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VI.Deutschland und internationale Rahmenbedingungen3. Überblick / DiskussionThemaDeutsche Sicherheitsinteressen in Afrika

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VI.3.

Die Bundeswehr vor neuen Herausforderungen

A

Ergänzungslieferung 06/05

VI. Deutschland und

internationale Rahmenbedingungen 3. Überblick / Diskussion

Thema

Deutsche Sicherheitsinteressen in Afrika

Verteidigt wird die Sicherheit der Bundesrepu- blik nicht nur am Hindukusch. Auch in der süd- serbischen Provinz Kosovo sind rund 2600 deut- sche KFOR-Soldaten im Einsatz. Im Sudan unterstützen deutsche Streitkräfte die Mission der Afrikanischen Union (AMIS) mit Lufttrans- porten. Lang ist die Liste der Friedensmissionen, an denen sich die Bundeswehr beteiligt hat. Beim Engagement Deutschlands fürs internationale, zivil-militärische Krisenmanagement verweisen Politiker unterschiedlicher Provenienz auf das so genannte „nationale Interesse“.

Schon der Begriff des „Interesses“ ist ständiger Zankapfel in den Theorien Internationaler Beziehungen. Handelt es sich bei „Interessen“

um exogen bestimmte, statische Präferenzen, die von zweckrational handelnden Akteuren auf der Grundlage von Kosten-Nutzen-Kalkülen ver- folgt werden? Oder sind „Interessen“ endogen bestimmte, veränderbare Präferenzen von wert- und normgeleiteten Akteuren auf der Grundlage sozial vermittelter, historisch geprägter Erfah- rungen? Schließlich ergeben sich die „Interes- sen“ von Staaten einer dritten Denkschule zufol- ge aus innenpolitischen und innergesellschaftli- chen Konsenbildungsprozessen.

Dass solche theoretischen Auseinandersetzungen von erheblicher realpolitischer Relevanz sind, ist beim Blick auf die Bundesrepublik augenschein- lich. Fristete die Formulierung nationaler Inter- essen in ihrer sicherheitspolitischen Diskussion doch lange Zeit ein Schattendasein (siehe Reader Sicherheitspolitik 3/2005). Zurückführen lässt sich dieser Befund auf zwei Entwicklungen: Zum einen auf die unstete und expansive deutsche Interessenpolitik während des wilheminischen

Kaiserreichs und den Anfangsjahren der Wei- marer Republik sowie zum anderen auf die men- schenverachtende und verhängnisvolle Erobe- rungspolitik Nazi-Deutschlands in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Galt die Verfolgung eigener wirtschaftlicher, sicherheits- und machtpoliti- scher Ziele für viele europäische Nationen als legitimes Ansinnen, war dies für die bundesrepu- blikanische Gesellschaft nicht angemessen – so die im In- und Ausland gleichermaßen vorherr- schende Ansicht. Vermehrte Aufmerksamkeit wurde der Formulierung und Durchsetzung deutscher Interessen in Politik und Wissenschaft seit Mitte der 1990er Jahre zuteil.

Mit dem Amtsantritt von Bundeskanzler Schrö- der 1998 hat die politische Führung des Landes mehrfach für ein „aufgeklärtes (deutsches) Eige- ninteresse“ geworben, das auch deshalb nicht schädlich sei, weil dessen Formulierung von den europäischen Nachbarn erwartet werde.

Was verbirgt sich hinter dieser Formel bezogen auf den afrikanischen Kontinent? Als „Chaos- Kontinent“ gilt Afrika spätestens seit den Ereig- nissen der 90er Jahre, den Kriegen in Algerien, Ruanda, Liberia, Somalia und dem ehemaligen Zaire. Armut, Hunger, Seuchen und vor allem Kriege bestimmen das Bild des Kontinents in der deutschen Öffentlichkeit. Schlagzeilenträchtig ist derzeit die dramatische Sicherheitslage in der sudanesischen Region Darfur. Unterbelichtet bleibt dabei die Frage, welche Sicherheitsinteres- sen eigentlich Deutschland in und an Afrika hat.

Für erhellende Erkenntnisse sorgt Sven Grimm im folgenden Beitrag.

Editorial von Cornelia Frank

(2)

Sven Grimm

Deutsche Sicherheits- interessen in Afrika

Eine Analyse

VI.3. A

Arena statt Adressat:

Afrikas historische Rolle in der deut- schen Außenpolitik

Deutsches Engagement in Afrika nach dem Zweiten Weltkrieg stand in erster Linie unter dem Stern des Ost-West-Konflikts und seiner besonderen inner- deutschen Dimension. In den frühen Jahren west- und ostdeutscher Außenpolitik rivalisierten beide Teilstaaten um die Anerkennung ihres jeweiligen Alleinvertretungsanspruches für Gesamt-Deutsch- land. Diplomatische Beziehungen zu Partnerlän- dern wurden daher in der Regel nur dann aufge- nommen, wenn der jeweils andere Teilstaat nicht anerkannt wurde. Die Anerkennung der „Gegensei- te“ wurde als unfreundlicher Akt verstanden und sanktioniert. Dies führte bis zum Abbruch diploma- tischer Beziehungen im Falle Jugoslawiens, Sansi- bars und anderer Staa-

ten. Die Staaten Afrikas wurden in den 1960er Jahren unabhängig und

knüpften neue diplomatische Beziehungen. Sie waren daher eine Hauptarena der innerdeutschen politischen Auseinandersetzungen, weniger ein Interessengebiet (begrenzter) deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Die deutsch-deutsche Rivalität war sicherlich auch ein Hauptmotiv der Reise des damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke in mehrere Staaten Afrikas – weitere Kontakte über den Staatsbesuch hinaus blieben spärlich. Für West- deutschland galt die außenpolitische Hallstein-Dok- trin, benannt nach ihrem Autoren, dem Staatsse- kretär im Auswärtigen Amt Walter Hallstein, mehr oder weniger strikt bis Mitte der 1960er Jahre.3) Afrika war erkennbar kein Schwerpunktgebiet deut- scher Außenpolitik; es blieb nach der Aufgabe der zunehmend unpraktikablen Hallstein-Doktrin de facto eine Nische vorwiegend für Aktivitäten des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das mangelnde Interesse an Afri- ka zeigte sich zum einen im langjährigen Fehlen strategischer Planung für Afrika seitens des Aus- wärtigen Amtes. Zudem reduzierte Deutschland seit 1990 auch seine diplomatische Präsenz in Afrika.

Durch die Wiedereröffnung einiger Vertretungen (Niger, Tschad) sowie der Erarbeitung von Regio- nalkonzepten seit 2000 für fünf afrikanische Regio- nen hat sich diese Tendenz in den letzten Jahren zugunsten Afrikas wieder verändert.4)

Realistische Sicherheitsinteressen:

Wirtschaftskontakte und Rohstoffver- sorgung?

Die theoretische Schule der „Realisten“ geht davon aus, dass Staaten auf sich selbst bezogene Akteure in einer anarchischen Welt sind. Vordringlichstes Interesse von Staaten ist der territoriale Selbsterhalt, in der neo-realistischen Variante erweitert um Inter- essen des wirtschaftlichen Wohlstands der Bevölke- Afrika erscheint trotz seiner geografischen Nähe zu

Europa in deutscher Wahrnehmung oft als ein fer- ner, durchgehend krisenerschütterter Kontinent.

Häufig war unser Nachbarkontinent eher Projekti- onsfläche deutscher Wahrnehmung denn Gegen- stand der außen- oder gar sicherheitspolitischen Diskussion.1)Einerseits werden Afrikas Probleme von Entscheidungsträgern als zu unbedeutend für Deutschland gesehen. Die Vernachlässigung des Kontinents wird von entwicklungspolitischen Nicht-Regierungsorganisationen entsprechend häufig beklagt. Andererseits werden die Herausfor- derungen unseres Nachbarkontinents als zu groß für die Möglichkeiten eines deutschen Engage- ments gesehen. Afrikas interne Dynamik und Viel- falt wird kaum wahrgenommen. Die distanzierte Wahrnehmung könnte durchaus damit begründet sein, dass es tatsächlich kaum „realpolitische“ deut- sche Interessen in Subsahara-Afrika gibt. Eine Ver- engung auf reine Eigeninteresse greift jedoch zu kurz. Die politische Lage ist in vielen Regionen aus deutscher Perspektive heute unübersichtlicher als sie zu Zeiten der Blockpolitik erschien. Mit der deutschen Einheit ist die Bundesrepublik Deutsch- land auch völkerrechtlich ein außenpolitisch sou- veräner Staat geworden, der sich zudem um einen ständigen Sitz im VN-Weltsicherheitsrat bemüht.

Nicht zuletzt veränderte Rahmenbedingungen deutscher Außen- und Sicherheitspolitik seit dem Ende der Systemkonfrontation zwischen Ost und West machen eine Annäherung an Sicherheitsin- teressen gegenüber unserem Nachbarkontinent unter erweiterten Vorzeichen notwendig, wie sie auch in den verteidigungspolitischen Richtilinien von Mai 2003 erfasst werden.2)Welche Auswirkun- gen haben diese Entwicklungen auf die Interessen Deutschlands in und an Afrika?

Einführung

Hauptarena

(3)

chen Rinnsal: Importe Deutschlands aus Afrika san- ken von ehemals neun Prozent (1950) auf zwei Pro- zent, inklusive Nordafrika.7)Ein deutsches Engage- ment wird daher nicht vornehmlich von Handelsin- teressen motiviert sein.

rung. Nimmt man militärisches (Droh-)Potential und Wirtschaftskontakte als Maß für staatliche Interessen an einer Region, ist Afrika für die Bun- desrepublik in der Tat vernachlässigbar: Allein Südafrika ist ein Waffenproduzent in der Region und kein Staat in Afrika verfügt über das Potential einer konventionellen, chemischen oder gar atoma- ren miliärischen Bedrohung Europas.5)

Auch das ökonomische Engagement Deutschlands – und damit Eigeninteresse am Schutz von Absatz- märkten und Investionen – ist marginal. Das Brutto- sozialprodukt des gesamten Kontinents mit vermut- lich nahezu 700 Millionen Einwohnern ist ver- gleichbar mit dem Belgiens (10 Millionen Einwoh- ner). Der Anteil Afrikas im deutschen Außenhandel und in den Auslandsinvestionen liegt seit Jahren deutlich unter zwei Pro- zent. Das Wachstums- potenzial mag auf lange Sicht gegeben sein, mit- telfristig wird Afrika südlich der Sahara als Ganzes gesehen für weite Teile des deutschen Außenhan- dels jedoch unbedeutend bleiben. Schaut man sich Handelsinteressen näher an, konzentriert sich das ohnehin schon marginale Interesse vornehmlich auf zwei Staaten: Südafrika vereint gut die Hälfte des deutschen Handelsvolumens und der Auslandsinve- stitionen in Afrika auf sich, Nigeria ein weiteres Drittel.6)Aber auch die entgegengesetzte Richtung der Handelsströme gleicht eher einem wirtschaftli-

Einwohner von Mombasa (Kenia) passieren im Dezem- ber 2002 einen deutschen Wachsoldaten. Dort sind rund

140 deutsche Marineflieger stationiert. Sie sind im Rahmen des internationalen Anti-Terror-Kampfes vor Ort.

VI.3. A

Foto: picture alliance/dpa

Wachstumspotenzial

Anti-Terror-Kampf

1) Uschi Eid und Helmut Asche (2003): Deutsche Interessen und Pflich- ten in Afrika, www.epo.de/specials/afrikapolitik/eid_asche.html.

2) Verteidigungspolitische Richtlinien (VPR) des BMVg vom 21. Mai 2003, vgl. Jochen Steinhilber (2003): Sicherheit und Global Governance, FES Kurzberichte aus der internationa- len Entwicklungszusammenarbeit. August 2003.

3) Vgl. Ulf Engel (2000): Die Afrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland 1949-1999. Eine sehr frühe Inkonsistenz der Hall- stein-Doktrin zeigte sich gegenüber der Sowjetunion. Die UdS- SR war Siegermacht des Zweiten Weltkriegs mit Verantwortung für Deutschland als Ganzes und hatte noch bis Mitte der 1950er Jahre eine große Anzahl von deutschen Kriegsgefangenen. Eine Beziehungsaufnahme mit der Sowjetunion war für Westdeutsch- land von übergeordnetem Interesse.

4) Andreas Mehler (2004): Die neue deutsche Afrikapolitik, in: Mir Ferdowsi: Afrika - ein verlorener Kontinent? Zur Konzeption sie- he auch Grimm (2003): Die Afrikapolitik der Europäischen Union.

5) Das Know-how zur Nuklearwaffenproduktion wurde in Südafrika während des Apartheid-Regimes offenbar erarbeitet. Mit dem Ende des sicherheitspolitisch paranoiden Regimes wurde das Atomwaffen- programm jedoch eingestellt. Im Falle atomarer, biologischer und che- mischer Waffen machte im letzten Jahr auch Libyen eine Kehrtwende und stimmte einer Abrüstung und internationalen Kontrollen zu.

6) Stephan Klingebiel/ Stefan Mair/ Andreas Mehler (2003): Deut- sche Afrikapolitik, Arbeitspapier der Stiftung Wissenschaft und Politik Nr. 8, April 2003. Vgl. insbesondere den Beitrag von Mair.

7) Vgl. Andreas Mehler (2004): Die neue deutsche Afrikapolitik, in: Mir Ferdowsi: Afrika - ein verlorener Kontinent. Siehe auch Grimm (2003): Die Afrikapolitik der Europäischen Union.

(4)

VI.3. A

Geringes Handelsvolumen muss allerdings nicht unmittelbar geringes Interesse bedeuten, wenn es sich bei Handelsgütern oder Rohstoffen um strategisch bedeutende oder Monopolgüter handelt. In Afrika befindet sich eine größere Anzahl von Erdöl produ- zierender Staaten (nicht zuletzt Nigeria, aber bespielsweise auch Angola, Gabun, Äquatorialafri- ka), was Afrika beispielsweise in der amerikanischen Sicherheitsdiskussion in den letzten Jahren aufge- wertet hat. Andere Staaten haben reichhaltige Vor- kommen an Diamanten (zum Beispiel Botswana, Kongo, Angola, Sierra Leone). Und im Zusam- menhang mit dem Kon- gokrieg wurde häufiger auf die konfliktfördernden Auswirkungen des Col- tan-Abbaus im Grenzgebiet zu Ruanda hingewiesen, welche für die Kommunikationsindustrie bedeutsam sind.8)Eine größere Zahl afrikanischer Staaten ist also reich an Rohstoffen. Kein afrikanischer Staat verfügt jedoch in einem wesentlichen Gut über ein Monopol oder eine weltmarktbeherrschende Stellung. Histo- risch bedeutsame Rohstoffe können inzwischen aus anderen Ausgangsstoffen oder synthetisch hergestellt werden, beispielsweise Kautschuk. Ein Großteil ehe- mals vornehmlich afrikanischer tropischer Rohstoffe und Agrarprodukte (etwa Kakao, Kaffee) werden zudem inzwischen in anderen Weltregionen angebaut und mit häufig größerem kommerziellen Erfolg ver- marktet. Zunehmende Verringerung von Transport- kosten haben auch ohne strategische Notwendigkeit weiter von Europa entfernt liegende Rohstoffprodu- zenten deutlich attraktiver werden lassen. Geografi- sche Nähe ist zu Zeiten ökonomischer Globalisierung kein ausschlaggebendes Kriterium mehr, wenn die internen Gegebenheiten (mangelhafte Infrastruktur, schlechte Regierungsführung) keine weltmarktadä- quaten Bedingungen erlauben.9)Das mögliche Ver- siegen von Rohstoffquellen aufgrund von Konfliktsi- tationen könnte daher ohne große Zusatzkosten anderweitig ausgeglichen werden.

Globalisierung und Eigeninteressen Globalisierung hat neben den ökonomischen Aspek- ten auch weitere politische Konsequenzen mit sicher- heitspolitischen Auswirkungen. Wie im Zusammen- hang mit dem 11. September 2001 mehrfach betont wurde, bilden zerfallene oder zerfallende Staaten den Nährboden für organisierte Kriminalität (unter ande- rem Drogen- und Menschenhandel), aber auch ideale Rückzugsgebiete für terroristische Organisationen.

Engere globale Vernetzung der Telekommunikation ist ein weltanschaulich neutrales Faktum; es kann zum Nutzen großer Gruppen genutzt werden, aber eben auch zu deren Schaden. Die Argumentation ist durchaus entsprechend der „realistischen“ Annah- men von Eigeninteressen, die in der Globalisierung leichter Außeneinflüssen ausgesetzt sind.

In einer erweiterten Sicherheitsperspektive lassen sich jedoch Elemente (aufgeklärten) Eigeninteresses

an größerem Engagement identifizieren, die über strikte Überlebens- oder Wohlfahrtseigeninteressen hinausgehen. Der Konsens für deutsche Außenpolitik – und für EU Handeln – entspricht nahezu idealty- pisch dem Konzept einer „Zivilmacht“10). Dies bedeu- tet, dass Werte zu den nach außen vertretenen Inter- essen des Landes gehören – im Falle der Bundesrepu- blik: Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlich- keit sowie soziale Marktwirtschaft. Einbezogen in diesen Wertekanon sind Elemente politischer und sozialer Gerechtigkeit sowie des friedlichen Interes- senausgleiches. Die staatliche Sicherheit Deutsch- lands und anderer wohlhabender Staaten „des Nor- dens“ hängt zunehmend nicht allein von der Sicher- heit der Außengrenzen ab. Menschliche Misere und Ungerechtigkeit, denen funktionsunfähige Staaten nicht wirksam entgegenwirken können, sind ein Nährboden für Terrorismus, wie auch die Europäi- sche Sicherheitsstrategie zur Recht feststellt. Sie sind auch eine Ursache für starke Migrationsströme, die die Nachbarstaaten und -regionen destabilisieren kön- nen und mittelbare Rückwirkungen auch auf europäi- sche Staaten haben. In der Terminologie europäischer Sicherheitsdiskussionen geht es vor allem um die

„root causes“, die Konfliktursachen. Die auch vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenar- beit und Entwicklung (BMZ) geführte Diskussion um

„menschliche Sicherheit“ versucht eine Konzeption für erweiterte Sicherheit zu entwickeln, die über die Sicherung von Grenzen hinaus geht. Deutsche Sicher- heitsinteressen sind – auch ohne willentliches deut- sches Zutun – globaler geworden.

Die Europäische Sicherheitsstrategie von Dezember 2003 identifiziert folgerichtig Armut als eine zentra- le Herausforderung für die Welt.11)Armut ist sicher- lich keine alleinige Erklärung für Terrorismus, und es sind nicht die Ärm-

sten der Armen, die zum Terrorismus als Waffe greifen. Armut ist

jedoch mehr als ein Mangel an Geld oder Gütern; sie erzeugt das Gefühl der Perspektivlosigkeit. Insbe- sondere ein als ungerecht empfundenes krasses Wohlstandsgefälle und die Diskriminierung ethni- scher, religiöser oder anderer sozialer Gruppen lösen Frustrationen aus. In einer Situation empfundener Ausweglosigkeit steigt die Bereitschaft von Indivi- duen und Gruppen zum Griff zur Gewalt. Wenn die- se Frustration von Extremisten genährt wird, die über Kapital und Mittel für spektakuläre Gewaltta- ten verfügen, ergibt sich eine explosive Mischung.

Und es sind keinesfalls nur die Gesellschaften betroffen, in denen Ungerechtigkeit erlebt wird. Zu beobachten ist eine alleinige Zuschreibung von Ver- antwortung für Nöte und Kriege an externe Akteure.

Dies kann unter anderem auch unter den Kriegspar- teien im Gebiet der Großen Seen in Zentralafrika beobachtet werden.12) Die Interpretationsversuche lokaler Akteure überschätzen zwar häufig die strate- gische Bedeutung Afrikas für europäische Staaten und verharren in kolonialen oder post-kolonialen Rohstoffe

Armut

(5)

VI.3. A

Betrachtungsweisen. Die so gelieferten scheinbaren Erklärungen von Staatszerfall, Gesetzlosigkeit und Elend weiter Teile der Bevölkerung sind in ihrer simplen Kausalität zurückzuweisen, wie dies bei- spielsweise Bundespräsident Horst Köhler auf sei- ner Afrikareise im Dezember 2004 mehrfach öffent- lich getan hat. Populäre Verschwörungsszenarien stellen aber eine sehr reale Gefahr von extremistisch oder auch rassistisch motivierten Gewalttaten dar, wie sowohl in Simbabwe als auch unlängst in der Elfenbeinküste zu beobachten war.

Konfliktprävention ist in Subsahara-Afrika wie auch in anderen vermeintlich fernen Weltregionen nicht nur aus humanitären Beweggründen zu for- dern. Sie muss, um wirksam zu sein, sehr früh anset- zen, nicht erst als Konfliktmanagement. Sind Staa- ten erst „gescheitert“, verfügen also über keine effektive Zentralmacht, sind sie leicht Rückzugsge- biete auch für internationale kriminelle und terrori- stische Gruppen. Global kann man zwischen 20 und 30 Staaten als vom Staatszerfall stark bedroht, scheiternd, oder als gescheiterte Staaten bezeich- nen.13)Spätes Eingreifen der denunzierten externen Akteure – erst auf einer hohen Eskalationsstufe – wirkt eher wie eine selbsterfüllende Prophe- zeiung. Es trägt dazu bei, die Interpretationsmuster (oder besser: Propaganda) von den imperialisti- schen Europäern zu verstärken. Einige Akteure im südlichen Afrika in unmittelbarer Nachbarschaft zu Simbabwe geben hinter vorgehaltener Hand Gründe für ihre Zurückhaltung gegenüber Simbabwes Regierungschef Mugabe an, die beunruhigen soll- ten: Zu starker Druck auf das simbabwische Regime könnte die Gefahr einer rassistischen Eskalation in der Region herauf beschwören, so die Argumentati- on. Der Leiter des Hamburger Instituts für Afrika- Kunde, Andreas Mehler, verweist allerdings zu Recht darauf, dass „die problematischen Partner nicht verschwinden, wenn man sie ignoriert“.14) Deutsche Verantwortung in Afrika Deutsche Kolonialgeschichte ist im öffentlichen Bewusstsein – und daher auch in der Diskussion – kaum noch vorhanden. Sie ist als Motivation für bila- terales Engagement zudem von zweifelhafter Qua- lität. Einzig für Namibia kann von einer erkennbaren kolonialgeschichtlichen Motivation für deutsches Engagement gesprochen werden.Dort lassen sich auch am augenfälligsten Spuren der deutschen Kolo- nialvergangenheit finden, auch im historischen Bewusstsein der dortigen Bevölkerung, die unter dem Kolonialregime zu leiden hatte. Historische Verantwortung ist etwas anderes als die Kultivierung von „Einflusszonen“ in ehemaligen Kolonien. Eine

„Heia Safari“- Nostalgie wäre insbesondere in Nami- bia fehl am Platze. Die deutsche Entwicklungshil- feministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul bat im August 2004 bei ihrem Besuch in der ehemaligen

Kolonie zum 100. Jahrestag der blutigen Nieder- schlagung des Herero-Aufstandes um Vergebung.15) Die Bundesrepublik ist vor allem aufgrund der histo- rischen Verbindung mit Namibia größter Geber von Entwicklungshilfe an das südwestafrikanische Land seit dessen Unabhängigkeit im Jahre 1990.16) Die humanitäre Notlage in Somalia führte Anfang der 1990er Jahre zu einem der ersten deutschen „out of area“ Einsätze der Bundeswehr Dies ist vor allem auch im Licht der damaligen Diskussion um eine

„neue Weltordnung“

nach dem Kalten Krieg zu sehen. Der Erfolg blieb jedoch fragwür-

dig, vor allem da die Vereinten Nationen kein trag- bares politisches Konzept für den staatlichen Wie- deraufbau nach der Intervention hatten. Die wenig überzeugende Bilanz in Somalia war sicherlich einer der Gründe für die Untätigkeit der Staatenge- meinschaft angesichts des Völkermordes in Ruanda 1994. Auch bei der Behandlung des Konfliktes in Dafur/Sudan zeigte die Staatengemeinschaft lange eine weitgehende Hilflosigkeit. Erst seit einigen Wochen setzt die Hilfe der VN ein. Die Afrikani- sche Union, die mit AMIS eine VN-mandatierte Konfliktprävention

Hilflosigkeit

8) So beispielsweise auch im Papier von Uschi Eid und Helmut Asche. Uschi Eid ist Staatssekretärin im BMZ und Afrikabeauftragte des Bundeskanz- lers; Helmut Asche ist Ökonom der GTZ für Subsahara-Afrika. Zum Kon- gokonflikt siehe auch Afrika-Jahrbuch des Instituts für Afrika-Kunde (div.

Jahrgänge), Hamburg, Länderbeitrag DR Kongo von Denis Tull.

9) Vgl. Grimm (2003): Die Afrikapolitik der Europäischen Union, Hamburg, insbesondere S. 88ff.

10) Siehe Knut Kirste/ Hanns Maull (1996): Zivilmacht und Rollen- theorie, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen 3 (2), S.

283-312. Beide Autoren beziehen sich auf Dieter Senghaas’

„zivilisatorisches Hexagon“, das sechs Eckpunkte einer zivilen Orientierung beschreibt, u.a. auch Eindämmung unilateraler Gewaltanwendung, die Etablierung internationaler Regeln und die Förderung sozialer Gerechtigkeit. Die Verbindung zur EU habe ich an anderer Stelle aufgezeigt; vgl. Grimm (2002): Euro- pean Union’s policy-making towards Africa: Playing twister abroad?, in: Nord-Süd aktuell Heft 4/2002, S. 589-604.

11) „Ein sicheres Europa in einer besseren Welt“:

http://ue.eu.int/uedocs/cmsUpload/031208ESSIIDE.pdf 12) Vgl. den Beitrag von Stefan Mair im Reader Sicherheitspolitik

III.1., S. 105-112 von Dezember 2003.

13) Vgl. Dirk Messner/Jörg Faust (2004): Development Policy - a Core Element of European Security Policy. Briefing Paper des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik 3/2003.

14) Vgl. den Beitrag von Andreas Mehler in: Stephan Klingebiel/ Ste- fan Mair/ Andreas Mehler (2003): Deutsche Afrikapolitik, Arbeits- papier der Stiftung Wissenschaft und Politik Nr. 8, April 2003.

15) Bei einem „Vergeltungsfeldzug“ gegen aufständische Herero und deren Familien kamen zwischen 1904 und 1907 geschätzt rund 80 % der damaligen Hererobevölkerung ums Leben. Das Originalzitat von BM Wieczorek-Zeul lautet: „Wir Deutschen bekennen uns zu unserer historisch-politischen, moralisch-ethischen Verantwortung und zu der Schuld, die Deutsche damals auf sich geladen haben. Ich bitte Sie im Sinne des gemeinsamen „Vater unser“ um Vergebung unserer Schuld.“

16) Namibia – damals Deutsch-Südwestafrikawurde nach dem Ende des Ersten Weltkrieges südafrikanischer Verwaltung unterstellt. Die UN Generalversammlung beendete 1966 das bereits vom Völkerbund übertragene Mandat, bestätigt 1971 durch das Urteil des UN Gerichts- hofes. Seither galt das nun Namibia genannte ehemalige Südwestafri- ka als von Südafrika besetzt. Namibias Unabhängigkeit fiel mit der deutschen Einheit zusammen, so dass das vereinte Deutschland dort gemeinsam historsche Verantwortung übernehmen konnte.

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VI.3. A

CRO/PSO durchführt – maßgeblich finanziert und logistisch unterstützt durch EU, EU-Mitgliedstaa- ten, USA, CAN, AUS – und zukünftig NATO) will versuchen, den Konflikt beizulegen. Offenbar bestanden nach dem Kalten Krieg keine politischen Konzepte für eine Neubestimmung des Verhältnis- ses zu Afrika. Ein Eingreifen externer Akteure kann in bestimmten Problemlagen – und mit internationa- lem Mandat – notwendig sein.17)Gewarnt werden sollte jedoch vor humanitär motiviertem militäri- schen Aktionismus. Isolierte (militärische) Aktio- nen einzelner Staaten übersteigen in der Regel deren Möglichkeiten. Selbst die USA als militärische Supermacht stoßen hier an ihre Grenzen, umso mehr muss dies für die Bundesrepublik Deutschland gelten.

Multilateralismus und europäische Inte- gration als zentrale deutsche Interessen Als Mittelmacht mit begrenzten Ressourcen aber bedeutsamen (Handels-)Verflechtungen mit Partnern in vielen Weltregionen muss das deutsche Engage- ment multilateral eingebunden sein, um internationa- le Glaubwürdigkeit zu erlangen. Multilateralismus und europäische Integration stellen übergeordnete Interessen Deutschlands dar. Multilaterales Engage- ment bedeutet jedoch auch, dass das Handeln nicht in allen Fällen allein auf Eigeninteressen im strikten Sinne der Theorieschule der „Realisten“ beruht.

Vielmehr muss in der Regel aus prinzipiellen Grün- den der internationalen Glaubwürdigkeit auf externe Krisen reagiert werden bzw. sind diese im Idealfall im Vorwege einzudämmen. Deutschland kann sich daher selbst bei geringen unmittelbaren Interessen nicht leisten, Probleme des Nachbarkontinents zu ignorieren. Umso mehr als es sich bemüht, auf der Weltebene einer größere Rolle zu spielen und einen ständigen Sitz im VN-Sicherheitsrat anstrebt. Eine angemessene Rolle in den VN setzt voraus, dass man konzeptionelle Beiträge zur Lösung von Weltproble- men leisten kann, die auf Analysen der Situation und Abwägung eigener Interessen beruhen. Afrika ist hierbei sicherlich recht hoch auf der internationalen Sicherheitsagenda anzusiedeln. Sieben von derzeit 16 VN-Peacekeeping Missionen sind in Subsahara- Afrika aktiv, was zunehmend Ressourcenprobleme entstehen lässt.18)

Einzelne europäische Akteure haben ein vergleichs- weise großes Interesse an Afrika. Dies gilt vor allem für Frankreich und Großbritannien, punktuell auch Belgien und Portugal. Sowohl für Frankreich als auch für Großbritannien schließt Engagement in Afrika gelegentliche Militäraktionen ein. Beim Eingreifen in der ehemaligen westafrikanischen Kolonie Sierra Leone hat die britische Regierung eine Koordination von humanitären, militärischen und entwicklungspo- litischen Aktionen praktiziert. Frankreichs Rolle in Subsahara-Afrika ist zwiespältiger aufgrund noch bestehender enger informeller Verflechtungen mit

afrikanischen Eliten. Frankreichs Eingreifen in Ruan- da (Operation Turquoise) kam spät – nach dem Höhe- punkt des Völkermordes – und wurde vor allem von afrikanischen Akteuren heftig kritisiert: Frankreich wurde vorgeworfen, ehemalige Bündnispartner zu schützen, die sich zum großen Teil Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hatten.19)Und zuletzt drohte die Friedensmission französischer Truppen in der Elfenbeinküste mehrfach abzugleiten in eine Verwicklung in den dortigen Bürgerkrieg.

Beide ehemaligen Kolonialmächte betonen mehr oder weniger emphatisch, sie zögen afrikanische Eigenanstrengungen vor, etwa im Rahmen der 2001 gegründeten Afrikanischen Union (AU) Die Unter- stützung afrikanischer Institutionen ist ganz sicher im Interesse Deutschlands – Multilateralismus geht über europäische Institutionen hinaus. Eigene afrika- nische Strukturen im Rahmen der AU sind jedoch noch nicht einsatzbereit und sind weitgehend auf externe Geber angewiesen20). Nicht zuletzt der Auf- bau einer europäischen Außen- und Sicherheitspoli- tik erfordert daher die Entwicklung kohärenter deut- scher Positionen zu afri-

kanischen Herausforde- rungen. Der afrikanische Kontinent war für die

Europäische Union zweiter Schauplatz für ein gemeinsames militärisches Engagement nach dem Eingreifen in Makedonien. Die Operation „Artemis“

in Ituri/Ostkongo schützte die Bevölkerung und schuf ein sicheres Umfeld, um den Aufbau einer VN- Mission zu erleichtern. Die zeitlich und geografisch klar eingegrenzte Mission ( 1850 Soldaten aus neun Staaten – überwiegend französische Truppen, mit deutscher Beteiligung – in der Provinzhauptstadt Bunia, Juni bis September 2003) kann durchaus als Erfolg gesehen werden. In Kongo zeigte sich, dass ein europäisches Engagement als politisch neutraler gelten kann als das bilaterale Eingreifen einzelner Mitgliedstaaten. Seit der Verabschiedung der Europäischen Sicherheitsstrategie im Dezember 2003 ist „effektiver Multilateralismus“ auf europäischer Ebene ein Ziel der Sicherheitspolitik. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sämtliche Kompetenzen und Ver- antwortung nach Brüssel abgegeben werden können, ohne diese Politik dann kompetent von nationaler Sei- te zu begleiten und beeinflussen zu wollen.21) Herausforderung der politischen Kohärenz gegenüber Afrika

Deutsche Sicherheitsinteressen liegen daher in einer Formulierung von Antworten auf gegenwärtige Pro- bleme gemeinsam mit (vorwiegend europäischen) Partnern. Sicherheitsinteressen sind zudem nicht allein mit militärischen Mitteln zu vertreten. Die Regierungskoalition versteht Entwicklungspolitik in ihrem Koalitionsvertrag seit 1998 als „globale Struk- turpolitik“. Auf der Ebene symbolischer Politik wur- de dieser Tatsache durch die Ernennung der Entwick- lungsministerin als Mitglied im Bundessicherheitsrat VN-Engagement

Herausforderung

(7)

Rechnung getragen. Praktisch muss die Veränderung der internationalen Lage und das erweiterte Sicher- heitsverständnis ein stärkeres Engagement Deutsch- lands in der Entwicklungspolitik bedeuten. Konflikt- prävention und staatliche Aufbauhilfen sind langfri- stige und kostenintensive Vorhaben. Deutschland hat sich folgerichtig gemeinsam mit anderen europäi- schen Partnern 2001 zu stärkerem finanziellen Enga- gement verpflichtet. Die Versprechen bedeuten für die Bundesrepublik eine Aufstockung ihrer Entwick- lungshilfe von gegenwärtig 0.29 Prozent des Brut- toinlandsprodukts auf 0.33 Prozent bis 2006. Die angestrebte Prozentzahl entspricht dem durch- schnittlichen Prozentsatz für Entwicklungshilfe, den die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Jahr 2001 aufgewendet haben. Verglichen mit anderen großen EU-Mitgliedstaaten liegt Deutschland zurück, nicht nur wenn man die Leistungen Dänemarks, Schwedens oder der Niederlande heranzieht (alle um oder über 0,7 Prozent ihres BIP). Auch für die beiden europäischen Sicherheitsratsmitglieder ergeben sich höhere Anteile: Frankreich 0,41 Prozent und Großbri- tannien 0,34 Prozent (in 2003).

Es geht jedoch nicht allein um mehr Geld. In absolu- ten Zahlen ist die Bundesrepublik aufgrund der Größe ihrer Volkswirtschaft noch immer ein bedeu- tendes Geberland. Es fehlt ihr allerdings häufig an international erkennbarem Profil. Bestrebungen zur stärkeren Konzentration der Mittel mögen ange- sichts der internationa- len Herausforderungen paradox wirken, sind jedoch zu begrüßen. Die Abstimmung mit anderen Geberstaaten kann – und sollte – das notwendige Zurückfahren des Engage- ments für bestimmte Regionen auffangen. So wer- den Mittel für ein verstärktes und damit potentiell auch wirkungsvolleres Engagement in anderen Regionen ermöglicht; eine Konzentration der Aufga- ben ist selbst bei einer Erhöhung der Mittel wün- schenswert. In dieser Hinsicht wurde in den letzten Jahren mit der Definition von Schwerpunktpartner- ländern Schritte in die richtige Richtung unternom- men, auch wenn die Zögerlichkeit und die einzelne Auswahl mangels Transparenz der Kriterien kriti- siert wurde. Dem BMZ wird zudem noch immer vor- geworfen, programmatisch ein „Bauchladen“ zu sein und jenseits der geografischen Breite auch inhaltlich zu viele Felder gleichzeitig bearbeiten zu wollen.

Eine Reduzierung der Themenbereiche pro Partner- land wird angestrebt. Notwendig ist jedoch auch eine Hierarchisierung der vielfältigen Themen innerhalb der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.22 ) Darüber hinaus muss die Bundesrepublik ihre Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik stär- ker aufeinander beziehen. Eine bessere Koordinati- on und Kohärenz dieser Politikbereiche ist nicht allein auf europäischer Ebene notwendig – wie häu- fig angemahnt – sondern betrifft auch die deutsche Ebene. Dies heißt in erster Linie eine Koordination zwischen BMZ und Auswärtigem Amt, aber auch

verschiedene andere Ministerien mit direkten Außenbeziehungen. Es geht dabei um eine bessere Abstimmung autonomer Politikfelder in bestimmten Regionen, keinesfalls um eine komplette Neudefini- tion von Entwicklungspolitik unter rein sicherheits- politischen Vorzeichen. Militärische Interventionen kann nicht die erste – und schon gar nicht die einzi- ge – Reaktion auf internationale humanitäre Krisen oder Katastrophen sein. Entwicklungspolitik verfügt über Erfahrungen, die zu nutzen sind. Die Heraus- forderungen sollten jedoch nicht unterschätzt wer- den: Parallel zur Abstimmung untereinander, die national bereits Schwierigkeiten verursacht, ist jedoch wie oben beschrieben auch eine bessere Koordination mit europäischen Partner notwendig.

Es ist also zu fragen, ob wir dafür die richtigen Instru- mente, Strategien und Institutionen haben. Überle- gungen zur Organisation der staatlichen Agenturen in der Entwicklungshilfe Deutschlands müssen daher die Effizienz dieser Organisationen betrachten und es ist zu fragen, obVerwaltungsmehrkosten mit der gegenwärtigen Anzahl an Durchführungsorganisatio- nen verbunden sind. Es gilt zugleich aber auch, die politischen Kosten zu bedenken, das heißt die Nach- vollziehbarkeit der Strukturen für unsere Partner. Von außen klar erkennbare Strukturen sind nötig – sowohl für unsere Partner aus den Entwicklungsländern als auch im europäischen Verbund – wenn bilaterales deutsches Engagement Inhalte auf multilateraler Ebe- ne mit beeinflussen will. Anders wird eine wahr- nehmbare Stimme Deutschlands im europäischen und internationalen Konzert nur schwer erreichbar sein und Engagement droht Stückwerk zu bleiben.

Deutsche Sicherheitsinteressen und Verantwortung in Afrika

Afrika hat in „(neo-)realistischer“ Weltsicht, das heißt aus der Sicht klassischer Eigeninteressen wie militäri-

VI.3. A

Profil

17) Die Diskussion geht gegenwärtig in Richtung einer besonderen Verantwortung zum Schutz der Zivilbevölkerung („responsibili- ty to protect“); vgl. beispielsweise den Bericht der Study Group on Europe’s Security Capabilities „A Human Security Doctrine for Europe“, erstellt im Auftrag Javier Solanas,

www.lse.ac.uk/Depts/global/Human%20Security%20Report%20Full.pdf 18) Mitteilung von Dr. Stephan Klingebiel, DIE, vom 14.01.2005.

19) In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Ruanda bis 1919 deutsches Protektorat war – mit historischen Implikationen auch deutscher Kolonialpolitik.

20) Vgl. African Union (2004): Report of the Chairperson of the Commission on the situation in Darfur, The Sudan, PSC/Pr/2(XVII), Addis Abeba. Diese externe Hilfe wurde u.a.

auch von der Bundesregierung im November 2004 zugesagt; der AU wurden Lufttransportkapazitäten in Ausicht gestellt.

21) Vgl. dazu auch Andreas Mehler (2004): Die neue deutsche Afrika- politik, in: Mir Ferdowsi (Hrsg.), Afrika - ein verlorener Kontinent?

22) Im Oktober 2000 veröffentlichten mehrere deutsche Afrikawissenschaftler ein Memorandum zur Afrikapolitik, in dem sie ein politischeres Engage- ment der Bundesrepublik anmahnten. Das Memorandum hat eine heftige und benötigte Debatte in der Afrikawissenschaft Deutschlands ausgelöst.

Das Papier und Debattenbeiträge sind in einem vom Hamburger Institut für Afrika-Kunde veröffentlichen Band zu finden: Cord Jakobeit/Heribert Weiland (Hrsg.) (2002): Das „Afrika-Memorandum“ und seine Kritiker.

Eine Dokumentation Arbeiten aus dem Institut für Afrika-Kunde.

(8)

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Redaktionsschluss: 28. Juni 2005.

Autor

Dr. Sven Grimm, Jahrgang 1971, ist wissenschaft- licher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Ent- wicklungspolitik (DIE) in Bonn sowie dem Londo- ner Overseas Development Institute (ODI).

Hinweise

www.die-gdi.de www.odi.org.uk

Afrika wird in unserem Land als krisengeschüt- telter Kontinent wahrgenommen. Realpolitische Interessen Deutschlands im Schwarzen Konti- nent werden bisher nur indifferent beschrieben und enden in einer an den humanitären Proble- men orientierten Entwicklungshilfepolitik.

Unter sicherheitspolitischem Aspekt steht die Krisenprävention unter dem Dach der VN im Vordergrund deutscher Außenpolitik. moe

Zusammenfassung Zum Beitrag

Uschi Eid und Helmut Asche (2003): Deutsche Interessen und Pflichten in Afrika. Thesen zu einer Erweiterten Friedens- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland in Afrika.

www.epo.de/specials/afrikapolitik/eid_asche.html Stephan Klingebiel/ Katja Roehder (2004): Das ent- wicklungspolitisch-militärische Verhältnis: Der Beginn einer neuen Allianz? Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Analysen und Stel- lungsnahmen 1/2004. www.die-gdi.de/die_home- page.nsf/FSdpub?OpenFrameset

Stephan Klingebiel/ Stefan Mair/ Andreas Mehler (2003): Deutsche Afrikapolitik – Prämissen, Kon- zepte und Instrumente, Arbeitspapier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) www.swp-ber- lin.org/common/get_document.php?id=882 Andreas Mehler (2004): Die neue deutsche Afrika- politik, in: Mir Ferdowsi (Hrsg.), Afrika – ein verlo- rener Kontinent? München: Wilhelm Fink Verlag.

Sven Grimm (2004): International development and foreign policy. Briefing Paper on European Development Cooperation to 2010. London: Over- seas Development Institute; www.odi.org.uk/

publications/briefing/edc/edc_bp2.pdf

Literatur

A IV.3.

scher Sicherheit und Wohlfahrtseigeninteressen, für Deutschland keine zentrale Bedeutung. Ökonomische Globalisierung hat gegenüber Afrika nicht zu einer weiteren Vernetzung geführt – im Gegenteil: Afrika hat gegenüber anderen Regionen weiter an Bedeu- tung verloren. Rein ökonomisch oder gar militärisch lässt sich ein deutsches Engagement in Afrika nicht verstehen, trotz widersprüchlicher Entwicklungen in sehr unterschiedlichen Staaten Afrikas.

Deutsche Interessen in Afrika sind vor allem motiviert durch die Wahrnehmung globaler Verantwortung als wichtiger Industriestaat, der zudem Ambitionen auf einen UN Sicherheitsratssitz hat. Dieses Interesse wird auch gefördert durch Erwartungshaltungen gegenüber Deutschland seitens unserer engen Bünd- nispartner und aus anderen Regionen. Andererseits sind menschliches Elend in der zunehmend vernetzten Welt nicht allein aus moralischen Gründen oder auf- grund von VN-Ambitionen zu bekämpfen. Mittelbare Eigeninteressen der Bundesrepublik, insbesondere ein wirksamer Multilateralismus, erfordern ein deutliches deutsches Engagement in Afrika. Im Rahmen multila- teraler Kooperation bedarf es der Analyse, um Ant- worten auf regionale Probleme auch jenseits der unmittelbaren Nachbarschaft geben zu können. Eine Europäisierung der Politik bedeutet keinen Abschied von nationaler Politik. Dies gilt insbesondere wenn europäische Partner eine stärkere Verbindung in ein- zelne Regionen des Kontinents haben. Hier sind eige- ne deutsche Beiträge im Rahmen der EU notwendig, wenn man als internationaler Akteur glaubwürdig sein will. Aber auch bilateral gilt es die Anstrengungen zu vergrößern – sowohl in finanzieller, als auch in kon- zeptioneller und institutioneller Hinsicht.

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