Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 40|
3. Oktober 2014 A 1681 ALLIANZ FÜR MENSCHEN MIT DEMENZ100 Maßnahmen vereinbart
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe unterzeichneten die Agenda „Gemeinsam für Menschen mit Demenz“.
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in weiterer Schritt zu einer na- tionalen Demenzstrategie ist getan. Nachdem vor zwei Jahren – anlässlich des Welt-Alzheimer- Tages im September 2012 – das Bundesfamilienministerium und das Bundesgesundheitsministerium die„Allianz für Menschen mit De- menz“ gründeten, haben Vertreter der Länder, Verbände und Organi- sationen jetzt etwa 100 konkrete Maßnahmen und Konzepte zur Ver- besserung der Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen in vier Handlungs - feldern sowie regelmäßige Treffen vereinbart. Ein erster Fortschritts- bericht ist für das Frühjahr 2016 vorgesehen.
„Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung in allen Berei- chen unserer Gesellschaft. Dazu gehört neben einer guten medizi - nischen und pflegerischen Versor- gung und Rehabilitationsmaßnah- men auch ein kompetenter Umgang mit Demenzkranken, sei es in Arzt- praxen, Krankenhäusern oder in Bürgerämtern“, betonte Bundesge- sundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bei der gemeinsamen Unter- zeichnung der Agenda Mitte Sep- tember in Berlin.
Leitbild Inklusion
Vorausgegangen war eine zweijäh- rige Arbeitsphase unter dem Vorsitz der beiden Bundesministerien und dem Ko-Vorsitz der „Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. – Selbsthilfe Demenz“. Die Gestal- tungspartner der Allianz, zu der ne- ben der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV), der Bundesärz- tekammer und der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft die kommuna- len Spitzenverbände, Spitzenver- bände aus dem Bereich Pflege und Gesundheit, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft sowie die Län-
der gehören, wollen jeweils in ihren Einflussbereichen die Lebenssitua- tion der an Demenz erkrankten Menschen und ihrer Angehörigen verbessern.
Konkrete ärztliche Aktionen
Die KBV wird beispielsweise im Rahmen ihrer Vertragswerkstatt ein gestuftes Versorgungskonzept einschließlich neuer qualitätsgesi- cherter Leistungen für geriatrische Schwerpunktpraxen bei der Ver- sorgung demenziell Erkrankter entwickeln sowie den niederge - lassenen Ärztinnen und Ärzten In- formationen zu Beratungsstellen, Schulungen und Selbsthilfegrup- pen zur Verfügung stellen. Ein Konzept zur Prävention von ge- sundheitlichen Risiken bei pfle- genden Angehörigen ist bereits erarbeitet. Spezifische Fortbildun- gen von Ärzten zur Behandlung von demenziell Erkrankten wer- den durch die Bundesärztekammer weiterentwickelt.Bundesfamilienministerin Ma- nuela Schwesig (SPD) wies darauf hin, dass Demenz immer noch ein Tabuthema sei. „Wir wollen mit der Strategie auch das Signal aussen- den, dass Demenz zum Leben dazu- gehört“, sagte sie. Betroffene und ihre Angehörigen müssten in die Mitte der Gesellschaft geholt wer- den. Zusammen mit 450 Mehrgene- rationenhäusern und den 300 An- laufstellen für ältere Menschen sollen künftig 1 250 lokale Anlauf- stellen bundesweit Demenzkranke und ihre Familien unterstützen. Ziel der lokalen Allianzen ist es, durch Netzwerkbildung Hilfe und Unter- stützung vor Ort anzubieten oder zu
vermitteln.
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Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann sungsmanagement unter Einbezie-
hung von Pflegestützpunkten, den Hausärzten sowie den lokal ansässi- gen Demenznetzwerken, die Ent- wicklung besonders demenzfreund- licher Stationen sowie der Einsatz von Ehrenamtlern. Wichtig sei aber auch eine verbesserte ambulante Versorgung von Patienten mit De- menz, betonte Fellgiebel mit Ver- weis auf die vom rheinland-pfälzi- schen Expertenforum Demenz erar- beiteten Empfehlungen (Kasten).
Personal schulen
Da der Umgang mit demenziell er- krankten Patienten sowohl für Ärz- te als auch Pflegekräfte häufig schwierig ist, war ein weiterer wichtiger Bestandteil des Projekts, das Krankenhauspersonal zu schu- len und für die besonderen Bedürf- nisse von Menschen mit Demenz zu sensibilisieren. „Solche Qualifizie- rungsmaßnahmen wirken sich nicht nur positiv auf die Betroffenen, sondern auch auf die Arbeitszufrie- denheit des Personals aus“, hob Dr.
Matthias Krell, Geschäftsführer der LZG, hervor. Allerdings könne eine adäquate Versorgung und Einbin- dung aller Beteiligten nur funktio- nieren, wenn die Geschäftsführung der Kliniken voll dahinterstehe, er- gänzte Prof. Dr. rer. med. Michael Isfort vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung, Köln.
Bislang sei es bundesweit jedoch so, dass in vielen Einrichtungen nur vereinzelte Maßnahmen zur verbes- serten stationären Versorgung von Menschen mit Demenz umgesetzt würden, wie die Einsetzung eines Demenzbeauftragten oder ein de- menzbezogenes Medikamentenma- nagement. Notwendig sei ein um- fassendes Bündel an Maßnahmen.
Dabei sieht Isfort in der schwerpunktmäßigen Versorgung von Demenzkranken für Kliniken durchaus auch einen Wettbewerbs- vorteil. Für die entsprechenden speziellen Versorgungsleistungen seien allerdings finanzielle An- reizsysteme erforderlich, so Isfort
abschließend.
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Petra Spielberg
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Bericht des Expertenforums:www.aerzteblatt.de/141680
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www.lokale-allianzen.de undwww.wegweiser-demenz.de