Beobachtung erlaubte die Schlussfolgerung, dass unter FPC-Defizienz die frühe Phase der Sphäroid-Bildung gestört ist.

Abbildung 6. Einfluss des Myosin-II-Inhibitors Blebbistatin auf die Bildung korrekt polarisierter Sphäroide unter Fibrocys- tin-Defizienz. Die Wirkung von Blebbistatin auf die Bildung von Sphäroiden wurde am ersten, zweiten und dritten Tag der Sphäroid-Bildung untersucht. Vor allem bei Verwendung von Blebbistatin am ersten Tag der Sphäroid-Bildung konnte der Anteil korrekt geformter und polarisierter Sphäroide signifikant gesteigert werden. Der Anteil an Sphäroiden in Gruppe 1 und 2 steigt dabei signifikant, während der Anteil der Sphäroide in den Gruppen 3 bis 5 signifikant sinkt im Vergleich zu siPkhd1-Zellen ohne FPC.

Die Abbildung zeigt einen Versuch der Arbeitsgruppe Ziegler/Haffner, durchgeführt von B. Sötje, noch nicht publiziert.

(25)

2 Zielsetzung dieser Arbeit

2 Zielsetzung dieser Arbeit

Given the large degree of variability in the clinical course between siblings, it is clear that predicting the degree to which further children might be affected cannot be based on PKHD1 genotype alone.

Identification of potential modifying factors will be one of the principle goals of future research“ (Bergmann 2018).

Diese Zeilen verdeutlichen die Rolle der genetischen Analyse bei ARPKD-Patienten. Auf der einen Seite sichert das genetische Screening die Diagnose und kann je nach Mutationsanalyse auch Hinweise auf die zu erwartende Klinik geben. Auf der anderen Seite liefert die ARPKD keine eindeutige Genotyp- Phänotyp-Assoziation, sodass Voraussagen über die Schwere der Symptomatik in vielen Fällen unzu- treffend sind. Zusätzlich kann die genetische Analyse nur wenig zur Entwicklung einer kausalen Thera- pie beitragen.

Für die Zukunft wäre es wünschenswert, auf nicht-invasive Weise Primärzellen von ARPKD-Patienten gewinnen zu können, um mittels zellbiologischer Analyse Aussagen über die Penetranz des FPC-Ver- lusts und dessen genaue Auswirkungen treffen zu können. Um diese Diagnostik in Zukunft durchzu- führen, müssen Unterschiede im Adhäsionsverhalten und in der Ausbildung eines Epithels von gesun- den Nierenepithelzellen und ARPKD-Nierenepithelzellen festgestellt und objektiviert werden. Einen Grundstein für dieses Vorhaben soll diese Studie liefern. Wir gehen davon aus, dass eine FPC-Defizienz zu einem zellautonomen Epitheldefekt führt und wollen diesen anhand eines definierten Zellmodells und kontrollierten Bedingungen besser erfassen und verstehen.

Wie unter 1.4 beschrieben wissen wir bereits, dass eine FPC-Defizienz in MDCKII-Zellen im 3D-Zellkul- turmodell eine korrekte Ausbildung von Sphäroiden und somit korrekt polarisierter Epithelien verhin- dert. Durch zeitlich begrenzten Einsatz des Myosin-II-Inhibitors Blebbistatin innerhalb des ersten Tages der Sphäroid-Bildung, konnte der Anteil korrekt polarisierter Sphäroide signifikant erhöht werden. Aus dieser Beobachtung schlossen wir, dass die Befähigung der Zellen zur Ausbildung und Erhaltung funk- tionaler Epithelien bereits auf der Ebene der Zelladhäsion gestört ist. Daher untersuche ich in dieser Arbeit das Adhäsionsverhalten von FPC-defizienten MDCKII-Zellen im Einzellstadium.

Die Analyse wird mit Madin-Darby canine kidney Epithelzellen (MDCKII-Zellen) durchgeführt. Diese Zelllinie von Sammelrohrepithelzellen aus der Hundeniere ist ein gut etabliertes Epithelzellmodell.

Durch Knockdown von FPC mittels Pkhd1-spezifischer siRNA werden die Zellen gezwungen, auf den akuten Funktionsverlust zu reagieren. Reaktionen in ähnlicher Weise werden in von ARPKD-betroffe- nen Nierenepithelzellen erwartet. Eine Kontrolle des Knockdowns erfolgt standardmäßig mittels qPCR, anschließend werden die FPC-defizienten MDCKII-Zellen auf mikrostrukturierte Adhäsionschips ausge- setzt. Mit Hilfe der Anfärbung von Markerproteinen wie Vinculin und Aktin und einer semiautomati- sierten Analyse der Zellen kann ich ihre Adhäsionseigenschaften im Einzellstadium nach vierstündiger Adhäsion mit gesunden MDCKII-Zellen vergleichen. Für den Vergleich der Versuchsgruppen verwende

(26)

22 ich die Parameter Zellfläche, Kontaktzahl pro Zelle, Dichte der Kontakte (Zellkontakte pro 100 µm²), die Geometrie der Zellen, die relative Adhäsionsfläche der Zelle und die Auswertung der Einzelkon- takte.

Aus den Beobachtungen erhoffe ich mir Aufschluss darüber, ob und in welchem Ausmaß eine FPC- Defizienz die Adhäsionseigenschaften von Nierenepithelzellen bereits im Einzellstadium verändert. Zu- dem erwarte ich Hinweise darauf, wie dieses Verhalten die Sphäroid-Bildung beeinflussen kann.

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3 Material und Methoden

3 Material und Methoden 3.1 Material

Verbrauchsmaterial

15/50 ml Polypropylen-Reaktionsgefäße (op- tisch klar)

Greiner Bio-One, Frickenhausen, D 1,5 ml Reaktionsgefäß (optisch klar/mit Licht-

schutz)

Eppendorf, Hamburg, D Neubauer Improved Zählkammer Brand, Wertheim, D Gewebekulturflaschen T-25 cm², T-75 cm² Sarstedt, Nümbrecht, D

CELLSTAR Zellkulturplatten 6-Loch Greiner Bio-One, Frickenhausen, D Manuelle Pipetten 100/250/500/1000 µl Eppendorf, Hamburg, D

Pipettenspitzen Eppendorf, Hamburg, D

Serologische Pipetten, wattiert 5/10/25 ml Sarstedt, Nümbrecht, D

Objektträger Thermo Scientific, Braunschweig, D

Deckgläser 24x60 mm, Stärke No. 1.5 Thermo Scientific, Braunschweig, D Zellkulturmaterial

Fetales bovines Serum (FBS) Sigma-Aldrich, Schnelldorf, D Minimum Essential Medium Eagle Sigma-Aldrich, Schnelldorf, D Phosphat-gepufferte Salzlösung (PBS) Zentralapotheke MHH, Hannover, D

L-Glutamin, 200 mM Merck Chemicals, Schwalbach, D

Penicillin/Streptomycin Biochrom, Berlin, D

 10.000 U/ml bzw. 10.000 µg/ml

Trypsin/EDTA Lösung 0,25 % Biochrom, Berlin, D

Normal Goat Serum Dako, Hamburg, D

Kollagen Typ I gewonnen aus Rattenschwanz, 20 mM

Sigma-Aldrich, Schnelldorf, D BD Matrigel Basement Membrane Matrix BD Bioscience, Heidelberg, D Shandon Immu-Mount Thermo Scientific, Braunschweig, D Rinder-Serumalbumin Fraktion V (BSA) Gerbu, Heidelberg, D

Kommerzielle Kits

Amaxa Cell Line Nucleofector Kit L, #VCA-1005 Lonza, Köln, D CYTOO-Chips Custom 700-1600 µm2 CYTOO, Grenoble, F CYTOO-Kammern 1-Well/4-Well CYTOO, Grenoble, F siRNA und Centrin

siRNA (aus Zhang et al. 2010)

 siControl Life Technologies, Darmstadt, D

 siPkhd1 Life Technologies, Darmstadt, D

Centrin1 GFP Plasmid aus Piel et al. 2000

Zellkulturlinie

Madin-Darby canine kidney Epithelzellen (MDCKII; #00062107)

European Collection of Cell Cultures (ECACC), Salisbury, UK

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24 Chemikalien

Paraformaldehyd (PFA), 40 % Roth, Karlsruhe, D

Triton X-100 Roth, Karlsruhe, D

Blebbistatin (50 mM, IC50 = 2 µM) Sigma-Aldrich, Schnelldorf, D Dimethylsulfoxid (DMSO) Sigma-Aldrich, Schnelldorf, D

Ethanol 99 % vergällt Aplichem, Darmstadt, D

FACS-Lösung BD Bioscience, Heidelberg, D

 2 mM EDTA + 2,5 % BSA in PBS

Geräte

Fluoreszenzmikroskop Axio Observer Z1 Zeiss, Oberkochen, D

 Filter: Set 49 (DAPI), Set 43 (Alexa Fluor 555), Set 50 (Alexa Fluor 633)

 Kamera: AxioCam MRm Rev.3

 Objektiv: 63x Plan-Aprochromat Öl-Objek- tiv (NA 1,4)

 Natriumdampflampe HXP 120

Vortexmischer IKA MS1 Shaker IKA, Staufen, D

Zellkultur Inkubator Heracell 240i CO2 Thermo Scientific, Braunschweig, D Zellkultur Werkbank Safe 2020 Thermo Scientific, Braunschweig, D

Heraeus Multifuge X3 Thermo Scientific, Braunschweig, D

Mikroskop Axiovert 40 CFL Zeiss, Oberkochen, D

Wasserbad GFL 1083 GFL, Burgwedel, D

Nucleofector 2b Device Lonza, Köln, D

1. BD FACSCanto II 2. Stuart Rotator SB3

BD Bioscience, Heidelberg, D Bibby Scientific, Staffordshire, UK

3. Pipettierhilfe Pipetus Hirschmann, Eberstadt, D

Programme

Axio Vision SE 64 Rel. 4.9 Zeiss, Oberkochen, D

GraphPad Prism 6 GraphPad Software, La Jolla, USA

Image J 2/Fiji Software open source

BD FACSDiva 7.0 BD Bioscience, Heidelberg, D

Färbematerialien

I. Fluoreszenzmarkierungen

Alexa Fluor 633 Phalloidin Life Technologies, Darmstadt, D 4′,6-Diamidin-2-phenylindol (DAPI) Sigma-Aldrich, Schnelldorf, D II. Antikörper

primär: monoclonal mouse anti-vinculin Sigma-Aldrich, Schnelldorf, D sekundär: goat anti-mouse Alexa Fluor 555 Life Technologies, Darmstadt, D

(29)

3 Material und Methoden

25

3.2 Methoden

3.2.1 Zellkultur

Als Modell wurden Madin-Darby canine kidney Epithelzellen (MDCKII) verwendet, die von der European Collection of Cell Cultures (ECACC) bezogen wurden. Es handelt sich hierbei um differenzierte Nierenepithelzellen aus dem Sammelrohr (Aquaporin2 positiv), die ursprünglich aus der Niere eines Cockerspaniels gewonnen wurden. Für alle Versuche wurden MDCKII-Zellen bis maximal Passage sechs verwendet, um eine möglichst hohe Vergleichbarkeit der einzelnen Versuchsdurchgänge gewährleisten zu können.

Gelagert wurden die MDCKII-Zellen in Zellkulturmedium mit 5 % Dimethylsulfoxid (DMSO) bei -180 °C im Stickstofftank, das Auftauen wurde per Resuspensierung in Medium durchgeführt. Um das DMSO vollständig aus der Kulturflasche zu entfernen erfolgte am Tag nach dem Auftauen ein Wechsel des gesamten Mediums. Die Kultivierung der MDCKII-Zellen fand in einem Zellinkubator bei 37 °C und 5 % CO2 in Minimum Essential Medium Eagle (MEM-Medium) statt, dem zusätzlich 200 mM L-Glutamin, 5 % fetales bovines Serum (FBS) und 1 % Penicillin/Streptomycin beigefügt wurde. Die Zellen wurden alle drei bis vier Tage im Verhältnis 1:15 bis 1:20 geteilt.

3.2.2 Nukleofektion

Um eine FPC-Defizienz wie in den Sammelrohrepithelzellen von ARPKD-Patienten herbeizuführen, wurde die Nukleofektion3 verwendet. Diese Methode basiert primär auf der Elektroporation. Hierbei wird durch elektrische Impulse kurzfristig das Membranpotential der Zelle so zerstört, dass Poren in der Zellmembran entstehen. Durch diese Poren kann die zugegebene doppelsträngige Ribonuklein- säure (dsRNA) das Zytoplasma der Zielzellen erreichen und durch die Nukleofektor-Lösung getriggert durch die Kernmembran in den Zellkern der MDCK-II Zellen gelangen. Die Zusammensetzung der Nuk- leofektor-Lösung wurde von der Firma Lonza nicht veröffentlicht. Die eingeführte siRNA (small inter- fering oder silencing RNA) ist komplementär zu der Ziel-mRNA (messenger RNA), in diesem Fall der Pkhd1-mRNA.

Tabelle 2. Die verwendete siRNA sowohl für die Kontroll- als auch die Behandlungsgruppe mit ihrer jeweiligen Basenfolge.

3 Die Durchführung der Nukleofektion orientiert sich an dem Protokoll der Firma Lonza über ihr Amaxa Cell Line Nucleofector™ Kit und das zugehörige Nucleofector™ 2b Device; http://www.lonza.com/products-services/bio- research/transfection/nucleofector-technology.aspx, 10.08.2015

siRNA Sense (5´→ 3´)

siControl cguacgcggaauacuucgatt siPkhd1 aagcaucaaauccgaguccgu

Referenzen

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