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16. Diskussion und Empfehlungen

von Klaus Ewald und Otto Wildi

16.1 Zur Methodik der Datenerfassung

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung basieren auf dem gemeinsam festgelegten Untersu- chungsgebiet, auf den Daten der beteiligten Fachbereiche, dem räumlichen Detaillierungsgrad der Erhebungen und weiteren, methodischen Ent- scheidungen. Bei speziellen Untersuchungen ist es üblich, sich am allgemeinen Forschungsstand zu orientieren, und zwar sowohl bezüglich des zu bear- beitenden Problemes als auch des einzuschlagen- den Weges. Seim vorliegenden, interdisziplinären Projekt war der Weg nicht derart leicht zu finden.

Bereits bei der Abgrenzung des Untersuchungs- gebietes ergaben sich je nach Disziplin andere Priori- täten. Ausserdem fiel die Auswahl der Disziplinen selbst schwer, weil die Zahl der Interessenten die zu bewältigenden Möglichkeiten in der Regel bei wei- tem übertrifft.

Das MAB-Testgebiet Davos weist eine charakteri- stische Dreigliederung auf mit dem touristisch erschlossenen Parsenngebiet, der eigentlichen Siedlung und dem fast nur alpwirtschaftlich genutz- ten Dischma. Mit dieser Abgrenzung ist ein breites Spektrum an erdwissenschaftlichen und biologi- schen Problemen gegeben. Politisch und wirtschaft- lich bildet der gesamte Raum dagegen eine Einheit.

Aus der Sicht der politischen Gemeinde Davos ergibt sich die ungünstige Situation, dass nur rund ein Drittel des Gemeindegebietes durch die Untersuchungen abgedeckt wird. Doch auch so ist das Untersuchungsgebiet für viele Detailfragen noch zu gross. Eine Erfassung der Kleinsäuger, um ein Beispiel zu nennen, wäre wohl nur punktuell möglich gewesen. Die Simulation der Lawinenge- fahr könnte mit einem detaillierteren Geländemodell viel zuverlässiger erfolgen. Dies ergäbe aber eine um ein Mehrfaches grössere Datenmenge, welche die zu Beginn des Projektes zur Verfügung gestan- denen technischen Hilfsmittel überfordert hätte.

Die hier vorgestellten Untersuchungen gehören zweifelsfrei in den Bereich der Ökosystemfor- schung. Deren Gegenstand ist, wie das Wort besagt, das Ökosystem. Die Abgrenzung des Testgebietes entspricht damit der Festlegung von Ökosystem- grenzen. Die Suche nach Kriterien für eine solche Abgrenzung ist in bemerkenswertem Masse uner- giebig. ODUM (1971) lässt sich darüber in seinem Standardwerk nicht aus. Er diskutiert dagegen ein- gehend die Frage der Unterteilung der Ökosysteme, vor allem nach funktionalen Gesichtspunkten. Die

von ihm dargestellten Beispiele lassen das Problem als unbedeutend erscheinen (Teiche, Wiesen, Ufer- zonen, Meere usw.). Auch bei STUGREN (1974) oder bei KREBS (1972) finden sich kaum Hinweise. Der so wichtige Raumbezug beschäftigt vor allem die Land- schaftsökologie. LESER (1978, S. 90) hält denn auch fest, dass die Eingrenzung eines Untersuchungsrau- mes unbedingt erforderlich ist. Wesentlich erscheint ihm aber nicht so sehr die Lage der einzelnen Gren- zen, sondern die Abklärung der Beziehungen zwi- schen dem Untersuchungsgebiet und dessen Umgebung. Die Meinung ist verbreitet, dass mit einer besonders sorgfältigen Grenzziehung wenig zu erreichen ist. HOLLING (1978, S. 4) warnt davor, poli- tische Grenzen oder Wasserscheiden als sensible Grenzen für Umweltstudien zu betrachten. Insbe- sondere moderne Transportsysteme sorgten dafür, dass umweltwirksame Tätigkeiten ihre Auswirkung oft sehr weit vom Ort des Geschehens zeigten.

Die Gliederung der Ökosysteme erfolgt in der klassischen Ökologie zumeist nach funktionalen Kri- terien. Für die Organismen wird meist eine Untertei- lung nach trophischen Stufen gewählt: Produzenten, Konsumenten erster, zweiter und dritter Ordnung sowie Destruenten. Speziell betrachtet werden sodann die abiotische Umwelt, deren Stoffflüsse und der Energiekreislauf. In der vorliegenden Untersuchung orientierten wir uns dagegen an einer Gliederung, wie sie schon durch die beteiligten Fachdisziplinen gegeben ist. Damit fallen einige der traditionellen Untersuchungsgegenstände der Öko- logie ausser Betracht, indem zum Beispiel der Ener- giefluss über die verschiedenen trophischen Stufen sowohl in der Botanik, der Zoologie als auch der Land- und Forstwirtschaft nicht verfolgt wurden. Die hier gewählte thematische Gliederung hat aber den Vorteil, dass die beteiligten Disziplinen zumindest indirekt bereits die Interessen späterer Anwender vertreten. Die Untersuchungen werden dadurch wohl praxisnäher, doch besteht das Risiko, dass wichtigen Fakten, die keine Interessenvertreter gefunden haben, keine Beachtung geschenkt wird.

Diese Gefahr spiegelt sich in unserem Simulations- modell wider, das nicht eigentlich dynamische Pro- zesse nachbildet, sondern ein Diskriminanzmodell ist. Darin sind zum Beispiel echte Systemzusam- menbrüche nicht möglich, wie sie bei dynamischer Modellierung regelmässig auftreten (APEL 1984).

Schliesslich stellt sich die Frage nach dem Zuviel oder Zuwenig an Daten. Einerseits sind die Ergeb- nisse direkt einer planerischen Verwendung zugäng-

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lieh. Dies gilt vor allem für die Karten im Massstab 1 :25000 in der Beilage. Nur die Praxis wird zeigen können, welche Informationen nutzbringend, welche eher von theoretischem Wert sind. Anders liegen die Verhältnisse bei der Modellierung. Hier wurde mit einem vereinfachten Datenmodell gear- beitet. Besonders bei mehrschichtigen Karten (Bodenkarte, Vegetationskarte) erschwert dies den Vergleich der Feldaufnahmen mit den Ergebnissen der Simulation. Ist letztere das eigentliche Ziel einer Untersuchung, so wäre zu prüfen, ob eine verein- fachte Datenerhebung im Felde nicht sinnvoller wäre. Dem steht allerdings gegenüber, dass die Hilfsmittel der Informatik in schneller Entwicklung begriffen sind und eine Simulation mit der Auflö- sung der Feldkarten in naher Zukunft wohl realisier- bar wird.

Eine Antwort auf das mögliche Zuviel an Daten hat auch die Untersuchung der Korrelationsverhält- nisse der Merkmale ergeben. Sehr hohe Überein- stimmung zwischen verschiedenen Merkmalen würde bedeuten, dass Informationen mehrfach erhoben wurden. Wie im Abschnitt 13.4 dargestellt, kann davon nicht die Rede sein. Eine Korrelations- analyse ergibt als wichtigste Eigenschaft des Gesamtdatensatzes, dass eben einerseits sehr unterschiedliche Raumtypen erfasst wurden, die nur schwer vergleichbar sind. Andererseits kommt die sehr unterschiedliche Natur der Daten zum Aus- druck, indem über das ganze Gebiet kontinuierlich erhobene Messdaten (z.B. die Höhe) qualitativen Merkmalen mit lokaler Verbreitung (z.B. Verbreitung des Rothirsches) gegenüberstehen. Aus formalen Gründen kann somit keine Reduktion der Daten- erhebung empfohlen werden. Eine solche müsste schon aus fachlicher Sicht begründet sein.

16.2 Zur Methodik der Modellierung

Das Simulationsmodell weist einige Charakteristika auf. die es von anderen Versuchen unterscheidet.

Seiner Natur nach ist es ein Diskriminanzmodell. Die Veränderung von Elementen des Naturraumes wird nicht durch Nachbildung der dynamischen Pro- zesse, sondern durch Analogieschlüsse abgebildet.

Eine Abstützung auf lauter funktionale Zusammen- hänge wäre mangels genügender Kenntnisse kaum möglich gewesen. Analogieschlüsse können dage- gen teilweise direkt aus der verfügbaren Datenbasis gezogen werden.

Das Modell ist ausgesprochen modular. Es ist ohne weiteres möglich, die Module, z.B. das Simula- tionsmodell für die Vegetation, isoliert einzusetzen.

Die dazu notwendige Datenbasis kann entweder einer Simulation oder einer Felderhebung entnom- men werden. Eine offene Frage war zunächst, ob das Zusammensetzen der Module zu sich ständig vergrössernden Fehlern führen könnte. Das Experi- ment hat aber gezeigt, dass das Gesamtmodell durchaus kontrollierbar bleibt. Wie gross die noch verbleibenden Fehler wirklich sind, kann beim der- zeitigen Stand nicht gesagt werden. Erst anschlies- 332

sende wissenschaftliche Untersuchungen werden die Grenzen des Ansatzes aufzeigen können.

Die Modellierung des Testgebietes entspricht in verschiedener Hinsicht nicht den anerkannten Vor- stellungen über die Entwicklung eines mathemati- schen Modelles. Die Gründe für das gewählte Vor- gehen sind rein praktischer Natur, indem der grobe Ablauf des Projektes bereits vorgegeben wurde. Bei der Planung der Feldarbeiten wurde wohl auf die in Aussicht gestellte Simulation Rücksicht genommen.

Eigentliche Schwächen in der Datenbasis sollten aber nach Abschluss der Modellierung durch wei- tere Feldarbeiten ausgemerzt werden.

Ein wirklicher Test des Modelles war nicht reali- sierbar. Er hätte einerseits eine Kontrolle im Felde erfordert, andererseits eine Überprüfung an unab- hängigem Datenmaterial. Nur so könnte sicher gesagt werden, ob eine Übertragung auf ein ande- res Gebiet möglich ist.

Das Modell wirft eine ganze Reihe technischer Fragen auf, die im Rahmen des vorliegenden Projek- tes nicht geklärt werden konnten, die aber von grundsätzlichem Interesse sind. Die Umwandlung normaler Karten in digitale Information lässt die Ver- wendung beliebig kleiner Rasterflächen zu. Es bleibt zu klären, ob zum Beispiel ein 10 m x 10 m-Raster zuverlässigere Ergebnisse erbringen kann als die verwendeten 50 m x 50 m-Raster. Insbesondere für die Simulation der Lawinen wäre ein genaueres Geländemodell wünschenswert. Dem steht aller- dings entgegen, dass Feldaufnahmen höherer räum- licher Auflösung auch einen erheblichen Mehrauf- wand mit sich bringen.

Die Simulationen des Kapitels 14 erfolgen ohne eigentliche Zeitskala. Man könnte auch argumentie- ren, es werde nur ein einziger Zeitschritt vollzogen.

Somit lassen sich auch keine Rückkoppelungen ein- bauen, welche die Weiterentwicklung des simulier- ten Zustandes des Testgebietes sinnvoll zu model- lieren erlaubten. Zeitgebunden sind aber auch Aus- breitungsprozesse von Tieren und Pflanzen. Die Möglichkeit einer Wanderung kann durch die Untersuchung von Nachbarschaftsbeziehungen zwi- schen den Rasterelementen geklärt werden. Fern- wirkungen dieser Art berücksichtigen bislang nur das Lawinen- und das Strahlungsmodell.

Mathematische Modelle erwecken den Eindruck absoluter Objektivität. Davon kann natürlich nicht die Rede sein, sind doch viele Funktionen unformu- lierte Hypothesen. Was vielen Modellen angelastet wird und auch für die Simulation des MAB-Testge- bietes gilt, ist deren Kompliziertheit. Grundsätzlich gilt, dass ein komplexes Modell eher einem realen System angepasst werden kann als ein einfaches.

Kritisch wird die Situation dann, wenn sich vieldeu- tige Resultate erzeugen lassen. Zumindest bei der Simulation der Vegetation scheint dieser Zustand erreicht zu sein, so dass der Entscheid für die zu gel- tende Pflanzengesellschaft anhand einer Prioritäten- liste gefällt werden muss (Abschnitt 14.2). Das Ziel einer weiteren Entwicklung des Modelles muss - zumindest bezüglich Simulation von Vegetations- und Bodentyp - in einer Vereinfachung liegen.

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16.3 Simulation als Planungsinstrument

So, wie die Simulation alternativer Zustände des MAB-Testgebietes hier dargestellt ist, lässt sie sich nicht als routinemässiges Planungsinstrument ein- setzen. Dazu ist der Aufwand zu gross, die Methode zu kompliziert und das technische Instrumentarium zu schwierig zu handhaben. Nachfolgend ist aber darzustellen, welche Massnahmen und Entwicklun- gen nötig wären, um allenfalls der flächenmässigen Simulation eines natürlichen Systems zur Anwen- dungsreife zu verhelfen. Zu diskutieren sind einer- seits offene wissenschaftliche Probleme, anderer- seits die Benutzerfreundlichkeit. Auf die technischen Erfordernisse soll dagegen nicht eingegangen wer- den, da bereits in naher Zukunft mit genügend lei- stungsfähigen Bildverarbeitungssystemen zu rech- nen ist, die zudem erschwinglich sein dürften.

Eine erste Gruppe von Fragen betrifft das ganze Modell. Dessen Brauchbarkeit hängt zunächst in erster Linie von der Qualität der Datenbasis ab. Zu überprüfen ist, wie sich die Güte der Ergebnisse mit der Verkleinerung der Rasterflächen ändert. Für den praktisch tätigen Planer stellt sich ohnehin das Pro- blem, dass Einheitsflächen von 50 m x 50 m zu gross

sind. Sie lassen sich oft nur schwer einzelnen Parzel-

len zuordnen und sind im stark gegliederten Gelände bezüglich ihres Inhaltes inhomogen. Eine Auflösung, wie sie eine Landeskarte im Massstab 1 :25000 bietet, ist bereits für Grobplanungen wün- schenswert.

Mit der Verbesserung der Auflösung machen sich aber Differenzen in den Erhebungen verschiedener Bearbeiter stärker bemerkbar. Wird der genaue Ver- lauf eines Waldrandes unterschiedlich interpretiert, so ergeben sich zumindest für einzelne Rasterele- mente Widersprüche (z.B. Waldbestände mit gleich- zeitiger Heunutzung usw.). Die Vermeidung solcher Fehler im Felde scheint kaum möglich zu sein. Eine Korrektur im Datensatz ist angezeigt. Programme, welche unerwünschte Kombinationen von Merk- malen aufzuspüren und zu korrigieren erlauben, ent- sprechen deshalb einem unabdingbaren Bedürfnis.

Besitzen die Erhebungen eine Auflösung von min- destens 10 m, so wird eine Überlagerung der gespeicherten Karten mit einer normalen Landes- karte sinnvoll. Dies erleichtert auch die Kontrolle der Kartierungen und der Ergebnisse im Felde, die allein über die Zuverlässigkeit der Aussagen Aufschluss geben kann. Generell gilt auch, dass die Brauchbar- keit der Modelle nur abschliessend zu beurteilen ist, wenn sie auf ein anderes Gebiet übertragen und dort getestet werden. Auch das ist nur mit zusätzlicher Feldarbeit möglich.

Die Simulation eines einzigen Zeitschrittes ist in Anbetracht der Unsicherheiten über die Modellaus- sagen sicher gerechtfertigt. Zahlreiche Konflikte können sich aber in einer Simulation nur manifestie- ren, wenn eine echte Zeitskala eingeführt wird, die auch Rückkoppelungen (mit Verstärkungs- und Abschwächungseffekten) zulässt. Wichtig wäre ins- besondere eine Differenzierung zwischen langsam ablaufenden (z.B. Bodenentwicklung) und schnell

ablaufenden (z.B. Wanderung des Wildes) Prozes- sen. Willkürliche Eingriffe, wie sie im wirklichen System ständig stattfinden, sollen dabei zu jeder Zeit möglich sein.

In den einzelnen Fachbereichen sind verschie- dene Erweiterungen angezeigt. Die Simulation der Vegetation lässt sich nach einer Kontrolle im Felde leicht verbessern. An Ort und Stelle kann geprüft werden, warum die Ergebnisse gelegentlich von den Erwartungen abweichen. Es ist sodann zu prüfen, welche weiteren Standortbedingungen für die Erklä- rung der Vegetationsentwicklung beachtet werden müssten.

Ähnlich liegen die Verhältnisse bei der Boden- karte. Bereits die vorliegenden Karten weisen gegenüber der Felderhebung einen z.T. erheblich verbesserten Detaillierungsgrad auf. Es muss sicher überprüft werden, inwiefern dieser der Wirklichkeit entspricht. Die Beachtung der Zeitverhältnisse ist bei den über Jahrzehnte und Jahrhunderte ablau- fenden Entwicklungen besonders wichtig.

Die Möglichkeiten der Geomorphologie sind im Modell nicht umfassend ausgeschöpft. So könnten die Befunde bezüglich der Bodenrauhigkeit mit einem sehr hoch auflösenden Geländemodell in Verbindung gebracht werden, was z.B. für die Simu- lation des Gleitvorganges von Lawinen wichtig wäre.

Es stellt sich ferner die Frage, ob die gutachterisch ermittelten Geomorphotope auch auf formalem Wege bestätigt oder gar abgeleitet werden könnten und ob sie allenfalls als räumliches Bezugssystem für die Simulationen zu verwenden wären.

In Kapitel 10 werden verschiedene Konzepte für die weitere Nutzung der Wälder vorgeschlagen. Das Modell trägt diesen soweit möglich Rechnung. Um sie aber umfassend zu integrieren, müsste wie- derum eine Zeitskala eingeführt werden. Dies hätte auch Auswirkungen auf verschiedene Tierarten. Für eine zuverlässige Beurteilung der faunistischen Situation wären allerdings weitere Erhebungen angezeigt. Verschiedene Vogelarten, Kleinsäuger und vor allem Insekten reagieren erfahrungsgemäss sehr rasch auf Veränderungen der Umweltqualität.

Im Bereich der landwirtschaftlichen Nutzung - der Nutzung überhaupt - lässt sich der Anschluss zu den ökonomischen Aspekten erweitern. So können die Erschliessungsverhältnisse berücksichtigt werden und damit auch die Besitzverhältnisse und die Betriebsstruktur. Auf diese Weise wird es möglich, die im Modell berechneten Ertragssteigerungen auf ihre wirtschaftliche Attraktivität hin zu untersuchen und abzuklären, ob die verbesserte Nutzung von Grenzertragsflächen allenfalls durch politische Massnahmen zu fördern ist.

Es scheint, dass die Technik der Simulation eines Naturraumes mit verhältnismässig einfachen Mass- nahmen weiterzuentwickeln ist. Die Grenzen der technischen Möglichkeiten wurden mit den Untersuchungen im MAB-Testgebiet Davos nicht erreicht. Zahlreiche wichtige, fachliche Aspekte wie Hydrologie und Erosion konnten gar nicht unter- sucht werden. Im Kontext eines hoch integrierten Modelles dürften sie von weitreichendem Interesse

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sein. Den Planer zwingt das Modell, ein sehr breites Spektrum wissenschaftlicher Erkenntnisse in seine Überlegungen mit einzubeziehen. Diese Chance wäre in Zukunft zu nutzen.

16.4 Empfehlungen für das Testgebiet

16.4.1 Einleitung

Die nachfolgenden Empfehlungen ergeben sich aus der Sicht der im MAB-Testgebiet vertretenen Fach- gebiete. Daher ist diese eine hauptsächlich natur- wissenschaftlich ausgerichtete Sicht. Es ist unbe- stritten, dass eine andere Sicht zu andern Gewich- tungen führt. In diesem Sinne präsentieren wir auch nicht endgültige oder gar politische Lösungen, son- dern Beiträge zur Problematik Nutzung/Naturraum.

Es war von vornherein klar, dass die Landschaft Davos zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht nicht für den Alpenraum repräsentativ ist. Als touristische Stadt im Berggebiet mit grosser Investitionskraft hat sie aber Parallelen zu St. Moritz, Crans-Montana, Zermatt oder auch Grindelwald.

Davos hat sich noch in jüngster Zeit gewaltig ent- wickelt. Die Landschaft ist deshalb keineswegs mehr als völlig intakt zu bezeichnen. Positives und .Negatives soll nachfolgend erwähnt werden. Weil sich der Naturraum gesamthaft gesehen doch recht intakt präsentiert, muss vor allem auch seine Bedro- hung durch fortschreitende, teils auch neue Entwick- lungen aufgezeigt werden.

16.4.2 Die Entwicklung der Siedlung

Die Siedlung entwickelte sich in zwei starken Schü- ben: in den zwanziger Jahren und zwischen etwa 1957 und 1965. In den vergangenen zehn Jahren hat sie sich zwar nicht mehr ausgebreitet, jedoch inner- halb des bestehenden Perimeters verdichtet - ein typisch städtisches Phänomen. Das Wachstum hat ferner zu einem hohen Verkehrsaufkommen geführt, welches einerseits die Luftqualität beeinträchtigt, andererseits durch den Ausbau des Strassennetzes vermehrt Land beansprucht.

Wir sind aus verschiedenen Gründen zum Schluss gekommen, dass sich die Siedlung nicht weiter aus- dehnen sollte, weil

- damit der Landwirtschaft das beste noch vorhan- dene Kulturland entzogen würde;

- sich die ohnehin nicht befriedigende lufthygieni- sche Situation durch noch grösseres Verkehrsauf- kommen, durch Zunahme der Heizleistung und Verhinderung der Entlüftung des Tales weiter ver- schlechtern müsste;

- schon heute Teile der Siedlung in Bereichen lie- gen, die auch durch massive, die Landschaft nicht verschönernde Lawinenverbauungen nur beschränkt gesichert werden könnten, und die

bestehende Bauzone teilweise lawinengefährdet ist;

- sie dadurch Attraktivität und Gästegruppen verlie- ren könnte.

16.4.3 Die landwirtschaftliche Nutzung

Die Fettwiesen der Tallagen nehmen nur 7,4% des Testgebietes ein, erbringen mit 51,4% jedoch mehr als die Hälfte des landwirtschaftlichen Ertrages aller Nutzflächen des Testgebietes. Die Wiesen des Test- gebietes werden auch heute noch fast optimal genutzt, insbesondere auch ohne Übernutzungen.

Brachflächen sind selten und betreffen wenig ertrag- reiche Standorte. Auch in höheren Lagen wird noch Heunutzung betrieben. Eine Steigerung des Gesamtertrages wäre fast nur durch intensive Pflege von Weiden im Bereich des Zwergstrauchgürtels (um 1800 bis 2200 m über Meer) zu erreichen. Der Aufwand wäre aus heutiger Sicht unverhältnismäs- sig, würde er doch 23% des Testgebietes umfassen.

Die sowohl für die Schonung des Naturraumes als auch für die landwirtschaftliche Produktion günstige Situation spiegelt sich in den nur bescheidenen Änderungen der Nutzung wider. Seit 1900 hat sich die landwirtschaftlich genutzte Fläche um nur 14%

vermindert, wohl weniger als in andern Berggebie- ten. Die günstigen Nebenerwerbsmöglichkeiten scheinen sich ebenfalls günstig ausgewirkt zu haben, indem grössere betriebswirtschaftliche Umstrukturierungen und damit verbunden auch Meliorationen vermieden werden konnten.

Erstrebenswert ist die Erhaltung des heutigen Zustandes der landwirtschaftlichen Nutzung. Für die Landschaft von besonderer Wichtigkeit ist die Bei- behaltung der weniger attraktiven Nutzungen, vor allem der höher gelegenen, sehr blumenreichen Mähder. Die grösste Gefahr sehen wir in der Über- bauung des Talgrundes. Sie würde zum Verlust der ertragreichsten Böden führen.

16.4.4 Die Pflanzenwelt

Die Pflanzenwelt zeichnet sich durch ausserordent- liche Vielfalt aus. Sie ist ein Spiegelbild der geologi- schen Vielfalt, der grossen Höhenunterschiede und der traditionellen landwirtschaftlichen Nutzungsfor- men.

Von höchstem Schutzwert sind die sehr seltenen Legföhrenwälder auf Serpentingestein nördlich von Davos Wolfgang. Einmalig sind auch die artenrei- chen Parsennmähder, welche die am intensivsten genutzten Flächen in Höhenlagen über 2000 m über Meer sind.

Ungünstig für die Vegetation von Davos würden sich Brachlegungen auswirken, aber auch übermäs- sige Nutzung (Überbestossung der Alpweiden, ver- mehrte grossflächige Düngung). Gefährdet sind sel- tene Pflanzengesellschaften, vor allem durch die Anlage neuer Skipisten.

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16.4.5 Die Tierwelt

Es wurden vor allem bekannte, auffällige Tierarten untersucht. Fast alle Arten weisen hohe, teils sogar zu hohe Bestände auf (z.B. der Rothirsch). Einige wenige sind selten (z.B. Auerhuhn und Birkhuhn).

Die Vielfalt der Nutzungen spielt für die Tierwelt eine entscheidende Rolle. So besiedelt der Rot- hirsch im Winter zu 99% die genutzten Flächen. Er bevorzugt Gebiete mit künstlichen Futterstellen, selbst wenn diese Lebensräume wenig geeignet

· erscheinen. Der Alpensteinbock hält sich dagegen im Sommer in Gegenden auf, die nicht einmal alp- wirtschaftlich genutzt sind. Die kaum nutzbaren Zwergstrauch- und Gebüschbestände bilden den Lebensraum verschiedenster Rauhfusshühner (z.B.

Birkhuhn, Alpenschneehuhn während des Som- mers).

Diese Tiere halten sich je nach Jahreszeit in unter- schiedlichen Lebensräumen auf. Der Rothirsch hat im Sommer ein grösseres Aufenthaltsgebiet als im Winter. Die Gemse verhält sich jedoch genau umge- kehrt.

Das Murmeltier, aber auch den Rothirsch und das Reh findet man in fast allen für sie geeigneten Lebensräumen. Die Gemse hingegen tritt nur in wenigen Kolonien auf.

Entscheidend für die Tierwelt ist die Erhaltung der Nutzungsvielfalt. Sie verhilft Tieren unterschiedlich- ster Ansprüche zu Lebensräumen. Viele Tiere rea- gieren ziemlich direkt auf Umweltveränderungen.

Auch werden die untersuchten Tierarten unter- schiedlich stark durch das Variantenskifahren gestört und dadurch in ihrer knappen Winter-Ener- giebilanz strapaziert. Diesem Umstand ist in Zukunft Rechnung zu tragen.

Das Problem der zu hohen Hochwildbestände sollte von den interessierten Kreisen besprochen und gelöst werden. Die Jagd zeitigt momentan nur geringe Wirkung auf die Regulierung der Hochwild- bestände. Verkehr und Lawinen fallen mehr Tiere zum Opfer.

16.4.6 Die Böden

Den Böden ist im Berggebiet besondere Beachtung zu schenken, weil sie viel stärker als in den Tieflagen erosionsgefährdet sind (steile Hänge, Lawinen, starke Niederschläge).

Wegen der geologischen Vielfalt kommen zahl- reiche seltene Böden vor (Serpentinböden, Böden auf Radiolarit, Humuskarbonatböden usw.).

Die besten Landwirtschaftsböden befinden sich im Talgrund, wo sie der Konkurrenz durch die Bau- tätigkeit ausgesetzt sind. Besonders in höheren Lagen gibt es Böden, die ihre heutige Ertragskraft jahrhundertelanger, schonender Bewirtschaftung verdanken. Sie würden bei einer Brachlegung innert weniger Jahrzehnte versauern.

Mit ganz wenigen Ausnahmen entspricht die heutige Nutzung dem Nutzungspotential. Durch schonende Massnahmen wären bescheidene Er-

tragssteigerungen zu erzielen. Insbesondere Dünge- massnahmen sollen sich an die gefundenen Ergeb- nisse der Gefährdung halten.

16.4.7 Naturgefahren

Mit der Entwicklung der Siedlung und dem Ausbau der touristischen Transportanlagen ist der Mensch immer mehr in lawinengefährdetes Gebiet vorge- drungen. Lawinenverbauungen bringen nur eine graduelle, vor allem die Häufigkeit betreffende Ver- minderung der dadurch entstehenden Gefahren mit sich.

Die einstmals ausgeprägte Bedrohung durch Wildbäche konnte dagegen weitgehend reduziert werden. Die Wildbachverbauungen sind jedoch zu unterhalten. In den Bachläufen liegenbleibendes Altholz bedeutet eine erhebliche Gefahr der Muren- bildung (Überschwemmungs-und Überschüttungs- gefahr).

Nicht alle heute zur Bauzone zählenden Gebiete sind lawinensicher. Besonders während des Ent- wicklungsschubs von 1957 bis 1965 wurden auch lawinengefährdete Gebiete überbaut. Die weitere Ausbreitung der Siedlung ist daher nicht unbedenk- lich. Auch Rückzonungen sind zu prüfen.

16.4.8 Zustand der Luft

Generell liegen die Belastungen durch Luftschad- stoffe sowohl unter den heute gültigen wie auch den gegenwärtig in der Vernehmlassung befindlichen neuen gesetzlichen Immissionsgrenzwerten. Dabei muss allerdings zwischen den verschiedenen Schadstoffen unterschieden werden.

Schwefeldioxyd, das hauptsächlich durch Haus- feuerungen produziert wird, bewegt sich im Bereich der Werte, wie sie in vergleichbaren Orten im Mittel- land oder in den Vorartgemeinden grosser Ag- glomerationen gemessen werden. Im Winter sind aber die Werte fünfmal höher als im Sommer. Auch der in Davos Platz gemessene Gehalt an Kohlen- monoxyd, der zur Hauptsache auf Autoabgase zurückgeht, entspricht dem, was in grösseren Sied- lungen beobachtet wird, wenn die Messstelle nicht direkt neben einer dichtbefahrenen Ausfallstrasse liegt. Die Mittelwerte im Sommer und Winter unter- scheiden sich nicht, dagegen ist der Tagesgang sehr unterschiedlich. Typisch für den Winter sind die aus- geprägten morgendlichen und abendlichen Spitzen und ein deutlicher Abfall in den Mittagsstunden. Im Sommer ist die Belastung durch Autoabgase gleich- mässiger über den Tag verteilt. Die Belastung durch Staub und die darin enthaltenen Schwermetalle ist dagegen gering.

Im Sommer konzentriert sich die erhöhte Bela- stung durch Schwefeldioxid auf das überbaute Gebiet. Im Winter umfasst das belastete Gebiet neben der Siedlung auch den gesamten Talboden südöstlich und südwestlich von Davos Platz. Des- halb sollte der Talboden aus lufthygienischer Sicht

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nicht mehr weiter überbaut werden. Andernfalls würden weitere Schadstoffquellen die Wirkung von Schutzmassnahmen in Frage stellen. Auch die Luft- zirkulation würde verschlechtert, der Abfluss der ver- schmutzten Luft daher verzögert.

Von diesen aufgeführten Schadstoffen abgese- hen, besitzt die Luft nach wie vor besondere Qualitä- ten, die für einen Luftkurort wesentlich sind (erhöhte Sonneneinstrahlung und UV-Anteil, geringere Luft- feuchtigkeit und Nebelhäufigkeit, geringere Häufig- keit von Allergenen).

16.4.9 Skipisten

Die planierte Fläche beträgt rund 100 ha oder 1 % des Testgebietes. Die meisten Geländeeingriffe befin- den sich über 2200 m über Meer, nämlich im Par- senngebiet 93% und am Jakobshorn 75%. In dieser Höhe kann denn auch eine natürliche Wiederbesied- lung durch Pflanzen weitgehend ausgeschlossen werden.

Sowohl planierte als auch unplanierte Pisten füh- ren zu einer Ertragseinbusse. Der Trockensubstanz- verlust auf unplanierten Pisten wurde mit 17% ermit- telt. Die meisten Pisten befinden sich aber in Gegen- den, die für die landwirtschaftliche Nutzung von untergeordneter Bedeutung sind. Für die Landwirt- schaft ist daher die Ertragseinbusse keine Existenz- frage.

Obwohl die Skipistenplanien nur kleinere Flächen betreffen, beeinträchtigen sie die in höheren Lagen oft noch intakte Landschaft erheblich und langfristig.

Begrünungsversuche haben daran bislang wenig zu ändern vermögen.

16.4.10 Der Zustand des Waldes

Viele Wälder sind erst im letzten Jahrhundert nach Aufgab€;) der Beweidung entstanden. Sie sind heute zum Teil überaltert und der nutzbare Holzvorrat ist seit längerer Zeit im Steigen begriffen. Schon wäh- rend des zweiten Weltkrieges wurde weniger Holz

geerntet als Nachwuchs. In den vergangenen 10Jah- ren wurde noch etwa 1/3 des Zuwachses geerntet.

Mit der bestehenden Walderschliessung könnten rund 40% der pflegebedürftigen Bestände erreicht werden. In den nun folgenden 20 Jahren produzie- ren die Wälder des Testgebietes 10000 m3 Holz, wel- ches mit der bestehenden Erschliessung zu rund ¼ genutzt werden könnte.

Die optimale Erschliessung des Gebietes würde den Bau von 19 km Waldstrassen entlang des Hang- fusses erfordern, verbunden mit dem Einsatz von Seilkranen. Unter diesen Voraussetzungen könnten 80% des Zuwachses geerntet werden. Die Ertrags- lage der Forstwirtschaft würde sich dadurch nicht verbessern.

16.5 Natur- und

Landschaftsschutzprobleme

Der Sommertourismus spielt eine erhebliche Rolle in Davos. Verschiedene der dort ausgeübten Frei- raumaktivitäten entspringen dem bewussten Erle- ben von Natur und Landschaft. Früher hat die Urpro- duktion vielfältige Landschaft unbeabsichtigt geschaffen und unterhalten. Diese Tradition ist aber durch die erheblichen Umweltveränderungsmög- lichkeiten abrupt gebrochen worden. Daher ist es nicht mehr möglich, die Erhaltung von biologischer Artenvielfalt und reichhaltiger Landschaft dem Zufall zu überlassen. Heute und in Zukunft ist es unum- gänglich, Natur- und Landschaftsschutz analog einer anderen öffentlichen Aufgabe zu erfüllen. Die- ser im Kapitel 15 dargelegte Natur- und Land- schaftsschutz soll - auch im Dienste des Tourismus - Eingang in die Nutzungsplanung finden und aktiv gelebt und erlebt werden.

Auch wenn Schäden in der Landschaft sehr oft als irreversibel zu taxieren sind, so empfiehlt es sich dennoch, diese zu verbessern oder zu beheben.

Eingriffe in die Landschaft - ob baulicher Art oder Nutzungsänderungen - sollten zuvor auf ihre mögli- chen Auswirkungen auf Natur und Landschaft geprüft werden.

Referenzen

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