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EaUABD Schwtzeb, Zum persötdichen Agens beim Passiv, besonders
im Griechischen (= Abhandlungen der Preußischen Akademie der
Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. Jg. 1942, Nr. 10). Beriin: W. de
Gruyter & Co. in Komm. 1943. 79 S.
Seit seinem Eintritt in die Preußische Akademie 1937 hat
E. Schwyzer alljährlich, während er den ersten Band der Griechischen
Grammatik drucken ließ und den zweiten vorbereitete, Fragen der
Formenlehre, Syntax und Stilistik behandelt und fär den Druck aus¬
führhch ausgearbeitet. Jedesmal ging er vom Griechischen aus und
gewährte ihm den breitesten Raum', um von diesem festen Standort
über den ganzen indogermanif<chen Bereich und, wo es geboten war,
noch weiter hinaus Ausschau zu halten. Bei der Betrachtung der
einzelsprachUchen Erscheinungen leiteten ihn Gesichtspunkte der
allgemeinen Sprachwissenschaft wohl noch stärker als die eigentlich vergleichend-indogermanischen, die in seiner ganzen Arbeit überhaupt
weniger im Vordergrund stehen.
So wies er in dem Nebeneinander von 1^0$, loü> und in der
homerischen Überheferung in der dritten, fast verschollenen Form den.
Genetiv des Personalpronomens *üo mit metrischer Dehnung nach
(Bin altes Problem der homerischen Sprache, SB 1938, 81—92). In
derselben Abhandlung gab er mit Rücksicht auf heth. asus 'gut' den
noch in seiner Griech. Gramm. 1, 260 angenommenen unmittelbaren
Zusammenhang zwi.schen gr. iv; und ai. va«u- preis. Tief in die indo¬
germanische StiUstik führt die Arbeit über die Parenthese im engern und im weitern Sinne (Abh. 1939,6.46 S.). Sie durchwandert die ganze
indogermanische Welt und gewinnt neben vielen anderen wertvollen
Beobachtungen aus einer altiranisch-eddischen Stilparallele ein Stück
indogermanischer Dichtersprache zurück. Daß die älteste attische
Überheferung eine Menge von Altertümlichem bewahrt hat, das Homer
nicht mehr kennt, zeigt die nächste Arbeit (Syntaktische Archaismen
des Attischen, Abh. 1940, 7. 16 S.). Hier wird nebenher der schöne
Beweis erbracht, daß das zu Uvat gehörende Verbalnomen 6dd; ist,
so wie im Slavischen chod'b zu ili. Überaus anr^end und fruchtbar sind
die Gedanken über Sprachliche Hypercharakterisierung (Abh. 1941,
9. 27 S.), d. h. über die in allen Bereichen der Sprache auftretende
Verdopplung oder Vervielfachung des Ausdrucks — wenn etwa die
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Mehrzahl, die in 'drei Mann' nur durch das Zahlwort gekennzeichnet wird, in lat. tres VM-^^dreifach ausgedrückt wird: durch das Zahlwort
und zwei Flexionsendongen. Das Erscheinen des letzten und umfäng-
h'chsten dieser Aufsätze, der zur Besprechung vorliegt, hat der Ver¬
fasser nicht mehr erlebt. Er handelt vom persönhchen Agens beim
Passiv, besonders im Griechischen, erklärt schlagend die dem
Griechischen vor andern Sprachen eigentümliche, zunächst sehr auf¬
fallende Einführung des Agens durch iif6 'unter' und untersucht be¬
sonders die Häufigkeit der Nennung eines Agens beim Passiv. (Auf
S. 75 wird die Seltenheit des Fassivgebrauchs im russischen Volks¬
märchen nachgewiesen — demgegenüber fällt mir die Vorliebe für
ihn beim Lesen russischer wissenschaftlicher Literatur inuner wieder
Dem Wunsche des Herausgebers dieser Zeit^schrift, dem Hinweis
auf E. Schwyzer's letzte Akademieabhandlung einige Worte über
seine Bedeutung für die Orientforschung hinzuzufügen, komme ich
gern nach. Was er ffir die Kenntnis der indogermanischen Sprachen
Asiens, besonders für das Altiranische geleistet hat, ist um so bedeu¬
tender, als es neben der Arbeit am Griechischen entstanden ist, deren
Ertrag, wie er jetzt in der Griechischen Grammatik niedergelegt ist,
mehr als die Fassimgs- und Schaffenskraft eines einzelnen Menschen¬
lebens zu beanspruchen scheint.. Dabei gehört seine indogermanistische Produktion wesentlich den letzten 16 Jahren seines Lebens an, seitdem er 1927 die Bonner Professur fibernommen hatte. Die vorangegangene
Wirksamkeit iu seiner Vaterstadt Zürich, wo er sich 1902 aohtund-
zwanzigjShrig habihtierte und 1909 seines Lehrers A. Kaegi Nach ¬
folger wurde, stand im Zeichen der Arbeit am Schweizerdeutschen Idiotikon, von dem er in fiber 25 Jahren sechs Bände fertiggestellt hat.
Bie lehrte ihn die peinUche Genauigkeit in der Sammlung und Dar¬
stellung des lückenlos erfaßten Stoffs seiner jeweiligen Arbeit, den
Sinn iüi die Beobachtung der lebenden Sprache und der Dialekte, be¬
sonders die gleichmäßige Berücksichtigung der Wörter und der
Sachen. Uberhaupt gehört er seiner wissenschaftiichen Art nach in die
Schweizer Tradition: am nächsten steht er J. Wackemagel, obwohl
er dessen unmittelbarer Schfller nicht war, während ein besonderer
BinfluB seiner Leipziger Lehrer, Brugmann und Leskien, Sievers und
Windisch, in seinem Schaffen schwerer zu erkennen ist.
Die Zfiricher Zeit ließ neben der Arbeit am Idiotikon und in der
Lehrtätigkeit, die er ebenso wie die damit verbundenen zeitraubenden
AmtspiUchten auf das pfinktUchste wahrnahm, wenig Muße ffir Ute¬
rarische Hervorbringungen. So konunt es, daß anf seine preisgekrönte Dissertation von 1898, die Grammatik der pergamenischen Inschriften, zun&chst nur Neubearbeitungen älterer Werke folgten, die freiUch anter seiner Hand doicbans neue Bfloher und sein geistiges Eigentum
auf.)
Bttcherbesprechungen 335
wurden (Meinterhans' Grammatik der attischen Inschriften, Schwei-
zer-Sidler's Germania, Cauer's Auswahl aus den griechischen Dialekt¬
inschriften).
Hatte er in Zürich außer Indogermanistik und Grammatik der
beiden klassischen Sprachen auch Sanskrit gelesen, so trat in Bonn
an dessen Stelle das Altiranische, dazu Gotisch und Altslavisch. Von
der Gründüchkeit, mit der er sich besonders ins Awestische vertiefte,
zeugt eine'Beihe von jetzt rasch aufeinanderfolgenden Aufsätzen
über grammatische und lexikahsche Fragen, die zu dem Besten ge¬
hören, was nach dem Tode des Begründers der iranischen Sprach¬
wissenschaft, Chr. Bartholomae, auf diesem Gebiete hervorgebracht worden ist. Die bedeutendste unter diesen Arbeiten ist wohl die große
Abhandlung über die sog. mißbräuchlichen Instrumentale im Awesta
(IF 47,1929,214—271). Sie arbeitet dies von Caland und Bartholomae
gesehene, aber zu kurz und zu dogmatisch abgefertigte Problem, an
dem ein gut Teil des Verständnisses der Gathas hängt, zum ersten
Male gründhch und unparteiisch dmch, trennt scharf zwischen gathi¬
schem und jungawe.stischem Sprachgebrauch, interpretiert sämtUc|ie
Stellen und kommt zu dem Ergebnis, daß die fraghchen gathischen
Formen z\un größten Teil als echte Komitativ-Instrumentale an¬
zuerkennen sind (ich glaube, daß das auch für die drei Stellen — 29,3;
49,7; 46, 9 — ^ die er aussondert, ebenso gilt). Ein wertvoller, auch methodisch lehrreicher Beitrag zur Festgabe für R. Meringer (Wörter
und Sachen 12, 1929, 20—37) handelt über den profanen und heihgen
Gürtel in Altiran. Nach der Klärung der einschlägigen Worte und
Bräuche wird die Frage aufgeworfen, ob sich die in Iran übUche Art
der Gürtung durch Wort- und Sachvergleichung bis in indogerma¬
nische Zeit zurückverfolgen läßt, was diurch die große Bedeutung des
Gürt«ls im russischen Volksbrauch nahegelegt wird. Aber die Antwort
ist negativ. So leicht eine über das rein Sprachhche nicht hinaus¬
gehende Betrachtung bereit sein würde, aus der Gleichung aw.
yasta- gl. foMitdg lit. jüostas 'gegürtet', die durch slav. fo-jaiati 'gürten'
ergänzt wird, einen solchen SchluQ zu ziehen — die Untersuchung des
zugehörigen Brauchtums zeigt überall besonders und abweichend ent¬
wickelte Sitten der Gürtung. Das Muster einer Lehnwortuntersuchung ist der auf breiter Grundlage angelegte, die ganzen älteren iranischen
Mttnznamen heranziehende Nachweis, daß das an zwei Stellen spät
in das Vendidad eingedrungene atpBranö auf den oströmischen Mflnz-
namen äanifov zurückgeht, der sich in osmanischer Zeit in Asper fort¬
setzt (IF49, 1931, 1—45). Es darf erwähnt werden, daß Schwyzer
den Beweis, wonach im MitteUranisehen neben dem aus gr. {i(fyv(ftov) affijfiov entlehnten asem np. sim 'Silber' das dem entsprechenden latei¬
nischen Wort (argerUum) infectum nachgebildete nakartak np. nuqra
steht (meine Iranica 35), als willkommene Bestätigung der von ihm
336 Bflcherb«sprechuDgen
aufgedeckten Lehnbeziehimg begrüßte. In allen diesen Aufsätzen,
auch in dem scharfsinnigen Versuch, zwei schwierige awestische Ad¬
jektivkomposita zu deuten (Orient. Studies in honour of Dasturji
Saheb Cursetji Erachji Pavry, 1934, 444/9), zeigte Schwyzer. sich
durchaus unbeirrt von dem Versuch, auf Grund schriftgeschichthcher Spielereien die Vertrauenswürdigkeit des überheferten Awestatextes
in Zweifel zu ziehen und in einer Art Pseudosanskrit einen neuen zu
dichten — von diesem Versuch, der andre Indogermanisten von der
Befassung mit dem Awestischen abgeschreckt hat. Er ging unbe¬
fangen der Aufgabe nach, den überheferten Text, so wie er dasteht,
zu verstehen. Der Orientforschung kommen auch die Beobachtungen
an griechischen Interjektionen und die sich daraus ergebende ab¬
schließende Erklärung des früher gelegenthch wider das geschichthch
Möghche für aramäisch gehaltenen auslautenden -a in den Buch-
stabennamen alq>a ß^xu yamia zugute (KZ 58,1931,170—205), ebenso wie die zur Mit- und Weiterarbeit auffordernde Würdigung der Neben-
überUeferung des Griechischen in verschiedenen orientahschen
Sprachen (Griech. Gramm. 1,150 fi.).
Ein abschließendes Wort persönlichen Gedenkens darf auch an
dieser Stelle nicht fehlen. Man sah es dem körperlich zarten, bis zur
Schüchternheit bescheidenen und zurückhaltenden Manne nicht an,
welch eine außerordentliche Arbeitskraft und welch eine ruhige Selbst¬
sicherheit ihm eigen war. Er war ein Genie der Zeitausnutzung: seine
Griechische Grammatik, die eine kaum übersehbare Menge von Tat¬
sachen und wissenschaftlicher Literatur verarbeitet, entstand in
Jahren, in denen andre schon an die verdiente Muße denken, neben an¬
gestrengter akademischer Wirksamkeit. Da er nach Erreichung der
Altersgrenze infolge des Krieges nicht abgelöst wurde, setzte er seine Vorlesungen, für die er sich mit peinlicher Sorgfalt vorbereitete, bis zuletzt fort und war außerdem sofort bereit, die Vertretung seines in den Heeresdienst tretenden indologischen Kollegen mit zu übernehmen.
Es gab keine Arbeit, die er scheute: die technische Vorbereitung der
von F. Hartmann und ihm ins Leben gerufenen und geleiteten
'Sprachwissenschaftlichen Abende', an denen er öfters das Wort er¬
griff, führte er ebenso sorgsam durch wie die ungewohnten Aufgaben, die ihm als Luftschutz.wart gestellt wurden. Als ein Luftangriff auf
BerUn einen Teil seiner Wohnung zeitweiUg unbrauchbar machte,
glücklicherweise ohne Schädigung seiner Bücher und Papiere, setzte
er seine Arbeit ohne Pause und unverdrossen fort. So beschäftigt er
war, er hatte stets für andre Zeit. Jede an ihn gerichtete wissenschaft¬
liche Frage beantwortete er nach genauer Prüfung brief lieb, ohne sich je mit Zeitmangel zu entschuldigen. Trotz der zeitfressenden Berliner
Entfernungen versäumte er keinen Vortrag, dessen Thema sich mit
seinem Arbeitsgebiet berührte. Seine sachUche und menschhche Zu-
Bficherbesprechungen 337 verlässigkeit, seine Hilfsbereitschaft, seine ohne Unt«r8chied der Person gleichbleibende schUchte Freundlichkeit trugen ihm allgemeine Schät¬
zung und Verehrung ein.
Sein Hauptwerk, die Griechische Grammatik, ist ohne Zweifel —
zu diesem Urteil berechtigt schon der 1939 fertig gewordene erste
Band — die gediegenste und gehaltvollste Darstellung einer indo¬
germanischen Sprache, die je geschrieben worden ist. An den zweiten
Band, der die Syntax darstellen wird, hat er nicht mehr die letzte
Hand legen können. Aber das Werk wird kein Torso bleiben mfissen:
die Arbeit ist so weit gediehen, daß sie von den Händen treuer Ver¬
walter seines Erbes wird fertiggestellt werden können. Dennoch
bleibt der Verlust unersetzUch, den sein vorzeitiger Heimgang be¬
deutet. Als er am 3. Mai dieses Jahres, neun Monate vor seinem
70. Geburtstag, die Augen schloß, ging mit ihm nach J. Wackernagel
und R. Thurneysen, denen beiden er freundschaftUch nahe stand, der
letzte von den drei großen Schweizer Sprachforschern dahin, die im
letzten Menschenalter an deutschen Hochschulen segensreich gewirkt
haben.
Hans Heinbich Schaedeb
S. Passabge, Die Urlandschaft Ägyptens und die Lokalisierung der
Wiege der akägyptischen Kultur (= Nova Acta Leopoldina, N. F.
Bd. 9). Halle (Saale), Friedrichstr. 50 A : Deutsche Akademie der Naturforscher. 1940. 75 S.
Jeden Versuch, zur Aufhellung der ägyptischen Vorgeschichte mit
den Mitteln einer anderen Wissenschaft beizutragen, wird der Ägypto¬
loge begrüßen. Das Fehlen fester Daten und bestimmter Nachrichten
macht die Eigenart vorgeschichthcher Forschungsgebiete aus. Mit In¬
schriften und zuverlässigen Nachrichten beginnt schon die geschicht¬
liche Zeit. Sie bleiben zunächst knapp und rätselvoll, so daß sie die
soeben vergangene Epoche nur durch ihre Frucht, den Sieg des
stärkeren, oberägyptischen Staates mitzuerleuchten vermögen. Wer
daran zweifelt, daß der sieghafte Staat mit der pohtischen auch die
kulturelle Entwicklung bestimmt, ist bei dem Versuch, die Herkunft
der in das Licht der Geschichte tretenden Kultur zu bestimmen, auf
die Fundumstände der Denkmäler aus vorgeschichtlicher Zeit an¬
gewiesen. Auch sie weisen für die große Masse der Funde, vor allem
für die gesamte bemalte und figfirliche Ware und ffir die Felsbilder der Wüste nach Oberägypten, in das langgestreckte Niltal. Die Zentren
dieser Kultur scheineii weit im Süden zu liegen. Die wenigen nörd¬
lichen Fundstellen vorgeschichtlicher Kultur fallen wie Tura und
vermuthch auch Meadi schon in den Machtbereich des letzten sieg-
338 Bflchert>esprechungen
haften oberägyptiBchen Staates oder gehören wie Merimde und das
Faijüm Schichten an, welche der im Süden greifbaren Kulturent¬
wicklung vorausgehen. Da hier die natürhchen Verhältnisse das
Land nach Osten und Westen abschheßen, wäre die altägyptische
Kultur in ihrer entscheidenden vorgeschichtlichen Entwicklung im
Lande selbst erwachsen. Zwei'Umstände konneiji gegenüber diesem
klaren Befund nach noch anderen Lösungen suchen lassen. Sowohl
haoh Osten wie nach Westen führen Landverbindungen imd heute
Straßen vom Delta aus, nach Osten über das Wädi Tumilät und die
Sinaihalbinsel nach Palästina und Syrien, nach Westen längs der
Mittelmeerküste nach Libyen. Wer über Feuersteingeräte, über die
Tonware und andere Stilelemente allgemeiner Art Verwandtschaften
mit den angrenzenden vorderasiatischen imd nordafrikanischen Kul¬
turen sucht und findet, dürfte geneigt sein, dem Norden des Landes
bei der Herausbildung der eigentümlich ägyptischen Kultur wenig¬
stens eine starke Mittlerrolle zuzuschreibei\. Diese Möghchkeit findet
in einem ^zweiten Umstand eine gewisse Unterstützung. Oerade das
ältere, freihch erst nach der frühgeschichtUchen Blütezeit der ägyp¬
tischen Kultur auftretende Textgut zeigt ein Übergewicht unter-
ägyptischer Kulte. Wenn aueh dies Übergewicht erst mit der Ver¬
legung der Besidenz nach Norden eintritt und durch sie ausreichend
begründet ist, könnte man doch meinen, daß der oberägyptische
Eroberer zwar mit der Eroberung Unterägyptens ganz Ägypten ge¬
eint nnd in Besitz genommen habe, daß sich jedoch in der Folgezeit eine früher entwickelte, damals fortgeschrittenere unterägyptische
Kultur durchgesetzt hätte. Es ergäbe sich so eine weitere Räume
zusammenschUeßende Entwicklung. Am Rande des Mittelmeers hätte
Unterftgypten mit einer Mittelmeerkultur und den Kulturen des
Vorderen Ostens in Beziehung gestanden, ihre Werte aufgenommen
und mit ihnen die spätere im pohtisch von Oberägypten geeinten
Staate so schnell erreichte Blüte genährt. Da sich jedoch bisher
gesicherte Anzeichen einer solchen Entwicklung nicht beibringen
lassen, ja einer der ersten gesicherten Denkmäler Oberägypten im
Kampfe gegen Libyen zeigt und so die Möghchkeit auch älterer un¬
mittelbarer Beziehungen zwischen der archäologisch in Oberfigypten
nachgewiesenen letzten vorgeschichtUchen Kultur und einem der
Nachbarn Ägyptens ergibt, bleiben alle andersartigen Erwägungen
Möghchkeiten, die gegenüber dem bisher eindeutigen Befund zurück¬
treten.
Angesichts dieser Sachlage ist jeder Versuch willkommen, mit
weiteren Mitteln die Frage des Ursprungs der altägyptischen Kultur
zn klären. S. Passabge hat in seiner Schrift ,J)ie Urlandschaft Ägyp¬
tens ond die LokaUderung der Wiege der altägyptischen Kultur"
den Versuch unternommen, unter Betonung geographischer Gesichts-
Bücherbesprechungen 339
punkte die bisher entwickelten Vorstellungen auf ihre Wahrscheinlich¬
keit zu überprüfen. Das, was der Geograph vom Wandel einer Land¬
schaft aus ihr selbst erschließen kann, erstreckt sich im allgemeinen
über Zeiträume, gegenüber denen auch eine mehrtausendjährige Ge¬
schichte kurz erscheint. Die steinernen Wälder der ägyptischen Wüste,
die Versteinerungen der Kalksteingebirge entstammen einer Urzeit,
mit der auch die altägyptische Vorgeschichte keinen Zusammenhang
haben kann. Der Anschluß des nubisch-ägyptischen Nils an die
abessinischen und äquatorialen Flüsse (S. 85) ermöghcht zwar erst
die Kultur des neoüthisch-vorgeschichtüchen Ägyptens, welches der
Verfasser ein „Kind des Nilschlammes" (S. 93f., 96, 110) nennt, geht jedoch der Kiüturbildung selbst um geschichtlich unbestimmbare Zeiträume voraus. Erst die Erscheinungen der Schlammaufschüttung
durch das Überschwemmungswasser und der Ausräumung des Nil¬
bettes (S. 96 ff.) im Fruchtland, das Sipken des Grundwasserspiegels
in der westhchen Wüste (8. 95) sind Erscheinungen, die in der ge¬
schichtlichen Zeit andauern, bis sie durch künstliche Maßnahmen wie
den Bau von Staudämmen (8. 97) unterbrochen werden. Doch können
Kenntnisse dieser Art kein anschauliches Bild der Geschichte dieser
Landschaft geben. Die Fragen, inwieweit das Niltal mit Ufern und
Inseln bewaldet (8.114), die Wüste bewohnbar war, läßt sich aus dem
Zustand der Erdoberfläche und ihrer Schichten nicht ablesen. Um
dies zu erschheßen, ist auch der Geograph auf dasselbe Material an¬
gewiesen, welches den früheren Erwägungen zugrunde lag. Doch ver¬
spricht eine einseitige Herausstellung des geographisch Möghchen
näher an die einstige Wirkhchkeit heranführende Gesichtspunkte. Die
Untersuchung ergibt für die zur Frage stehenden vorgeschichtUchen
Epochen ein Landschaftsbild, welches in seinen wesentlichen Gegen¬
sätzen, Wüste und Flußlandschaft dem heutigen Zustand nicht fern¬
steht. Noch heute trägt die arabische Wüste ihre eigentümUche spär-
Uohe Vegetation, steUenweise sogar Baumbestand, der noch heutzu¬
tage die Gewinnung von Holzkohle (8.107) gestattet. An dieser Vege¬
tation, „an Zwergsträuchern, an Gras und Kraut nach Regen und vor
aUem an ausdauernder Wadi-Gehölzvegetation" „könnte die Wüste"
„reicher als heute gewesen sein" (8.106), was den größeren, noch
in unserer Zeit nach Süden hin schwindenden Wildreichtum erklärt
(8.107). Doch spricht nichts für frühe menschUche Siedlungen be¬
günstigende Verhältnisse in der Wüste. Einzig der damals vieUeicht
tiefer in die Wüste hineinreichende „Salzsteppenstreif" am Rande
der Meere (S. 80f.) gestattet — noch heutzutage — eine karge Feld-
besteUung, die von Regenfällen abhängig ist. Die Flußlandschaft
wird in zunehmendem Maße kultiviert. Der Verfasser betont, daß an¬
gesichts der geschilderten Verhältnisse „in Ägypten der Neolithiker für seine Felder" nicht „die Wüste aufsuchte mit ihrem unter allen 2 3
340 Bücherbesprechungen
Umständen unsicheren Begenfall, wenn ihm in den breiten Über¬
schwemmungsgebieten äußerst fruchtbares und leicht zu bearbeiten¬
des Land zur Verfügung stand" (S. 118). Auch die Hirten waren mit
ihrem Weideland und den Wasserstellen schon an das Niltal und
den Bhythmus von Überschwemmung und Niedrigwasser gebunden.
PASBABaE spricht von „halbnomadischen Lebensbedingungen"(S. 126).
Noch heute findet in Ägypten beim Eintritt der Überschwemmung
eine ansehnliche Völkerwanderung statt, wenn Beduinen ihre großen
Herden aus Oberägypten über die abgeernteten Felder nach Unter¬
ägypten und in die libysche Wüste treiben.
Geändert hat sich so nach Passabge's Untersuchung weniger die
Wüste als das Fruchtland, welches durch Urbarmachung und Flu߬
regulation allmähhch der Wasserwildnis mit ihrem Schilf dickicht und
bewaldeten Flußinseln abgewoimen wurde. Hierbei bot die weit¬
verzweigte Deltalandschaft mit ihren im Norden noch heute wuchern¬
den Bandsümpfen der Rodung größeren Widerstand als das ober¬
ägyptische Flußtal. Obwohl so der Verfasser dem Landschaftsbild,
wie es zum Beispiel von Kees (vgl. S. 134, 139) dargestellt wurde,
näher kommt, als er zugibt — denn die so betonte Annahme von
„Uferwällen" im Delta sind eine der vielen kaum beweisbaren An¬
nahmen —, glaubt er trotzdem die Grundfrage seiner Untersuchung, die Frage nach der LokaUsiemng der Wiege der altägjrptischen Kultur
dahin beantworten zu müssen, daß ei sie in die schwer zugängUche
Deltalandschaft verlegt. FreiUch gewinnt er diese Ansicht erst auf
Grund einer weiteren, nicht geographisch begründbaren Annahme,
daß eine Kultur sich am ehesten unter widrigen Verhältnissen in
„Rückzugsgebieten" (S. 131, 139) entwickelt, die er auf den Wald¬
inseln des Deltas vermutet. Er glaubt, daß hier in früher Zeit die
„härtere" Steinkeule der zweiten Negadekultur erfunden worden
wäre, und daß sie im Kampfe gegen die Hirten und Jäger der ersten
Negadekultur als „neue Waffe" den Ausschlag gegeben hätte (S.145ff .).
Dem kann jedoch sofort entgegengestellt werden, daß nach dem Ge¬
fäßschmuck eine andere Errungenschaft, xmd zwar das FlußschifE
das entscheidende Merkmal der zweiten Negadekultur darstellt. Mit
Feldzeichen versehen erscheint es überall auf Grabbeigaben ober¬
ägyptischer Friedhöfe. Dieser Schifisbau dürfte kaum im Delta, wo
Nachen und Fähren für die Überquerimg der Nilarme und die Jagd
in den Überschwemmungs- und Sumpf gebieten ausreichten, sondem
am großen Strom entstanden sein. So bleibt es unwahrscheinhch,
daß die Kultur der Schiffsfahrer vom Delta ausgeht, wenn man nicht
aimehmen will, daß dies Kulturgut von fernher über die See in das
Delta gekommen ist, wofür nichts spricht. Selbst in dem in spät-
vorgeschichtUcher Zeit auftauchenden neuen Schifistyp erkennt
A. SCHABFF heute eine ägyptische und nicht mehr eine fremde Schiffs-
Bttcherbesprechungen 341
fonn^). Wie grundlegend das Flufischiff die altägyptische Kultur-
bildung beeinflußt hat, zeigt der Unistand, daß bis in späteste Zeit
die Oötter ihre Umzüge in Barken unternahmen. Der Nil ist der
natfirUche Verkehrsweg Ägyptens. Die Schiffahrt gibt Oberägypten
gegenüber dem Delta schon dadurch das Übergewicht, daß der Besitz
der Deltaspitze über die Herrschaft Unterägyptens entscheidet, da
hier der Verkehr anf den Nilarmen zusammenläuft. Von der G^end
des heutigen Kairos aus können die Deltagebiete abgeschnitten und
einzeln unterworfen werden. Wenn so auch die Behandlung der Kern¬
frage der besprochenen Arbeit, der Versuch einer Lokalisierung der
Wiege der altägyptischen Kultur, Widersprach heransfordem maß,
ist doch das von einem nüt der einschlägigen Literatur imd dem
Lande selbst vertrauten Verfasser aufgestellte Bild der Urlandschaft
Ägyptens geeignet, die landschaftlichen Bedingungen, in welchen sich
diese Kultur entwickelt hat, zu klären. Zu den in einem Schlußwort gestellten ^„gewissen Fragen" an ägyptologische Fachleute, „die sich aus dem Studium der Psyche des heutigen Naturmenschen ergeben"
(S. 147) und sich im wesenthchen mit dem Sexualproblem befassen,
sei bemerkt, daß ein überaus reich überUefertes Textgut zur Ver¬
fügung steht and eine unter anderen Umständen willkommene Motiv¬
übertragung erübrigt. Die vorgeschlagenen Deutungen erweisen sich
innerhalb der altägyptischen Kulturentwicklung als abwegig, was
daran zweifeln läßt, daß die angerührten Fragen bei Kulturbildungen überhaupt eine betonte Bolle spielen.
SiEOFBmD Schott, Heidelberg
Zwölf irakische Vierzeiler. Mit Umschrift, Übersetzung und Erläute¬
rungen herausgegeben von Wilhblm Eilebs (= Sammlung
orientahscher Arbeiten, 10. Heft). 51 S. Leipzig: Otto Harrasso¬
witz. 1942.
Auf einer Beise nach dem großenteils arabisch sprechenden
Chuzistan bot sich Eilebs die Gelegenheit, 12 Vierzeiler in iraki¬
scher Mundart aufzunehmen. Derartige Lieder waren schon früher
bekannt geworden; denn Sachau, Weissbach, Rittee, ich selbst
und andere mehr hatten eine Reihe verschiedener irakischer Poesien zu¬
sammengebracht. Trotzdem ist diese neue EiLEEs'sche Sammlung mit
Freuden zu begrüßen; denn jedes neue Liedchen macht uns mit neuen
Ideen und neuen Wörtern bekannt. Von den hier gebotenen Vierzeilern 1) A. ScHABFT, Archäologische Beiträge zur Frage der Entstehung der Hieroglyphenschrift (Sitzungsber. d. Bayer. Ak. d. Wiss., Phil.-hist.
Abt. 1942, Heft 3), S. 23.
ZaHnbrift d. DVQ Bd. t7 (Mo* Vain Bd. IS) SS
342 Bflcherbesprechnngen
gehen die Zeilen 1, 2 und 3 auf dasselbe Wort aus, während Zeile 4
mit einem ; endigt. Es gilt fast als unerläßhch, das die gleichlau¬
tenden Reimwörter einen besonderen Sinn haben. Im Irak wird
diese Art der Poesie Läml genannt. Diese und die anderen Dich¬
tungsarten sind ursprünglich gewiß quantitierend, aber den moder¬
nen Arabern ist der strenge Sinn für Metrik so abhanden gekommen,
daß dieses Primdp vielfach durchbrochen wird. Jedenfalls wollen
die modernen Überheferer von einer metrischen Veränderung des
Tertes nichts wissen. Was den Inhalt der Vierzeiler angeht, so han¬
delt es sich in ihnen durchweg vim Liebespoesie. Die Edition, Über¬
setzung und Erklärung der Lieder durch Eilebs ist tadellos. Durch
Vergleichung mit anderen irakischen und sonstigen neuarabischen
Texten ist es ihm gelungen, fast alle Schwierigkeiten zu beheben
und eine geschmackvolle Übersetzung herzustellen. Wenn man diese
Fülle von seltenen Worten sieht, die ims hier entgegentreten, so
drängt sich einem der Wunsch auf, ein neuarabisch-irakisches Wör¬
terbuch, zu dem Weissbach seit langen Jahren viel Material gesam¬
melt hat, erscheinen zu sehen. Das Glossaire daf^nois vom Grafen
Laksbebg, das nach des Verfassers Tode von ZETTEBSTfiEN heraus¬
gegeben ist, kann in dieser Beziehung als Vorbild dienen.
Bbttno Meissneb
Gotthard Jäsohkb, Die Türkei in den Jahren 1935 — 1941.
Geschichtskalender mit Personen- und Sachregister (= Samm¬
lung Orientalistischer Arbeiten, 13. Heft). 194 S. Leipzig: Otto Harrassowitz. 1943.
Der vorhegende Band büdet die Fortsetzung (Heft 5) des Wer¬
kes, dessen drei erste Hefte unter dem Gesamttitel „Die Türkei
seit dem Weltkriege" erschienen sind (I: 1918—1928, II: 1929,
III: 1930, sämthch im Verlag A. CoUignon zu BerUn); die zweite
Abteilung (Heft 4) erschien 1939 (bei W. de Gruyter) für die
Zeit bis 1934, bearbeitet von Rzeppa. Jetzt Uegt mit dem 5. Heft
das Werk bis Ende 1941 voUständig vor. Der Verf. nennt es sehr
bescheiden Geschichtskalender, und der Außenstehende dürfte sich
kaum eine VorsteUung davon machen, welches Maß an Arbeit sich
hinter diesem Titel verbirgt. Uns werden heute so viele umfang¬
reiche Bücher auf den Tisch gelegt, sogenannte Gemeinschaftsar¬
beiten, mit statistischen oder zusammenfassenden Teilen, deren
Wert meist sehr gering ist, und der Herausgeber ist häufig nur
insoweit beteihgt, als er eben seinen Namen auf das Titelblatt
setzt. Gegen derartige Werke sticht das vorhegende von JAschke
weit ab. Der Verf. hat wirkhch selbst das ganze Material eingehend
Bficherbesprechungen 343
durchgearbeitet, und 90 ein einheithches Werk geschafien, das
dauernden Wert besitzt, und das noch nach Jahrzehnten Weg¬
weiser ffir wissenschafthche Arbeit sein wird. Es ist ffir jeden, der sich mit der Türkei beschäftigt, schlechthin unentbehrhch.
Auf den Inhalt im einzelnen einzugehen verbietet nicht nur
der Baum, es würde auch heißen', einen Schlüssel zu dem Werke
schreiben, dessen es aber gar nicht bedarf. Die Anordnung des
Stoßes, obwohl der Zeitfolge nach, ist so übersichtUch und klar,
daß man sich ohne Schwierigkeiten ziirechtfindet.
Ein wirkhch nutzbringendes Werk, für das man dem Verfasser
in jeder Hinsicht zu Dank verpflichtet ist.
Die Eröffnung des deutsch-iulgarischen Urkundentperkes Osmanioa
{= Mitteilungen des Deutschen WissenschaftUchen Instituts in*
Sofia, Heft 1). 92 8. Leipzig: Otto Harrassowitz. 1943.
Aus der engen wissenschaftUchen Zusammenarbeit zwischen dem
Direktor des Deutschen wissenschaftUchen Instituts in Sofia, Profes¬
sor Dr. H. W. Duda und den bulgarischen Fachgelehrten, so'wie unter
Mitwirkung der Königl. Bulgarischen Akademie der Wissenschaften
und der Akademie der Wissenschaften in Wien ist zur Erforschung
der bulgarischen Geschichte, insbesondere in der Zeit der türkischen Botmäßigkeit in Bulgarien, das „Deutsch-bulgarische Urkundenwerk
Osmanica" gegründet worden, an dessen Zustandekommen auch der
als hervorragender Archäologe aUgemein bekannte bulgarische Mi¬
nisterpräsident Professor Dr. Bogdan Filoff entscheidend beteiligt
ist. Das vorUegende Heft enthält die anläßUch der Eröffnungsfeier am
26. November 1942 in Sofia gehaltenen Ansprachen des Vertreters der
Königl. Bulgarischen Akademie Professor Dr. Mihail Abnaubov,
des Vertreters der Wiener Akademie Professor Dr. ViCTOB Chbistian,
die Vorträge von Professor Peteb Mütafciev (über „Die osmanisch-
türkischen Urkunden als Quelle für die Geschichte des bulgarischen Volkes") und von Professor Dr. Leo Santifalleb, Wien (fiber „Die
Bedeutung der Urkunde als GeschichtsqueUe imd die Entwicklung
der Urkundenforschung"), sowie den Bericht fiber die bisherige Arbeit, erstattet von H. W. Duda.
Mit diesen Vorträgen wird das gesamte Aufgabengebiet des neuen
Werkes umrissen. Es läßt sich aber nicht einmal andeutungsweise
übersehen, welchen Umfang das auf bulgarischem Boden vorhandene
Material an türkischen Urkunden hat, das der Auswertung harrt.
Allein in der Königl. Bulgarischen NationalbibUothek zu Sofia werden
Tausende von Urkunden aufbewahrt, deren Sichtung und Aufnahme
mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Erst dann ■wird man im
2 3 * 83«
344 Bficherbesprechungen
großen an die Bearbeitung gehen können. Aber auch in Bibhotheken
und Archiven anderer bulgarischer Städte, sowie in Klöstern und
wohl auch in Privatbesitz befinden sich größe Schätze, an denen die
Arbeit in ausgedehntem Maße erst begonnen werden kann, sobald
Bulgarien fiber einen größeren Kreis eigens ffir diese Arbeit geschul¬
ter Kräfte verffigen wird, die sich zum T^il in Deutschland in der
Ausbildimg befinden.
Santifalleb faßt am Schluß seines Vortrages die wissenschaft¬
Uchen Ziele der Urkundenforschung zusammen und betont dabei ins¬
besondere die Umbildung und Anpassung der bisher entwickelten
Methoden bei neuartigen Urkundengruppen, sowie die Entwicklung
der Vergleichenden Urkundenforschung. Vorher hat er darauf hinge¬
wiesen, daß es unerläßUch ist, jeweils aui das genaueste die Echtheits¬
frage zu prüfen. Ergänzend kann man vieUeicht noch ab Teilaufgabe
nennen, daß da, wo dies mögUch ist, auch geprüft werden soUte, wel¬
chem Verwendxmgszweck gefälschte Urkunden zugeführt worden sind
(dies kann z. B. beim türkischen Lehnswesen von Bedeutung sein).
In letzter Zeit sind gelegentüch Urkundenarbeiten veröfEentUcht wor¬
den, in denen gerade der Echtheitsfrage nicht die nötige Sorgfalt
gewidmet worden ist. Deshalb kann nicht nachdrfickUch genug auf
diese Probleme hingewiesen werden^). Die beste methodische Schulung
für diese Arbeit werden die zukünftigen jungen Gelehrten durch
gründUches Studium der abendländischen Urkunden des Mittelalters
erfahren, die Hand in Hand mit der Fachausbildimg gehen muß.
Nur so kann imsachgemäße und oberflächUche Bearbeitung vermie¬
den werden.
Das neue Urkundenwerk Osmanica wird ffir Bulgarien dieselbe
Bedeutung gewinnen, wie das Reichsinstitut für die ältere deutsche
Geschichte und ähnUche Einrichtungen für Deutschland. Der Sekre¬
tär der historisch-philologischen Abteilung der Bulgarischen Aka¬
demie der Wissenschaften, Professor Abnaudov hat in seiner Be¬
grüßungsansprache den Wert der deutsch-bulgarischen Zusammenr
arbeit betont. Diese wird auch in Deutschland, besonders bei den
deutschen Fachgelehrten, dankbar empfunden, bietet sie doch durch
die Gemeinschaftsarbeit die MögUchkeit, anf einem großen Gebiet
der Geschichtsforschung zu neuen Ergebnissen zu kommen, die der
gesamten Wissenschaft zugute kommen werden. H. S^
1) Vgl. meine Arbeiten: Die staatsrechtliche Stellung der ökumeni¬
schen Kirchenfürsten in der alten Türkei (Abh. der Preuß. Ak. d. Wiss., Jg. 1942, Nr. 9, Berlin 1943), und: Türk tarihinin tetkiki bakimindan türkfe vesikalarin ehemmiyeti in: Türkiyat Mecmuasi, Cilt Vll—VIII Cüzl, Istanbul 1942, S. 48£f.
Bücherbesprechurgen 345
Hesmann Kees, Der Oötterglaube itn Alten Ägypten. Leipzig: J. C.
Hinrichs Verlag. 194L
Die Rehgionen der führenden Völker, die zu ihrer Stunde Welt¬
geschichte bedeuteten, rücken in einer Zeit besinnender Zusammen¬
fassung räumlich und zeithch enger zusammen. Mehr und mehr wird
daher von den FachdiszipUnen eine Forschung erwartet, die sich
nicht in sich selbst verhert, sondern ohne herangetragenen Schematis¬
mus und zweckgebundene Vereinfachung aus der bunten Fülle der
in den Völkern erwachsenen Vorstellungen das Wesentliche auf¬
bereitet zur Einfügung in ein größeres Gesamtbild.
In diesem Sinne erweckt die Rehgion der alten Ägypter ein mehr
als antiquarisches Interesse, ist sie ja, was schon die Griechen emp¬
fanden, nicht allein ehrwürdig wegen ihres Alters, sondem beispiel¬
haft durch die Inbnmst, mit der jene Menschen in einer später mehr
imd mehr entgötterten Welt Göttliches allenthalben gesehen haben.
Die göttlichen Wesenheiten, die die Welt Altägyptens erfüllen, sind
dabei nicht unbedingt an Ort und Zeit, ja an die Grenzen ihrer eigenen IndividuaUtät gebunden; sie finden nach einer Periode scheinbaren
Untergangs zum Leben zurück, sie wechseln ihren Ort im Land und
gehen, oft im Widerspmch zu ihrem eigenen Charakter, ineinander
ein, wobei nicht eines das andere auslöscht, sondem die Existenz
beider ineinander erhalten bleibt. Sie unterUegen also gewissermaßen anderen Lebensgesetzen als sie gelten in der geistigen Vorstellungs¬
welt Europas.
Ehe die ägyptologische Facharbeit der letzten beiden Generationen
das jetzt vorUegende, umfangreiche textliche und archäologische Ma¬
terial zur altägyptischen ReUgion erschloß, hatte ein lapidares hierar¬
chisches System, in welches etwa H. Bbugsch Ägyptens Götter
aufteilte, seine Berechtigung. A. Ebmak, der in jahrzehntelanger
Einzelforsdhung zur Sammlung der reUgiösen Tatbestände selbst
vieles beigetragen hat, stand dagegen gegen Ende seines Lebens, als
er seine „ReUgion der Ägypter" neu abfaßte, einem Wüste von Ge¬
stalten nnd Vorstellungen gegenüber, die ihn in ihrer Zerfahrenheit
und WidersprüchUchkeit hinsichtUch der Aufspürung von Linien des
Zusammenhanges resignieren Ueßen imd veranlaßten, von den „Äußer¬
lichkeiten der ReUgion", zu denen er auch die unterscheidende Aus¬
prägung der Gottesgestalt zählt«, hinweg den Nachdrack auf das
KulturgeschichtUche und GemeinmenachUche zu legen^). ,
Demgegenüber hat dann K. Sethe, in der Einzelforschung durch¬
aus auf seinem Lehrer Ebman fußend, den Versuch einer Ordnung
wenigstens der ältesten Götter imd Göttergeschichten untemommen,
1) Vgl. den Besprechungsaufsatz von H. Schäfiw, Die Religion der
Ägypter in: Geistige Arbeit 1934, Nr. 21, S. 4.
346 Bücherbesprechungen
indem er sie mit politischen Vorgängen, insbesondere der Vorgeschichte
des Landes in Verbindung brachte^). Hierzu stieß auch mit vor-
geschichtUoh-archäologischen Problemen H. Jxtnkeb*) und trotz
mancher strittigen Einzelfragen hatte sich hiermit in der ägyptischen
BeUgionsbetrachtung eine Lehre durchgesetzt, welche den Urspnmg
und die mannigfaltige Bewegimg in den Göttervorstellungen erklärt
mit Machtverhältnissen von Teilreichen und ihren Verschiebungen.
Weim Hebmann Kees' neues Werk, das nicht so sehr ein zusammen¬
fassendes Handbuch als eine „Einführung in das religiöse Denken"
der Ägypter sein will, sich mit Recht von Ebman's Skeptizismus
abwendet, so geht es mit der kulttopographischen Betrachtungsweise
durchaus die erprobten Wege; doch nimmt es grundsätzlich davon
Abstand, die Erklärung für das Erwachsen von Gottesvorstellungen,
ihre Kämpfe, Niederlagen und Siege und die entsprechende Wand¬
lung ihrer Geschichten im politischen Ringen der vordynastischen Urzeit zu suchen, wenn eine Einordnimg in das Bild geschichtUcher Zeiten zu gentigen scheint. Der lokale Ursprung der heiligen Pflanzen,
Tiere, Gegenstände und Menschenerscheinungen, denen K. das I.Kap,
über die „Kulte und Kultstätten" widmet, ist ohne weiteres erkenn¬
bar. Die besondere Ausprägung gleicher Wesen an verschiedenen
Orten zeigt dabei, daß der einzelne an säne Stätte gebundene Kult
das Ursprüngliche und die Zusammenfassung und Verallgemeinerung
erst die Folgeerscheinung ist. In der Vergleichbarkeit ebenso wie in
der Unterschiedenheit dieser Kultbestände hegt der Keim für Aus¬
einandersetzungen von Gebiet zu Gebiet, welche in geschichtUcher
Zeit eine durchgreifende Umformung dieses „Erbes der Vorzeit" zur Folge haben. In dem 2., hinsichtUch des GrundsätzUchen wichtigsten
Kapitel umreißt K. die „Grundsätze der Formung", die hierbei
wiederkehrend Anwendung fanden. Unter den von ihm hervor¬
gehobenen „dominanten Zügen" ist bemerkenswert das Gesetz der
Auslese, nach dem sich in frühdynastischer Zeit führende Gott¬
heiten gegeneinander durchsetzten. Weiter die immerwährende An¬
gleichung (Synkretismus), bei der eine Gottheit in die andere über¬
geht, schUeßUch die manch einen ursprüngUch ganz begrenzten Gott
betreffende Ausweitung zur Universalgestalt. Eine mehr äußer¬
liche Verbindung erfuhren Götter durch die Bildung von Paaren
oder Vielheiten und mit ihnen allesamt beschäftigte sich die
Mythenbildung. Mit diesen Aufstellungen, deren Fruchtbarkeit für
die praktische Analyse verworrenster Kultbestände die folgenden
1) K. Sbthb, Urgeschichte und älteste Religion der Ägypter. Leip¬
zig 1930.
2) H. JmnutB, Die Entwicklung der vorgeschichtlichen Kultur Ägyp¬
tens. Festschrift für P.W. Schmidt, Wien 1930. Inzwischen eine An¬
zahl neuerer Arbeiten H. Jdhub's.
Bficherbesprechungen 347 Kapitel über die Göttersysteme der Aufbauzeit, über die Feudalzeit,
Theben und die Zeit der Epigonen an vielen Punkten immer wieder
erweisen, sind zugleich allgemeine Fragen aufgeworfen, die ver¬
schiedene Beantwortung finden köimen. So kann man fragen, wer
es denn sei, von dem diese „Formung" ausgeht. Waltet hier ein
geistiges bzw. naturhaftes Gesetz oder hat hier jemand willentUch
und zielbewußt Auslese, Angleichimg, Mythenbildung usw. vorgenom¬
men? K. legt sich hier keineswegs fest, so daß der Einwand, den
s. Z. H. Bonnet anläßlich dessen Buch über den Totenglauben er¬
hob^), den Glauben „in wohlüberlegte Konstruktionen poütisierender Priester aufzulösen" hier sicherhch nicht zutrifit. Hinsichtlich der
Mythenbildung tritt K. wohl dafür ein, daß sie im wesenthchen
sekundäre Auswertung kultpoütischer Veränderungen mit wesenthch
propagandistischen Absichten sei. Scheint diese Auffassimg durch
die Mythenfragmente, die schriftlich meist nur ausschnittweise in
zweckhafter Verwendung überliefert sind, gerechtfertigt, so ist
andererseits unbedingt vorauszusetzen und wird m. E. bei genügender
Erforschung des Mythenbestandes auch beweisbar sein, daß es nebei.
den der Quellenlage nach vorherrschenden bezogenen, auch echte
Mythen (und ebenso Sagen und Legenden) in Ägypten gegeben hat,
die von Anbeginn den Göttergestalten, die ohne sie leblose Schemen
wären, zugehören, ganz abgesehen davon, ob man sie nun aufzeichnete
oder nur mündhch weitergab. Dies ist z. B. deuthch bei den „Gott¬
heiten in Menschengestalt", die K. wegen der Bindung an eine Kult¬
stätte mit den lokal gebundenen Tiergöttem zusammen aufführt. Die
augenfällige Verschiedenheit besteht hier nicht nur in der äußeren
Erscheinungsform, sondern darin, daß die Tiergottheiten zumeist
Mittelpunkt einer Mythe sind, die menschengestaltigen Götter oder,
wie auch K. sagt, „Heiligen" dagegen in der vom Mythos strukturell
grundsätzhch unterschiedenen Legende wurzeln. Wenn die Götter¬
geschichten und ihre Elemente einmal übersichthcher vorliegen, er¬
öffnet sich hier zweifellos ein Weg zu weiterer Sonderung, bei der
die für Ägypten typische Vermengung von mythischem, legendärem
und sagenhaftem Denken ihre erforderliche Auflösung fände. Wesent¬
lich an K.'s Lehre von der Mythenbildung scheint mir, daß sie die
MögUchkeit für diesen Vorgang nicht nur für die Urzeit, sondern ffir
aUe Zeiten der Geschichte anerkennt, wenn diese mythenbildende
Kraft sich in gevrissen Abschnitten allerdings auch nur im Dienste
bewußt aufgebauter Systeme auswirken kann.
Mit der Erklärung der Allgötter wie Atum, Re, Osiris, Aman als
Ergebnis einer Ausweitung zur Universalgestalt scheint die Vor allem
von H. JxTNKEE vertretene Lehre vom Primat des Eingottes vor den
1) ZDMG 1927, N.F. 7, S. ISOfl.
348 Bücherbesprechungen
Vielgöttern in Frage gestellt. Folgt man für den historischen Hergang
Ebbs, so schhefit dies allerdings nicht aus, die geistige Tendenz
herrschend zu finden, daß der eine die Welt umfassende Gott in
den überheferten Gestalten bestimmter Götter gesucht wird.
Die eigentUche DarsteUung der ägyptischen Göttersysteme be¬
ginnt K. mit der'tteichseinigungszeit, über die zurückgehend er jede
historische Erinnerung im Bewußtsein der Ägypter leugnet. Hier
vollziehen sich unter oberägyptischer Führimg die Angleichungen und
Umgruppierungen, in deren Folge z. B. Horus, dessen Deltaherkunft K. nach wie vor energisch in Abrede steUt, erst der unterägyptischen Reiohshälfte zugewiesen wurde. Äuch auf einen, der in der entgegen¬
gesetzten Lehre aufgewachsen ist, werden die dringUch vorgebrachten
Gründe, wie z. B. das Fehlen einer thinitischen UberUeferung von
Horus von Damanhur und das Auftreten eines oberägyptischen
Horus beim ältesten Sedfest nicht ohne Eindruck sein, wenn dabei
die Erklärung der Aufnahme des Seth in die Osirisgeschichte als
Analogie nach dem Horus-Seth-Streit auch eher eine Notlösung zu
sein scheint. Entsprechend der hohen Bewertung der Thiniten und
ihres einigenden Königsgedankens für die Ausbildung des Götter¬
glaubens erfährt HeUopolis seine Beurteilung als nicht in der Vor¬
geschichte, sondern erst im frühen AB führendes Zentrum, wobei
der späte Charakter der das heUopoUtanische Horus-Seth-Gericht
wiedergebenden Pyramidentexte (3.—5. Dyn.) ein wesentUches Be¬
weismittel ist. Dementsprechend wird der Abschluß der Osiris¬
geschichte und ebenso die damit verknüpfte Aufstellung des ägyp¬
tischen Kalenders nicht einem vorgeschichtUchen heUopoUtanischen
Einheitsreich, sondern ebenfalls der frühdynastischen oder darauf¬
folgenden Zeit zugeschrieben.
In der DarsteUung der wesenthchen Göttergruppen verbindet K.
in den folgenden Kapiteln zwanglos systematische Schilderung mit
der des historischen Ablaufs, ist es ja tatsächlich so, daß die großen Systeme und lokalen Götterkreise einander in ihrer Geltung ablösen.
Das System von HeUopoUs mit seiner aUe vorhandenen Wesen ein¬
beziehenden Götterhierarchie wird in der Hauptstadt des Aß, Mem¬
phis, in die dort heimische Hauptvorstellung, den Ptahglauben, ein¬
gebaut und so für das ganze Beich vorbildUch. In der Zeit sinkender
Zentralgewalt, der Feudalzeit, gewinnen nach dem zeitweiUgen Über¬
wiegen von Unterägypten die oberägyptischen Götter erneut an Be¬
deutung und ergibt sich ebenso wie im pohtischen Leben neuer
Kampf, aus dem sich zunächst in Abydos Osiris, dann schließlich
der ans HennopoUs nach Theben geholte Amun erheben und All¬
gemeingeltung beanspruchen. In der DarsteUung der Entstehung des
AmongUubens arbeitet K. die Vorstufen bei Min von Koptos und
Month von Hermonthis und des letzteren Bindung an alte heUo-
Bficherbesprechungen 349
poUtanische Tradition heraus und zeigt, trie die älteren großen Sy¬
steme — typisch ägyptisch! — von der neuen Lehre aufgefangen
werden. Ffir den Charakter des Amun als neuen Boichs- und Welt¬
gott bezdchnend ist die Zurfickdrängung des Osiris in Theben, der
erst nach dem Zwischenspiel von Amarna sich neu hervorschiebt.
Bei der bisher vielfach fiberschätzten Atonreligion hebt K. deren
ünoriginaUtät und schheßUche positivistische Verengung auf einen
alle anderen Oötter ausschUeßenden Gott als unägyptisches „auf¬
klärerisches" Denken hervor. Auf diese Episode folgt in der Bames-
sidenzeit der Versuch neuer Sammlung, u. a. durch die Bildimg einer
Reichstriade mit Amun-Re von Theben, Re-Harachte von HeUopohs
und Ptah von Memphis. Parallel läuft die organisatorische Neu¬
ordnung der Tempelwirtschaft, die Pflege auch kleinerer Kulte, die
Bevorzugung von Magie imd Orakelwesen und die Bildung von Kult¬
genossenschaften. Mehr und mehr schUeßt sich auch die Priester¬
schaft als Stand ab. So fäUt das reUgiöse Leben Ägyptens steigender
Verödung anheim. In der Spätzeit nimmt Amup, jetzt besonders
poUtisch unterbaut, einen letzten Aufschwung, bis der Versuch der
Äthiopen zu einem ihm geweihten Gottesstaat scheitert und der Weg
frei wird für den endgültigen Sieg des Osiris. Dieser begann in der
Eamessidenzeit bereits wieder aufzuleben und erstreckt nun seine
BeUquienkulte über das ganze Land, wahrend die Verfemiipg des
Seth, in der Ramessidenzeit noch aufgehalten, nunmehr fortschreitet.
Den Abschluß dec langen Weges des ägyptischen Götterglaubens
bilden die Götterlehren der späten Tempel, wie die von Edfu, Dendera,
Kom Ombo und Esne, die aus sprachlichen und epigraphischen
Gründen schwerer zugänghch, trotz Bbugsch bisher noch weitgehend
unerschlossen waren und nun hier ihre GrimdUnien erkennen lassen.
Wesentlich an der Religion dieser „Epigonen" scheint die fort¬
schreitende Trennung von Theologie und Glaube, nachdem der
einigende Gedanke des Gottkönigtums, den K. ala roten Faden durch
die Geschichte aufwies, nicht mehr die zusammenhaltende innere
Kraft darsteUte. So stehen schließUch wie zu iüibeginn, nun aber
fanatisch verengt, die einzelnen Gaugebiete mit ihren Ortsgöttern einander feindselig gegenüber und indem sich die spätesten Ägypter,
ohne neues Gedankengut, hartnäckig an das alte Erbe ihrer Götter
klammern, erlebt auch der Glaube ein armseUges Ende.
Diese hier nur mit wenigen Strichen wiedergegebenen Gedanken
sind in Kees' Werk in trotz aUer Nüchternheit mitreißender Weise
dargesteUt und mit einer FüUe von z. T. noch nicht hervorgehobenen
Tatsachen unterbaut, so daß nicht nur deijenigCj den die Fragen
ägyptischer reUgiöser Denkweise bewegen, sondem auch der, welcher
das B^ürfnis nach einer großzfigigen Darstellung ebenso wie nach
sachhcher Einzelbelehrung empfindet, restlos auf seine Rechnung
350 Bttcherbesprechungen
kommt. Denn es ist hier das verworrene umfangreiche Material
mehrerer Jahrtausende durch eine Anzahl großer Gedanken zu klarer
Ordnung gebracht, wie sie so umfassend nicht gleich wieder durch¬
geführt werden wird. Daß einiges hierbei als Arbeitshypothese gelten
mag, hier und da ein Ausbau wie nach der kidt-, wirtschafts- und
literargeschichtUchen Seite mögUch und eine Grenzziehung zwischen
Theologie und Glauben einmal wünschenswert wäre, ist dabei nur zu
verständhch. Seien wir dem Verfasser jedoch dankbar, daß er uns
nach jahrdangen Vorarbeiten dieses umfassende Werk bescherte, das
auch, wo sich kommende Generationen mit ihm auseinandersetzen
werden, auf lange Sicht der verläßhche Führer sein wird durch das
Zaubetländ des ägyptischen Götterglaubens.
AiifBED Hebmann, Berhn
Bbinhold F. G. MüLiiBR, Orundlagen altiruUscher Medizin (= Nova
Acta Leopoldma, N. F. Bd. 11, Nr. 74). 100 8. Halle (Saale):
Deutsche Akademie für Naturforscher. 1942.
Der durch zahlreiche Arbeiten aus dem Gebiet der indischen
Medizin bekannte Verf. gibt hier einen zusammenfassenden Über¬
bhck der von ihm zu seinem Thema gewonnenen Erkenntnisse.
Von den sechs Kapiteln der Arbeit behandelt das erste die medi¬
zinischen Anschauungen der vedischen Zeit. Der Verf., der, wie er
selbst betont, vor aUem Medizingeschichtler ist und sich erst in
zweiter Linie in sprachhche Dinge eingearbeitet hat, hat sich auf
dem schwierigen, an Deutungen und Erklärungsversuchen aller Art
reichen Gkbiet< des Veda der Führung Johannes Hbrtbl's an¬
vertraut, dem die Arbeit auch ans Anlaß seines 70. Geburtstags
gewidmet ist.
Dem zweiten Kapitel, das aus den spärhchen Hinweisen der
nachvedischen Litesatur einiges über Stellung und Ausbildung der
altindischen Ärzte zu entnehmen sucht, folgt der aus den rest¬
hchen vier Kapiteln bestehende Hauptteil, der den Klassikern der
indischen Medizin gewidmet ist. Bei der Analyse der tmter den
Namen Carakas, Su6mtas und Vägbha^ gehenden Schriften und
bei der Zuweisung der indischen termini an die Begriffe der mo¬
dernen Medizin geht der Verf. erfreuhcherweise mit der gebotenen
Vorsicht vor. Der Satz, daß die kulturellen Lebensäußerungen
eines Volkes nur aus ihrer Zeit und ihrer Umgebung heraus rich¬
tig verstanden werden können, gilt ja in ganz besonderem Maße
für die Inder, bei denen Wissenschaft, Kunst und alle Erschei¬
nungen ihres soaalen Lebens aus dem Urgrund einer rehgiös ge¬
färbten Weltanschauung wachsen, die ihre Eigenart in einer fttr
uns Abendländer schwer faßbaren Weise fiber die Jahrhunderte
benrahrt hat.
Bücherbesprechungen 351 So geUngt es dem Verf., wesentUche Ansichten der altindischen
Medizin, wie etwa die trido^- und mahäbkOta-Lehien, von ihren
reUgiös-philosophischen Wurzeln aus zu klären und uns sowohl
die Abhängigkeit als auch die Unterschiede der klassischen Schriften
voneinander (alles unter weitgehender Heranziehung vergleichen¬
der Tabellen) zu verdeutUchen. Wenn trotzdem noch manches
widerspruchsvoll und unklar bleibt, und in Kreisen der Medizin¬
geschichtler, wie der Verf. an einer Stelle mit einer gewissen Ent¬
täuschung feststellt, der Eindruck vorherrscht, daß die indische
Medizin „von so vielen Geheimnissen umgeben" sei, so dürfen
wir nicht vergessen, daß wir für dieses wie für die anderen Ge¬
biete der älteren indischen Kulturgeschichte fast ausschließhch
auf hterarische Quellen mit allen ihren Interpretationsschwierig¬
keiten angewiesen . sind. Archäologische Offenbarungen nach Art
der Funde aus dem Industal gehören leider zu den großen Aus¬
nahmen. SucoFRiBD Behrsing
Bertold Spuleb, Die Goldene Horde. Die Mongolen in Rußland 1223
bis 1502 (= Das mongolische Weltreich, Bd. 2). XVI, 556 S.,
2 Stammtafeln u. 2 Karten. Leipzig: Otto Harrassowitz. 1943.
Bereits vier Jahre nach dem Erscheinen seiner „Mongolen in Per¬
sien", schenkt ims B. Spuleb ein neues Werk, dessen Quahtät ebenso
hervorragend ist wie die des früheren Buches. Die besonders ver¬
worrenen Verhältnisse im kiptschakischen Reich stellt uns der Ver¬
fasser in klarem Stil und unter ständiger Angabe seiner Quellen samt
deren genauer Geltungszeit dar. Außer literarischen Werken, hat er
auch die Resultate der Numismatik und der Archäologie scharfsinnig ausgewertet; davon zeugt auch die Bibliographie, die allein schon als
spannende Lektüre zu bezeichnen ist: Sie ist sachlich geordnet und
führt auch solche Werke auf, die dem Verfasser zur Zeit nicht zugäng¬
lich waren, regt damit also unsern Forschungseifer weiter an.
Spuleb stellt zunächst die äußeren Geschehnisse dar: die Konsoli¬
dierung der moCgoIischen Macht, ihre langsame Türkisierung — seit
etwa 1300 nimmt er eine Ersetzung des Mongolischen durch das Tür¬
kische an —, und den Verfall infolge von Kämpfen innerhalb der
fürstlichen Sippe. Als sich seit dem ersten musUmischen Herrscher,
dem bedeutenden özbeg-chan, 1313—1341, die Moskauer Rurik-Nach-
kommen sowie die Litauer und Polen nach und nach wieder auf ihren
iigenen Willen besannen, waren es nämlich außer diesen gegebenen
Feinden des Staates Zwistigkeiten der Chansfamilie, die zur Zer¬
setzung des Reiches führten. Es waren weniger die Lehensträger, wie
im ritterUchen Abendland, als vielmehr die FamiUe, die den Tataren
zum Problem wurde und damit sowohl ihre Stärke als auch der Anlaß
352 Bficherbesprechungen
ihres Untergangs war. Daher widmet der Verfasser dem FamiUenrecht
eine besondere Studie innerhalb seiner der Hauptdarstellung ange¬
schlossenen sieben Monographien. Wir erfahren dort von der Ausein¬
andersetzung zwischen dem alten Jaaa, dem ^genen Becht, und dem
neu anzuerkennenden islamischen Becht. Die Frau hatte große Selb¬
ständigkeit, besaß eigene Habe und wurde (in vornehmen Haushalten)
von Verschnittenen bedient. Kinder dagegen wurden in Notzeiten
ohne zu große Bedenken fortgegeben oder sogar verkauft. Daher
konnten die Mamluken in Ägypten Generationen hindurch die ffir ihr
Staatswesen so wichtigen Sklaven aus Sfidrußland besehen, bis es
um 1326 zu einer Trübung des freundschaftUchen Verhältnisses mit
dem Kiptschak kam.
Eine weitere Monographie behandelt das innerstaatUche Leben,
eine andere das MiUtärwesen. Das Heer baute sich auf dem Zehner¬
system auf und teilte sich in einen rechten, ung, und einen linken, sui Flügel. (Ich empfehle die Lesungen ong und soi, nicht jene Formen mit modern-tatarischer Lautverschiebimg.) Den Zehntausendschafts- ffihrem, Bäk oder O^Ian, wurden als Gehalt die Einkfinfte von großen Gfitem zugewiesen, was Spuleb als „Lehden" ^bezeichnet, eine Über¬
setzung von mong. sujuryal (besser sojuryal, wie es im Codex cimiani- cuB nnd bei Haenisch, Yüan ch'ao pi shi heißt; die wörtliche Bedeu¬
tung dieses Wortes ist „Gnade", also „Gnadengabe"; es liegt das chin. ilK ts'ü „sich erbarmen" zugrunde). Leider kann der Verfasser über den Charakter dieser „Lehen" keine weiteren Angaben machen.
Mit besonderem Interesse liest man das weitere Kapitel über
Nahrung und Kleidung. Noch damals knöpften die Mongolen ihr
Gewand nach rechts; von den Tfirken wird ausdrfickUch erwähnt, daß
sie nach links knöpfen, ein Gebrauch, den sie seinerzeit unter chinesi¬
schem Einfluß angenommen hatten. Im 8. Jahrhundert hatte es ihnen
nämhch als Auszeichnung gegolten, sich nach chinesischer Mode rich¬
ten zu dfirfen. — Der Frauenhut erhob sich von der Rundung des
Kopfes etwa eine Elle hoch als ein seidenbespanntes, geflochtenes Gestell, das oben mit einer langen Feder verziert war; rfickwärts hing von ihin ein Schleier bis auf die Schultern; darunter wurde das Haar
geborgen. Der Name dafür war buylaq (lies boytaq, denn Haekibch,
a. a. 0. hat auf Gnmd chin. Umschreibung bohta{q) „Frauenkrone", nnd -— was täi den Ursprung dieses Monstrums erhellend ist : bohtaqla-
„den Kopf kämmen" ; auch N. N. Poppe weist uns in selbem Mongol'-
skij slovar, Mokaddimat al-adab, bei Spulbb Nr. 436, dies Wort
mit der Bedeotong „Krone" oder „Hut" nach). ^
Die Koltor der Tataren wird in einer weiteren Sonderstodie be¬
sprochen. Sarai, die Haoptstadt, woiile zo einem Zentmm der Wissen¬
schaft ond Kfinste gemacht. Ffir die Leistongen 'der Nachbarvölker war viel Aofgeschlossenheit vorhanden, die eine WeiterentwicUong
Bficherbesprechungen 35a
der mitgebrachten eigenen Kunstfertigkeiten veranlaßte. SPUiiEB
weist Einflfisse aus Choresm, Ägypten, Syrien und von den Seldschu¬
ken nach; chinesische Elemente erwähnt er nur zweifelnd, doch
möchte ich diese, angesichts der völlig chinesisch anmutenden Schil¬
derung tatarischer Häuser sogar ffir recht beträchtlich halten. Auch
das gemauerte Ofenbett, qan, scheint doch mit dem chinesischen
jjl jfc'ang' zusammenzuhängen.
Zwei Stammtafeln und eine vollständige Liste der kiptschakischen
Herrscher erleichtem die Orientierung, ein Namens- imd ein Orts¬
register das Nachschlagen in diesem inhaltsreichen Werk. Eine Karte
zeigt einige wichtige Uberlandhandelswege und die wichtigsten Aus¬
grabeplätze, eine weitere stellt das Kräftefeld um das Mittelmeer im
Jahre 1280 dar, eine besonders eindmcksvolle Zeichnung, die die po¬
litischen Ausstrahlungen der Goldenen Horde erkennen l&ßt und
noch mehr das Gegenspiel der europäischen zeitgenössischen Mächte,
die entweder den Kiptschak oder dessen traditionellen Gegnern, den
Il-chanen in Persien zugewandt waren.
Annemabie von Gabain, BerUn
Dr. sc. pol. Bbinhard Ht)BER, Die Bagdadbahn. 126 S. mit 1 Karte.
Berlin: Junker und Dfinnhaupt Verlag. 1943.
Die deutsche Bagdadbahnkonzession hat die an der alten Türkei
besonders interessierten Mächte England, Bußland und Frankreich
in den letzten Jahrzehnten vor dem ersten Weltkrieg viel beschäf¬
tigt. Es sind die« kompUziertesten Intrigen untemommen worden,
um dieses großzügige deutsche Projekt zu FaU zu bringen. Es
besteht über die deutsche Bagdadbahn eine so umfangreiche Lite¬
ratur, die je nach der EinsteUung der Verfasser oder deren Auf-
traggebem zu ganz verschiedenen Folgerungen kommt, so daß es
für einen ganz sachUch denkenden Jieser schwer wird, sich ein
richtiges BUd davon zu machen, welche Ziele die deutsche Vor¬
kriegsarbeit in der Türkei verfolgt hat. Der Verfasser des jetzt
vorUegenden neuen Buchs über die Bagdadbahn hat die vorhan¬
dene Literatur ausnahmslos durchgearbeitet. Ihm standen beson¬
ders auch die jetzt verößentUchten russischen Archive zur Verffi-
gung. Er ist ein anerkannt guter Kenner der poUtischen nnd
wirtschafthchen Verhältnisse in der jetzigen Tfirkei, was auch von
amtUcher türldscher Seite bezügUch seines 1942 erschienenen Werks
„Die Tfirkei" anerkannt wird. Wenn der Verfasser zu dem Schluß
kommt, daß die deutschen Bestrebungen der Vorkriegszeit ledig¬
Uch das Ziel verfolgten, die damals schwache Tfirkei durch die
Förderung des Bahnbaus wirtschaftlich und pohtisch stärker zu
354 Bficherbesprechungen
machen, und daß die deutsche Bagdadbahn keineswegs eine Ur¬
sache des vorigen Weltkriegs gewesen ist, wie vielfach angenom¬
men wird, so kann man sich diesem Urteil voll anschheßen. Die
Zeittafel am Ende des Buchs ist ffir jeden, der sich mit der Ent¬
wicklung des Verkehrswesens in der früheren und jetzigen Tfirkei
beschäftigt, eine aufschlußreiche und wertvolle Beigabe, die dauern¬
den Wert behält. Das Werk von HUbkr ist als ein neuer sehr
beachtenswerter Beitrag zu dem Verhältnis Deutschlands zur
früheren imd jetzigen Türkei zu begrüßen.
P. Dieckmann, Heide (Holst.)
MITGLIEDERNACHRICHTEN
Neue Mitglieder:
1829 Herr Professor D. Dr. Anton Jirku, Bonn a. Rh., Junkerstr. 20.
2631 Fräulein Margarete Kailuweit, Berlin-Halensee, Storkzeile 8,1.
2817 Frau Dr. Elfriede Senfft, Berlin C 2, Klosterstr. 44.
2963 Herr Dr. Ernst Görlich, Gewitsch b. Boskowitz (Mähren).
2964 Herr Studienrat Dr. Kurt Wendt, Berlin-Steghtz, Lauenburger Str. 22.
2965 Frau Dr. phil. Maria Altheim, Frankfurt a. M., Wolfsgangstr.l9.
2966 Gefreiter Hans Kruse, 4./NDEA, Meißen-Bohnitzsch, Barackenlager.
2967 Herr Dr. phil. Paul Trost, Brünn (Protektorat), Neurathstr. 14/16.
2968 Fräulein Dr. Margarete Eisenkolb, Prag III, Aujestr. 1.
2969 Herr Professor Dr. G. StadtmüHer, LeipzigCl, Universitätsstr. 13, II (Institut f. Geschichte u. Kultur Südosteuropas).
2970 Herr Generalkonsul Geheimrat Dr. Seiler, Istanbul (Türkei), Deut¬
sches Generalkonsulat.
2971 Herr Heinrich Knobloch, Pfaffendorf, Krs. Lauban, über Görlitz.
2972 Herr Dr. jur. Hans Helmut Popp, Jena (Thür.), Lutherstr. 14.
2973 Herr Jakob Weis, Berlin NW 87, Schleswiger UferlO, III b. Thalwitzer.
2974 Herr Amtsgerichtsrat Dr. Oskar Büttner, Naumburg a. d. S., Charlot- tenstr. 7.
2975 Herr Andre Leon Oskar Michael Freiherr von F re y t ag-Lori ngh o - ven a. d. H. Adiamünde, Wiesbaden, Rheinstr. 81.
2976 Herr Dr. phil. Rolf Bonaudo, Bad Aachen, Weingartsberg 7.
2977 Herr Robert Slot, Köln-Junkersdorf, Vogelsängerweg 43.
2978 Herr Assessor Wolfgang Timm, Berlin W 30, Neue Winterfeldtstr. 17.
2979 Herr stud. phil. or. Smail Bali6, Leipzig C 1, Universitätsstr. 13, II (Institut f. Kulturgeschichte).
2980 Herr Hermann Wilh. Winkler, Bernau (Oberbayern), 89.
2981 Fräulein Sieghild Mueller, Heidelberg, Im Bäckerfelde.
2982 Herr Josef Bartek, Rachendorf b. Wall. Meseritsch (Protektorat).
2983 Herr Dr. Hans Mohr, Berlin-Steglitz, Südendstr. 8.
Anschriften-Änderungen :
(Mit der Bitte um Abänderung im MltgUedcr-Verzeiclmls, Bd. 84, N. F. Bd. 9, H. 1.) Herr Professor Dr. Helmut Arntz, Honnef (Rhein), Lohfeld 76.
Herr Professor Dr. Karl Bouda, Erlangen, Luitpoldstr. 67.
Herr Professor Lic. Dr. Karl Elliger, Tübingen, Gartenstr. 18.
Herr Dr. Burkhard Frank, Komotau (Sudetenland), Morgenzeile 117, I.
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