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Qualitative Methoden in der Schreibforschung

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Academic year: 2022

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Theorie und Praxis der Schreibwissenschaft

Qualitative Methoden in der Schreibforschung

Melanie Brinkschult e, D avid K reitz (Hg .)

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Qualitative Methoden in der Schreibforschung

Melanie Brinkschulte, David Kreitz (Hg.)

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Reihe „Theorie und Praxis der Schreibwissenschaft“

Reihenherausgebende:

Dr. phil. Gerd Bräuer hat 13 Jahre in den USA und Kanada gelehrt und 2001 das Schreibzen- trum an der PH Freiburg aufgebaut. Seitdem leitet er die berufsbegleitenden Fernstudiengänge

„Schreibberatung“ und „Literacy Management“ und begleitet Bildungseinrichtungen beim Aufbau von Schreibzentren und Portfolio-Systemen.

Dr.in Melanie Brinkschulte ist zurzeit wissenschaftliche Leiterin des Internationalen Schreib- zentrums. Außerdem verwaltet sie die Professur für Fachdidaktik der Deutschen Sprache und Literatur am Seminar für Deutsche Philologie der Georg-August-Universität Göttingen. Sie hat Sprachlehr- und -lernforschung, Germanistik und Pädagogik studiert und ein Lehramtstudium abgeschlossen.

Dr.in Katrin Girgensohn leitet das Zentrum für Schlüsselkompetenzen und Forschendes Lernen an der Europa-Universität Viadrina und ist Gründerin und wiss. Leiterin des dortigen Schreibzentrums. Auf das Magisterstudium in Neuerer Deutscher Literatur, Deutsch als Fremd- sprache und Spanisch folgten eine Promotion in Kulturwissenschaften und die Habilitation in Hochschulforschung mit dem Schwerpunkt hochschulbezogene Lehr- und Lernforschung.

David Kreitz, M.A., ist Mitarbeiter in der Schreibwerkstatt der ZQS/Schlüsselkompetenzen an der Leibniz Universität Hannover und freiberuflicher Schreibtrainer für verschiedene Hochschu- len und Stiftungen. Nach dem Studium der Soziologie, Amerikanistik und Anglistik hat er sich an der Universität Göttingen und der PH Freiburg zum Schreibdidaktiker weitergebildet. Er ist Mitherausgeber von JoSch – Journal der Schreibberatung.

Prof. Dr. em. Otto Kruse hat an der Technischen Universität Berlin promoviert und habilitiert.

Er war Professor im Bereich der Psychologie und der Angewandten Linguistik. Er leitete zehn Jahre das Centre for Academic Writing am Departement für Angewandte Linguistik der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Schreibdidaktik, Schreibkulturen, kritisches Denken und digitale Schreibunterstützung.

PD Dr.in Kirsten Schindler ist Oberstudienrätin im Hochschuldienst und vertritt zurzeit eine Professur für Deutsche Sprache und ihre Didaktik am Institut für Deutsche Sprache und Literatur II der Universität zu Köln. Sie hat an der Universität Bielefeld in Linguistik promoviert und die venia legendi für Deutsche Sprache und ihre Didaktik an der Universität zu Köln.

Herausgebende Institution

Gesellschaft für Schreibdidaktik und Schreibforschung e. V.

Die Gesellschaft für Schreibdidaktik und Schreibforschung wurde am 21. Januar 2013 in Göttingen als Verein gegründet. Sie fördert die Schreibdidaktik in der höheren Bildung, in Forschung, Praxis, Aus- und Weiterbildung durch Vernetzung und Austausch. Die Gesellschaft versteht sich als Vertretung von Personen, die in Hochschulen, Schulen oder in freier Praxis insbesondere im Bereich des wissenschaftlichen Schreibens lehren, beraten, vermitteln und forschen.

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Melanie Brinkschulte, David Kreitz (Hg.)

Qualitative Methoden in

der Schreibforschung

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© W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG Bielefeld 2017

Gesamtherstellung:

W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld wbv.de

Umschlagmotiv:

Claudia Klein, dieKleinert.de

Foto David Kreitz: © Leibniz Universität Hannover, ZQS, Christian Wyrwa Bestellnummer: 6004549 ISBN (Print): 978-3-7639-5756-9 ISBN (E-Book): 978-3-7639-5757-6 Printed in Germany

Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Gren- zen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Insbesondere darf kein Teil dieses Werkes ohne vorherige schriftliche Ge- nehmigung des Verlages in irgendeiner Form (unter Verwendung elektronischer Systeme oder als Ausdruck, Fotokopie oder unter Nutzung eines anderen Vervielfäl- tigungsverfahrens) über den persönlichen Gebrauch hinaus verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Für alle in diesem Werk verwendeten Warennamen sowie Firmen- und Markenbezeichnungen können Schutzrechte bestehen, auch wenn diese nicht als solche gekennzeichnet sind. Deren Verwendung in diesem Werk berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese frei verfüg- bar seien.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Theorie und Praxis der Schreibwissenschaft

Die Reihe „Theorie und Praxis der Schreibwissenschaft“ bietet eine Plattform zum wissenschaftlichen Austausch in Schreibdidaktik und Schreibforschung. Die Themenfelder reichen von akademischer Schreibdidaktik und beruflichem Schreiben im Hochschulkontext bis zur Lehrprofessionalisierung als Schnittstellen-Themenfeld.

Methodenforschung, Nachwuchsförderung und internationaler Austausch sind Ziele der Publikationsreihe.

In „Theorie und Praxis der Schreibwissenschaft“ können Wissenschaftstexte, Theorie-Praxistransfer-Texte und Qualifikationsschriften veröffentlicht werden.

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Grußwort

Sehr geehrte Leser:innen,

wir machen Inhalte sichtbar – das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben. Wir freuen uns daher sehr, Ihnen hiermit den ersten Band der Schriftenreihe „Theorie und Praxis der Schreibwissenschaft“ präsentieren zu dürfen. In fast zweijähriger Entwicklungsarbeit ist ein kompetenter Herausgeber:innenkreis entstanden, sind Redaktionspläne geschmiedet und Guidelines erarbeitet worden.

Die Arbeit hinter einer Publikation ist auf allen Seiten immens, vor allem für die Qualitätssicherung. Wir freuen uns daher sehr, als Partner unseren Teil zur Sichtbar- machung Ihrer Community beitragen zu dürfen. Den Herausgeber:innen gebührt großer Dank für ihr Engagement bezüglich der Veröffentlichung von Forschungs- ständen und Forschungsergebnissen sowie dem Theorie-Praxis-Transfer und arbeits- erleichternden Best-Practice-Beispielen. Unsere Partnerschaft mit Herausgeber:innen und Autor:innen sowie der Gesellschaft für Schreibdidaktik und Schreibforschung ist eine Bereicherung für den Programmbereich Hochschule im wbv und hoffentlich auch für die Community. Wir freuen uns auf eine langjährige und fruchtbare Zu- sammenarbeit.

Den Herausgeber:innen und Autor:innen dieses ersten Bandes mit dem Titel „Quali- tative Methoden in der Schreibforschung“ ist eine umfassende, interdisziplinäre Einführung in die Thematik gelungen, die ein guter Auftakt für die Reihe ist.

Nun, liebe Leserin, lieber Leser ist es an Ihnen, das Werk seinem Zweck zuzufüh- ren: Wir wünschen Ihnen eine inspirierende und sinnstiftende Lektüre.

W. Arndt Bertelsmann Vanessa Leppert

Verleger Programmleitung Hochschule

Grußwort 5

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Inhalt

Vorwort . . . . 9 Einführung in qualitative Methoden in der Schreibforschung: zu Hintergründen und Forschungsmethodik . . . . 11 Teil I: Von der Fragestellung zu den Daten

Melanie Brinkschulte & David Kreitz . . . . 21 Konversationelle Schreibinteraktionen – Sprechen, um zu schreiben

Kirsten Schindler . . . . 25 Qualitative Analyse von Schreibprozessen mithilfe von Screencapturing

Esther Breuer . . . . 41 Videokonfrontation als Methode für die angewandte Schreibforschung.

Zwischen Investigation und Intervention

Andrea Karsten . . . . 63 Das Dialog-Konsens/Struktur-Lege-Gespräch als Schreibprozessforschungs-

methode

Carmen Heine & Jan Engberg . . . . 85 Schreibberatung als Gegenstand ethnografischer Feldforschung und

teilnehmender Beobachtung

Stefanie Everke Buchanan & Frank Oberzaucher . . . 103 Die Schreiblernbiographie als Datenerhebungsmethode in einer empirischen

Studie zum kreativen Schreiben in DaF

Lisa Mauritz . . . 121 Retrospektive Interviews in der Schreibforschung

Sabine Dengscherz . . . 139 Expert*inneninterviews. Eine qualitativ-empirische Methode für die

Schreibforschung

Stephanie Dreyfürst . . . 159

Inhalt 7

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Teil II: Von den Daten zu den Erkenntnissen

Melanie Brinkschulte & David Kreitz . . . 187 Zwei Varianten qualitativer Textanalyse zur Identifikation von Stimme(n) in Texten Andrea Karsten & Ingrid Stock . . . 189 Die Grounded-Theory-Methodologie in der qualitativen Schreibforschung.

Phasen und Instrumente der Datenanalyse und Theoriebildung

Nadja Sennewald . . . 209 Die inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz.

Dargestellt am Beispiel des Rollenverständnisses von Writing Fellows

Anne Kirschbaum & Anne Rothärmel . . . 227 Gesprächsanalyse als Methode der Schreibforschung

Ella Grieshammer . . . 249 Teil III: Vom Material zum Text

Melanie Brinkschulte & David Kreitz . . . 269

„... aber wie kriege ich meine Forschungsergebnisse jetzt in den Text?“ – Softwareunterstützte qualitative Datenanalyse und Texterstellung

Kristina Maria Weber . . . 271 Der Widerspenstigen Zähmung – Wie aus Bergen qualitativer Daten strukturierte Texte werden. Anregungen für den Arbeitsprozess

Eva Wimmer, David Kreitz & Melanie Brinkschulte . . . 291 Teil IV: Vom Lehren und Forschen

Melanie Brinkschulte & David Kreitz . . . 303 Der Weg der praxisbasierten Schreibforschung – Rückwirkende Auswertung von Daten aus der eigenen Praxis

Ulrike Lange . . . 305 Videogestützte Leitfaden-Interviews als Evaluationsinstrument für die Beratung von Schreibenden

Stefan Jörrissen & Nicole Rosenberger . . . 325 Autorinnen und Autoren . . . . . . . 343

8 Inhalt

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Vorwort

Bereits 2015 entstand die Idee, Methoden der Schreibforschung in einem Band zu sammeln. Andere Projekte und Diskussionen um die Konzeption des Bandes verzö- gerten zunächst konkrete Schritte. Die Resonanz auf den Call for Proposals und da- mit verbundene spontane Beifallsbekundungen bestätigten dann das Interesse am Thema „qualitative Methoden in der Schreibforschung“, motivierten uns nachhaltig und zerstreuten anfängliche Skepsis.

Es freut uns außerordentlich, dass dieser Sammelband nun den Auftakt zur Reihe Theorie und Praxis der Schreibwissenschaft im W. Bertelsmann Verlag bildet, die von Gerd Bräuer, Melanie Brinkschulte, Katrin Girgensohn, David Kreitz, Otto Kruse und Kirsten Schindler herausgegeben wird.

Diese erste Publikation soll durch die Vorstellung von Forschungsmethoden und exemplarischen Studien (Nachwuchs-)Wissenschaftler*innen dazu motivieren, im Feld der Schreibwissenschaft zu forschen und ihre Arbeiten in dieser Reihe zu veröf- fentlichen.

Der hier vorgelegte Überblick fokussiert zwar qualitativ-empirische Methoden, je- doch werden auch immer didaktische, teilweise auch theoretische Fragen des Schreibens in akademischen Kontexten berührt. Der Sammelband spricht also alle Bereiche der Schreibwissenschaft an, die in der Reihe vertreten sein sollen: Theorie- bildung, empirische Forschung und didaktische Anwendung im Themenfeld Schrei- ben an der Hochschule.

Wir möchten dem W. Bertelsmann Verlag für die erfolgreiche Reihengründung und die sehr gute Zusammenarbeit danken. Durch eine frühe Zusage hat der Verlag eine stabile Grundlage für die Publikation des Sammelbandes geschaffen. Der Prozess des „Buch-Machens“ wurde mit großer Leidenschaft und Professionalität verfolgt:

mit einem äußerst gelungenen Ergebnis.

Schließlich danken wir allen Autor*innen, die gleichzeitig auch Reviewer*innen wa- ren, für ihre engagierte Mitarbeit. Ohne Sie und Euch gäbe es das vorliegende Buch nicht.

Göttingen, 31.07.2017 David Kreitz und Melanie Brinkschulte

Vorwort 9

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Einführung in qualitative Methoden in der Schreibforschung: zu Hinter- gründen und Forschungsmethodik

Melanie Brinkschulte & David Kreitz

1. Ausrichtung des Sammelbands

Schreiben in verschiedenen Kontexten ist Gegenstand vielfältiger empirischer Unter- suchungen, die sowohl explorativ als auch evidenzbasiert quantifizierend ausgerich- tet sein können, je nachdem, welcher Forschungsfokus gewählt ist.

Dieser Sammelband macht es sich zur Aufgabe, die Erforschung des Schreibens als komplexen Untersuchungsgegenstand explorativ zu fassen. Dabei steht der gesamte Forschungsprozess im Mittelpunkt – von der Erhebung der Daten über deren Aus- wertung und Verschriftlichung bis hin zur Darstellung von Forschungsprojekten in Publikationen. Aus diesem Grund umfasst der Band vier Teile: Im ersten Teil wird anhand von Forschungsprojekten aufgezeigt, wie von der Fragestellung die Datener- hebung geplant und mit welchen Methoden sie durchgeführt werden kann; der zweite Teil thematisiert wissenschaftliche Auswertungsmethoden und wie diese für die Erforschung schreibwissenschaftlicher Fragestellungen angewandt werden; im dritten Teil wird die komplexe Aufgabe des Verschriftlichens empirischer Daten fo- kussiert, um zu demonstrieren, wie Schreibende vorgehen können; der vierte Teil schließlich fokussiert Forschungsprojekte in ihrer Anwendungsperspektive, um zu zeigen, wozu Ergebnisse schreibwissenschaftlicher Forschung eingesetzt werden.

Die einzelnen Beiträge werden jeweils zu Beginn der Teile vorgestellt.

Damit richtet sich der Sammelband sowohl an Forschende in der Schreibwissen- schaft und verwandter Forschungsrichtungen, die explorativ bzw. qualitativ forschen, als auch an Lehrende und Studierende, die in ihm Anregungen für Projekte zum forschenden Lernen und für Abschlussarbeiten finden. Mitarbeiter*innen an Schreibzentren können Möglichkeiten entdecken, ihre Didaktik sowie Schreibbera- tung empirisch zu fundieren bzw. im Rahmen ihrer Arbeit Forschungsprojekte durchzuführen. Das Ziel des Bands besteht darin, Methoden in ihrer Anwendung in authentischen Forschungsprojekten so anschaulich darzustellen, dass andere For-

Einführung in qualitative Methoden in der Schreibforschung 11

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schende eine konkrete Vorstellung über das Potenzial und die Anwendbarkeit, aber auch über die Reichweite dieser Methoden für den Forschungsgegenstand „Schrei- ben“ erhalten. Insbesondere Nachwuchswissenschaftler*innen, Studierenden in Projekten zum forschenden Lernen und damit Dozierenden schreibdidaktischer Se- minare möchten wir mithilfe der Beiträge in diesem Sammelband einen konkreten Einblick in schreibdidaktische Forschungen bieten. Bei der Auswahl der Beiträge war es uns deshalb wichtig, in den Beiträgen authentische Forschungsprojekte, die die Forschenden selbst durchführ(t)en, vorzustellen. Da die Problem- bzw. Fragestel- lung die Wahl der Methoden bestimmt, geht es darum, das vollständige Forschungs- projekt zu präsentieren, damit die Einbindung der Methoden in den Forschungskon- text deutlich wird. Dies unterscheidet diesen Sammelband von anderen Methoden- Handbüchern, in denen isoliert verschiedene Methoden thematisiert werden.

Um dieses Ziel zu realisieren, baten wir die Autor*innen, in ihren Beiträgen ihr For- schungsprojekt unter Berücksichtigung der angewandten Methoden vorzustellen, Methoden in ihrer Anwendung zu verdeutlichen, deren Möglichkeiten, aber auch ihre Grenzen innerhalb des Projekts. Das Potenzial im Lesen dieses Sammelbands liegt darin, zu erkennen,

wie Forschungsmethoden auf schreibdidaktische Untersuchungsgegenstände angewendet werden, um Transfergedanken für eigene Forschungsprojekte an- zuregen;

welche Reichweite und Grenzen wissenschaftliche Methoden haben, sodass Le- sende die in den Beiträgen erläuterten Methoden abwägend bewerten und ge- zielt auswählen können, wenn sie eigene Forschungsprojekte planen;

dass eine angemessene Methodenwahl von verschiedenen Faktoren abhängig ist, etwa Untersuchungsgegenstand, konkrete Forschungsfrage oder Zugäng- lichkeit zum Feld und zu Proband*innen.

Daher geht es uns mit diesem Sammelband darum, ein vielfältiges Spektrum empi- rischer Methoden in der Schreibwissenschaft vorzustellen. Dabei kann es nicht um eine umfassende Methodensammlung gehen. Wir freuen uns vielmehr, dass es uns gelungen ist, 23 Schreibforschende gewinnen zu können, die eingesetzte wissen- schaftliche Methoden aus ihren Forschungsprojekten thematisieren. Die einzelnen Beiträge bieten damit ein Spektrum wissenschaftlicher Methoden, die derzeit zur Er- forschung des Untersuchungsgegenstands „Schreiben“ genutzt werden. Dies bestä- tigt eine Umfrage unter Schreibforschenden im Forum wissenschaftliches Schreiben, die von Dezember 2017 bis Februar 2017 online durchgeführt wurde. In dieser gaben 49 Forschende zu mehr als 50 % an, sich interdisziplinär in der Hochschuldidaktik zu verorten und mithilfe von Interviews und qualitativer Inhaltsanalyse die Entwick- lung von Schreibkompetenzen zu untersuchen.

Einführend möchten wir die methodologische Verortung sowie einige Hintergründe erläutern, die zu einem Erstarken qualitativ ausgerichteter Forschung in der Schreib- wissenschaft führen. Hierbei sehen wir drei forschungsmethodologische Richtun- gen, die die gegenwärtige explorativ ausgerichtete empirische Schreibforschung in

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akademischen und beruflichen Kontexten maßgeblich prägen: die qualitative Sozial- forschung, linguistische, pragmatisch verortete Forschungen sowie Schreib- und Schreibzentrumsforschung im US-amerikanischen Raum. Im Folgenden wird zu- nächst die Schreibwissenschaft in ihrer interdisziplinären Ausrichtung skizziert und die methodologische Fundierung erläutert.

2. Schreibwissenschaft als angewandte Forschung: Aus der Praxis für die Praxis

Schreiben ist ein Untersuchungsgegenstand, dem sich viele Disziplinen aus unter- schiedlichen Perspektiven annehmen: Linguistik, Fachdidaktiken in der Lehramtsaus- bildung, Pädagogik, Psychologie, Literaturwissenschaften oder Kulturwissenschaf- ten, um nur einige zu nennen. Steinhoff, Grabowski & Becker-Mrotzek (2017, S. 9) bezeichnen die Schreibforschung von daher als Interdisziplin. Forschungen sind in den Disziplinen mit ihren jeweiligen wissenschaftlichen Methoden verankert, sodass das Schreiben in vielfältiger Weise Forschungsgegenstand sowohl empirischer als auch hermeneutisch ausgerichteter Forschungen war und ist. Neben der Schreibfor- schung, die sich im deutschsprachigen Raum vornehmlich schulischen (siehe z. B.

Becker-Mrotzek, Grabowski & Steinhoff, 2017) und beruflichen Kontexten (siehe z. B.

Jakobs, 2007) zuwendet, hat sich in akademischen Kontexten eine Forschungsrich- tung der empirisch basierten Schreibforschung herausgebildet (siehe z. B. Knorr &

Heine, 2014; Girgensohn & Sennewald, 2012, S. 51–57). Diese beschäftigt sich eben- falls aus interdisziplinärer Perspektive mit der Erforschung komplexer Schreibpro- zesse in ihrem Handlungsfeld. Hierbei wird zunehmend der Erkenntnis Rechnung getragen, dass Schreiben ein individuell gestaltbarer Prozess ist, der in einen situatio- nellen Kontext eingebettet ist, weshalb explorativ ausgerichtete Forschungen einen ganzheitlichen Zugang zum Untersuchungsgegenstand ermöglichen. Um dieses For- schungsfeld vollständig zu erfassen, wird der Begriff der Schreibwissenschaft gewählt.

Schreibwissenschaft im deutschsprachigen Raum baut u. a. auf Schreibforschungen aus dem US-amerikanischen Raum auf, die seit den 1980er Jahren in der Schreib- zentrumsforschung zu verorten sind (Babcock & Thonus, 2012, S. 8). Mit der Grün- dung von Schreibzentren an deutschsprachigen Hochschulen in den 1990er Jahren und insbesondere durch das bmbf-Programm zur Förderung von Studium und Lehre nimmt Forschung zum Gegenstand des Schreibens in akademischen und beruflichen Kontexten auch im deutschsprachigen Raum zu (Ruhmann, 2014). Mit dieser Forschungsrichtung wird ein umfassendes Feld skizziert: Forschungsgegen- stände sind zum einen Schreibprozesse, sodass ihre individuelle Ausgestaltung er- fassbar wird. Zum anderen werden Schreib-Entwicklungen erforscht, sodass ersicht- lich wird, unter welchen Bedingungen sich Schreibkompetenzen in welcher Weise entfalten (können). Gegenstand der Forschung sind zum großen Anteil Lehr-Lern- konstellationen, um zu ergründen, wie das Schreiben-Lernen und Schreiben-Lehren vonstattengeht und wie Lehr-Lern-Prozesse gestaltet werden können, um Lernende

Einführung in qualitative Methoden in der Schreibforschung 13

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zu kompetenten Schreibenden auszubilden. Einen weiteren zentralen Stellenwert nimmt die Erforschung von Schreibberatung ein, um zu ergründen, wie Schreibbe- rater*innen und Ratsuchende in Schreibberatungen handeln und welche Inhalte da- bei in welcher Weise ausgehandelt werden. Ebenso erfasst die Schreibwissenschaft institutionelle Handlungszusammenhänge, um z. B. schreibendes Handeln in seiner Einbettung in bestimmte institutionelle Rahmenordnungen zu erfassen. Zu diesem Feld gehört aber ebenso die Erforschung von Qualitätsstandards und ihrer -siche- rung, wie sie etwa in der Erforschung von Schreibzentrumsarbeit betrieben wird. Er- gebnisse dieser Forschung fließen zurück in die Praxis, z. B. in Didaktisierungen akademischen und beruflichen Schreibens, in Umsetzungen für Schreibberatungen sowie in die Aus- und Weiterbildung von Schreibdidaktiker*innen. Forschende sind hierbei sowohl Wissenschaftler*innen als auch die Lehrenden und Schreibbera- ter*innen, die ihren Unterricht bzw. ihre Beratung erforschen. Studierende werden zu Forschenden, wenn sie an Projekten zum forschenden Lernen teilnehmen, in de- nen das Schreiben den Forschungsgegenstand bildet. Zusammengefasst handelt es sich um Forschung aus der Praxis für die Praxis, weshalb der umfassendere Begriff der Schreib-Lehr-und-Lern-Forschung diesen Sachverhalt fasst; dabei ist die For- schung empirisch ausgerichtet.

In diesem Verständnis ist die Schreibwissenschaft methodenübergreifend: Sowohl explorative, analytisch-nomologische Forschungsausrichtungen als auch die Synopse bereits vorhandener Forschungsergebnisse (z. B. in Form von Reviews) dienen als hinreichende Methoden, um neue Erkenntnisse zu generieren. In Form von Metho- dentriangulationen ist ein Methodenmix realisierbar (siehe z. B. Flick, 2002, S. 519 f.), sofern er die Forschungsfrage bedient und zum Erkenntnisgewinn beiträgt (Gra- bowski, 2017, S. 315). Das Ziel einer empirischen Schreib-Lehr-und-Lern-Forschung besteht in einer möglichst ganzheitlichen Erfassung authentischer Schreib- und Be- ratungskonstellationen, um diese in ihrer situationellen Einbettung erfassen zu kön- nen. Eine Möglichkeit zur holistischen, explorativen Erkenntnisgewinnung stellen qualitativ ausgerichtete Forschungen dar, die im Ergebnis zu einem tieferen Ver- ständnis von Motiven, Einstellungen und Haltungen individuellen Handelns führen.

Durch explorative Forschungen werden Hypothesen generiert, die in nachfolgenden Forschungen evidenzbasiert quantifizierend untersucht werden können, um zu re- präsentativen Aussagen zu gelangen.

3. Methodologische Verortung einer qualitativen Schreib- Lehr-und-Lern-Forschung

Gegenstand einer empirischen Schreib-Lehr-und-Lern-Forschung ist die möglichst ganzheitliche Erfassung authentischer Schreib- bzw. Beratungskonstellationen mit dem Zweck des Verstehens innerer Vorgänge in einem Menschen, seines non-, para-, verbalen und aktionalen Handelns sowie des soziokulturellen Umfelds, das das

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Handeln mitbestimmt. Zudem bedarf es einer präzisen Sprache, sodass die Sachver- halte exakt und angemessen beschrieben werden können (Casanave, 2016, S. 359).

Im deutschsprachigen Kontext wird die in den Sozialwissenschaften verankerte qua- litative Sozialforschung (z. B. Flick, 2012; Lamnek, 2010) vielfach zur Erforschung des Gegenstands Schreiben eingesetzt. Zentrale theoretische Hintergründe der qua- litativen Sozialforschung bilden

die von Schütz geprägte phänomenologische Lebensweltanalyse, in der „soziale Wirklichkeit als voraussetzungsvolle gesellschaftliche Konstruktion ihrer Mit- glieder“ (Flick, 2012, S. 150) angesehen wird, aus der Konstruktivismus (Flick, 2012, S. 150–164) und Hermeneutik (Soeffner, 2012) abgeleitet werden,

der Symbolische Interaktionismus, der auf dem Pragmatismus aufbauend nach Blumer (1938 bzw. 1973) die subjektive Bedeutungszuschreibung fokussiert so- wie

die Ethnomethodologie, die, auf Garfinkel (1967) basierend, das Konstruieren sozialer Wirklichkeiten aufdeckt und die ihre methodische Realisierung unter anderem in der Konversationsanalyse findet (Flick, 2007, S. 86–90).

In der Realisierung empirischer Forschungsprojekte bestimmt die Forschungsfrage bzw. Problemstellung die Wahl der Methode(n), von denen eine Vielzahl zur Ver- fügung steht (Erickson, 1986). Erhebung und Auswertung sind in explorativen Forschungen eher induktiv als deduktiv ausgerichtet und folgen den zentralen Prin- zipien qualitativer Sozialforschung, wie sie von Lamnek (2010, S. 19–25) zusammen- gefasst werden:

Offenheit des*der Forschenden gegenüber Untersuchungspersonen, -situatio- nen und -methoden,

Kommunikationsregeln werden in der Forschung befolgt,

Prozesscharakter von Forschung und Gegenstand, weshalb Veränderungen im Ablauf möglich bzw. nötig sind,

Reflexivität von Gegenstand und Analyse, sodass im Analyseprozess reflexives Handeln erforderlich ist,

Explikation der Durchführung, sodass eine Transparenz für andere Wissen- schaftler*innen gewährleistet wird,

Flexibilität in der Relation von Forschenden, Beforschten und der Situation, so- dass ggf. Anpassungen im Forschungsablauf vorgenommen werden.

Erklärungen für das Handeln werden aus dem empirischen Material gezogen, d. h.

aus den subjektiven Bedeutungszuschreibungen und dem Kontext des speziellen Falles. Ziel ist es, aus empirischem Material heraus Neues zu entdecken und hieraus Hypothesen oder begründete Theorien abzuleiten (Flick, 2007, S. 27). Entsprechend gelten für qualitativ ausgerichtete Forschungen modifizierte Gütekriterien, wie sie z. B. von Lamnek (2010, S. 127–167) vorgestellt werden.

Da das Schreiben und das Sprechen über Schreiben stets mit sprachlichen Handlun- gen verbunden sind, liegt es nahe, dass linguistische Verfahren wie textlinguistische oder gesprächsanalytische Methodiken Erkenntnisse über die pragmatische Anwen-

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dung, Qualität und Wirkungsweise dieses sprachlichen Handelns liefern. Grundla- gen hierfür liefern z. B. handlungstheoretische Fundierungen von Ehlich (1983) zum Textbegriff, die mithilfe funktionalpragmatischer Diskursanalyse operationalisierbar werden. Andere linguistische Arbeiten in der empirischen Schreibforschung mit dem Gegenstand akademisches und berufliches Schreiben sind gesprächsanalytisch fundiert, wie z. B. Lehnen (2000) zum kollaborativen Schreiben sowie Schindler und Siebert-Ott in ihrem Forschungsprojekt AkaTex, in dem es um das Erlangen von Schreibkompetenzen als Bestandteil des Professionswissens von Lehramtsstudieren- den geht. Pohl (2007) und Steinhoff (2007) entwickeln Modelle der Entwicklung akademischer Schreibkompetenzen von Studierenden bis hin zu professionell Schreibenden. Gemeinsam ist diesen linguistischen Forschungen, dass sie aus ei- nem Datenkorpus authentischer Schreibprodukte bzw. video- oder audiographierter Daten von Schreibkonstellationen (z. B. das Sprechen über das Schreiben) mithilfe von Beispielanalysen zu Erkenntnissen für die jeweilige Forschungsfrage gelangen.

Dies bedeutet, dass aus dem Datenkorpus exemplarisch charakteristische, aussage- kräftige Stellen für die Detailanalyse herangezogen werden. Mithilfe der Erkennt- nisse aus diesen exemplarischen Analysen werden Ergebnisse auf abstrakter Ebene hergeleitet. Die wissenschaftshistorische Entwicklung zeichnen Steinhoff, Grabow- ski & Becker-Mrotzek (2017) nach.

Eine weitere zentrale Grundlage der deutschsprachigen Schreibwissenschaft stellt die US-amerikanische Schreibforschung dar. Die im US-amerikanischen Kontext seit den 1970er Jahren verbreitete qualitative Forschung zum Schreiben startete mit Untersuchungen zum Prozess des Schreibens in der Erstsprache (Emig, 1971; 1977), die mithilfe einer Fallstudie, der innovativ eingesetzten Methode des Lauten Den- kens sowie mit Interviews die Schreibprozesse von fortgeschrittenen Schüler*innen aufdeckte. Diese Studie war für die Schreibprozessforschung in den USA ein Initial, das Schreiben von Lernenden in den Blick zu nehmen und nicht mehr länger nur die Texte von Experten zu analysieren und diese als Muster für pädagogische Zwecke einzusetzen (Schultz, 2006, S. 361). Mit der qualitativ angelegten Studie von Hayes

& Flower (1980), die ebenfalls auf Daten aus Protokollen zum Lauten Denken von Schreibenden in der Erstsprache beruht, wurde das – insbesondere im deutschspra- chigen Raum stark rezipierte – Modell des Schreibprozesses als ein rekursives Prob- lemlösen mit charakteristischen Teilhandlungen beschrieben. Auch aktuelle Modelle zum Schreiben als Prozess bauen auf dem Modell von Hayes & Flower auf, das in den folgenden Jahren von Hayes in weiteren qualitativ angelegten Studien weiterent- wickelt wurde (siehe z. B. Hayes 2012). Wie Casanave (2016, S. 499) in ihrem Über- blick zur qualitativen Forschung zum L2-Schreiben im US-amerikanischen Kontext betont, ist aktuell eine Weiterentwicklung größerer Transparenz festzustellen, was die Darstellung von Datenerhebung, -grundlage, Auswertungsmethoden und die Rolle der Forschenden im gesamten Forschungsprozess betrifft.

Soziolinguistische Erkenntnisse (z. B. Street, 1984) in den 1990er Jahren veranlass- ten Schreibforscher*innen zu verstärkt ethnographisch ausgerichteten Studien, in denen der Kontext und die Situierung eine wichtige Rolle spielten (z. B. Ramathan &

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Atkinson, 1999). Schultz (2006, S. 365) nennt diese Entwicklung einen „Social Turn“

in der Schreibforschung. Dementsprechend wurden in diesen Erhebungen Metho- den wie teilnehmende Beobachtung oder Lerntagebücher angewandt. Kritisch ist hierbei einzuwenden, dass Schreibforschende nicht immer streng ethnographisch vorgingen, sondern zum Teil selektiv arbeiteten (Casanave, 2016, S. 500). Auch in diesen Studien wurden zum Teil qualitative und quantitative Verfahren kombiniert, um z. B. bei der Auswertung von Videomitschnitten Codierungen vorzunehmen, die quantitativ ausgewertet wurden (z. B. Pennington & So, 1993).

Casanave (2016, S. 500–506) und Schultz (2006, S. 357–358) identifizieren für die Er- forschung des Schreibens in der Erst-, Zweit- bzw. Fremdsprache Englisch vier the- matische Schwerpunkte, die die Erforschung des Schreibens bestimmen: a) Studien zur Entwicklung von Schreibkompetenzen, b) Interaktionen beim Schreiben, c) text- basierte qualitative Studien, d) multimodale Literalität. Diese Schwerpunkte sind u. E. übertragbar auf gegenwärtige Forschungen im deutschsprachigen Raum. Es wird deutlich, dass zur Erforschung des Schreibens beide Perspektiven ineinander- greifen müssen: die Perspektive des Schreibprozesses und die Perspektive auf das Produkt, den Text. Während durch die Analyse von Texten die Komplexität des Ent- standenen, das sich auf der sprachlichen Oberfläche manifestiert, sichtbar und ana- lysierbar wird, erlauben insbesondere qualitative Herangehensweisen den Forschen- den, Schreibprozesse von Individuen oder Gruppen zu dokumentieren und zu analysieren (Schultz, 2006, S. 358).

Diese Forschungsthemen werden mit dem gesamten Spektrum qualitativer Metho- den bearbeitet, die die explorative Forschungsmethodologie für die Erhebung und Auswertung bietet: Mit teilnehmender Beobachtung, Videographie, Lautem Denken, Lautem Erinnern, Interviews, Strukturlege-Verfahren, Lerntagebüchern, Gruppen- diskussionen, Textkorpora oder Longitudinalstudien seien nur einige qualitativ aus- gerichtete Methoden zur Datenerhebung genannt. Insbesondere durch die Fortent- wicklung technischer Möglichkeiten und Interdisziplinarität ergeben sich innovative Methodentriangulationen und eine Weiterentwicklung von Methoden, wie z. B. das Screen-Capturing-Verfahren. Hierbei ist auch zu bedenken, dass technologische Weiterentwicklungen neue Zugänge zur Erforschung des Schreibens in akademi- schen und beruflichen Kontexten eröffnen. Eine Systematik zur Kategorisierung qualitativer Datenerhebungsmethoden bietet Linnemann (2017). Eine Systematik zur Erfassung von Auswertungsmethoden steht allerdings noch aus.

Die Schreibwissenschaft im deutschsprachigen Raum ist noch relativ jung und doch schon vielfältig, wie der vorliegende Band zeigt. Der Sammelband weist jedoch auch auf viele Desiderata hin, und er gibt hoffentlich Anregungen für die Entwicklung weitergehender Forschungen.

Einführung in qualitative Methoden in der Schreibforschung 17

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Literatur

Babcock, R. D. & Thonus, T. (2012). Researching the Writing Center. Towards an Evidence- Based Practice. Frankfurt/Main: Peter Lang.

Blumer, H. (1973). Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.), Alltagswissen und Interaktion und gesell- schaftliche Wirklichkeit 1 – Symbolischer Interaktionismus und Ethnomethodologie (S. 80–

146). Hamburg: Rowohlt.

Casanave, C. P. (2016). Qualitative Inquiry in L2 Writing. In R. M. Manchón & P. K. Mat- suda (Hrsg.) Handbook of Second and Foreign Language Writing (S. 497–517). Berlin: de Gruyter.

Erickson, F. (1986). Qualitative methods in research on teaching. In M. C. Whittrock (Hrsg.) Handbook of research on teaching (S. 119–161). New York: Macmillan.

Emig, J. (1977). Writing as a mode of learning. College Composition and Communication 28, 122–128.

Emig, J. (1971). The composing process of twelfth graders. Urbana, IL: National Council of Teachers of English.

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Einführung in qualitative Methoden in der Schreibforschung 19

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Teil I: Von der Fragestellung zu den Daten

Melanie Brinkschulte & David Kreitz

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Jeder Beitrag in diesem Kapitel präsentiert eine Methode der Datenerhebung, stellt ihre Einsatzmöglichkeiten in der Schreib(prozess)forschung vor, illustriert die Durchführung der Datenerhebung an einem Beispiel und diskutiert die Grenzen und Möglichkeiten der vorgestellten Methode. Durch die Vielzahl der hier vorgestell- ten Erhebungsmethoden sollte es für Leser*innen möglich sein, für viele verschie- dene Forschungsfragen passende Vorgehensweisen zur Datenerhebung zu finden.

Die angeführten Beispiele aus Forschungsprojekten der Autor*innen unterstützen dabei nicht nur die Auswahl einer Methode, sondern zeigen auch deutlich, wie die jeweilige Methode auf den Untersuchungsgegenstand „Schreiben“ angewendet wer- den kann.

Damit ist das Ziel dieses Kapitels die Erklärung der Anwendung einer Erhebungs- methode, wie dies auch in anderen Methodenbüchern geschieht, allerdings schließt sich dem nicht eine (oft übliche) zusammenfassende Darstellung der bisher mit die- ser Methode durchgeführten Untersuchungen an. Denn ein solches Vorgehen würde wiederum dazu führen, Forschende für die konkrete Umsetzung einer Me- thode doch wieder nur auf andere Werke zu verweisen. Die Darstellung von Metho- den für die Schreibforschung soll ja die sonst immer wieder notwendige Adaption von Methoden, die für andere Untersuchungsgegenstände entwickelt wurden, über- flüssig machen. Deswegen erscheint es uns nur konsequent, durch konkrete An- wendungsbeispiele auch einen ersten Eindruck der Umsetzung der Methode zu ge- ben.

Kirsten Schindler erläutert die Entstehung und Anwendung der Methode Konversa- tionelle Schreibinteraktion und zeigt anhand von Transkriptausschnitten, welche Gesprächsdaten beim kollaborativen Schreiben entstehen und wie mit diesen weiterge- arbeitet werden kann. Die Gespräche liefern Informationen über die interaktive Aus- handlung verwendeter Formulierungen, des Textaufbaus und der Satzstrukturen.

Esther Breuer stellt den Leser*innen die Methode des Screen-Capturing anhand der Software Camtasia vor. Sie erläutert, welche Art von Daten dabei gewonnen werden, für welche Fragestellungen diese Daten relevant sind und wo die Grenzen der Me- thode liegen. Den sinnvollen Einsatz von Screen-Capturing illustriert eine Studie zum Umgang mit dem Internet in akademischen Kontexten, insbesondere bei Schreibprojekten.

Andrea Karsten präsentiert die Methode der Videokonfrontation. Schreibende wer- den zunächst bei der Textproduktion gefilmt und dann mit diesen Videos konfron- tiert. Gemeinsam mit dem*der Forschenden analysieren sie die Videos. Forschende initiieren dabei mit Fragen eine Erklärung für bestimmte Schreibhandlungen. Diese Gespräche werden aufgezeichnet und können wiederum mit Analysemethoden für Gesprächsdaten ausgewertet werden.

Jan Engberg und Carmen Heine machen die Leser*innen mit dem Dialog-Konsens/

Struktur-Lege-Gespräch als Methode der Schreibprozessforschung bekannt. Es wird deutlich, wie diese Methode einen differenzierten Einblick in individuelle Schreib-

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prozesse ermöglicht. Schreibprozesshandeln wird so für die Selbstreflexion und Be- ratungspraxis zugänglich gemacht.

Stephanie Everke Buchanan und Frank Oberzaucher beleuchten die Möglichkeiten ethnographischer Methoden für die Schreibprozessforschung. Ihr Augenmerk liegt dabei auf der teilnehmenden Beobachtung, doch zeigen sie auch die Verbundenheit der Ethnographie z. B. zur Gesprächsanalyse, wodurch bereits auf eine passende Auswertungsmethode verwiesen wird. Sie beschreiben zunächst ein prototypisches Forschungsdesign, welches dann beispielhaft auf die Untersuchung von Schreibbe- ratungen angewendet wird.

Lisa Mauritz stellt dar, wie mit Schreiblernbiografien Daten erhoben werden können.

Am konkreten Beispiel der Schreiblernbiographien nepalesischer Deutschlerner*in- nen zeigt sie, wie deren Einstellungen zum kreativen Schreiben erhoben und biogra- phisch verortet wurden. Deutlich wird aber auch, dass die Schreiblernbiographie di- daktisch eingesetzt werden kann, wodurch sie für eine Verknüpfung von Schreibforschung und -didaktik Relevanz erlangt.

Sabine Dengscherz nimmt sich der retrospektiven Interviews an. Sie erläutert, auf welche Prozesse mithilfe solcher Interviews „zurückgeblickt“ werden kann und macht deutlich, was mit dieser Methode herausgefunden werden kann und welche Grenzen sie hat. Dabei zeigt sie an einem eigenen Forschungsprojekt die Verwen- dung retrospektiver Interviews in einem Mixed-Methods-Design, also die Möglich- keit, diese Erhebungsmethoden mit weiteren zu kombinieren.

Stephanie Dreyfürst stellt in ihrem Beitrag Experteninterviews vor. Sie illustriert die Methode anhand eines mehrwöchigen Forschungsprojekts an drei US-amerikani- schen Schreibzentren zum Thema Effekte von Writing-Fellow-Programmen. Anhand theoretischer Vorüberlegungen, der jeweiligen Leitfragen und der Erstellung von de- taillierten Leitfäden wird deutlich, worauf es bei dieser Erhebungsmethode an- kommt und für welche Fragestellungen sie sich besonders gut eignet.

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Konversationelle Schreibinteraktionen – Sprechen, um zu schreiben

Kirsten Schindler

Im folgenden Beitrag wird die Methode der Konversationellen Schreibinteraktionen als eine besondere Form gemeinsamen Schreibens vorgestellt. Konversationelle Schreibinteraktionen dienen primär der Erhebung von Prozessdaten – sie ermögli- chen es, Schreibprozesse dokumentiert und detailliert beobachtbar aufzuzeichnen.

Nach einer kurzen Einführung wird die Methode im Spektrum von Ansätzen ge- meinsamen Schreibens verortet. Anschließend wird beispielhaft vorgeführt, wie Konversationelle Schreibinteraktionen aussehen und wie sie interpretiert werden können. Der Beitrag fokussiert im Anschluss die Frage, worauf Forschende bei der Umsetzung achten sollten und welche Möglichkeiten bei der Auswertung der Daten unterschieden werden können. Zum Abschluss wird die Methode im Hinblick auf ihre Untersuchungsmöglichkeiten diskutiert.

1. Einführung in die Methode

Wenn zwei oder mehr Schreibende aufgefordert werden, einen Text gemeinsam zu verfassen und sie zugleich bei der gemeinsamen Textproduktion aufgezeichnet wer- den, können Schreibforschende Konversationelle Schreibinteraktionen erheben: also Gespräche, die die Schreibenden beim und für das gemeinsame Schreiben führen (Dausendschön-Gay, Gülich & Krafft, 1992). Konversationelle Schreibinteraktionen stellen damit einen spezifischen Fall gemeinsamen Schreibens dar (Lehnen, 2014).

Bei dieser Methode sind die Schreibenden an allen Phasen der Textproduktion glei- chermaßen beteiligt und verantworten diese zusammen. Die Beteiligung findet dabei unter der Bedingung von Co-Präsenz statt. Für die Schreibenden bedeutet das konkret, dass sie Entscheidungen beim Schreiben gemeinsam treffen, ihre For- mulierungen austauschen müssen und auch gemeinsam für die Überarbeitung und Finalisierung ihres Textes verantwortlich zeichnen. Diese gemeinsame Ver- antwortung unter der Bedingung von Co-Präsenz erzeugt die Notwendigkeit, sich zu verständigen – ggf. auch darüber, wer in der Gruppe welche Aufgaben oder Rollen übernimmt (Schindler, 2004). In Konversationellen Schreibinteraktionen werden

Konversationelle Schreibinteraktionen – Sprechen, um zu schreiben 25

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Gespräche über das Schreiben, die Organisation und die Umsetzung eines Schreib- prozesses zwingend. In dem sozialen Setting eines Gesprächs werden damit Einbli- cke ins Schreibhandeln der Schreiber*innen möglich, die ohne diese Notwendigkeit des Austauschs nicht sichtbar werden (Lehnen, 2000). Denn eine Konversationelle Schreibinteraktion „erzwingt Begründungen und Erklärungen für die eigenen Vor- schläge, die beim individuellen Schreiben kaum zugänglich sind“ (Lehnen 2014, S. 415).

Abb. 1: Zwei Schreibende verfassen einen gemeinsamen Kommentar

Der Schreibprozess wird damit zu einem gemeinsamen Schreibprozess. Wenngleich Konversationelle Schreibinteraktionen ein Fenster in Vorstellungen, Konzepte und Normen von Schreiber*innen öffnen, so zeigen sie zugleich immer auch ihr strate- gisches Handeln: Sie ermöglichen einen Blick darauf, wie Schreiber*innen eigene Vorschläge positionieren und durchsetzen, wie sie (gezielt) Ressourcen nutzen und wie sie ihr Schreibhandeln koordinieren. Konversationelle Schreibinteraktionen füh- ren daher in der Regel auch zu längeren Bearbeitungszeiten.

26 Kirsten Schindler

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2. Beschreibung und Verortung der Methode

Konversationelle Schreibinteraktionen sind eine Form gemeinsamen Schreibens.

Lehnen unterscheidet in ihrem Beitrag verschiedene Verfahren gemeinsamen Schreibens, die sie entsprechend der Achsen „Medialität“ (schriftliche vs. mündliche Situation) und „Verantwortlichkeit für den Text“ (fremder vs. eigener/gemeinsamer Text) kategorisiert (2014, S. 419). Entsprechend stellen Konversationelle Schreibinter- aktionen ein mündliches Aushandeln bei einer Co-Autorenschaft dar. Eine Schreibbera- tung, wie sie in universitären Kontexten etabliert ist, wäre im Gegensatz dazu ein ei- nerseits mündliches Verfahren, das andererseits der Rückmeldung dient (Knorr, 2016 sowie Sennewald & Girgensohn, 2016). Das heißt, dass die Schreibberater*in- nen hier gerade nicht als Autor*innen des Textes fungieren (sollen), sondern dass die Verantwortung für den Text bei den Autor*innen selbst verbleibt. Eine im Me- dium der Schriftlichkeit umgesetzte Co-Autorschaft ließe sich beispielsweise in einer virtuellen (elektronischen) Schreibkonferenz denken (Becker-Mrotzek, 2013). In die- sem Fall schreiben die Autor*innen an einem Text weiter, über den sie sich auch schriftlich austauschen. Letzteres gilt beispielsweise auch für das Schreiben eines gemeinsamen Textes über Ortsgrenzen hinweg (Brinkschulte, 2010).

Schindler und Wolfe gehen bei ihrer Systematisierung kollaborativen Schreibens von vier Typen aus: das gemeinsame Schreiben (joint), bei dem an einem Gesamt- dokument gleichzeitig und in gemeinsamer Verantwortlichkeit gearbeitet wird, das parallele Schreiben (parallel), bei dem mehrere Personen an verschiedenen Teilen ei- nes Textes arbeiten, das zentrale Schreiben (centralized), bei dem eine Person verant- wortlich für den Text ist und andere ihr zuarbeiten, und das sukzessive Schreiben (relay), bei dem der Text weitergegeben wird (2014a).

Konversationelle Schreibinteraktionen lassen sich hier dem ersten Typus zuordnen.

Anders als Lehnen weisen Schindler und Wolfe die Medialität als Unterscheidungs- kriterium nicht eigens aus; gerade bei zerdehnten Kommunikationssituationen über Zeit- und Ortsgrenzen hinweg verweisen sie jedoch auf die Notwendigkeit, Planungs- dokumente anzulegen, um den Gesamtprozess zu steuern (Schindler & Wolfe, 2014a, S. 162).

Die Autor*innen, die sich auf kollaboratives Schreibens in beruflichen Kontexten be- ziehen, gehen davon aus, dass innerhalb eines komplexeren Textproduktionsprozes- ses durchaus von verschiedenen Typen Gebrauch gemacht werden kann. Eine Kolla- boration, die ausschließlich als gemeinsames Schreiben (joint) – also im Sinne Konversationeller Schreibinteraktionen – umgesetzt wird, schätzen sie insbesondere bei räumlicher Distanz als potenziell riskant ein.

„Distributed co-authorship involves unique challenges, particularly in projects involving multiple co-authors. Because writers and stakeholders cannot meet to verbally discuss documents and work out potential conflicts, the progress of collaboration is often slower – and the potential for misunderstandings higher – than when authors are collocated.”

(Schindler & Wolfe, 2014a, S. 166)

Konversationelle Schreibinteraktionen – Sprechen, um zu schreiben 27

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Eine solche Kritik ist aus forschungsmethodischer Perspektive wenig problematisch – im Gegenteil: Die von Schindler und Wolfe beschriebenen Herausforderungen erzwingen geradezu, dass Aushandlungsprozesse in besonderer Weise sichtbar wer- den. In einem Setting der Co-Präsenz finden sie zugleich den Raum, sie unmittelbar und ggf. auch konstruktiv zu bearbeiten. Schindler und Wolfes Hinweise erklären aber die geringe Popularität Konversationeller Schreibinteraktionen in professionel- len Schreibkontexten. Das in dieser Form praktizierte gemeinsame Schreiben ist zeit- und arbeitsaufwändig und prinzipiell gesichtsbedrohend (2014a, 166).

Konversationelle Schreibinteraktionen wurden erstmalig im Kontext der Bielefelder Forschungsgruppe um die Gesprächsforscher*innen Ulrich Dausendschön-Gay, Elisabeth Gülich und Ulrich Krafft benannt, eingeführt und diskutiert (vgl. beispiels- weise Dausendschön-Gay & Krafft, 1996) und lassen sich im Paradigma ethnome- thodologischer Konversationsanalyse verorten (Bergmann, 1981). Aus konversations- analytischer Sicht stehen die Vorgehensweisen (Methoden) der Beteiligten im Fokus.

Dabei wird davon ausgegangen, dass es keine vorab festgelegten Verfahren gibt, son- dern die Beteiligten selbst bestimmte Aspekte im Gespräch als relevant setzen und eigene Deutungsmuster entwickeln; die Wirklichkeit wird als Vollzugswirklichkeit be- griffen. Das Interesse der Forscher*innen richtet sich zunächst weniger auf die Schreibprozesse, die mit Konversationellen Schreibinteraktionen beobachtbar wer- den, als vielmehr auf die Aushandlungsprozesse (Gespräche) zwischen den Beteilig- ten bei der Bearbeitung einer spezifischen Aufgabe – beispielsweise unter der Frage- stellung, wie Expertenschaft (hier: in der Fremdsprache Französisch) verhandelt und bedeutsam wird (Dausendschön-Gay, Gülich & Krafft, 1995).

Obgleich Fragen der Gesprächsorganisation relevant bleiben, zeigt die systematische Erhebung solcher Konversationellen Schreibinteraktionen doch zugleich, dass hier insbesondere den Fragen zum Formulieren beim Schreiben nachgegangen werden kann (Lehnen & Gülich, 1997). Lehnen geht in ihrer Einschätzung sogar so weit an- zuerkennen, dass damit [gemeint sind Konversationelle Schreibinteraktionen] erst die Grundlagen einer linguistischen Formulierungstheorie geschaffen werden (Leh- nen, 2014).

Wenngleich die Ansprüche an die Methode damit vergleichsweise elaboriert erschei- nen, ist die Umsetzung für die Schreiber*innen doch wenig befremdlich, da sie hier etwas tun, was für sie ohnehin vertraut ist: Sie führen ein Gespräch.

3. Beispiel einer Konversationellen Schreibinteraktion

Zwei Schreiber*innen (S1 und S2), Student*innen des Lehramtes, sind aufgefordert, einen Kommentar zum Text einer Schülerin zu schreiben. Der hier transkribierte Ausschnitt setzt an der Stelle an, an der die beiden darüber diskutieren, wie sie die Rückmeldung am besten formulieren wollen. Ihnen geht es darum auszudrücken, dass die Schülerin bereits eine ganze Reihe von zuvor im Unterricht erarbeiteten

28 Kirsten Schindler

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Kriterien in ihrem Text umgesetzt hat. In dem Ausschnitt verhandeln sie verschie- dene Formulierungsalternativen, die ihre Einschätzung transparent machen sollen (hier fett markiert).

Das Transkript, das sich weitgehend an den Vorgaben des Gesprächsanalytischen Transkriptionssystems (GAT) orientiert (Selting et al., 2009), ist Zeile für Zeile zu le- sen. Die Zeilen aber, die unterbrochen und durch eckige Klammern markiert sind, dienen dazu, das gleichzeitige Sprechen darzustellen.

01 S1: du hast die

02 S2: die merkmale [die] wir erarbeitet hatten 03 S1: [genau] <<schreibend> du hast die (4s) 04 merkmale (3s)>

05 S2: für für de einen [ereignisbericht (unverständlich) 2s]

06 S1: [<<schreibend> für einen ereignisbericht>]

07 S2: oder eines ereignisberichts eher, ne?

08 S1: <<vorlesend> hast die merkmale eines> (9s) ähm 09 S2: gut berücksichtigt [oder so was?]

10 S1: [schön heraus gearbeitet]

11 S2: berücksichtigt oder so was? nee also 12 S1: oder berücksichtigt berücksichtigt

13 S1: doch das passt ja (unverständl., 2s) berücksichtigt oder schön? nee 14 S2: größtenteils?

15 S1: größtenteils sie hat es ja nicht I äh

16 S2: das hört sich schon aber ein bisschen blöd an eigentlich I also da 17 wär ich ein bisschen traurig

18 S1: das stimmt (lacht) I größtenteils ja super I ähm weitestgehend 19 vielleicht

20 S2: vielleicht macht sie sich auch nicht so viele gedanken darüber 21 K: S1 und S2 lachen

Erkennbar an dem Beispiel (ausführlich in: Fischbach, Schindler & Teichmann, 2016) ist zum einen, dass die Schreiber*innen durchaus um eine angemessene For- mulierung ringen, zum anderen, welche Techniken sie verwenden, um Formulie- rungen auf ihre Gelungenheit zu prüfen. Für Letzteres nutzen sie u. a. die Wiederho- lung einzelner Wörter und größerer Satzfragmente, die damit einer lautlichen Prüfung unterzogen werden (Zeile 12–13 „berücksichtigt berücksichtigt doch das passt“). Erkennbar wird aber auch, dass der Hinweis auf den Adressaten als Ent- scheidungsgrund eingeführt wird und die weitere Aushandlung bestimmt. S2 nimmt dazu auch grammatisch (1. Person Sg.) die Rolle der Schülerin ein (Zeile 16

„da wär ich ein bisschen traurig“). Konversationelle Schreibinteraktionen scheinen den Perspektivwechsel, also die Übernahme der Leser*innenperspektive, in beson- derer Weise zu unterstützen (vgl. auch Lehnen, 2014). Denn durch die Situation,

Konversationelle Schreibinteraktionen – Sprechen, um zu schreiben 29

Referenzen

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