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Ossetica.
Von B. T. stackelberg.
1) Ossetiscb äznag Feind (vgl. Miller, Ossetische Studien I,
p. 108, Zeile 16 von oben, äznag-sädtng Feiudeschläger) leite ich
aus der Tiefstufe der iran. Yzan kennen her, welche sich im osse¬
tischen Verbum iron, zonün dig. zonun kennen findet; das ä im
Anfang halte ich für die alte Negationspartikel ä (indogerm. a),
welche neuerdings im Ossetischen durch änä mehr und mehr ver¬
drängt wird (vgl. Hübschmann ZDMG. 38, p. 427); das Suffix
ag würde hierbei ,die bleibende Eigenschaft" ausdrücken (vgl.
Hübschmann, Ossetische Nominalbildung ZDMG. Bd. 41, p. 330).
Aznag würde dann ursprünglich „der Unbekannte" geheissen haben
und hätte im Altiränischen etwa a-znä-lca gelautet.
2) Zu np. ^Xs'yi melken ist mit Eecht ossetisch-digorisch
dcoun, iron, dücün melkeu gestellt worden (Hübschmann, Ety¬
mologie und Lautlehre der ossetischen Sprache p. 36). Daneben
giebt es im Neupersischen noch eiu Verbum döxtan, welches „be¬
festigen, anheften (Fird. ed. Vullers I, 440, Z. 10 v.o.), nähen" bedeutet;
dieses vergleiche ich mit ossetisch än-düz-ün , dig. ün-doz-un be¬
festigen; vgl. Miller, Ossetische Studien II, p. 174.
3) Dig. idavüg, iron, daväg In den ossetischen Sagen werdeu
neben den izäd's (dig.), zäd's (iron.) die idaväg's , daväg's häufig
genannt, welche in Gemeinschaft mit Ersteren eine besondere Kate-
o-orie von Geistern bilden. Wie das Wort izäd aus dem Persischen
D
{Izad, cf d. parthischen Königsnamen Izates bei Tacitus) entlehnt
ist und nach meinem Urtheil auch fälwära Schutzgeist (= pärsi
ferver), so möchte ich auch daväg, idaväg als pers. Lehnwort an¬
sehen , indem ich dasselbe auf eine aus avestischem vldaeva her¬
vorgegangene Form zurückführe, die etwa vidaevak gelautet haben
dürfte. Zum anlautenden i im Digoriscben, welches auf älteres vi
zurückgeht, vergleiche digorisch insäi zwanzig = zd. vlsaiti, ferner
Miller, Ossetische Studien III, p. 143 § 14 und Hübschmann
Etymologie und Lautlehre der ossetischen Sprache p. 85 § 8.
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a für zd. ae in da&Da weist (im Zazadialect) auch das Kurdische Jtau
Dew auf (Lerch, Forschungen über die Kurden etc. II, p. 203).
4) Ossetisch fätäg Führer Evg. Matth. II , 6, wird häufig in
der Geschichte des alten Testaments von Bischof Josef gebraucht
(so p. 63, Zeile 4 v. u. , p. 64, Zeile 5 v. u. , p. 66, 6 v. u.,
p. 71, 7 V. u., etc.) und in der Ableitung fetägkag Lohn des
Anführers auch bei Schief ner. Ossetische Texte p. 84, Zeile 10
von oben (der russischen Ausgabe), vgl. Hübschmann, ZDMG.
41, p. 334. Das Wort kann nicht direet auf skr. pati, zd. paiti
zurückgehen, da man sonst den ossetischen Lautgesetzen gemäss
fädäg erwarten müsste. Wohl aber kanu fätäg als Lehnwort aus
dem Mittelpersischen, aus dem es auch das Armenische {pet HeiT
= zd. paiti, np. — bad) entlehnt hat, aufgefasst werden.
Ebenso wie fätäg , halte ich auch das Wort mätüx Heu¬
schrecke, welches sich in der alttestamentlichen Geschichte des
Bischofs Josef p. 48, Zeile 4 v. u. und p. 57, Zeile 8 v. u. findet,
für eine Entlehnung aus dem Mittelpersischen (pärsi matah). Anders
Hübschmann, Etym. und Laute der Oss. Sprache p. 49.
5) Zum ossetischen Verbum närün Evg. Job. XII, 29 donnern,
dig. narun vgl. Sjögren, Ossetische Sprachlehre p. 417 stelle
ich Kurdisch ^-yj-i narin, nurin rugir Justi-Jaba Dictionnaire
Kurde-Fran9ais p. 419.
6) Ossetisch sk'ärun treiben, jagen (vgl. Miller, Ossetische
Studien I, p. 118, Anm. 5 und II, p. 70) passt lautlich und auch
der Bedeutung nach zu np. sikardan ^^^Jiii jagen. Wegen des
(kaukasischen) k' scheint mir ossetisch sk'ärün aus dem Persischen
entlehnt.
Nachträge und Berichtigungen.
Zu ossetisch zärün singen, mit welchem Hübschmann (Ety¬
mologie und Lautlehre d. oss. Spr. p. 39 Nr. 128) skr. jar singen
verglichen hat , ist als Pendant aus dem Iranischen kurdisch zerin
braire Justi-Jaba Diet. Kurde-Fran9ais p. 222 zu stellen,
wie es schon Justi in seiner Kurdischen Grammatik p. 211
Nr. 145 gethan hat, der auch neuarmenisch qn-uij^ braire zur Ver¬
gleichung herbeizieht.
Ebenso ist zu ossetisch räin beileu (Hübschmann, a. a. 0.
p. 53, Nr. 211) aus dem iranischen Sprachgebiete kurdisch
rein aboyer Justi-Jaba a. a. 0. p. 217, hinzuzufügen.
Das Wort kan, pl. käntä bedeutet nicht, wie Tukkajew
bei Miller, Ossetische Studien I, p. 133, Anm. 189 meint, „irgend
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welche Geister, vielleicht die Geister der Verstorbenen", sondern
Zögling und ist aus dem Kabardinischen (cerkessischen) entlehnt.
In der russischen Zeitschrift „Sbomik swedeni o kawkazskix gortsax"
Band V, Abtbeilung II, p. 53, Anm. 4') heisst es: ,kan bedeutet
bei den Kabardinern ein Kind aus dem höchsten Stande, welches
zur Erziehung ausserhalb des Elternhauses einem Atalyk (Erzieher)
übergeben ist", vgl. auch Berge Sagen uud Lieder des Tscherkessen-
Volks p. 17: „Bis zum siebenteu Jahre pflegte der Erzieher (Bof-
chako) des kleinen Fürsten seinen Zögling (Kana)". So wäre denn
auch ZDMG. 41, p. 571, Aum. 6 statt der fraglicheu „Geister"
„Zöglinge" zu setzen.
Za 8. 364.
Zu der Bemerkung des Herrn Jacob D. M. G. XLIII, Heft III,
S. 364, dass die interessante Notiz, die Hewwar Rümi Pappel be¬
treffend , in der türk. Uebersetzuug des Burhän-i-kati' sich in der
pers. Original-Ausg. von Laknau nicht befindet, möchte ich hinzu¬
fügen, dass die Bombay pers. Ausg. 1267 den folgenden Satz enthält:
iXuib Vij »Ii' ^\ j-*-"' iiifMMisy^ lij! ij^ij
lXjLj Uil j g^y£L»j iSy^ b Li! „Hawwar Rümi, mit erstem
Fath, ist eiu Baum, desseu Harz Käh-mbä ist; seine Blätter gibt
man mit Essig einem Epileptiker, der daun gesund wird".
E. Rehatsek.
1) Der Aufsatz ist betitelt: Aus den kabardinischen Sagen Uber die Narten.