Von S. H. Taqizadeh-London
Bei meinem Studium der Geschichte des iranischen Kalen¬
ders bin ich mehrfach vor Probleme der Chronologie gestellt
worden, deren Lösung ich angestrebt habe; meine kalenda¬
rischen Untersuchungen werden (in persischer Sprache) der
Öffentlichkeit demnächst vorgelegt werden; hier sei es mir
gestattet, einige chronologische Fragen von allgemeinerem
Interesse zu erörtern.
Das Antrittsjahr der Regierung Ardaschirs, des Gründers
des Sassanidenreiches, ist bekanntlich das bürgerliche per¬
sische Jahr, das am 26. September 226 n. Chr. begann und
am 25. September 227 ablief. Ardaschirs wirklicher Regie¬
rungsantritt fällt also in die letzten Monate des erstgenannten
oder in die ersten neun Monate des folgenden Jahres. Zur
Zeit der Sassaniden war nun aber eine Ardaschir-Ära im
Gebraucb, die mit dem persischen Jahr 26. September 224
bis 25. September 225 begonnen haben muß. Spuren dieser
Ära liegen in den Märtyrer-Akten vor, in denen das Jahr 31
Schapurs II. (339/40) als Jahr 117 des persischen Reiches
bezeichnet wird (s. Nöldeke, Tabari S. 410). Dies war das
einzige Beispiel für den Gebrauch dieser Ära, das Nöldeke be¬
kannt war. Einige arabische Quellen bestätigen den Gebrauch
dieser Ära. Muhammad ibn Salämat ibn Ga'far ibn
'Ali ibn Hakmün al-Qudä'i (f 1062 n. Chr.) berichtet in
seinem Buch Kitäb al-Anbä' (verfaßt im Jahre 1031), daß die
Perser zuerst nach Alexanders Eroberung Persiens und später
nach Ardaschirs Thronbesteigung datierten (Edward Pocock,
Specimen Historiae Arabum, Oxford 1806, S. 178). Der be¬
kannte persische Astronom Abü-Ma'sar Balhi (Mitte des
9. Jahrh.) sagt in seinem Büchlein mit dem Titel:
J ^/j^ j ^J^. ^'Ij^l -^'jjj >r^-*^lj ij-ljl ^ t}\ j
ils\ ^yi» üto. (British Museum, Or. 3577 fol. 72b), das per¬
sische Reich (gemeint ist das Reich der Sassaniden) habe
427 Jahre bestanden. Wenn diese Zahl echter Überlieferung
entnommen ist, so kann sie sich nur auf die Zeit zwischen
224 n. Chr. und 651, dem Todesjahr Yazdegirds, bezieben.
Wenn die Daten in den Depinti der Synagoge von Dura die
Jahre 24 und 25 (und nicht 14 und 15) enthalten, wie m. W.
anfangs von manchen Gelehrten angenommen wurde, können
auch diese sich nur auf die Sassanidische Ära beziehen.
Aber dies wenigstens ist zweifelhaft und mag dahingestellt
bleiben.
Worin liegt nun die Bedeutung dieser beiden verschie¬
denen Daten für Ardaschirs Regierungsbeginn? Nach Nöl¬
deke sei die im Jahre 224 beginnende Ära nach dem ent¬
scheidenden Sieg Ardaschirs über den letzten Partherkönig
Ardavän gerechnet, während das zweite Datum, d. h. das
Jahr 226, sich auf die Eroberung der Hauptstadt Ktesiphon
beziehe. Gutschmid (Geschichte Irans und seiner Nachbar¬
länder, Tübingen 1888, S. 172) schlug jedoch vor, das erste
Datum als das Jahr zu verstehen, in dem Ardaschir in
Gör (heute Firüzäbäd, in Pärs) seine Unabhängigkeit vom
Partherreich erklärte, das zweite hingegen auf den oben¬
erwähnten Sieg Ardaschirs in der Ebene Hormizdagän zu
beziehen. Für Nöldeke's Vermutung und gegen Gutschmid's
Ansicht läßt sich das Folgende geltend machen:
1. Wir wissen durcb Tabari (Serie I, S. 818), daß die große
Schlacht zwischen dem Gründer des Sassanidenreiches und
dem letzten Partherkönig am letzten Tage des persischen
Monats Mihr stattgefunden hat. In den Jahren 224—227
fällt dieser Tag auf den 27. /28. April. Fand nun jene Schlacht,
die dem Partherreich ein Ende machte, im persischen Jahr
September 226 bis September 227 n. Chr. statt, so müßte sie
auf den 28. April 227 festgelegt werden. Nun sagt Mani in
seinem Buch Säßuhragän (Birünis Chronologie, ed. Sachau,
S. 118), daß er die göttliche Offenbarung im Jahre 539 der
Ära der babylonischen Astronomen empfangen habe „als
2 Jahre von den [Regierungs-] Jahren des Königs der Könige
Ardaschir verflossen waren". Dies babylonische Jahr beginnt
am 25. März 228 und endet am 12. April 229 n. Chr. Wenn
jedoch Ardaschirs Regierungsjahre vom 28. April 227 (was
dem 23. Nisan 538 sei. Ära entspricht) an gerechnet wurden, so
waren jene 2 Jahre erst am 28. April 229 abgelaufen. Dieser
letzte Zeitpunkt fällt aber in das Jahr 540 „der Jahre der
babylonischen Astronomen" (d. i. die am 2./3. April 311 v. Chr.
beginnende seleukidische Mondjahr-Ära), und zwar entspricht
der 16. Nisan i). Wir dürfen Manis Worte wohl kaum auf die
offizielle (künstliche) persische Zeitrechnung, d. h. auf das
bürgerliche Kalenderjahr, beziehen und so annehmen, daß
diese zwei Jahre vom Anfang jenes persischen Kalender¬
jahres, in dessen Verlauf Ardaschir zur Regierung kam, ge¬
rechnet worden seien; vielmebr müssen wir den wirklichen
Regierungsantritt Ardaschirs als Ausgangspunkt ansehen.
Demnach muß Ardaschir vor April 227 und nach dem
26. September 226 zur Regierung gekommen sein, in dem
Jahr also, in dem er die Hauptstadt in seine Hand bekam.
Wir werden später hierauf zurückkonmien und versuchen,
das wirkliche Datum seines Regierungsantritts annähernd
festzulegen.
2. In seiner Chronologie, S. 119, gibt Birüni nach Berich¬
ten persischer Astronomen, als Horoskop des Jahres, in dem
Ardaschir „sich erhoben hat", d. h. auf den Thron gekommen
ist, die Mitte des Zwillings an (ungefähr 15 Grad), und als
Jahreshoroskop für Yazdegirds Thronbesteigung ein Sechstel
des Skorpion, also etwa den fünften Grad; „Jahreshoroskop"
meint das Horoskop der Jahreswende beim Frühlingsäqui¬
noktium. Die Perser (vielleicht den Babyloniern folgend)
baben von allen wichtigen Ereignissen stets sorgfältig die
Horoskope festgestellt und der Nachwelt überliefert. Wir
baben z. B. zwei babylonische astrologische Horoskope aus
1) Die Daten der seleukidischen Mondjahre sind hier nach Nsu-
oebaokb's Hilfstafeln zur technischen Chronologie, Kiel 1937, gegeben.
dem 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. bei KuglerI). Tabari
(I, 854) erzählt, daß Yazdegird der Erste (399—420) bei der
Geburt seines Sohnes Bahram das Horoskop feststellen ließ;
ja, er gibt sogar die genaue Zeit der Geburt an (siebente
Stunde des ersten Tages des persischen Jahres). Anscheinend
heß man nicht nur für die Geburtszeiten, die Thronbestei¬
gungen der Könige und die Jahreswenden (Frühlingsäqui¬
noktium) das Horoskop feststellen, sondern auch überhaupt
für jedes Ereignis von größerer Bedeutung, worauf z. B. die
Fortführung dieses Brauches in Persien nach der Sassaniden-
herrschaft hindeutet. In astrologischen Büchern aus den
ersten Jahrhunderten der islamischen Zeit lassen sich mehrere
Beispiele dafür finden*).
Wenn nun in einem Horoskop für die Jahreswende die
Mitte des Zwillings Aszendent ist, so muß das Äquinoktium
gegen 11 Uhr früh stattgefunden haben. Was nun den Ein¬
tritt der Sonne in den Widder in den in Frage kommenden
Jahren (224—227 n. Chr.) anlangt, so vollzog er sich im
Jahre 224 in Greenwich am 21. März 37 Minuten nach Mitter¬
nacht, d. b. in der ersten Morgenstunde, also in Istachr um
4 Uhr früh; in dieser Zeit waren in Pars die letzten Grade
des Wassermann oder die ersten des Fisches im Aufsteigen.
Im Jahre 226 fand das Äquinoktium für Istachr um 3 Uhr
37 Min. p. m. statt; Aszendent war der letzte Teil des Löwen.
Im Jahre 227 trat die Sonne gegen 9 Uhr 25 Min. p. m. in
den Widder; die aufsteigende Stelle der Ekliptik lag im Skor¬
pion. Es bleibt nur das Jahr 225: in diesem fand das Äqui¬
noktium um 9 Uhr 48 Min. a. m. (21. März) statt. Wenn man
nun den Unterschied zwischen den damaligen und den moder¬
nen astronomischen Beobachtungsmethoden in Betracht
zieht, so darf man unterstellen, daß die persischen Astronomen
den Eintritt der Sonne in den Widder um eine Stunde und
ein paar Minuten später gerechnet baben mögen. Tatsächlich
war gegen 11 Uhr a. m. an jenem Tage die Mitte des Zwillings
1) Fbanz Xavier Kcolbb, Sternglaube und Sterndeutung in Babel II
554-55.
2) Z. B. bei Qasränl, Kitab al-masä'il.
in Aszension. Dies Jahr allein paßt also zu dem uns von
Birüni überlieferten astronomischen Bericht; die Annahme
eines andren Jahres würde einen unwahrscheinlich großen
Reebenunterschied zwischen der alten und modernen Astro¬
nomie voraussetzen.
Demnach liegt die Annahme nahe, daß die große Schlacht
des 28. April im April des Jahres 225 und nicht in dem des
Jahres 227 stattgefunden bat und daß das eben behandelte
Horoskop sich auf das in den März des gleichen Jahres fal¬
lende Äquinoktium bezieht. Wenn nun Ardaschirs Sieg über
Ardavän am 28. April 225 statt hatte, so würde als Beginn
der Sassaniden-Ära natürlich nicht ebendieser Tag gelten,
sondern vielmehr der Anfang des bürgerlichen persischen
Jahres, in dessen Verlauf jenes Ereignis fiel, also der 26. Sep¬
tember 224.
Da also kein Anlaß besteht, die Schlacht von Hormizda¬
gän in den April 227 zu verlegen, so läßt sich nunmehr für
Ardaschirs Besteigung des Reichsthrons der Parther die
Zeit vor April 227 feststellen ; um nun möglichst annähernd
das Datum dieses wirklichen Regierungsantritts bestimmen zu
können, müssen wir zwei andre Momente in Betracht ziehen:
a) Nach Ibn an-Nadims Kitäb al-Fihrist (S. 328) hatte
Mani seine erste Audienz bei Schapur I. am Sonntag, dem
ersten Tag des Nisan, als die Sonne im Widder stand. Dieser
Tag war nach Ibn an Nadim der Krönungstag Schapurs. Der
fragliche Nisan kann jedoch nicht der babylonische Monat
sein, der im Jahre 242 n. Chr. (das wahrscheinlichste Krö¬
nungsjahr Schapurs) viel später begann (20. April), vielmehr
muß der jüdische Nisan gemeint sein, der in jenem Jahr am
19. März anfing. Allerdings stimmt diese Überlieferung nicht
ganz mit der wahren Berechnung überein, vielmehr ergibt
sich eine Abweichung um einen Tag in den Wochentagen und
zwei Tage im tropischen Jahr; denn ein Sonntag war der
20. März, und am 21. März trat die Sonne in den Widder
ein^). Allein, wie Nöldeke bemerkt (Tabari S. 413), kleine
1) Die Konjunktion fand in Ktesiphon am 19. März um 3 Uhr 49 Min.
a. m. statt und das Äquinoktium am 21. März um 0 Uhr 14 Min. p. ni.
Fehler dieser Art „können bei der Schwierigkeit solcher Rech¬
nungen nicht in Anschlag kommen". Jedenfalls kann weder
der Anfang des jüdischen noch der des babylonischen Jahres
in 241 n. Chr. mit diesen Angaben irgendwie überein gebracht
werden 1). Also begann das erste Jahr der Regierung Schapurs
mit dem 22. September 241. Sein wirklicher Regierungs¬
antritt, d. h. der Tod Ardaschirs, muß daher zwischen diesem
Tag und dem 19. März 242 stattgefunden haben. Nun wissen
wir durch die Kephalaia (ed. Carl Schmidt, Stuttgart 1935,
S. 15), daß Mani gegen Ende von Ardaschirs Regierung nach
Indien reiste, dann auf Schapurs Veranlassung oder Ein¬
ladung hin nach Ardaschirs Tod von Indien über Pärs, Baby¬
lonien, Mesene und Chüzistän nach Gundaischäpür, Schäpürs
Residenz, zurückkehrte, um dort von dem König empfangen
zu werden; die Zeitspanne zwischen Ardaschirs Tod und
Schapurs offizieller Krönung kann daher nicht unbeträchtlich
gewesen sein: Ardaschir ist also kurz nach dem Beginn des
bürgerlichen persischen Jahres (22. September 241) gestorben.
b) Die Dauer von Ardaschirs Regierung wird in den mei¬
sten und ältesten Quellen mit 14 Jahren und 10 Monaten an¬
gegeben. Wenn wir nun aus den oben angeführten Gründen
Ardaschirs Tod ungefähr auf den Oktober 241 verlegen, so
fällt der Beginn seiner Regierung etwa in den Dezember 226.
Es ergibt sich also das Folgende: Ardaschir hat den
großen Sieg über Ardavän am 28. April 225 errungen. In den
nächsten 20 Monaten bis zu seiner offiziellen Krömmg in
Ktesiphon war er mit der mehr oder minder erfolgreichen
Eroberung von Ekbatana, Medien, Atropatene, Armenien,
Assyrien usw. beschäftigt. Als offizieller Anfang der Sassa¬
niden-Ära muß also der 26. September 224 n. Chr. als ihr wahrer
Beginn der 28. April 225 betrachtet werden. Der offizielle
Beginn von Ardaschirs endgültiger Regierung als allgemein
Für 6undaischapur müssen je 20 Minuten hinzugefügt werden. Diese
Zeitbestimmungen basieren auf Schbam's Tafeln; von Nöldekb's Be¬
rechnungen weichen sie aber ziemlich ab.
1) Der jüdische Nisan begann am 30. März und der babylonische am 1. April.
anerkannter „König der Könige" fällt hingegen auf den
26. September 226, sein wirklicher Regierungsantritt auf den
Dezember des gleichen Jahres.
Ohne Bedeutung wäre der Einwand, daß Birünis Be¬
zeichnung Ardaschirs als „König der Könige" bei Gelegenheit
der Zeitbestimmung von Manis Auftreten (,,als zwei Jahre
von den Jahren Ardaschirs, des Königs der Könige, verflossen
waren") darauf hindeute, daß Ardaschir damals diesen Titel
erst zwei Jahre lang besessen habe; denn da Tabari ausdrück¬
lich feststellt (Serie I, S. 819), daß Ardaschir nach seinem
Sieg über Ardavän zum ,, Sähänääh" ausgerufen wurde, so
ergäbe sich, daß die Schlacht von Hormizdagän nicht vor Be¬
ginn des seleukidischen Mondjahres 537 (17. April 226 n. Chr.)
gesetzt werden dürfe. Der Titel „König der Könige" ist hier
offensichtlich als bloßes Epithet gebraucht und bezieht sich
nicht auf die Regierungsjahre Ardaschirs. Der Einwand voll¬
ends, Birünis Ausdruck ,,sich erheben" in seinen Ausführungen
über die Horoskope („das Jahr, in dem Ardaschir sich er¬
hoben hat", „das Jahr, in dem Yazdegird sich erhoben hat")
könne sich nur auf Ardaschirs Thronbesteigung beziehen, wie
er sich ja bei Yazdegird in der Tat auf die Thronbesteigung
bezieht, scheint mir gegenüber der Fülle der widersprechenden
Beweisstücke nicht von großer Bedeutung zu sein; „sich er¬
heben" {qäma) mag wenigstens ebensogut auf das der Ver¬
nichtung bzw. dem Tode des Vorgängers folgende Aufsteigen
des Nachfolgers gehen wie direkt auf die Thronbesteigung.
Von Walther Hinz-Göttingen
Als zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Grundlagen für
den nationaliranischen Staat der Safaviden geschaffen wurden,
spielten Fragen der Sprachgestaltung noch keine Rolle. Schah
Isma'il der Reichsgründer dichtete auf äzari-türkisch, sein
großer Gegenspieler, der Großherr Selim der Grimmige, auf
persisch. Anders im heutigen Iran Rezä Säh Pahlavis, wo im
Zuge des allgemeinen Nationalisierungsvorganges der Reini¬
gung und schöpferischen Erweiterung des neupersischen
Wortschatzes lebhafte Beachtung — und zwar in breitesten
Kreisen — geschenkt wird.
Im April des Jahres 1935 {Farvardin 1314) verfügte der
Schah die Gründung einer Akademie {angoman) zur Be¬
treuung und Fortentwicklung der neupersischen Sprache.
Am 19. Mai 1935 (29. OrdibeheSt 1314) genehmigte der Minister¬
rat durch Kabinettsbeschluß die Satzungen der neuen Aka¬
demie, die sich durch ihren Namen Farhangestän-e Irän be¬
reits äußerlich als „Wörterbuch-Unternehmen" kennzeichnet.
Da aus diesen Satzungen in aufschlußreicher Weise die
Ziele und Aufgaben der neuen Einrichtung des näheren er¬
sichtlich sind, gebe ich im folgenden eine vollständige deutsche
Übersetzung.
Satzungen der Akademie Farhangestän-e Iran
Stück I: — Zur Betreuung, Verbreitung und Weiter¬
entwicklung der persischen Sprache wird eine Körperschaft
unter dem Namen Farhangestän-e Irän ins Leben gerufen.
Stück II: — Die Aufgaben der Akademie Farhangestän
sind folgende: